Gewöhnliche Differentialgleichungen SoSe 2015 Florian Wörz Systeme von Differentialgleichungen Wir betrachten ẏ(t) = A · y(t) y1 . . mit einer Matrix A ∈ M(n × n; R) und einem Vektor y = . . yn Bestimmung eines Fundamentalsystems Wie bestimmt man ein Fundamentalsystem dieses Differentialgleichungssystems (also eine Basis des Lösungsraumes)? Hier ein Kochrezept“: ” 1. Bestimme die Eigenwerte von A. 2. Fallunterscheidung: (a) λ EW von A, v zugehörigem EV =⇒ eλt v ist Lösung (b) λ EW von A, v1 , . . . , vm zugehörige EV =⇒ eλt v1 , . . . , eλt vm sind Lösungen (c) λ ist m-facher EW von A, es gibt jedoch nur einen EV v1 =⇒ Bestimme die Hauptvektoren wie folgt: • Löse: (A − λEn )v2 = v1 • Löse: (A − λEn )v3 = v2 .. . • Löse: (A − λEn )vm = vm−1 =⇒ eλt v1 , eλt (v2 +tv1 ), eλt (v3 +tv2 +t 2 v1 ), . . . , eλt (vm +tvm−1 +. . .+t m−1 v1 ) sind Lösungen. (d) λ1 = α + β i ist EW von A mit zugehörigem EV v1 = a + b i. =⇒ Dann ist auch λ2 := α−β i EW von A mit zugehörigem EV v2 := a −b i. Dies sieht man wie folgt ein: Av = λv ⇔ Av = λv ⇔ Av = λv . 1 Wir haben hier verwendet, dass A reell-wertig ist. Die Lösungen sind gegeben durch eαt cos(βt)a − sin(βt)b und eαt sin(βt)a + cos(βt)b . Beispiel: Entkoppeln eines DGL-Systems Bestimme ein reelles Fundamentalsystem von ẏ1 (t) = 3y3 ẏ (t) = 8y − 6y 2 4 2 ẏ3 (t) = −3y1 ẏ (t) = 6y − 4y . 4 4 2 Schauen wir uns das System genau an, merken wir, dass es in zwei Systeme mit jeweils zwei Unbekannten entkoppelt, nämlich ( ẏ1 (t) = 3y3 ẏ3 (t) = −3y1 ( und ẏ2 (t) = 8y4 − 6y2 ẏ4 (t) = 6y4 − 4y2 . Unsere Idee ist nun beide Systeme einzeln zu lösen. Betrachten wir zunächst das Erste. Dieses ist von der Form ye˙ = Ae y mit der Matrix A= und dem Vektor ye = 0 3 −3 0 ! ! y1 . Das charakteristische Polynom von A bestimmt sich zu y3 ! −λ 3 c(A, λ) = det(A − λE2 ) = det = λ2 + 9, −3 −λ also erhalten wir als Eigenwerte λ1 = 3 i und λ2 = −3 i. 2 Bestimmen wir nun den Eigenvektor v1 zum Eigenwert λ1 = 3 i: Wir lösen dazu ! −3 i 3 (A − λ1 E2 )v1 = 0 ⇐⇒ v1 = 0 −3 −3 i (MZ) ⇐⇒ −3 i 3 v1 = 0 * !+ 1 ⇐⇒ v1 ∈ =: V1 . i ! 1 . Wir schreiben v1 = i Eine Basis von V1 ist bspw. v1 = ! ! 1 0 +i . 0 1 Aus Symmetriegründen!erhalten wir den Eigenvektor v2 ! zum Eigenwert λ2 = −3 i ! 1 1 0 unmittelbar: v2 = . Wir schreiben v2 = −i . −i 0 1 Somit erhalten wir die Lösungen ! ! 1 0 ye (t) = cos(3t) − sin(3t) 0 1 (1) sowie ! ! 1 0 ye(2) (t) = sin(3t) + cos(3t) 0 1 Das zweite System ist von der Gestalt yb˙ = B yb mit der Matrix B= und dem Vektor yb = −6 8 −4 6 ! ! y2 . Das charakteristische Polynom von B bestimmt sich zu y4 −6 − µ 8 c(B , µ) = det(B − µE2 ) = det −4 6−µ = (−6 − µ)(6 − µ) + 32 = −36 + 6µ − 6µ + µ2 + 32 = µ2 − 4, also erhalten wir als Eigenwerte µ1 = 2 und µ2 = −2. 3 ! Wie oben bestimmt man die korrespondierenden Eigenvektoren bspw. zu v1 = ! 1 1 und v2 = ! 2 . 1 Somit erhalten wir hier als Lösungen ye(3) (t) = e2t ! 1 1 ye(4) (t) = e−2t ! 2 . 