I N F O R M A T I O N - Land Oberösterreich

INFORMATION
zur Pressekonferenz
mit
Landesrat Rudi Anschober
DI Dalibor Strasky,
Antiatom-Beauftragter des Landes OÖ
19. Mai 2016
zum Thema
"Sicherheitsgefahr Atomenergie:
Massive Probleme an unseren Grenzen –
politische Initiativen"
LR Rudi Anschober
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"Sicherheitsgefahr Atomenergie:
Massive Probleme an unseren Grenzen –
politische Initiativen"
Die massiven Probleme bei Atomkraftwerken in Europa werden fast
täglich mehr: Risse bei den Schweißnähten in Dukovany, ausgetretene
Radioaktivität,
vorgetäuschte
Reparaturen,
mangelnde
Kontrolle,
fehlerbedingtes Herabfahren der belgischen Reaktoren, endlose Probleme
bei der neuen Reaktorgeneration EPR, sogar Chefs der Atomfirmen und
Investoren
sind
verunsichert.
Und
aktuell
gibt
es
neue
besorgniserregende Probleme im AKW Dukovany, keine 120 km von der
oö. Landesgrenze entfernt. Trotzdem plant die EU-Kommission Atomkraft
als Klimaschutzmaßnahme anzuerkennen und künftig Milliarden in die
Forschung für Mini-Reaktoren zu stecken, wie aktuell geleakte Papiere
zeigen.
Oberösterreichs verstärkt als Antwort im Entscheidungsjahr 2016 die
Antiatom-Politik: durch neue Initiativen in Wien und Brüssel und einem
raschen Ausbau der Allianz für den Atomausstieg, die Oberösterreichs
wichtigster Trumpf im Entscheidungsjahr 2016 werden kann.
Auf Initiative von LR Anschober wurde im Frühjahr 2016 diese Allianz für
einen europaweiten Atomausstieg gegründet – seither sind weitere
Regionen beigetreten, das Interesse ist groß, morgen Freitag werden die
nächsten Strukturentscheidungen gemeinsam mit Nordrhein-Westfalens
Minister Remmel bei einem Treffen in Linz getroffen.
Pressekonferenz 19. Mai 2016
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AKW
Dukovany:
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Laufzeitverlängerung
trotz
Kontrollskandal
und
Problemen bei den Schweißnähten!
Die
Atomindustrie
befindet
sich
immer
mehr
in
massiven
wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Gleichzeitig sind die 129 in Betrieb
befindlichen AKW in der EU bereits 29 Jahre im Durchschnitt alt. Die
Folge ist, dass die teuren notwendigen Stilllegungen von alten
Atomkraftwerken
immer
Laufzeitverlängerungen
mehr
beantragt
verschoben
werden.
Das
werden
aber
ist
und
ein
gefährliches Experiment, da dafür die Anlagen weder ausgelegt noch
genehmigt sind.
Beim Grenz-AKW Dukovany - nur etwas mehr als 100 Kilometer
Luftlinie von der oö. Grenze entfernt – wurde für den Reaktorblock 1
im März eine Verlängerung der Laufzeit ohne zeitliche Befristung
genehmigt. Dies, obwohl im Herbst letzten Jahres bei der Kontrolle
von Revisionsprotokollen bekannt wurde, dass die beiliegenden
Röntgenaufnahmen schwerwiegende Mängel aufwiesen. Hunderte
Schweißnähte waren betroffen, Dutzende mussten und müssen als
defekt repariert werden. Aufgrund der Möglichkeit gefälschter
Röntgenbilder hat der Betreiber CEZ im November Strafanzeige
eingereicht.
Der Sachverhalt ist offenbar noch immer nicht restlos aufgeklärt und
neueste Vorgänge im AKW Dukovany lassen keine Beruhigung der
Lage erwarten. Der oö. Antiatom-Beauftragte DI Dalibor Strasky
verfolgt die Vorkommnisse genau und kann keine Entwarnung
geben. Denn Anfang Mai wurde öffentlich, dass der Betreiber CEZ
die Kontrollen der Schweißnähte des AKW Dukovany erweitert.
Reaktorblock 3, der am 22. April abgestellt wurde, wird bis zum 19.
