SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
"Ich spiele nicht nur Klavier ..."
Teresa Carreño und Ethel Smyth (5)
Von Ulla Zierau
Sendung:
Freitag, 10. Juni 2016
Redaktion:
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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SWR2 Musikstunde mit Ulla Zierau 10. Juni 2016
"Ich spiele nicht nur Klavier ..."
Teresa Carreño und Ethel Smyth (5)
Signet
„Ich spiele nicht nur Klavier“ – Komponistinnen Teil fünf, dazu begrüßt Sie Ulla
Zierau. Heute geht es um Teresa Carreño und Ethel Smyth und bevor wir in der
letzten Folge für diese Woche die beiden Komponistinnen porträtieren noch ein
paar Worte zur allerersten Musik, die seit über dreißig Jahren die
Erkennungsmelodie der SWR2 Musikstunde ist. Sie stammt -Kenner unter Ihnen
wissen es - auch von einer Komponistin, Emilia Giuliani, 1813 in Wien als Tochter
des bekannten Gitarristen Mauro Giuliani geboren. Wie ihr Vater wurde sie selbst
auch eine brillante Virtuosin auf diesem Instrument.
Ihr Capriccio begleitet uns jeden Morgen in die SWR2 Musikstunde und dass es
Musik von einer Frau ist, ist kein Zufall, denn eine der ersten erfolgreichen
Musikstunden war damals eine Reihe über Komponistinnen von Angelika
Bierbaum. Das ist über dreißig Jahre her, die Forschung, auch die Gender –
Forschung hat sich weiterentwickelt, der Musikmarkt auch, es gibt mittlerweile
viele gute Aufnahmen, neue Namen, neue Quellen wir sind Ihnen auf der Spur,
da reicht diese eine Woche nicht, ich werde die Komponistinnen-Musikstunden
im August fortsetzen und eines bleibt. Das Capriccio von Emilia Giuliani, heute
mal in voller Länge. (1’15)
Musik 1 Titelmusik
Seit über dreißig Jahren eröffnet das Capriccio von Emilia Giuliani, gespielt von
Sigi Schwab die SWR2 Musikstunde. In dieser Woche haben wir uns bereits vielen
Komponistinnen gewidmet, heute beginnen wir mit Teresa Carreño, 1853 in
Caracas in Venezuela geboren.
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Ein bisschen schicksalhaft, dass sie meist nur als Ehefrau Nummer drei von Eugen
d’Albert erwähnt wird, was nun wahrlich ungerecht ist, denn das war sie nur drei
Jahre, viel länger, Jahrzehnte war sie eine ganz herausragende Pianistin, die auf
allen Kontinenten aufgetreten ist und mit ihren Auftritten und ihrer Musik
Konzertsäle gefüllt hat.
Brillant-virtuose Musik hat sie geschrieben. Musik, die lange Zeit vergessen war.
Alexandra Oehler hat sie in Zusammenarbeit mit dem SWR wiederentdeckt und
inzwischen zwei CDs produziert. (0’55)
Musik 2
Teresa Carreño:
Intermezzo scherzoso für Klavier, op. 34
Alexandra Oehler, Klavier
M0011383 009, 2‘26
Intermezzo scherzoso von Teresa Careno, gespielt von Alexandra Oehler.
In ihrer Heimat Venezuela beginnt die acht-jährige Teresa ihre Karriere als
Wunderkind. Der Vater, ein Politiker und Amateurpianist treibt sie an. Aus
politischen Gründen emigriert die Familie in die USA. Für Teresa eine noch bessere
Spielfläche. Louis Morreau Gottschalk wird ihr Lehrer, sie spielt in New York und mit
gerade Mal neun im Weißen Haus vor Abraham Lincoln. Nur mit Mühe erreicht sie
den Klavierhocker, die Beine baumeln in der Luft, aber dann legt sie los. Das
amerikanische Publikum und auch der Präsident sind von der jungen Pianistin
verzaubert. Damit nicht genug.
Wer sich musikalisch weiterbilden möchte, muss nach Europa. So reist Teresa mit
15 nach Paris, trifft dort Liszt, Rossini und Saint-Saens, die besten eben.
