- GEW Sachsen

Ernüchterung überwiegt – auch Arbeitgeber unzufrieden
Umsetzung des TV EntgO-L gestaltet sich schwierig - erste Änderungen in Sicht
Das Referat Tarif- und Beamtenpolitik hat Anfang Dezember alle GEW-Mitglieder an den
öffentlichen Schulen in Sachsen über den zwischen TdL und dbb geschlossenen
„Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung der Lehrkräfte der Länder“ –
kurz: TV EntgO-L – informiert und Beratung dazu angeboten. Anlass dafür war die
Ankündigung des Freistaates Sachsen, diesen Tarifvertrag auf alle Lehrkräfte – unabhängig
von der Zugehörigkeit zu einem dbb-Verband – anzuwenden.
Kurz vor Redaktionsschluss erreichten uns endlich auch die seit Wochen angekündigten
Durchführungshinweise des SMF zur Umsetzung des TdL-dbb-Tarifvertrages in Sachsen.
Wir gehen deshalb davon aus, dass bei Erscheinen dieser E&W nunmehr auch die
Regionalstellen der SBA mit der Bearbeitung der bereits vorliegenden Anfragen und Anträge
zu diesem Tarifvertrag begonnen haben.
Enttäuschung und viel Verständnis für GEW-Ablehnung
Viele GEW-Kolleg*innen haben Anfang Dezember auf unsere Mitgliederinformation und
unser Beratungsangebot sehr positiv reagiert und sich insbesondere für die Klarstellungen
zu den möglichen Antragstellungen bedankt – zumeist aber auch ihre Enttäuschung
angesichts der geringen materiellen Substanz der Entgeltordnung zum Ausdruck gebracht.
Nicht wenige Kolleg*innen haben bekräftigt, dass sie jetzt noch besser verstehen, warum die
GEW im März in Potsdam eine andere Entscheidung als der Beamtenbund getroffen hat und
nicht „den Fuß in die Tür“ einer so stark vom Beamtenrecht dominierten Entgeltordnung
gestellt hat, die strukturell mit der Realität in Sachsen so gut wie nichts zu tun hat und
materiell ganz überwiegend den Status quo abbildet.
Eine bessere Eingruppierung als bisher können in Sachsen vielleicht rd. 1.000
Bestandlehrkräfte beantragen – sofern es sich für sie überhaupt „rechnet“ (z. B. bei Verlust
eines Strukturausgleiches). Für mehr als die Hälfte der tarifbeschäftigten Lehrkräfte in
Sachsen bewirkt der dbb-Tarifvertrag gar keine einkommensrelevante Veränderung, denn
rd.15.000 Lehrer*innen an Gymnasien, Förderschulen, Mittel-/Oberschulen und
Berufsbildenden Schulen sind und bleiben in EG 13 eingruppiert. Zum 01.08.2016 kommen
weitere rd. 1.000 an den Mittel-/Oberschulen hinzu (Umsetzung der 3. Stufe des 2013 im
„Gesamtpaket zur Gestaltung des Generationenwechsels“ vereinbarten Schaffung von EG13-Stellen für die Mittel-/Oberschulen).
Weitere ca. 12.000 sächsische Lehrkräfte, die derzeit in den Entgeltgruppen 9 (auch „kleine“
9), 10 und 11 eingruppiert sind und für die die Herstellung der Parallelität der
Zuordnungstabelle zu einem „Aufstieg“ um eine Entgeltgruppe geführt hätte, können
zunächst lediglich die 30-€-Angleichungszulage (brutto monatlich, bei Teilzeit entsprechend
anteilig) beantragen, die dann ab 01.08.2016 gezahlt wird.
dbb hofft auf „Elan der TdL“ zur Weiterentwicklung der Entgeltordnung
Wie es mit der Angleichung (hin zur „Paralleltabelle“) danach weitergeht, beschreibt der
Verhandlungsführer des dbb, Willi Russ, in einem Interview ganz optimistisch: „Dass die TdL
jetzt schnell an Elan verliert, ist nicht zu erwarten, denn damit würden sie denjenigen Recht
geben, die den Abschluss nicht wollten.1 Im Klartext heißt das: Nur um der GEW nicht Recht
zu geben, die sich gegen eine Unterschrift unter diese Entgeltordnung entschieden hat, wird
die TdL schon zügig was drauflegen. Das ist in der Tat ein völlig neues Motiv für tarifliche
Verbesserungen: TdL und Beamtenbund versuchen mit vereinten Kräften, die GEW wieder
einzufangen, damit wir den Arbeitgeber mit unseren weitergehenden Forderungen schön in
Ruhe lassen. Man darf gespannt sein, wie viel die TdL bzw. ihre Mitgliedsländer bereit sind,
dafür zu investieren. Und ob das dann wirklich reicht, auch unsere Mitglieder zufrieden zu
stellen …
Allzu groß scheint das Vertrauen des dbb in die TdL an dieser Stelle aber nicht zu sein, denn
der stellvertretende Vorsitzende der Bundestarifkommission des dbb, der SLV-Vorsitzende
Jens Weichelt, lenkt im gleichen Interview schon mal auffällig direkt vom Thema
Eingruppierung – und der damit verbundenen Friedenspflicht für die Mitglieder der dbbLehrerverbände – ab, indem er auf andere Probleme im Schulbereich und im öffentlichen
Dienst insgesamt verweist:
„Wer den Altersdurchschnitt in den bundesdeutschen Lehrerzimmern kennt und … weiß, wie
schwer sich viele Landesregierungen, nicht nur die in Sachsen, damit tun, die
demografischen Realitäten, insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes
anzuerkennen, der weiß, dass wir neben der schrittweisen Komplettierung der
Entgeltordnung noch genügend zu tun haben. Für eine Absenkung der Aktionsbereitschaft
gibt es auch im Schulbereich überhaupt keinen Grund.“²
Das klingt ein bisschen nach „Pfeifen im Wald“, denn inzwischen grummelt es nicht mehr nur
bei den tarifbeschäftigten Lehrern in den Beamtenbundsverbänden, sondern in mehreren
Bundesländern auch auf der Arbeitgeberseite recht kräftig, was die Umsetzung oder sogar
die Anwendung der dbb-Entgeltordnung anbetrifft.
