MEDIENMITTEILUNG 23. Februar 2016 DADA anders Sophie Taeuber-Arp, Hannah Höch, Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven kuratiert von Sabine Schaschl, Margit Weinberg Staber und Evelyne Bucher 25. Februar bis 8. Mai 2016 Medienorientierung: Di 23. Februar, 11 Uhr / Vernissage: Mi 24. Februar, 18 Uhr Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der in Zürich entstandenen Dada-Bewegung eröffnet das Museum Haus Konstruktiv das Ausstellungsjahr mit der historischen Gruppenschau «DADA anders», die sich drei Hauptvertreterinnen der Bewegung – Sophie Taeuber-Arp, Hannah Höch und Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven – widmet. In Zürich haben sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwei scheinbar gegensätzliche Kunstrichtungen entfaltet, die die Stadt in den Fokus der Kunstgeschichte rücken sollten: Dada, am 5. Februar 1916 in der Spiegelgasse 1 gegründet, und die konkrete Kunst, die im Zürich der 1930er Jahre zu einigen ihrer wichtigsten Manifestationen fand. Von beiden Kunstströmungen gehen bis heute wegweisende Impulse für das internationale Kunstschaffen aus. Und so unterschiedlich sie erscheinen, weisen sie doch eine entscheidende gemeinsame Schnittstelle auf: das Streben nach grösstmöglicher Autonomie. Beide brechen radikal mit dem konventionellen Kunstbegriff ihrer Zeit – Dada in den revolutionären Gesten einer aktionistischen Anti-Kunst, die konkret-konstruktive Strömung in der konsequenten Befreiung der künstlerischen Mittel aus ihrer nachbildenden Funktion. Während des Ersten Weltkriegs wird Zürich zum Zufluchtsort zahlreicher Kriegsgegner. Dada ist deren anarchistische Antwort auf die Gräuel des Krieges, auf bürgerliche Normen, auf Kunsttraditionen und festgefügte Rollenmodelle. In der Ausstellung «DADA anders» richten wir den Fokus auf die drei herausragenden deutschsprachigen Künstlerpersönlichkeiten Sophie Taeuber-Arp (1889–1943), Hannah Höch (1889–1978) und Elsa von Freytag-Loringhoven (1874–1927), die die bis anhin eher männlich konnotierte Dada-Bewegung massgeblich mitgeprägt haben. Gleichzeitig markiert die Auswahl dieser sehr unterschiedlichen Protagonistinnen auch die drei geografischen Zentren der DadaBewegung, die 1916 in Zürich erstmals als solche benannt wurde, sich nach Berlin ausweitete und in New York ihre amerikanische Ausprägung fand. Ausschlaggebend für das Ausstellungsprojekt war die Beobachtung, dass zwar einige Frauen im Dada mitwirkten, sie jedoch oft im Schatten ihrer männlichen Mitstreiter Hans Arp, Raoul Hausmann, Marcel Duchamp, Man Ray und Tristan Tzara standen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich eine Vielfalt experimenteller Arbeiten in verschiedenen Medien, wobei insbesondere die multimedialen und performativen Ansätze der Dada-Frauen noch immer überraschend aktuell erscheinen. Museum Haus Konstruktiv Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst, Selnaustrasse 25, 8001 Zürich Tel. +41 (0)44 217 70 80, Fax +41 (0)44 217 70 90, [email protected], www.hauskonstruktiv.ch Während die Arbeiten von Sophie Taeuber-Arp und Hannah Höch bis heute weltweit in Ausstellungen gezeigt werden, ist das Œuvre der «Dada-Baroness» Elsa von Freytag-Loringhoven weitgehend unbekannt. Dabei nahm sie mit ihren skurrilen Kostümen, radikalen Auftritten, Readymades und visuellen Gedichten eine der provokantesten Positionen ihrer Zeit ein. Die Ausstellung vereint zahlreiche Werke aus den Jahren 1916–1923, die uns von bedeutenden Sammlungen aus dem In- und Ausland zur Verfügung gestellt werden. SOPHIE TAEUBER-ARP Sophie Taeuber-Arp (1889 geb. in Davos, 1943 gest. in Zürich) gilt heute als eine der vielseitigsten und experimentierfreudigsten Schweizer Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war eine wichtige Vertreterin der Zürcher Dadaisten und zugleich eine Pionierin der konstruktiv-konkreten Kunst. Ihr Œuvre umfasst neben Malerei, Zeichnung, Plastik und Architektur auch Design, Tanz und Szenografie. 