Helaba Volkswirtschaft/Research LÄNDERFOKUS 15. März 2016 Chinas Außenhandel: Alles klar? AUTOR Patrick Franke Telefon: 0 69/91 32-47 38 [email protected] REDAKTION Dr. Stefan Mitropoulos HERAUSGEBER Dr. Gertrud R. Traud Chefvolkswirt/ Leitung Research Helaba Landesbank Hessen-Thüringen MAIN TOWER Neue Mainzer Str. 52-58 60311 Frankfurt am Main Telefon: 0 69/91 32-20 24 Telefax: 0 69/91 32-22 44 Die chinesischen Handelsdaten sorgen seit geraumer Zeit jeden Monat für erhebliche Aufregung. Die Anfang März veröffentlichten Zahlen für den Februar fielen scheinbar besonders schlecht aus und gaben entsprechend Anlass zu einer neuen Welle des Pessimismus im Hinblick auf die Konjunktur in China. Offenbar kann man es gar nicht oft genug sagen: Die chinesischen Handelsdaten sind selbst im Normalfall schwierig zu interpretieren. Im aktuellen Marktumfeld und insbesondere am Jahresanfang ist ihre Aussagekraft so eingeschränkt, dass es sogar sinnvoll sein könnte, sie vorübergehend zu ignorieren. Erst im Januar haben wir in einer Publikation mit dem Titel „Was ist los mit dem Welthandel?“ die globalen Handelsströme beleuchtet. Ostasien und speziell China waren dabei ein zentrales Thema. Die andauernde Debatte um die chinesischen Außenhandelsdaten lässt es sinnvoll erscheinen, noch einmal ausführlicher darauf einzugehen, was diese uns eigentlich sagen – und was nicht. Angesichts der schon seit längerer Zeit weitverbreiteten und zuletzt virulenter gewordenen Kritik an der Qualität der chinesischen Konjunkturindikatoren ist es immer wieder erstaunlich, wie unreflektiert die angebliche Botschaft dieser Zahlen dann oft an den Märkten und in den Medien aufgenommen (und akzeptiert) wird. Die Handelsdaten werden monatlich veröffentlicht und damit dreimal so häufig wie die Wachstumszahlen. Entsprechend regelmäßig stehen Horrormeldungen über den Außenhandel Chinas in der Presse. Nur zwei aktuelle Beispiele: „Chinas Außenhandel bricht ein“ (Handelsblatt) und „Chinas Exporte sinken um ein Viertel“ (FAZ), beide vom 9. März 2016. Vieles, was zu diesem Thema aber geschrieben und gesagt wird, hält einer genaueren Analyse nicht stand. In diesem Länderfokus stellen wir daher zunächst einmal die Zahlen zu Chinas weltweiten Ex- und Importen vor und beschreiben die diversen Probleme bei ihrer Interpretation. Wir sehen uns dann die bilateralen Handelsströme zwischen China einerseits und den USA bzw. Deutschland andererseits näher an. Wir überprüfen die Aussagekraft der chinesischen Daten anhand des jeweiligen deutschen bzw. amerikanischen Äquivalents. Wie schwach ist die Nachfrage aus China wirklich? Steigt der chinesische Anteil an unseren Importen noch? Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden. Klare Botschaft? Oder nur saisonales Schwanken? Chinesischer Außenhandel (Waren), Mrd. Dollar 250 250 Exporte 200 200 150 150 Importe 100 100 50 50 0 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 5 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 1 LÄNDERF OKUS Außer einem Abwärtstrend nicht viel zu erkennen Ein etwas klareres Bild – die nominale Jahressumme Chinesischer Außenhandel (Waren), Veränderung gegenüber Vorjahr in % Chinesischer Außenhandel (Waren), 12-Monatssumme, Mrd. Dollar 80 Februarwerte 60 Exporte 40 20 Importe 0 -20 80 3000 60 2500 40 2000 2012 2013 2014 2015 2000 Importe 1500 0 1000 1000 500 500 -40 2011 2500 Exporte 20 -20 -40 2010 3000 0 2010 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 1500 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Schwieriges Terrain für den Datennutzer Der Chart auf S. 1 illustriert das Problem. Die „offiziellen“ Außenhandelsdaten Chinas sind nominal, in US-Dollar und nicht saisonbereinigt. Die fehlende Saisonbereinigung springt auf den ersten Blick ins Auge. Es gibt ein klares saisonales Muster: Einer Stärke zum Jahresende folgt