PICTURE-ALLIANCE / UNITED ARCHIVES/TOPFOTO Deficit Spender Vor 70 Jahren starb John Maynard Keynes. Der Brite gilt als Theoretiker des kapitalistischen volkswirtschaftlichen Krisenmanagements im 20. Jahrhundert. Der Keynesianismus verschleiert Widersprüche und ist für Linke ein schlechter Ratgeber. SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · FREITAG, 29. APRIL 2016 · NR. 100 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Ewig zahlen Sofort schießen Tatenlos zuschauen Grundsätzlich geizen 5 6 8 9 Atomkraftgegner kritisieren AKWRückbau und Endlagerung auf Kosten der Steuerzahler US-Polizisten feuern erneut auf afroamerikanisches Kind. Behörde gibt dessen Mutter die Schuld Gewalt gehört in Mexiko zum Alltag. Angehörige von getöteten BergarbeiBesonders Frauen sind bedroht – tern fordern von BASF EntschäRegierung aber tut nichts digung. Der Konzern lehnt ab Rechtspopulistin im Amt Türkei: Haftstrafen wegen Karikatur Istanbul. In der Türkei sind am Donnerstag zwei Journalisten wegen der Veröffentlichung einer Karikatur aus der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo zu Haftstrafen verurteilt worden. Hikmet Cetinkaya und Ceyda Karan sollen für jeweils zwei Jahre ins Gefängnis. Ihr Anwalt kündigte an, das Urteil des Istanbuler Gerichts anzufechten. Die Journalisten hatten ihre Kolumnen in der Zeitung Cumhuriyet nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo im vergangenen Jahr mit der Zeichnung des weinenden Propheten illustriert. Daraufhin eröffnete die türkische Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Beleidigung religiöser Werte. (AFP/jW) Bundesarbeitsministerin will Migranten aus der EU fünf Jahre lang Sozialleistungen verwehren. Von Simon Zeise W Mit einem Lächeln auf den Lippen will Ressortchefin Andrea Nahles (SPD) Tausende Migranten in die Illegalität zwingen Auch der Europäische Gerichtshof hatte sich gegen die Rechtsprechung der Kasseler Sozialrichter gewandt. Ende Februar hatte Luxemburg festgestellt, dass jobsuchende EU-Ausländer in Deutschland keinen Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung geltend machen können (siehe jW vom 26. Februar). Die Opposition und Sozialverbände kritisierten den Gesetzentwurf am Donnerstag. Die Linksfraktion im Bundestag warf Nahles vor, sie unterstütze rechte Parolen. Alexander Ulrich, Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke, nannte die Pläne »Populismus auf Kosten der Schwächsten«. Sein Genosse Jan Korte argumentierte: »Wer immer noch glaubt, mit Rechtspopulismus die eigene Partei zu stärken, sollte sich die Ergebnisse der vergangenen Landtagswahlen und die Regierungskoalition in Österreich anschauen.« Nicht so recht festlegen wollten sich die Grünen. Der sozialpolitische Sprecher der Partei, Wolfgang Strengmann-Kuhn, gab gegenüber AFP zu bedenken, der Gesetzesentwurf verstoße »sehr wahrscheinlich gegen das Grundrecht auf Existenzsicherung«. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, sagte am Donnerstag gegen- über jW: »Nach allen Erfahrungen, die es gibt, werden die Menschen so in die Illegalität getrieben und damit zur leichten Beute für modernen Menschenhandel und Ausbeutung.« Das reiche von Schwarzarbeit unter entwürdigenden Bedingungen bis hin zur Prostitution, so Schneider. Die Arbeitsministerin machte deutlich, dass die Gesetzesregelung nicht viele Menschen treffe. »Es gibt keinen Massenansturm«, stellte Nahles klar. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bezogen im Januar 2016 hierzulande knapp 440.000 Menschen aus anderen EU-Staaten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. IG Metall geht in die Offensive Bundesweite Warnstreiks nach »provokativem« Angebot der Industrie I m Tarifstreit in der Metall- und Elektroindustrie lässt die Industriegewerkschaft (IG) Metall jetzt die Muskeln spielen. Mit Ende der Friedenspflicht um 00.00 Uhr in der Nacht zum heutigen Freitag sollten bundesweit Warnstreiks beginnen, wie verschiedene IG-Metall-Bezirke am Donnerstag ankündigten. Ein neues Angebot der Unternehmerseite, das in der dritten Verhandlungsrunde vorgelegt wurde, hatte die Gewerkschaft als »Provokation« zurückgewiesen. »Die Arbeitgeber verharren nach wie vor im Angebotskel- ler«, erklärte dazu NRW-Bezirksleiter Knut Giesler. Demnach sollen 2,1 Prozent mehr Lohn in zwei Stufen bei einer Laufzeit von zwei Jahren gezahlt werden. Die IG Metall hingegen fordert für die bundesweit 3,8 Millionen Beschäftigten der Elektro- und Metallindustrie fünf Prozent mehr Lohn. Angesichts dieser Forderung reagierte die Arbeitgeberseite mit den üblichen Reflexen und drohte, wenn auch noch indirekt, Entlassungen an. Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, warnte in der Welt vom Donnerstag: »Wer in einer konjunkturell schwierigen Phase überzogene Abschlüsse mit Gewalt durchsetzen will, verschärft die Verlagerungstendenzen.« In der vergangenen Tarifrunde habe die Industrie »Warnstreik-Exzesse« erlebt, beschwerte sich Dulger in dem Interview. »Wenn das neue Streikkonzept zu noch mehr Streiks führen würde, wäre das eine Katastrophe.« Nach diesem Konzept kann die Gewerkschaft einzelne Betriebe für 24 Stunden lahmlegen, ohne vorher in einer Urabstimmung die Mitglieder befragt zu haben. Für unbefristete Streiks, die es in der Branche zuletzt vor vier Jahren gab, ist eine solche Abstimmung allerdings nötig. Nach Informationen aus Gewerkschaftskreisen sollen in NordrheinWestfalen 60 Betriebe vorübergehend bestreikt werden. Auch in Bayern wurde zu massiven Warnstreiks aufgerufen. Im dritten großen Tarifbezirk, in Baden-Württemberg, wollten die Tarifparteien am Donnerstag nachmittag, nach jW-Redaktionsschluss, zu Verhandlungen zusammenkommen. (jW) BORIS ROESSLER DPA/LHE/DPA-BILDFUNK Mehr Tote durch illegale Drogen OLIVER BERG/DPA- BILDFUNK er braucht da noch die AfD? Die Bundesregierung spricht EU-Ausländern das Recht auf das Existenzminimum ab. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) stellte am Donnerstag in Berlin ihren Gesetzentwurf vor, wonach Migranten aus EU-Staaten erst nach fünf Jahren Anspruch auf Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe erhalten sollen. Wer danach keinen Job findet, fliegt: Vier Wochen lang dürfen EUBürger dann noch im Land bleiben und ihr Leben mit Hartz-IV-Leistungen fristen. Im Anschluss sollen sie ein Darlehen erhalten, das ihnen die Reise in ihre Heimat finanzieren soll, um dort Sozialhilfe zu beantragen. Dies sei nötig, um »die Akzeptanz für ein freizügiges Europa aufrechtzuerhalten«, sagte die Ministerin am Donnerstag gegenüber Reuters. Im Dezember 2015 hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass Zuwanderer aus der EU bereits nach einem halben Jahr Anspruch auf Sozialhilfe haben. Das Urteil wurde von verschiedenen Landessozialgerichten angefochten (siehe jW vom 25. Februar). Nahles kippt das Bundesurteil nun in Gänze. Ihr gehe es darum, »ein Schlupfloch, das potentiell da wäre, rechtzeitig zu schließen«. Sie begründete ihren Vorstoß mit dem Schutz der Kommunen, die bisher die Sozialleistungen zahlen. Durch das Urteil des Bundessozialgerichts sei »Unklarheit reingekommen« in die geltende Praxis, so Nahles weiter. Diese wolle sie beseitigen. Angesichts der großen Unterschiede beim Sozialhilfeniveau in den EU-Staaten könne es kein Recht geben, »den Ort der Auszahlung der Sozialhilfe frei aussuchen zu können«, so Nahles. Leipzig. Erneut gibt es mehr Tote durch illegale Drogen und einen Anstieg der Zahl von Erstkonsumenten harter Drogen in Deutschland. Im vergangenen Jahr sind 1.226 Menschen an den Folgen des Rauschgiftkonsums gestorben, wie die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, am Donnerstag in Berlin mitteilten. Das waren fast 19 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Im Jahr 2014 wurden 1.032 Drogentote registriert, 2013 waren es 1.002 und 2012 nur 944. Haupttodesursache war im vergangenen Jahr erneut eine Überdosis Heroin, meist in Verbindung mit anderen Substanzen. Aber auch die Gefahren durch neue synthetische Rauschmittel wachsen – die Zahl der Todesfälle durch sogenannte Legal Highs stieg 2015 demnach von 25 auf 39. (AFP/jW) wird herausgegeben von 1.828 Genossinnen und Genossen (Stand 15.4.2016) n www.jungewelt.de/lpg
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