Chinas Außenhandel: Alles klar?

Helaba Volkswirtschaft/Research
LÄNDERFOKUS
15. März 2016
Chinas Außenhandel: Alles klar?
AUTOR
Patrick Franke
Telefon: 0 69/91 32-47 38
[email protected]
REDAKTION
Dr. Stefan Mitropoulos
HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/
Leitung Research
Helaba
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
Die chinesischen Handelsdaten sorgen seit geraumer Zeit jeden Monat für erhebliche Aufregung. Die Anfang März veröffentlichten Zahlen für den Februar fielen scheinbar besonders
schlecht aus und gaben entsprechend Anlass zu einer neuen Welle des Pessimismus im Hinblick auf die Konjunktur in China. Offenbar kann man es gar nicht oft genug sagen: Die chinesischen Handelsdaten sind selbst im Normalfall schwierig zu interpretieren. Im aktuellen Marktumfeld und insbesondere am Jahresanfang ist ihre Aussagekraft so eingeschränkt, dass es
sogar sinnvoll sein könnte, sie vorübergehend zu ignorieren.
Erst im Januar haben wir in einer Publikation mit dem Titel „Was ist los mit dem Welthandel?“ die
globalen Handelsströme beleuchtet. Ostasien und speziell China waren dabei ein zentrales Thema. Die andauernde Debatte um die chinesischen Außenhandelsdaten lässt es sinnvoll erscheinen, noch einmal ausführlicher darauf einzugehen, was diese uns eigentlich sagen – und was
nicht.
Angesichts der schon seit längerer Zeit weitverbreiteten und zuletzt virulenter gewordenen Kritik an
der Qualität der chinesischen Konjunkturindikatoren ist es immer wieder erstaunlich, wie unreflektiert die angebliche Botschaft dieser Zahlen dann oft an den Märkten und in den Medien aufgenommen (und akzeptiert) wird. Die Handelsdaten werden monatlich veröffentlicht und damit dreimal so häufig wie die Wachstumszahlen. Entsprechend regelmäßig stehen Horrormeldungen über
den Außenhandel Chinas in der Presse. Nur zwei aktuelle Beispiele: „Chinas Außenhandel bricht
ein“ (Handelsblatt) und „Chinas Exporte sinken um ein Viertel“ (FAZ), beide vom 9. März 2016.
Vieles, was zu diesem Thema aber geschrieben und gesagt wird, hält einer genaueren Analyse
nicht stand. In diesem Länderfokus stellen wir daher zunächst einmal die Zahlen zu Chinas weltweiten Ex- und Importen vor und beschreiben die diversen Probleme bei ihrer Interpretation. Wir
sehen uns dann die bilateralen Handelsströme zwischen China einerseits und den USA bzw.
Deutschland andererseits näher an. Wir überprüfen die Aussagekraft der chinesischen Daten anhand des jeweiligen deutschen bzw. amerikanischen Äquivalents. Wie schwach ist die Nachfrage
aus China wirklich? Steigt der chinesische Anteil an unseren Importen noch?
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
Klare Botschaft? Oder nur saisonales Schwanken?
Chinesischer Außenhandel (Waren), Mrd. Dollar
250
250
Exporte
200
200
150
150
Importe
100
100
50
50
0
0
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
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Außer einem Abwärtstrend nicht viel zu erkennen
Ein etwas klareres Bild – die nominale Jahressumme
Chinesischer Außenhandel (Waren), Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Chinesischer Außenhandel (Waren), 12-Monatssumme, Mrd. Dollar
80
Februarwerte
60
Exporte
40
20
Importe
0
-20
80
3000
60
2500
40
2000
2012
2013
2014
2015
2000
Importe
1500
0
1000
1000
500
500
-40
2011
2500
Exporte
20
-20
-40
2010
3000
0
2010
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
1500
0
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Schwieriges Terrain für den Datennutzer
Der Chart auf S. 1 illustriert das Problem. Die „offiziellen“ Außenhandelsdaten Chinas sind nominal, in US-Dollar und nicht saisonbereinigt. Die fehlende Saisonbereinigung springt auf den ersten
Blick ins Auge. Es gibt ein klares saisonales Muster: Einer Stärke zum Jahresende folgt stets ein
Rückgang am Anfang des Folgejahres. Die kurzfristige Dynamik der Ein- und Ausfuhren ist daher
nicht sinnvoll zu interpretieren. Stattdessen muss man sich mit der Vorjahresrate oder einer 12Monatssumme behelfen. Leider gibt es bei den Handelsdaten wie bei diversen anderen chinesischen Zeitreihen ein zusätzliches Problem. Der Termin des Neujahrsfestes ist von den Mondphasen abhängig und kann zwischen dem 21. Januar und 21. Februar liegen. Da sich die Feiertage
zum Neujahr – viele Chinesen haben eine ganze Woche frei – in erheblichem Maße auf wirtschaftliche Größen auswirken (Konsumausgaben, Reisen, Produktionsausfälle usw.), gibt es im ersten
Quartal des Kalenderjahres einen massiven Sondereffekt, der nicht an einen bestimmten Tag bzw.
