Zu viel Schule, zu dumm fürs Leben Projektphilosophie – Plädoyer für eine radikal neue Art von Schulbildung Bei den Projektphilosophie-Kursen am Berufskolleg Hennef ging es mir von Anfang an um den Bezug zur Projektpraxis. Aber das war nicht der alleinige Antrieb. Noch wichtiger war mir die philosophische Komponente – Ideen, Werte, große Ziele. Das, wofür es sich lohnt, Projekte zu machen. Ein konkretes Ergebnis dieser Kurse ist die Projektphilosophie-Uhr: VERSTAND Gerechtigkeit Erkenntnis mu ig tig un dlic h 1 fre urteilsfähig eud 10 nfr ler Freiheit Freundschaft 12 11 achtsam mi tfü tiv gelassen tap fer nd 4 Goldene Mitte Liebe gig Ehre 6 hle 3 ßzü 7 KÖRPER gro Schönheit a kre Wahrheit 2 erl zuv Lebensfreude 9 humorvoll 8 ig äss 5 Vertrauen SEELE Weisheit Sie ist auf der Basis zahlreicher Workshops und philosophischer Erörterungen entstanden, wobei immer wieder geändert, gestrichen und ergänzt wurde. Da die Grafik weitgehend selbsterklärend ist, möchte ich hier nicht auf Details eingehen; in den nächsten Kapiteln wird es 154 IV. Therapie: Weniger Selbstbetrug,mehr Selbstvertrauen dazu noch Gelegenheit geben. Aber vielleicht gibt Ihnen die Uhr mit den zwölf Charaktereigenschaften innen auf dem Ziffernblatt und den zugehörigen philosophischen Begriffen als äußerer Rahmen schon eine grobe Vorstellung davon, wie man das Curriculum eines neuen Lehrfachs Projektphilosophie strukturieren könnte. Manch einer wird sich – mit Blick auf die Überschrift dieses Abschnitts – fragen: Was ist denn radikal an diesem Konzept? Nun, das Wort ›radikal‹ hat, wie Sie wahrscheinlich wissen, mit Randale und umstürzlerischen Absichten so wenig zu tun wie ›Radieschen‹. Beide Wörter haben eine gemeinsame sprachliche Wurzel – das lateinische radix, welches tatsächlich auch ›Wurzel‹ bedeutet. Wenn ich mich also für Projektphilosophie als neues Lehrfach einsetze, ist mein Ziel nicht der Ausruf der Revolution, sondern eine Rückbesinnung auf die Ursprünge unserer Zivilisation. Zugegeben, das klingt fast noch pathetischer als Revolution, aber ich halte genau das für einen sinnvollen Weg – das Bildungsübel an der Wurzel packen. Um unserem Schulsystem ein neues und besseres Fundament zu geben, müssen wir tief graben. So tief, dass es wehtut, wie bei einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Es reicht nicht, ständig nur das Unfreundliche, Bequeme oder Weinerliche im Verhalten junger Leute zu beklagen. Wir Erwachsenen sollten uns an die eigene Nase fassen. Ja, das ist der Pfiff an dem hier vorgestellten Konzept, und bitte erschrecken Sie nicht, falls Sie Lehrerin oder Lehrer sind. Es geht um Sie! Werfen Sie einen Blick auf die Projektphilosophie-Uhr und vergessen Sie die Defizite bei Ihren Schülern oder bei deren Eltern, die möglicherweise selbst schon in einem beziehungsarmen und haltlosen Umfeld groß geworden sind. Denken Sie an Sokrates, prüfen Sie Ihr eigenes Leben! Es geht um Ihr Mitgefühl, Ihren Mut und Ihre Urteilskraft. Wer sonst soll den jetzigen Schülern, die eines Tages Eltern oder auch Lehrer sein werden, ethische Werte vermitteln? Es ist Ihr Job. Auch wenn es für manche überzogen klingen mag: 155
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