Oktober außer Betrieb bleiben, also fast ein halbes Jahr. Die
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Abstellung von Block 2, der am 16. September außer Betrieb
genommen wird, wird bis zum nächsten Jahr dauern. Die erweiterten
Kontrollen sind der Firma zufolge ein Bestandteil der Vorbereitungen
auf den weiteren langfristigen Betrieb des AKW Dukovany. Lt. AKWSprecher Bezdek ist der Grund für die erweiterten Kontrollen, „den
eventuellen Zweifeln über die Zuverlässigkeit und Sicherheit der
Einrichtung vorzubeugen“. Für Block 2 wird Betreiber CEZ dieses
Jahr um eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung ersuchen und
im nächsten Jahr auch für die Blöcke 3 und 4.
Für den oö. Antiatom-Beauftragten sind die aktuellen Vorgänge im
AKW Dukovany besorgniserregend: „Eine normale Abschaltung für
den Wechsel der Brennelemente dauert zwischen 60 und 70 Tagen,
nun werden die Reaktoren für erweiterte Kontrollen fast ein halbes
Jahr stillstehen! Dies obwohl in letzter Zeit von Betreiber und
Aufsichtsbehörde immer wieder beteuert wurde, dass die Prüfungen
abgeschlossen sind und alles in Ordnung wäre.“
Anfang Mai musste Reaktorblock 4 beim Anfahren nach dem
Brennelementewechsel wieder abgeschaltet werden. Als Gründe
dafür wurden medial eine Undichtheit in der Sekundärrohrleitung und
Probleme des Schalterschrankes der Sicherheitsventile kolportiert –
offizielle Informationen dazu gab es keine. Angeblich konnte sich das
Sicherheitsventil bei Überdruck nicht öffnen. Der beschriebene
Sachverhalt ist nicht der einzige - Probleme gab es auch bei der
Wiederinbetriebnahme des vorherigen Blocks, der ebenso wieder
heruntergefahren werden musste.
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AKW Krsko: Erdbebengefahr verhindert Laufzeitverlängerung nicht
Auch für das AKW Krsko in Slowenien wurde die Laufzeit im Frühjahr
um
20
Jahre
bis
zum
Jahr
2043
verlängert,
ohne
eine
grenzüberschreitende UVP durchzuführen. Kritik daran kommt von
den besonders betroffenen Bundesländern Kärnten und Steiermark.
Neben den
Sicherheitsbedenken aufgrund
der
Alterung
des
Reaktormantels selbst, befindet sich das AKW Krsko auf einer
starken
Erdbebenlinie.
Bei
einer
kürzlich
abgehaltenen
Expert/innentagung in Klagenfurt wurde bekannt, dass rund um das
AKW neue unbekannte seismische Störlinien aufgetreten sind – wie
gefährlich diese sind, ist bislang unklar. Laut österreichischen
Expert/innen
trägt
das
AKW
Krsko
jedenfalls
das
höchste
Erdbebenrisiko aller Reaktoren in Europa. Ob das Risiko nun höher
eingeschätzt werden muss, bzw. ob das AKW dafür ausgelegt ist
muss nun durch weitere Untersuchungen geklärt werden.
LR Anschober: „Dieses Risiko ist ernst zu nehmen, es müssen klare
Schutzstandards für die Bevölkerung verankert werden. Das
Mindeste
ist
eine
verpflichtende
grenzüberschreitende
Umweltverträglichkeitsprüfung beim Antrag auf Laufzeitverlängerung.
Ich appelliere an die Bundesregierung, grenzüberschreitende UVPs
notfalls rechtlich durchzusetzen. Diese würden die massiven
Sicherheitsmängel aufzeigen!“
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Nein zu EU-Plänen, Atomkraft als Klimaschutzmaßnahme zu fördern
Ein geleaktes Papier der EU-Kommission legte diese Woche den
Plan offen, in den nächsten Jahren in Europa auf Atomkraft zu
setzen und so den Ausstoß von CO2 zu reduzieren, massenweise
Gelder sollen in die Forschung über dezentrale Mini-Reaktoren
investiert werden.
