Ein unerwarteter Lungenbefund

FALLBERICHTE
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Bei Hufgetrappel auch mal ans Zebra denken
Ein unerwarteter Lungenbefund
Sladjana Maksimovic, Beat Galliker, Carsten T. Viehl, Antoine Oesch
Chirurgische Klinik, Spitalzentrum Biel
Fallbeschreibung
nicht die erwarteten Metastasen des bekannten ge­
mischten Adenokarzinoms und neuroendokrinen Kar­
Bei Zustand nach Hemikolektomie rechts wegen ge­
zinoms des Kolons, sondern basaloide Zellen (Abb. 2).
mischten Adenokarzinoms und neuroendokrinen Kar­
In der gezielt nochmals erhobenen persönlichen Ana­
zinoms des Colon ascendens mit Infiltration der Appen­
mnese bestand ein Zustand nach Exzisionen von Basal­
dix pT4a pN2b (13/31) L1 V0 Pn0 G3 ein Jahr zuvor und
zellkarzinomen vor drei Jahren an multiplen kutanen
Zustand nach adjuvanter Chemotherapie mit 10 Zyklen
Lokalisationen (Rücken und Schulterblatt rechts, Ober­
Fluoruracil, Leucovorin und Oxaliplatin wurde bei
arm und Brust links, jeweils in der Grösse von 2–3 cm).
einem 82­jährigen Patienten im Rahmen der struk­
Alle Exzisionen zeigten histologisch eine R0­Resektion,
turierten Nachsorge nach dem SGG­(Schweizerische
und es ist zu keinem Lokalrezidiv gekommen.
Gesellschaft für Gastroenterologie­)Schema [1, 2] ein
Kontrastmittel­verstärktes CT­Thorax/Abdomen durch­
geführt. In diesem zeigten sich resezierbare, metasta­
senverdächtige Lungenherde im Bereich der Oberlap­
Diskussion
Das Basalzellkarzinom (BZK) ist der häufigste nicht
pen beidseits (Abb. 1), die im anschliessenden PET­CT
gutartige Hauttumor des Menschen. Es ist eine lokal
bestätigt werden konnten. Weitere potenzielle Tumor­
destruierende epitheliale Neoplasie mit basaloider Dif­
manifestationen zeigten sich nicht. Auf eine Kontroll­
ferenzierung. Weltweit wird ein 30%iges Lebensrisiko
koloskopie war in Anbetracht des Alters des Patienten
für die Entwicklung eines BZK beschrieben. Am häu­
verzichtet worden; das carcinoembryonale Antigen
figsten tritt das BZK an sonnenexponierten Stellen wie
(CEA) lag mit 1,8 µg/l im Normbereich. Daher entschie­
Kopf­ und Halsbereich (80%) auf. Die Aggressivität des
den wir uns zur Resektion der Befunde.
Tumors besteht in seinem lokal infiltrierenden und de­
Die rechtsseitigen Befunde wurden mittels zweier
struierenden Wachstum, während eine Metastasie­
Keilresektionen im rechten Oberlappen via Minithora­
rung extrem selten beobachtet wird. In der Literatur
kotomie entfernt, die linksseitigen acht Tage später
wird eine Metastasierungs­Rate von 0,0028–0,5% be­
noch während der gleichen Hospitalisation mittels
schrieben [3]. Beobachtete Metastasierungslokalisatio­
thorakoskopischer Wedgeresektion im Oberlappen
nen sind Lungen, Knochen und die Haut. Kriterien für
links. Der intra­ und postoperative Verlauf gestaltete
die Diagnose eines metastasierenden Basalzellkarzi­
sich jeweils komplikationslos. Überraschenderweise
noms, die ursprünglich 1951 von Lattes und Kessler de­
zeigte die histologische Aufarbeitung der Resektate
finiert wurden, beinhalten [4, 5]: Tumormetastase eines
Abbildung 1: Lungenmetastasen im linken und rechten Oberlappen.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM
2015;15(36):802–803
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Abbildung 2: Histologische Präsentation des Tumors der linken und rechten Lunge.
primär kutanen BZK zu einer entfernten, nicht­zusam­
Die Therapie der Wahl bei metastasierten BZK ist wenn
menhängenden Stelle; die Metastase muss die gleichen
immer möglich die chirurgische Resektion. Sekundäre
histopathologischen Eigenschaften aufweisen wie das
Therapieoptionen sind eine Radio­ und/oder Chemo­
primäre BZK. Diese Voraussetzungen waren bei unse­
therapie [4, 6]. Die Prognose eines metastasierten BZK
rem Patienten gegeben.
ist schlecht, in der Literatur wird eine mittlere Über­
Klinische Eigenschaften, die ein erhöhtes Metastasie­
lebenszeit (nach Diagnosestellung) von 8 Monaten bis
rungsrisiko bergen, sind: Initiale Tumorläsion von
3,5 Jahren beschrieben [6].
mehr als 2 cm, Lokalisation der primären Läsion im Be­
Beim vorgestellten Patienten wurde nach Besprechung
Korrespondenz:
reich Kopf oder Hals, schlechtes Ansprechen auf die in­
am interdisziplinären Tumorboard, in Anbetracht der
Dr. med. Sladjana
itiale chirurgische Therapie mit häufigen lokalen Rezi­
In­toto­Resektion aller Lungenmetastasen, vorerst von
Maksimovic
Spitalzentrum Biel
diven und eine grosse Infiltrationstiefe [4–6]. Unser
einer weiteren adjuvanten Therapie abgesehen. Bis
Vogelsang 84
Patient wies als einziger dieser Risikofaktoren eine in­
zum aktuellen Zeitpunkt (13 Monate nach Diagnose­
itiale Tumorgrösse von über 2 cm auf.
stellung) lebt der Patient, wurde jedoch kürzlich bei
CH­2501 Biel
slada[at]gmx.ch
Allgemeinzustandsverschlechterung hospitalisiert.
Schlussfolgerungen für die Praxis
Disclosure statement
• Bei Hufgetrappel muss man doch manchmal auch ans Zebra statt nur ans
Pferd denken: In sehr seltenen Fällen können auch Basalzellkarzinome
metastasieren.
• Klinische Eigenschaften mit erhöhtem Metastasierungsrisiko von Basalzellkarzinomen sind:
– initiale Tumorgrösse von mehr als 2 cm;
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Literatur
1
2
3
4
– Lokalisation der primären Läsion im Bereich Kopf oder Hals;
– schlechtes Ansprechen auf die initiale chirurgische Therapie mit häufigen lokalen Rezidiven;
6
– eine grosse Infiltrationstiefe.
SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM
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2015;15(36):802–803
http://www.sggssg.ch/guidelines­empfehlungen.html
Viehl CT, Ochsner A, von Holzen U, Cecini R, Langer I, Guller U et al.
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