Liszt soll ihr nach ihrem Vorspiel weihevoll die Hand auf die Stirn gelegt haben und
ihr versichert haben: „Meine kleine Teresita, Gott hat dir wohl das größte
Geschenk gemacht, die Genialität. Arbeite, entfalte deine Talente, aber vor
allem bleib dir selbst treu, und mit der Zeit wirst du eine von uns werden“ –
prophetische Worte von Franz Liszt.
4
Bei einem Schüler Chopins nimmt Carreño Klavierstunden. Das beeinflusst nicht
nur ihr Spiel, sondern auch ihr Schaffen, ebenso wie der Unterricht bei Anton
Rubinstein in London.
Bestens präpariert startet sie in eine glanzvolle Solistenkarriere.
Bei ihrem Debüt in Berlin wird sie – sieben Jahre vor Clara Schumanns Tod - als
größte Pianistin gefeiert. Sie hat sich an die Spitze gespielt und bleibt dort über
Jahrzehnte hinweg unangefochten als „Kaiserin des Pianos“. Ihr Repertoire ist
enorm, die Klassiker, Modernes, auch die großen Klavierkonzerten von
Tschaikowsky, Brahms, Beethoven, Grieg, Saint-Saens und Rubinstein.
Und immer wieder spielt sie in ihren Recitals auch eigene Werke. Schon früh hat
sie mit dem Komponieren begonnen, meist Klavierminiaturen für den eigenen
Gebrauch, Zeugnisse ihrer brillanten Technik und ausgeprägten Virtuosität waghalsige Sprünge, Oktavläufe, Doppelgriffe, in der Ballade op.15 ist alles drin.
(2’20)
Musik 3
Teresa Carreño:
Ballade Op.15
Alexandra Oehler, Klavier
M0011383 002, 7’36
Ballade op.15 von Teresa Carreño, Alexandra Oehler war die Pianistin.
Dreimal lässt sich Teresa Carreño auf Ehen mit Musikern ein. Zuerst heiratet sie
ihren Kammermusikpartner, den Geiger Emile Sauret, nach dem Scheitern der
Beziehung gibt Teresa die gemeinsame Tochter zu einer Freundin nach England.
Danach folgt der italienische Bariton Giovanni Tagliapietra. Die Ehe hält immerhin
neun Jahre, mit ihm leitet sie das Opernhaus in Caracas. Als er sich mehr für
Spieltische und andere Frauen interessiert, trennt sie sich von ihm. Was bleibt sind
leere Kassen, zwei Kinder und ein voller Konzertkalender.
Ehemann Nummer drei, Eugen d’Albert, Komponist und Pianist, klein, kauzig und
eigentlich ein Konkurrent, mit dem man nichts zu tun haben möchte. Aber dann
funkt es doch. Man müsste Klavierspielen können. D’Albert spielt sich in Carreños
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Herz und zusammen sind die beiden unschlagbar. Ein Dreamteam auf dem
Konzertpodium, ein Powerduo, für beide eine künstlerisch fruchtbare, aber auch
turbulente Zeit.
Richard Strauss, Humperdinck, Grieg, Brahms und der Klavierfabrikant Carl
Bechstein zählen zu den Gästen, die bei Carreño-d’Alberts ein und ausgehen,
aber auch diese Ehe geht nach knapp drei Jahren in die Brüche
Was bleibt? Mittlerweile vier Kinder und wieder ein voller Konzertkalender. Zum
Komponieren findet Teresa kaum mehr Zeit. Doch die Trennung von d’Albert muss
verarbeitet werden. In stiller Zurückgezogenheit schreibt sie ein ihr auf den ersten
Blick wesensfremdes Werk, in dem ihr Instrument, das Klavier nicht vorkommt. Ein
Streichquartett, das ein Jahr später im Gewandhaus in Leipzig uraufgeführt wird.
Es ist vermutlich ihr gehaltvollstes Werk und gerne würde ich es Ihnen hier in der
SWR2 Musikstunde vorstellen, aber es gibt keine brauchbare Aufnahme,
deswegen der Appell an alle großen Streichquartette, sich dieses Werk doch
einmal anzuschauen.
Vielleicht wäre es etwas für das Mannheimer Streichquartett, das hat schon
Werke von Ethel Smyth eingespielt, unserer zweiten Komponistin heute. (2’10)
Musik 4
Ethel Smyth
Streichquartett e-moll. 1. Satz
Mannheimer Streichquartett
M0302265 001, 3’13 mit Blende am Ende
Ganz langsam schleichen wir uns hier raus aus dem Allegretto lirico, dem ersten
Satz aus dem Streichquartett e-moll von Ethel Smyth, gespielt vom Mannheimer
Streichquartett.