LR Rudi Anschober: „Davor warne ich seit Jahren: Atomkraft darf
keinesfalls als Klimaschutz-Maßnahme anerkannt werden – das
wäre ein fataler Fehltritt! Gerade die diesjährigen Gedenkjahre von
Tschernobyl und Fukushima zeigen uns: Atomkraft kennt keine
Grenzen, Atomkraft ist lebensgefährlich. Die EU-Kommission darf
hier keine rücksichtslose Entscheidung am Rücken unserer nächsten
Generationen treffen. Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie, auch
nach dem Betrieb bleibt die Gefahr durch die offene Frage der
Endlagerung bestehen. Die Einleitung einer Renaissance der
Atomkraft in Europa wäre schlichtweg verantwortungslos. Zudem ist
Atomkraft wirtschaftlich untragbar – Energiekonzerne reagieren
daher aktuell schon sehr abwartend bzw. zurückhaltend. Und tolle
Alternativen sind ohnehin am Markt, etwa Sonnenenergie oder
Windkraft – die viel schneller errichtet werden können, zuverlässiger
im Betrieb sind und weniger kosten. Hierzu braucht es ein
engagiertes Strategiepapier der EU –
für Erneuerbare und
Energieeffizienz.“
Die
Forschungsinitiativen
Europas
zum
Thema
Atomenergie
müssten zudem nach den Problembaustellen und Kostenexplosionen
durch den Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) in Olkiluoto,
Flamanville und aktuell Hinkley Point sowie einem bankrotten
Atomkonzern Areva doch endgültig abgeschlossen werden.
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Dass Europa auf die Atomenergie nicht angewiesen ist, zeigt die
aktuelle Situation: seit 2007 ist die Zahl der Reaktoren in der EU um
21 zurückgegangen, die nuklearen Kapazitäten haben sich um 14
Prozent verringert. Lt. einem Berichtsentwurf der EU-Kommission
würde für die Atomenergie bis 2050 europaweit eine Investition
zwischen 664 und 770 Milliarden Euro erforderlich sein.
Initiativen und Forderungen aus OÖ
Anschober: „Diese Beispiele zeigen eindringlich: In der EU steht alles
auf der Kippe. Wir brauchen jetzt eine starke Lobbying-Organisation
gegen einen Atomausbau - daher habe ich mit Partnern die Allianz
für einen europaweiten Atomausstieg gegründet. Am Freitag
entscheiden wir gemeinsam, wie unsere Allianz ausgebaut wird,
welche weiteren Schritte folgen. Genutzt haben die Allianz schon
Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, die gemeinsam eine
Beschwerde beim ESPOO-Komitee und der EU-Kommission gegen
die Laufzeitverlängerungen belgischer AKWs eingebracht haben –
ein erster Erfolg der Vernetzung.“
Keine staatlichen Subventionen für AKW, Beispiel Hinkley Point
Die von OÖ initiierte österreichische Nichtigkeitsklage gegen
Subventionen für das AKW-Neubauprojekt Hinkley Point C, der sich
auch
Luxemburg
und
einige
deutsche
Energieversorger
angeschlossen haben und die damit einhergehende Zeitverzögerung
schafft immer mehr Unsicherheit bei möglichen Investoren. Denn für
einen Energiekonzern ohne staatliche Subventionen und garantierte
Abnahmepreise ist ein AKW-Neubau schlichtweg nicht darstellbar.
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Einige sind schon abgesprungen, sogar EdF selbst hat bis zum
heutigen Tag keine Investitionsentscheidung beschlossen, der EdFFinanzchef hat das Handtuch geworfen, der Betriebsrat wird nun
samt externem Gutachten in die Entscheidung einbezogen – im
September soll nun erst die Investitionsentscheidung fallen.
Anschober: „Das zeigt, wie hart der Kampf um diese Investentscheidung geführt wird und wie riskant diese wäre – auch wenn
sich diese Woche Staatspräsident Hollande dafür ausgesprochen
hat. Die französische Atomindustrie steht wirtschaftlich ohnehin
schon vor dem Abgrund – mit einer Investitionsentscheidung für
Hinkley wäre sie noch einen Schritt weiter.“
Das Projekt Hinkley Point könnte für den zu 85 Prozent im
Staatseigentum befindlichen Konzern zum Sargnagel werden, bereits
jetzt kämpft EdF mit Schulden in der Höhe von 37 Mrd. Euro. Dazu
kommt noch, dass EdF bis 2025 50 Mrd. Euro in die Aufrüstung der
alternden französischen Atomflotte (58 Reaktoren) investieren muss.