1907 tritt sie als Hospitantin in die St. Galler Zeichnungsschule für Industrie und Gewerbe ein, wo sie die Fächer Dekoratives Malen, Figurenzeichnen, Naturzeichnen, Entwerfen, Ornamentzeichnen, Stillehre und Kunstgeschichte besucht. Von 1911 bis 1914 absolviert sie eine Weiterbildung am Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst in München sowie an der Hamburger Gewerbeschule. 1914 zieht sie nach Zürich, wo sie Hans Arp kennenlernt und 1916 ihre Lehrtätigkeit für textiles Entwerfen an der Zürcher Kunstgewerbeschule aufnimmt. Die Anfänge ihrer künstlerischen Laufbahn fallen mit den regen Dada-Aktivitäten in Zürich zusammen. Ihren ersten öffentlichen Dada-Auftritt hat sie 1917 anlässlich der Eröffnung der Galerie Dada, wo sie mit einer Maske von Marcel Janco zu Versen von Hugo Ball tanzt. 1918 unterzeichnet sie gemeinsam mit Hans Arp und anderen Kulturschaffenden das «Dadaistische Manifest». Taeubers Auseinandersetzung mit abstrakten, geometrischen Formen für Textilentwürfe bilden die Grundlage für weiterführende Arbeiten. Im Rahmen einer Ausstellung des Schweizerischen Werkbundes erhält sie den Auftrag, das Stück «König Hirsch» von Carlo Gozzi zu inszenieren und auszustatten. Acht von insgesamt 18 hierfür geschaffenen Marionetten sind nun in der Ausstellung «DADA anders» zu sehen. Nach ihrer Heirat 1922 reisen Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp gemeinsam mit Kurt Schwitters und Hannah Höch auf die Insel Rügen, später alleine nach Pompeji, Florenz und Rom. 1926 übernimmt Taeuber-Arp zusammen mit ihrem Mann und dem niederländischen Künstler Theo van Doesburg die Innenraumgestaltung der «Aubette», eines Strassburger Vergnügungszentrums mit Bar, Kino, Theater und Restaurant. Ab 1928 widmet sie sich der Planung ihres Atelierhauses in Clamart bei Paris, wo sie gemeinsam mit Arp lebt, bis sie 1940 vor den nationalsozialistischen Besatzungstruppen ins südfranzösische Grasse fliehen müssen. Sie stirbt 1943 in Zürich infolge einer Kohlenmonoxidvergiftung im Haus von Max Bill. HANNAH HÖCH Hannah Höch (1889 geb. in Gotha, 1978 gest. in West-Berlin) beginnt 1912 ein Studium an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Berlin, wo sie das Entwerfen und Zeichnen von Ornamenten, Urkunden und Schmuckblättern erlernt. 1915 geht sie eine sieben Jahre währende Beziehung mit Raoul Hausmann ein und wird durch ihn in die Kreise der künstlerischen Avantgarde Berlins eingeführt. Von 1916 bis 1926 entwirft sie Stick-, Häkel- und Strickmuster für Zeitschriften des Ullstein Verlags, für die sie auch Texte verfasst. 1918 findet sie zusammen mit Hausmann zur Fotomontage, die stilbildend für ihr späteres Werk wird. Über Hausmann lernt sie George Grosz, John Heartfield, Wieland Herzfelde, Johannes Baader und Richard Huelsenbeck kennen, die sich in Berlin zum «Club Dada» zusammenschliessen – mit Hannah Höch als einziger Frau. Höhepunkt dieser Zeit ist die Erste Internationale Dada-Messe von 1920, auf der Höch mit Fotomontagen und selbst genähten Dada-Stoffpuppen vertreten ist. Noch im selben Jahr tritt sie der politisch links stehenden Novembergruppe bei. Hannah Höchs vielfältiges Œuvre reicht von Collagen und plastischen Arbeiten über Entwürfe für Textilien, Dada-Puppen und Bühnenbilder bis hin zu grossformatigen Gemälden. Ihre politisch konnotierten und gesellschaftskritischen Werke thematisieren oftmals ein neues Frauenbild. ELSA VON FREYTAG-LORINGHOVEN Elsa von Freytag-Loringhoven (1874 geb. in Swinemünde, 1927 gest. in Paris) gilt heute als erste amerikanische Dada-Künstlerin und Pionierin der Performancekunst. Als 20-Jährige nimmt sie Schauspielunterricht in Berlin und feiert erste öffentliche Auftritte. Sie knüpft Kontakte zur Berliner Künstlerszene und steht dem Jugendstilkünstler Melchior Lechter Modell. 