PDF - Katholische Kirche beim hr

Andreas Meyer, Ockenheim
hr4 Übrigens am Dienstag, 26. April 2016
Mut für den schweren Weg
Was macht eigentlich ein Klinikseelsorger den ganzen Tag? Immer wieder bin ich
erstaunt, was Menschen darüber denken. Die meisten denken: der muss da sein,
wenn jemand stirbt. Dann muss der Pfarrer kommen, die letzte Ölung spenden und
die Sterbegebete sprechen. Ganz falsch ist das ja nicht. Aber der Alltag im Krankenhaus sieht doch anders aus. Ich will nicht erst dann ins Spiel kommen, wenn
das Leben zu Ende geht. Darum suche ich den Kontakt zu den Menschen. Viele
Schwestern, Pfleger und Ärzte helfen mir dabei. Sie weisen die Patienten darauf
hin, dass ein Seelsorger sie besuchen kann. Manchmal hilft dabei der Hinweis: der
hat Zeit für sie. Ist erst einmal der Kontakt hergestellt, dann kann ich mit den Menschen auf ihrem Weg mitgehen.
Dazu macht mir eine Stelle aus dem Lukas-Evangelium im Neuen Testament immer wieder Mut. Sie wird das Emmaus-Evangelium genannt. Da sind zwei Jünger
von Jesus unterwegs von Jerusalem nach Emmaus. Das ist ein kleiner Ort, der ein
paar Kilometer außerhalb von Jerusalem liegt. Dort sind die beiden Jünger zuhause. In Jerusalem hatten sie erlebt, wie Jesus grausam umgebracht worden ist. Eigentlich hatten sie gehofft, dass er in ihrem Land etwas verändern konnte. Vor allem hatten sie sich vorgestellt, dass er mithilft, die verhassten römischen Besetzer
aus dem Land zu vertreiben. Aber: aus der Traum. Jesus war tot. Also kehren sie
dahin zurück, wo sie zuhause sind. Auf dem Weg treffen sie auf einen anderen
Wanderer. Der fremde Wanderer hört ihrem Gespräch zu und spürt den Frust, den
sie in sich haben. Behutsam fragt er nach und lässt sich die ganze Geschichte erzählen. Offensichtlich tut es den beiden Jüngern gut, dass da jemand an ihrer
Traurigkeit Anteil nimmt. Es muss ein sehr anregendes Gespräch gewesen sein.
Jedenfalls vergeht die Zeit wie im Flug. Und als sie am Ziel ihres Weges ankommen, laden sie den Fremden ein, über Nacht zu bleiben. Beim gemeinsamen
Abendessen blicken sie es dann: es ist Jesus, der die ganze Zeit mit ihnen gegangen, sie begleitet und ihnen Mut gemacht hat.
Diese Geschichte aus der Bibel: Für mich trifft sie ziemlich genau, was meinen Alltag in der Klinik ausmacht: mit den Menschen auf dem Weg sein. Hinhören, was
sie erzählen, Anteil nehmen an dem, was sie gerade bedrückt.
Wenn Vertrauen gewachsen ist, kann ich positive Akzente setzen. Ich frage nach
dem, was ihnen Freude macht, wo ihnen etwas gelungen ist. Wir schauen danach,
was ihnen Mut macht oder Kraft gibt. Das sind oft Gebete oder Lieder, die sie kennen. So sind wir gemeinsam unterwegs. Und oft spüre ich in diesen Gesprächen:
Jetzt ist auch Jesus mit uns auf dem Weg, er begleitet uns und macht Mut.
Zum Nachhören als Podcast
http://www.hr-online.de/website/radio/hr4/index.jsp?rubrik=29232