Die englische Komponistin Ethel Smyth schreibt zu Beginn des 20. Jahrhunderts:
"Leute fragen oft: Wo sind die großen Komponistinnen?" Ich frage mich, wie viele
Komponisten es gegeben hätte, wenn Männer vollständig von der Arbeitswelt
der Kunst abgeschnitten worden wären, beraubt von der Stütze, der
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Konzentrierung, der Kameradschaft: dem unschätzbaren Training und Stimulus
durch das professionelle Leben."
Ethel Smyth weiß, wovon sie spricht:
Sie musste sich ihre Musikerlaufbahn hart erkämpfen. Der Vater, ein Generalmajor
ist von den beruflichen Ambitionen der Tochter überhaupt nicht begeistert.
Doch Ethel setzt ihren Kopf durch - gegen den Willen des Vaters. Sie will Musik
studieren und das am besten Konservatorium der Welt, nämlich in Leipzig.
Entschlossen packt die 19-jährige ihre Koffer und reist mit dem Zug von England
nach Leipzig.
„An die Reise erinnere ich mich nur wenig, aber dann kam der packende
Moment - nach einer langsamen Fahrt hinunter durch hässliche Vorstädte, das
unbeschreibliche Gefühl, das mich ergriff, als ich das Wort LEIPZIG auf dem Schild
am Bahnsteig las.“
Die hohen Erwartungen, die Ethel ans Leipziger Konservatorium stellt, werden
nicht erfüllt. Es kommt ihr vor wie ein Glanz aus vergangen Zeiten, der
Mendelssohn‘sche Geist, der noch durch die Gängen schwebe, aber in die
Unterrichtszimmer nicht mehr hineinwehe.
Die Kompositionsstunden bei Carl Reinecke nennt Ethel eine Farce „die einzige
Emotion, die ich mit ihm verbinde, ist der ewig überkochende Jähzorn seiner Frau,
die sich darüber ereiferte, dass die Welt Brahms Musik der ihres angebeteten
Gatten vorzog“.
Also in der Schule nichts gelernt. Wichtiger als die Lehrer sind für Ethel Smyth die
Kommilitonen und die Gastkomponisten. Wie sie sagt: „Der großartige Teil war der
Rest des musikalischen Lebens“.
Innige Freundschaft schließt Ethel Smyth mit dem Ehepaar Herzogenberg, vor
allem mit Elisabeth. Sie wird ihre engste Vertraute, ihr widmet sie das kurze
emotionale Stück „Aus der Jugendzeit“ mit dem Motiv E-H. (2’25)
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Musik 5:
Ethel Smyth:
„Aus der Jugendzeit“
Liana Serbescu, Klavier
M0046290 021, 1‘54
„Aus der Jugendzeit“ von Ethel Smyth, eine musikalische Hommage an ihre
Freundin Elisabeth von Herzogenberg. Liana Serbescu war die Pianistin.
In Leipzig lernt Ethel Smyth vielleicht nichts auf dem Konservatorium, aber dafür
die Creme de la Creme der zeitgenössischen Komponisten kennen. Edvard
Grieg, der die junge Studentin wegen ihrer herablassenden Meinung über Franz
Liszt abmahnt und sich am darauf folgenden Tag entschuldigt. Peter
Tschaikowsky, der sie eifrig ermuntert, mit Orchesterfarben zu experimentieren.
Einen Rat, den sie gerne annimmt, der am Konservatorium jedoch nicht goutiert
wird. Hier steht Kammermusik ganz oben. Sie trifft Clara Schumann, Antonin
Dvorak und Johannes Brahms.
Den Komponisten Brahms verehrt und bewundert sie, den Menschen hingegen
weniger, wegen seiner frauenfeindlichen Haltung, wenn er von Weibsbildern
redet. Ethel Smyth damals noch weit entfernt von ihrem späteren Engagement in
der britischen Frauenbewegung, stört sich an der minderwertigen Stellung der
Frau in der deutschen Gesellschaft.
Trotzdem genießt sie den intellektuellen Dunstkreis um Brahms und saugt seine
Musiksprache neugierig auf. Später bezeichnet sie ihre Studienjahre in
Deutschland als die glücklichste Epoche ihres Lebens, in der sie sich wie ein Kind
gefühlt habe, das sich in einem glücklichen Traum verloren habe.