1901 heiratet sie den Architekten August Endell. Im Jahr darauf reist sie nach München, wo sie Zugang zum Kreis der «Kosmiker» findet. Fasziniert vom dionysischen Prinzip wird sie schnell zur Muse der spirituellen Gruppe, mit der sie Ekstase und Rausch zelebriert. Ab 1907 lebt sie in zweiter Ehe mit dem Schriftsteller Felix Paul Greve und übersiedelt 1910 nach Kentucky, wo sich das Paar kurz darauf trennt. In dieser Zeit beginnt sie zu schreiben, zieht 1913 nach New York und heiratet dort Baron Leopold von Freytag-Loringhoven. Auf dem Weg zum Standesamt entdeckt sie auf der Strasse einen eisernen Ring – ein gefundenes Objekt, das sie zu dem Kunstwerk «Enduring Ornament» erklärt. Aus heutiger Sicht ist es eines der ersten Readymades schlechthin. Ab 1914 beginnt Freytag-Loringhovens produktivste künstlerische Phase im Umfeld der New Yorker Kunstszene. Hier entfaltet sie sich als radikale Dichterin, Malerin und vor allem als Performancekünstlerin. Während sie tagsüber als Aktmodell ihr Geld verdient, geht sie nachts ihren eigenen künstlerischen Arbeiten nach. Durchdrungen von dadaistischen Ideen ist ihre Bühne die Strasse, ihre Ausdrucksform das Happening als Anti-Kunst und Demontage bürgerlicher Konventionen. Die Baroness trägt Esslöffel als Ohrringe, Briefmarken als Wangenrouge und Rücklichter an den Gesässpolstern. Als Aktmodell inszeniert sie sich mit einem selbst gemachten Büstenhalter aus zwei kleinen, von einem grünen Band zusammengehaltenen Tomatendosen, zwischen denen ein Kanarienvogel in einem winzigen Käfig baumelt. Eine Vielzahl ihrer Werke ist nicht mehr erhalten und auch ihre Performances sind nur durch wenige Fotografien dokumentiert. Zudem wurde die Urheberschaft von «God» (1917), einem Objekt aus zwei gusseisernen, ineinander verschränkten Abflussrohren, lange Zeit allein dem Maler Morton Schamberg zugeschrieben, obschon es sich dabei um ein Gemeinschaftswerk der beiden Künstler handelt. In diesem Zusammenhang muss auch die Diskussion um die Zuschreibung einer der bekanntesten Ikonen der Kunstgeschichte, «Fountain» (1917), erwähnt werden. Denn jüngste Forschungen legen nahe, dass die Idee für das mit R. Mutt signierte, auf dem Kopf stehende Pissoir nicht auf Marcel Duchamp, sondern auf Elsa von Freytag-Loringhoven zurückgeht. Noch ist die Autorenfrage nicht abschliessend geklärt. Unbestritten ist jedoch, dass die Dada-Baroness mit ihren frühen Readymades, provokativen Auftritten, dem Spiel mit Geschlechterrollen und ihren visuellen Gedichten, die sie ab 1918 in der Zeitschrift «The Little Review» veröffentlichte, eine Galionsfigur der Avantgarde war und bis heute zahlreiche Künstler inspiriert. Sie verliess Amerika 1923, kehrte nach Deutschland zurück und starb 1927 mittellos in Paris. Die Ausstellung wird grosszügig unterstützt von: Erna und Curt Burgauer Stiftung Dr. Georg und Josi Guggenheim Stiftung Michael und Ellen Ringier, Küsnacht PRESSEKONTAKT Für weitere Informationen und Interviewanfragen kontaktieren Sie bitte: Flurina Ribi Forster, +41 (0)44 217 70 98, [email protected] Pressebilder finden Sie unter: www.hauskonstruktiv.ch/presse/download
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