noch nicht einmal an einen bestimmten Monat gebunden ist. Diese Verzerrung führt dazu, dass
selbst die Vorjahresrate betroffener Reihen von Januar bis Februar nur eingeschränkt interpretierbar ist, weil das Timing des Neujahrs zu Ausschlägen führt (Schaubild). Das kräftige Minus
(-25 %!) im Februar 2016 ist daher vor allem einem massiven Plus 2015 geschuldet. Dieses Prob1
lem lindert die 12-Monatssumme. Besser ist es aber noch, wenn man im Q1 grundsätzlich nur den
Quartalswert beachtet und nicht die einzelnen Monatswerte.
Neujahrsfest verzerrt die
Daten im Q1
Der nominale Charakter der Daten ist ebenfalls ein Problem. Für die meisten Zwecke, insbesondere für die Konjunkturanalyse, sind reale oder Volumengrößen aussagekräftiger als Daten in laufenden Preisen. Dies gilt umso mehr, je stärker die Preise schwanken. Und aktuell ist bei den Preisen
einiges los. Die chinesische Statistik bietet uns nicht wie in Deutschland oder den USA einen kompletten Satz an Import- und Exportpreisen. Aber es gibt zumindest einen Importpreisindex, der die
Schwache Importe: Nur ein Preiseffekt?
Einiges los am Devisenmarkt seit 2014
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
Nominaler Index
20
20
15
15
Importe
10
10
5
5
0
0
-5
-5
Importpreise
-10
-10
-15
-15
-20
-20
-25
-25
2013
2014
2015
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
1
Yuan
130
5,7
5,8
Yuan pro Dollar
(RS, invertiert)
125
5,9
Aufwertung
120
Abwertung
115
6,0
6,1
6,2
6,3
6,4
110
6,5
Außenwert des Yuan
(LS)
6,6
105
6,7
2013
2014
2015
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Sie hat aber den Nachteil, dass sie Entwicklungen am aktuellen Rand nur sehr verzögert widerspiegelt.
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Vorjahresveränderung ausweist. Hier schlägt sich der massive Rückgang der Rohstoff- und insbesondere der Energiepreise in den letzten zwei Jahren nieder. Zu einem guten, wenn auch nicht
konkret bestimmbaren Teil geht das Minus bei den Importen auf fallende Preise, nicht auf geringere Mengen zurück. Auf der Exportseite liegen solche Daten nicht vor, aber die nachhaltig rückläufigen Erzeugerpreise (im Januar/Februar rund 5 % unter ihrem Vorjahresniveau) deuten darauf hin,
dass auch die Ausfuhrpreise im Rückwärtsgang sind und die nominalen Exportzahlen drücken.
Bei Export- wie Importpreisen spielt zudem auch der Wechselkurs eine zentrale Rolle. Er beeinflusst zwar durch Veränderungen der preislichen Wettbewerbsfähigkeit potenziell (und eher auf
mittlere Sicht) die realen Handelsströme. Auf kurze Sicht dürften aber rein rechnerische Effekte auf
die nominalen Größen dominieren. Da die chinesischen Handelsdaten in US-Dollar veröffentlicht
werden, besteht die Möglichkeit, dass größere Schwankungen des Yuan zu statistischen Verzerrungen führen. Um diesen Effekt quantifizieren zu können, wäre es jedoch erforderlich zu wissen,
in welchem Umfang der Außenhandel Chinas in Yuan, in US-Dollar oder in Drittwährungen abgewickelt wird. Auch ist unklar, ob die chinesischen Statistiker diese Information überhaupt abfragen,
oder ob die zuständige Zollbehörde nur Daten auf Dollar- oder nur auf Yuan-Basis erhebt und
diese dann eigenständig umrechnet.