Motiviert und voller Ideen kehrt Ethel nach England zurück und feiert mit der
Serenade für Orchester ihr Debüt als Komponistin in ihrem Heimatland. (1’40)
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Musik 6
Ethel Smyth:
Serenade in D, 3. Satz
BBC Philharmonic / Leitung: Odaline de la Martinez’
M0424964 003, 5‘37
Das BBC Philharmonic Orchestra mit dem 3. Satz aus Ethel Smyth Serenade in D.
Die Leitung hatte Odaline de la Martinez.
Ethel Smyth verdient als eine der ersten Frauen ihren Lebensunterhalt allein mit
ihren Kompositionen. Sie reist nicht als Interpretin durch die Welt, gibt keinen
Unterricht. Musik ist für sie keine Nebenbeschäftigung, sondern Beruf. Sie versteht
sich als vollwertige Komponistin und dafür kämpft sie ein Leben lang.
Bruno Walter behauptet: "Ich betrachte Ethel Smyth als eine besonders
bedeutende Komponistin, der ein dauerhafter Platz in der Musikgeschichte sicher
ist. Die Geschlechterfrage ist vergleichsweise unbedeutend angesichts eines so
großen Talentes, einer so originellen thematischen Erfindungsgabe, eines so tiefen
und warmherzigen Temperaments. Ich glaube, dass ihre Arbeit auf Dauer
erfolgreich sein wird, obwohl ihre Anerkennung - wie es immer bei wahrer
Originalität der Fall ist - nur nach und nach und ungeachtet allen Widerstands
erfolgen wird“.
Und genau das stellt Ethel Smyth selbst fest: "Der genaue Wert meiner Musik wird
wahrscheinlich erst dann erkannt werden, wenn nichts von mir übriggeblieben ist
als geschlechtslose Punkte und Striche auf liniertem Papier." (1’20)
Musik 7
Ethel Smyth
Streichquintett, 2. Satz
Mannheimer Streichquartett und Joachim Griesheimer, 2. Cello
M0302265 008, 2‘12
Der zweite Satz aus dem Streichquintett von Ethel Smyth, eine Aufnahme mit dem
Mannheimer Streichquartett und Joachim Griesheimer.
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Ethel Smyth widmet sich unterschiedlichen Gattungen, am liebsten würde sie
alles einmal ausprobieren Eine Oper spukt ihr schon lange im Kopf herum. Was sie
will, das erreicht sie auch. Ausdauer und Willensstärken sind ihre Kennzeichen.
Der erste Versuch "Fantasio" wird zwar in Weimar uraufgeführt, später verbrennt
sie aber die gedruckten Partituren im Garten ihres Hauses. Es folgen weitere
Opern und endlich gelingt ihr mit "The Wreckers", zu Deutsch "Strandgut“ auch ein
Werk für englische Bühnen.
Mit dieser melodramatisch, harmonisch kühn ausgearbeiteten Oper überzeugt
Ethel auch ihre härtesten Kritiker. Unter ihnen der Wiener Richard Specht. Er
spricht bei komponierenden Frauen gerne „von Damen, die musikalische
Handarbeiten verrichten, Melodien nähen und Töne stricken“.
Bei Ethel Smyth reißt er sich jedoch zusammen und stellt fest, die Musik sei
unfeminin, "keine Spur von Sentimentalitäten, von Schwelgen in sanften
Empfindungen. Wunderschön seien die kornwallischen Motive, prachtvoll
packend".
"The Wreckers" wird gelegentlich heute noch auf angelsächsischen Bühnen
gespielt. Das Vorspiel zum 2. Akt ist eine eigenständige Tondichtung geworden.
Prelude to 'On the Cliffs of Cornwall'. (1’30)
Musik 8
Ethel Smyth: The Wreckers, Vorspiel 2. Akt
BBC Philharmonic Orchestra
Leitung: Odaline de la Martinez,
M0085504 017, 6‘36
Das BBC Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Odaline de la Martinez mit
dem Vorspiel zum zweiten Akt der Oper „The Wreckers“ von Ethel Smyth.
1911 legt die 53-jährige Komponistin die Musik beiseite und engagiert sich in der
englischen Frauenbewegung.