Es knirscht im Gebälk der TdL
Einige westliche Bundesländer, die bisher recht positive eigene Eingruppierungsrichtlinien
hatten, wenden den dbb-Tarifvertrag nur teilweise an, indem sie darin enthaltene
Verschlechterungen für ihre Lehrkräfte nicht umsetzen. Sie haben z.T. durch entsprechende
Anwendungserlasse oder –hinweise bereits erste „Modifizierungen“ des TV EntgO-L
vorgenommen. Bei Redaktionsschluss wurde kolportiert, die TdL wolle sich deshalb auf ihrer
Mitgliederversammlung Mitte Dezember schon mit einem ersten Änderungstarifvertrag
beschäftigen. Inwieweit das tatsächlich geschehen ist, werden wir erst bei Erscheinen dieser
E&W wissen. In mehreren westlichen Bundesländern wehren sich auch die
Lehrerhauptpersonalräte noch gegen die Aufhebung bisher besserer landesspezifischer
Eingruppierungsregelungen, weil sie bei deren Aufhebung nicht beteiligt wurden. Das Land
Berlin hat gegenüber der GEW Verhandlungsbereitschaft signalisiert und wollte sich im
Dezember um eine entsprechende Verhandlungsvollmacht der TdL bemühen. Sollten in
Berlin keine Verhandlungen zustande kommen, werden unsere Berliner GEW-Kollegen ihren
Arbeitskampf im neuen Jahr wieder aufnehmen. Dabei hoffen sie natürlich zu Recht auf
tatkräftige Unterstützung aus Sachsen.
Durchführungshinweise des SMF unterstreichen sächsische Sondersituation
Die jetzt beginnende konkrete Anwendung des dbb-Tarifvertrages zeigt sehr deutlich, wie
wenig er mit der Realität in Sachsen zu tun hat. Nachdem die TdL Mitte Oktober ihre
Durchführungshinweise herausgegeben hatte, dauerte es noch einmal sechs Wochen, bis
das SMF am 30. November seine Durchführungshinweise fertiggestellt und mit der TdL
abgestimmt hatte. Wenn man sich das sächsische Durchführungspaket aus 12 Seiten
erläuterndem Rundschreiben und 86 Seiten SMF-Durchführungshinweisen mit 7 Anlagen
(einem Schaubild, 3 Formblättern, zwei Arbeitsvertragsmustern und einem
Änderungsvertragsmuster) betrachtet, verwundert dieser Zeitablauf nicht mehr. Dass das
SMF überhaupt ein so umfangreiches Material erstellt hat, obwohl die TdL ja bereits mehr als
100 Seiten Durchführungshinweise zu diesem Tarifvertrag herausgegeben hatte, verdeutlicht
erneut die sächsische Sondersituation, für die dieser beamtenrechtlich geprägte
„Tarif“vertrag eigentlich höchst absurd und deshalb besonders schwer verständlich ist. Die
Kollegen in den Personal verwaltenden Dienststellen werden in den nächsten Wochen und
Monaten schwer zu tun haben und müssten eigentlich unsere ersten Verbündeten im Kampf
für einen eigenen sächsischen Eingruppierungstarifvertrag sein. Man darf gespannt sein, wie
sie sich verhalten werden, wenn wir unserer Forderung nach einem Tarifvertrag, der der
schulischen Realität in Sachsen und dem Arbeitnehmerstatus der sächsischen Lehrkräfte
gerecht wird und damit auch ihre Arbeit deutlich erleichtern könnte, Nachdruck verleihen.
„Umgekehrte“ Anhörung von Landtagsabgeordneten
Wie erwartet, hat Ministerpräsident Tillich unsere Verhandlungsaufforderung vom 16.
Oktober nicht selbst beantwortet, sondern an das in Tarifangelegenheiten federführende
Finanzministerium weitergeleitet. Von dort lag bei Redaktionsschluss noch keine Reaktion
vor. Wie schon im Sommer 2013, als wir unsere 1. Verhandlungsaufforderung öffentlich am
Rande einer Landtagssitzung übergaben, haben wir auch diesmal die Bildungspolitiker*innen
im Landtag über unsere Forderungen informiert und sie um ihre Unterstützung bei der
Durchsetzung von Verhandlungen mit der Staatsregierung gebeten.
Unsere dazu geplante „umgekehrte“ Anhörung mit den bildungs- bzw. schulpolitischen
Sprecher*innen, die wir im November wegen mehrerer erkrankter Akteure absagen mussten,
findet nun am 01. Februar in Dresden statt. Die Einladungen dazu sind bereits im
Dezember letzten Jahres erfolgt.
Wolfram Dütthorn
Referatsleiter Tarif- und Beamtenpolitik
1 tacheles SPEZIAL – Das Tarifmagazin für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im dbb, Sonderausgabe „Entgeltordnung für Lehrkräfte der
Länder“,, Oktober 2015, S. 6
² ebenda