Der handelsgewichtete Außenwert des Yuan lag Anfang 2016 gut 12 % höher als Mitte 2014. Dies
würde niedrigere reale Exporte und höhere reale Importe erwarten lassen. Dazu kommt aber noch
der unbekannte Effekt auf die Import- und Exportpreise. Exportiert ein chinesisches Unternehmen
und erzielt dadurch Einnahmen in ausländischer Währung, so werden diese Einnahmen durch eine
Aufwertung des Yuan in Heimatwährung reduziert. Wenn die Zollbehörde dann die Exporte misst,
kann sich wegen des Wechselkurseffekts eine geringere Exportzahl ergeben.
Aufwertung im Windschatten des US-Dollar
Wegen der großen Bedeutung der USA für China und aufgrund der zentralen Rolle des Dollar im
Welthandel ist der Außenwert aber vielleicht weniger relevant als der bilaterale Wechselkurs zur
amerikanischen Währung. Hier hat der Yuan seit Mitte 2014 rund 5 % verloren. In welcher Währung die chinesischen Ex- und Importe abgerechnet werden ist für den Effekt dieser Abwertung
kritisch: Fakturiert man in Dollar, sind Exporte im Wert von 100 Dollar nun in Yuan gemessen 5 %
mehr wert. Fakturiert man hingegen in Yuan und rechnet dies dann nur für die statistische Erhebung in Dollar um, gehen die so gemessenen Exporte um 5 % zurück.
Schwaches Bild in Euro, Yen und Dollar…
…sieht in Yuan aber besser aus
Warenexporte Chinas, 12-Monatssumme in Landeswährung (Index Q1 2001 = 100)
Warenexporte Chinas, 12-Monatssumme in Yuan (Index Q1 2001 = 100)
500
500
500
450
450
450
400
400
350
350
300
300
300
300
250
250
250
250
200
200
200
150
150
100
100
100
100
50
50
50
50
Eurozone
400
350
USA
Japan
150
0
2001
2004
2007
2010
2013
0
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
0
2001
500
450
400
Eurozone
350
USA
200
Japan
2004
2007
150
2010
2013
0
2016
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Realitätscheck: Was sagen die Daten der Handelspartner?
Wie sieht es mit der Nachfrage nach chinesischen Exporten in den großen Industrieländern aus,
wenn man die Daten der Handelspartner heranzieht? Die Exporte Chinas in die Eurozone, nach
Japan und in die USA sehen, in Euro, Dollar und Yen gemessen, alle sehr mäßig aus. Nur die
Ausfuhren in die USA sind noch klar im Aufwärtstrend. Die Nachfrage in der Eurozone hat sich
zuletzt eher seitwärts bewegt, während die Ausfuhren nach Japan seit längerer Zeit fallen. Das
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Bild ändert sich allerdings, wenn man die Exporte in Yuan betrachtet. Umgerechnet zeigen sich die
Handelsströme unisono in einem deutlich besseren Zustand als in der jeweiligen Inlandswährung.
Aus chinesischer Sicht sind die Exporterlöse also nicht so schlecht, wie es die Daten der Handelspartner nahelegen. Hier schlägt sich die in den letzten Jahren erfolgte Aufwertung des Yuan im
Windschatten des US-Dollar nieder. Die jüngste Schwäche gegenüber dem US-Dollar, die an den
Märkten für so viel Aufregung gesorgt hat, ist hingegen vergleichsweise gering. Sie ist in dem
leichten Knick der Yuan-Exporte in die USA erkennbar, während die Dollarzahlen stabil waren.
Werfen wir nun einen Blick auf die bilateralen Handelsdaten aus den USA und aus Deutschland.
Wie gut passen sie zu ihren chinesischen Äquivalenten? Insgesamt sieht man, dass die Niveaus
zum Teil erheblich voneinander abweichen. Für die USA bewegen sich die Größen aber größtenteils parallel. Nur am aktuellen Rand zeigen die Exportdaten der chinesischen Statistiker und die
Exportdaten der US-Statistiker jeweils eine ausgeprägtere Schwäche als ihr Pendant. Dies dürfte
mit der Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar zusammenhängen, der offenbar zu Bewertungsunterschieden führt, je nachdem, ob der Handelsstrom originär in US-Dollar oder in Yuan
gemessen wird.
Bessere Daten aus
Deutschland und den
USA?
Handelspartner USA: Wechselkurseffekte?