Im Vorfeld der Aktionärsversammlung am 12. Mai wurde bekannt,
dass sich die Kosten für das Neubauprojekt um weitere 3 Mrd. Pfund
von 18 Mrd. auf 21 Mrd. Pfund (27 Mrd. Euro) erhöhen und eine
Bauzeit von 9,5 Jahren zu erwarten ist – Hinkley Point C würde also
frühestens 2026 Strom produzieren.
Immer größer wird der Widerstand in der britischen Bevölkerung
gegen das Bauvorhaben, die Zustimmung zum Projekt sinkt rapide.
Mittlerweile räumte die britische Energiestaatssekretärin Amber Rudd
ein, dass ohne den AKW-Neubau Hinkley Point die Lichter in
Großbritannien nicht ausgehen und es Pläne zur Energieversorgung
gibt, sollte das Projekt aufgelöst werden.
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Eine Studie des britischen Thinktanks Intergenerational Foundation
berechnet, dass Großbritannien 40 Mrd. Pfund sparen könnte, wenn
man dieselbe Menge an Energie durch Erneuerbare (Wind und
Solarenergie) und nicht durch das geplante AKW produzieren würde.
Hochgerechnet auf weitere geplante AKW-Projekte in Großbritannien
gibt die Studie einen zusätzlichen „Atom-Aufschlag“ von 2.700 bis
3.400 Pfund pro Kopf der aktuellen britischen Bevölkerung an.
Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg
Im Frühjahr wurde von LR Anschober die ‚Allianz der Regionen für
einen europaweiten Atomausstieg‘ gegründet, mit drei Hauptzielen:
Verbot von Subventionen der Atomenergie, ein Unterbinden der
Anerkennung der Atomenergie als Klimaschutztechnologie sowie das
Vorantreiben einer europaweiten Energiewende ohne Atomkraft.
Acht europäische Regionen haben im Frühjahr in Brüssel die
Gründungserklärung offiziell unterzeichnet. Mittlerweile sind auch
Burgenland und Vorarlberg beigetreten – weitere Regionen haben ihr
Interesse bekundet oder sind in Umsetzung, eine Zusammenarbeit
mit dem europäischen Städtenetzwerk „Cities for a Nuclear Free
Europe“ ist geplant. Im Lauf des Jahres soll ein breites Bündnis an
Regionen und Europaparlamentarier/innen entstehen.
Beim Treffen am Freitag mit Nordrhein-Westfalens Umwelt-Minister
Remmel wird es um die Abklärung der nächsten Ausbauschritte der
Allianz gehen und um die Vorgangsweise vor allem bei der
Weichenstellung der EU über die zukünftige Energiepolitik im
Rahmen der Energieunion, bei der entschieden wird, ob die
Atomenergie als Klimaschutztechnologie definiert wird.
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Anschober: „Das müssen wir verhindern, denn eine Klimaschutztechnologie darf in der EU gefördert und subventioniert werden. Da
kann die neue Allianz sehr hilfreich sein, denn alleine wäre OÖ
gegen dieses zentrale Ziel der mächtigen Atomlobby chancenlos."
Die Antwort OÖs: weitere Verstärkung der Antiatom-Politik auf drei
Ebenen
1. Die Bundesregierung muss viel aktiver werden: Dies möchte
Anschober bei der Nö. Umweltreferentenkonferenz am 17. Juni in
Wien durchsetzen. Vorbild muss das Vorgehen deutscher
Bundesländer gegen belgische AKW sein.
2. Anschober fordert in einem neuen Schreiben an die tschechische
Regierung und die tschechische Atomaufsicht Aufklärung über
die aktuellen neuen Probleme in Dukovany.
3. Anschober fordert von der EU die verpflichtende Durchführung
von Umweltverträglichkeitsprüfungen im Fall von Anträgen auf
Laufzeitverlängerungen bei europäischen Atomkraftwerken.
4. Anschober fordert von der EU eine eindeutige Kurskorrektur in
Richtung Atomausstieg: keine Subventionen für den Neubau
von Atomkraftwerken, keine Festschreibung der Atomenergie als
Klimaschutztechnologie im Rahmen der geplanten Energieunion.
5. Zu diesem Zweck wird Anschober die Allianz für einen europaweiten Atomausstieg rasch verstärken. Schon liegen Anfragen
aus einem Dutzend Regionen vor, die einen Beitritt überlegen endlich wird eine breite Gegenkraft zur Atomlobby geschaffen.
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