Sie schließt sich der militanten Fraktion der Sufragetten an, geht auf die Straße,
demonstriert, wirft Fensterscheiben ein. Ihr Marsch der Frauen wird zur
Kampfparole und dröhnt lautstark durch die Straßen Londons.
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Schließlich landet Ethel wie zahlreiche andere Frauen im Gefängnis. Nach acht
Wochen kommt sie wieder frei, andere werden hier zu Tode gefoltert oder
lebensgefährlich verletzt.
Ethel kämpft weiter gegen bestehende Vorurteile, für die Rechte der Frauen,
insbesondere der Künstlerinnen. Ihr Ziel ist Gleichberechtigung von Musikerinnen
und Musikern in Orchestern und das Ende des apodiktischen Vorurteils der Kritiker,
dass bei Frauenmusik, der Klebepinsel und ein Päckchen "weiblicher Komponist"Etiketten genüge, um mit der Sache fertigzuwerden.
Noch 1912 heißt es in einer englischen Veröffentlichung: "Das Temperament von
Frauen ist von Natur aus künstlerisch, doch nicht in einem kreativen, sondern in
einem empfangenden Sinn. Eine Frau schreibt selten gute, niemals große Musik."
Das kann Ethel Smyth so nicht stehen lassen. Sie übernimmt eine Vorreiterrolle, tritt
als Dirigentin ihrer Werke auf. Henry Wood der Mitbegründer der Londoner Proms
unterstützt sie darin.
Nach zwei Jahren Rebellion kehrt Ethel zu ihrem eigentlichen Beruf, dem der
Komponistin zurück.
So sehr sie in gesellschaftlichen Ansichten eine Avantgardistin ist, so wenig ist sie
es in der Musik. Sie schreibt im traditionellen spätromantischen Stil. Den Entwicklungen der zweiten Wiener Schule um Schönberg und Webern steht sie
kritisch gegenüber. Lieber hört sie Schubert, Brahms und den Anfang und das
Ende aller Musik, nämlich Bach. Ihre Lieblingsoper ist Carmen und die Länge von
Wagner hält für sie einen Hauch von künstlerischer Arroganz.
Virginia Woolf hat in einer Rede über Ethel Smyth 1931 in der National Society for
Womens’s Service in London gesagt: „Wir ehren sie nicht nur als Musikerin und
Schriftstellerin, sondern auch als Felsensprengerin und Brückenbauerin.“
Und einer der ihre Botschaft sehr gut verstanden hat, war der Dramatiker und
Musikkritiker George Bernhard Shaw, der Ethel Smyths Werke unter dem
Pseudonym „Corno di Basetto“, also Bassetthorn besprochen hat und der ihr 1933
folgenden Brief geschrieben hat:
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"Es war Ihre Musik, die mich für immer von der alten Vorstellung geheilt hat, dass
Frauen auf dem Gebiet der Kunst und auch sonst keine Männerarbeit tun
könnten. Ihre Musik ist männlicher als die von Händel. Wann haben Publikum und
Musiker jemals etwas gegen feminine Musik gehabt? Können Sie mir einen
damenhafteren Komponisten nennen als den geliebten und viel imitierten
Mendelssohn? Sie haben Zucker und Sentimentalität verachtet. Sie waren von
unbezähmbarer Wildheit. Sie haben Elgar verächtlich von ihrem Weg gestoßen.
Und nun sagen Sie, wir schreckten vor Ihnen zurück, weil Sie "nur" eine Frau sind?
Guter Gott!
Ihr lieber großer Bruder George Bernhard Shaw.
(3’25)
Musik 9
Ethel Smyth.
Konzert für Violine, Horn und Orchester,3. Satz
Saschko Gawriloff, Violine Marie Luise Neunecker ,Horn
Orchester Radio-Philharmonie Hannover des NDR / Uri Mayer
M0022364 009, 4’46, auf Zeit
Mit dem 3. Satz aus dem Konzert für Violine und Horn von Ethel Smyth geht die
SWR2 Musikstunde über Komponistinnen heute zu Ende. Viele Informationen über
Komponistinnen finden Sie auch im Forschungsprojekt "Musik und Gender“ auf
der Internetseite der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Wir stellen alle
Texte und die Sendungen zum Nachhören auf unserer Internetseite bereit. Wenn
Sie an einem Mitschnitt interessiert sind, dann rufen Sie an unter: 07221/929-26030.
Danke fürs Zuhören sagt Ulla Zierau (0’35)