Handelspartner Deutschland: Widersprüchlich
Warenhandel Chinas mit den USA, 12-Monatssumme, Mrd. Dollar
Warenhandel Chinas mit Deutschland, 12-Monatssumme, Mrd. Dollar
500
500
450
450
US-Daten
400
400
350
Chinas Exporte in
die USA (chin. Daten)
250
200
100
80
80
100
250
60
100
2005
2007
2009
2011
2013
Chinas Importe aus D
(chin. Daten)
Deutsche Daten
20
50
0
2001
0
2003
Chinas Exporte
nach D (chin. Daten)
40
150
US-Daten
50
300
200
Chinas Importe aus den USA
(chin. Daten)
150
2015
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
120
Deutsche Daten
100
350
300
0
2001
120
60
40
20
0
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Im Falle Deutschlands hängt das Vorzeichen des bilateralen Handelsbilanzsaldos kurioserweise
davon ab, ob man die deutschen oder die chinesischen Daten zu Grunde legt. Die nationalen Daten beider Länder weisen aktuell jeweils ein Defizit für das Inland aus (Warenimporte größer als
-exporte). Ob hierfür primär Erfassungs- und Bewertungsprobleme oder Wechselkurseffekte verantwortlich sind, ist unklar. Die Daten aus China liegen bereits für den Februar vor, die deutschen
Reihen enden im Dezember. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt haben sich die passenden Daten
in der jüngsten Vergangenheit weitgehend parallel bewegt. Sie zeichnen ein Bild, nach dem die
nominale Nachfrage Chinas nach deutschen Exporten zuletzt gefallen ist, während die Nachfrage
Deutschlands nach chinesischen Exporten seit geraumer Zeit weitgehend stagniert.
Deutschland: Anteil Chinas geht seitwärts
US-Importe: Anteil Asiens stabil
Anteil Chinas am deutschen internationalen Warenhandel, %
Anteil an den US-Warenimporten, %
12
12
45
45
40
10
10
Importe
(China 2015: 91 Mrd. €)
8
8
6
6
4
4
Exporte
(2015: 71 Mrd. €)
2
0
2
1985
1990
1995
2000
2005
2010
35
30
30
25
25
20
20
15
15
China
10
10
5
0
1980
40
andere asiatische Länder*
35
2015
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
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5
0
0
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
*Japan, Hongkong, Malaysia, Korea, Indonesien, Singapur, Taiwan und Thailand
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
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LÄNDERF OKUS
Auf Jahresbasis lag Chinas Anteil an den deutschen Ausfuhren 2015 bei rund 6 %, seit 2010 weitgehend unverändert. Der Anteil Chinas an den Importen Deutschlands lag bei knapp 10 %, einem
Rekordwert, der allerdings 2010 schon einmal erreicht wurde.
In den USA nimmt der Anteil Chinas an den Warenimporten nur noch sehr langsam zu, vor allem
verglichen mit dem rapiden Anstieg in den 1990er und 2000er Jahren. 2015 lag er beim Höchstwert von 21,5 %. Dies ist allerdings nur wenig höher als der Anteil im Jahr 2010 (19 %). In Amerika
hat China zudem vor allem andere asiatische Produzenten verdrängt – der Anteil Ostasiens insgesamt an den US-Importen ist seit den 1980er Jahren mit rund einem Drittel erstaunlich konstant.
Reale Daten: Stochern im Nebel
Die offizielle chinesische Statistik bietet keine preisbereinigten (oder Volumen-)Größen zum Außenhandel. Wir können uns dem Thema aber über andere Daten annähern. So berechnet das
niederländische Forschungsinstitut CPB reale Handelsgrößen für „Emerging Asia“, ein Aggregat, in
dem China zweifelsohne ein sehr hohes Gewicht hat. Die Importe diese Ländergruppe zeigen für
das Jahr 2015 insgesamt ein leichtes Minus, wobei sich die Einfuhren nach einer merklichen Delle
im Frühjahr wieder erholt haben. Deflationiert man die bilateralen US-Importzahlen aus China mit
dem passenden Importpreisindex, ergibt sich – gemessen an der 12-Monatssumme – zuletzt eine
Stagnation bei den realen chinesischen Warenexporten in die USA.
Chinas realer Handel: Wahrscheinlich Stagnation…
…oder leichtes Minus im Jahr 2015
Realer Warenhandel, indexiert Dez-04 = 100
Chinas Waren- und Dienstleistungshandel in konstanten Preisen, Mrd. USD*
260
260
240
2500
240
US-Importe aus China deflationiert mit
Importpreisindex China
(12-Monatssumme)
220
200
180
220
200
180
160
160
Importe der asiatischen
Schwellenländer insgesamt
140
120
100
80
2004
2500
140
120
2000
2000
Exporte
1500
1500
1000
1000
Importe
500
500
100
80
2006
2008
2010
2012
2014
Quellen: Macrobond, CPB, Helaba Volkswirtschaft/Research
0
0
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
* OECD Schätzungen und Prognosen vom Herbst 2015.
Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Internationale Organisationen wie OECD oder IWF veröffentlichen zudem in recht großen Abständen Schätzungen zu den Komponenten der realen Nachfrage in China, einschließlich des Außenhandels. Die jüngsten OECD-Zahlen vom Herbst zeigen für 2015 eine geschätzte Stagnation bei
den realen Importen Chinas (mit Dienstleistungen) und ein leichtes Minus bei den Exporten.
Die Crux mit den
Wechselkursen
Lohnt es sich wirklich, solche Hilfsgrößen zu betrachten? Warum sind nominale Zahlen so problematisch? Wir haben oben bereits die Auswirkungen von starken Rohstoffpreisschwankungen auf
die Wertgrößen des Außenhandels thematisiert. Wahrscheinlich wirken Schwankungen der Wechselkurse aber noch verzerrender, nicht nur auf globale Aggregate, sondern potenziell auch auf
Dollargrößen für Einzelländer. Nehmen wir beispielsweise an, Deutschland und China würden
ihren Handel komplett in Euro abwickeln. Nun wertet der Dollar gegenüber dem Euro um 10 % auf.
Selbst wenn sich an den Handelsströmen zwischen Deutschland und China absolut nichts ändert,
weder im Volumen noch in Euro gerechnet, wird ein Maß für die Handelsströme auf Dollarbasis
nun einen entsprechenden Rückgang um 10 % ausweisen.
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Fazit: Belastende Trends plus zyklische Komponente
Die offiziellen Außenhandelsdaten in China sind nur mit Vorsicht zu verwenden. Aktuell überzeichnen sie wohl aus mehreren Gründen die Schwäche der chinesischen Binnennachfrage ebenso wie
die Entwicklung der chinesischen Exporte. Dass die Importe in realer Betrachtung wohl stagnieren
oder bestenfalls noch einen flachen Anstieg verzeichnen, stellt jedoch schon eine deutliche Verlangsamung gegenüber der Vergangenheit dar. Was sind die Ursachen?
Aus unserer Sicht handelt es sich um eine Kombination aus abflachendem Wachstumstrend in
China (mittelfristig in Richtung 5 %), akuten konjunkturellen Problemen und strukturellen Änderungen der Wirtschaft. Viele der zentralen Reformprojekte der Regierung sollten die Zusammensetzung des Außenhandels beeinflussen: Weg von der Schwerindustrie und Anlageinvestitionen, hin
zu Dienstleistungen und Konsumausgaben. Schon das zunehmende Gewicht der Dienstleistungen
für sich genommen dürfte den Warenhandel dämpfen. Länder wie Deutschland, die vor allem in
der Investitionsgüterbranche stark sind, sehen sich der Herausforderung gegenüber, die Bedürfnisse des „neuen China“ so gut zu bedienen wie bisher.
Ungebrochener Aufwärtstrend bei den Direktinvestitionen
Jahreswerte in US-Dollar, indexiert 2000 = 100
1000
1000
900
900
800
800
Importe
700
700
600
600
500
500
400
400
300
300
Bestand ausländischer
Direktinvestitionen
in China
200
100
200
100
0
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
Quellen: UNCTAD, Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research
Produktion vor Ort
reduziert Handelsströme
Hinzu kommt wohl ein andauernder Trend zu verstärkter Produktion ausländischer Unternehmen
in China. Produziert BMW ein Auto in Schanghai statt in München, fällt es aus der Außenhandelsstatistik komplett heraus. Bestenfalls werden noch einzelne Komponenten aus Deutschland eingeführt. Aber in dem Maße, in dem die Wertschöpfung nach China verlegt wird, sinkt der gemessene
Außenhandel. Dieses Phänomen ist zudem nicht auf ausländische Firmen beschränkt. Auch die
chinesische Wirtschaft verlagert offenbar zunehmend Produktionsprozesse ins Inland. Wurden
früher häufig importierte Vorleistungsgüter nur „zusammengeschraubt“ und dann re-exportiert,
findet heute wohl auch bei chinesischen Unternehmen ein stetig steigender Anteil der Wertschöpfung im Inland statt. Dies dämpft die Importe, ohne dass Produktion oder Nachfrage insgesamt
rückläufig sein müssten.
Das Fazit für den Rest der Welt ist zweischneidig. Die gute Nachricht: Der chinesische Außenhandel läuft derzeit nicht so schlecht, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die
schlechte Nachricht: Die dämpfenden Faktoren sind zu einem guten Teil strukturell und damit eher
längerfristiger Natur. Selbst wenn es konjunkturell wieder besser läuft, werden die alten Zuwachsraten wohl kaum wieder erreicht. 
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