1 sowie Als reelles Fundamentalsystem erhalten wir schließlich cos(3t) sin(3t) 0 0 0 0 e2t 2 e−2t . U (t) = − sin(3t) cos(3t) 0 0 2t −2t 0 0 e e Beispiel: DGL-System 2. Ordnung Man berechne alle reellen Lösungen des DGL-Systems ( y100 (t) = −2y1 (t) + 2y10 (t) y20 (t) = y1 (t) + 3y2 (t) − y10 (t). Wir schreiben die DGL 2. Ordnung zunächst in eine System um, indem wir y3 (t) := −y10 (t) setzen. Wir erhalten wegen y30 (t) = −y100 (t) = 2y1 (t) − 2y10 (t) = 2y1 (t) + 2y3 (t) somit 0 y1 (t) = −y3 (t) y20 (t) = y1 (t) + 3y2 (t) + y3 (t) 0 y3 (t) = 2y1 (t) + 2y3 (t). 4 Dies ist von der Form y 0 = Ay für y = (y1 , y2 , y3 )T und 0 0 −1 A = 1 3 1 . 2 0 2 Das charakteristische Polynom von A bestimmt sich mit dem Laplaceschen Entwicklungssatz (entwickeln nach 2. Spalte) zu −λ 0 −1 c(A, λ) = det(A − λE3 ) = det 1 3 − λ 1 2 0 2−λ = (3 − λ) (−λ)(2 − λ) + 2 (?) = (3 − λ)(λ2 − 2λ + 2) = (3 − λ)(λ − 1 + i)(λ − 1 − i). Wir haben dabei an der Stelle (?) tunlichst darauf geachtet, dass wir nicht ausmultiplizieren! Die Eigenwerte können wir so direkt ablesen (und müssen nicht erst Nullstellen eines Polynomes dritten Grades raten und anschließende Polynomdivision durchführen) – sie ergeben sich zu: λ1 = 3, λ2 = 1 + i, und λ3 = 1 − i. Berechnen wir also die zugehörigen Eigenvektoren: • Den Eigenraum zum Eigenwert 3 erhält man durch scharfes Hinschauen zu * 0 + 1 . 0 0 Als Basis und Eigenvektor wählen wir v1 := 1. 0 • Um den zum Eigenwert 1 + i korrespondierenden Eigenvektor zu bestimmen, 5 lösen wir −(1 + i) 0 −1 A − (1 + i)E3 v2 = 0 ⇐⇒ 1 2−i 1 v2 = 0 2 0 1−i ! −(1 + i) 0 −1 (MZ ) ⇐⇒ v2 = 0 1 2−i 1 ! 1 2−i 1 (Gauß) ⇐⇒ v2 = 0 0 3+i i ! 1 2−i 1 ZII ·(− i) ⇐⇒ v2 = 0 0 −1 + 3 i −1 Dabei haben wir bei (Gauß) einen Zeilentausch durchgeführt und das (1 + i)fache der oberen auf die untere Zeile addiert. Wir wählen −1 − 2 i v2 := 1 . −1 + 3 i • Mit einem Symmetrieargument erhält man sofort −1 + 2 i v3 := 1 −1 − 3 i als Eigenvektor für λ3 . Somit erhalten wir als Lösung −1 −2 −1 −2 0 t t 3t y(t) = a e 1+b e cos t 1 − sin t 0 +c e sin t 1 + cos t 0 3 3 −1 0 −1 mit a, b, c ∈ R. Somit haben wir y1 (t) = −b et cos t + 2b et sin t − c et sin t − 2c et cos t = (−b − 2c) et cos t + (2b − c) et sin t 6 und y2 (t) = a e3t +b et cos t + c et sin t. Weiter sieht man y3 (t) = −b et cos t − 3b et sin t − c et sin t + 3c et cos t = (−b + 3c) et cos t + (−3b − c) et sin t, womit man (unter Anwendung einiger Produktregeln) in der Tat y10 = −y3 verifizieren kann. Beispiel: Matrixexponential Gebe ein Fundamentalsystem der Gleichung 1 0 3 1 y(t). 0 3 {z } 3 y 0 (t) = 0 0 | :=A Unsere Idee ist etA zu berechnen, da die Matrix A eine günstige Form hat (vgl. Numerik I). Wir schreiben 3 1 0 3 A = 0 3 1 = 0 0 0 3 0 | 0 0 0 3 0 + 0 0 0 3 {z } | :=D 1 0 0 1 . 0 0 {z } :=N Wir stellen fest, dass 0 0 1 N 2 = 0 0 0 0 0 0 gilt und somit N3 = N4 = ... = 0 gilt (man sagt auch, dass N nilpotent ist – dadurch erklärt sich die Wahl des Buch- 7 stabens). Somit ist etA = etD etN 3t e 0 0 1 2 2 3t =0 e 0 E3 + tN + t N 2 0 0 e3t 3t e t e3t 21 t 2 e3t = 0 e3t e3t 0 0 e3t ein Fundamentalsystem. 8
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