stets ein Rückgang am Anfang des Folgejahres. Die kurzfristige Dynamik der Ein- und Ausfuhren ist daher nicht sinnvoll zu interpretieren. Stattdessen muss man sich mit der Vorjahresrate oder einer 12Monatssumme behelfen. Leider gibt es bei den Handelsdaten wie bei diversen anderen chinesischen Zeitreihen ein zusätzliches Problem. Der Termin des Neujahrsfestes ist von den Mondphasen abhängig und kann zwischen dem 21. Januar und 21. Februar liegen. Da sich die Feiertage zum Neujahr – viele Chinesen haben eine ganze Woche frei – in erheblichem Maße auf wirtschaftliche Größen auswirken (Konsumausgaben, Reisen, Produktionsausfälle usw.), gibt es im ersten Quartal des Kalenderjahres einen massiven Sondereffekt, der nicht an einen bestimmten Tag bzw. noch nicht einmal an einen bestimmten Monat gebunden ist. Diese Verzerrung führt dazu, dass selbst die Vorjahresrate betroffener Reihen von Januar bis Februar nur eingeschränkt interpretierbar ist, weil das Timing des Neujahrs zu Ausschlägen führt (Schaubild). Das kräftige Minus (-25 %!) im Februar 2016 ist daher vor allem einem massiven Plus 2015 geschuldet. Dieses Prob1 lem lindert die 12-Monatssumme. Besser ist es aber noch, wenn man im Q1 grundsätzlich nur den Quartalswert beachtet und nicht die einzelnen Monatswerte. Neujahrsfest verzerrt die Daten im Q1 Der nominale Charakter der Daten ist ebenfalls ein Problem. Für die meisten Zwecke, insbesondere für die Konjunkturanalyse, sind reale oder Volumengrößen aussagekräftiger als Daten in laufenden Preisen. Dies gilt umso mehr, je stärker die Preise schwanken. Und aktuell ist bei den Preisen einiges los. Die chinesische Statistik bietet uns nicht wie in Deutschland oder den USA einen kompletten Satz an Import- und Exportpreisen. Aber es gibt zumindest einen Importpreisindex, der die Schwache Importe: Nur ein Preiseffekt? Einiges los am Devisenmarkt seit 2014 Veränderung gegenüber Vorjahr in % Nominaler Index 20 20 15 15 Importe 10 10 5 5 0 0 -5 -5 Importpreise -10 -10 -15 -15 -20 -20 -25 -25 2013 2014 2015 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 1 Yuan 130 5,7 5,8 Yuan pro Dollar (RS, invertiert) 125 5,9 Aufwertung 120 Abwertung 115 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 110 6,5 Außenwert des Yuan (LS) 6,6 105 6,7 2013 2014 2015 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Sie hat aber den Nachteil, dass sie Entwicklungen am aktuellen Rand nur sehr verzögert widerspiegelt. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 5 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 2 LÄNDERF OKUS Vorjahresveränderung ausweist. Hier schlägt sich der massive Rückgang der Rohstoff- und insbesondere der Energiepreise in den letzten zwei Jahren nieder. Zu einem guten, wenn auch nicht konkret bestimmbaren Teil geht das Minus bei den Importen auf fallende Preise, nicht auf geringere Mengen zurück. Auf der Exportseite liegen solche Daten nicht vor, aber die nachhaltig rückläufigen Erzeugerpreise (im Januar/Februar rund 5 % unter ihrem Vorjahresniveau) deuten darauf hin, dass auch die Ausfuhrpreise im Rückwärtsgang sind und die nominalen Exportzahlen drücken. Bei Export- wie Importpreisen spielt zudem auch der Wechselkurs eine zentrale Rolle. Er beeinflusst zwar durch Veränderungen der preislichen Wettbewerbsfähigkeit potenziell (und eher auf mittlere Sicht) die realen Handelsströme. Auf kurze Sicht dürften aber rein rechnerische Effekte auf die nominalen Größen dominieren. Da die chinesischen Handelsdaten in US-Dollar veröffentlicht werden, besteht die Möglichkeit, dass größere Schwankungen des Yuan zu statistischen Verzerrungen führen. Um diesen Effekt quantifizieren zu können, wäre es jedoch erforderlich zu wissen, in welchem Umfang der Außenhandel Chinas in Yuan, in US-Dollar oder in Drittwährungen abgewickelt wird. Auch ist unklar, ob die chinesischen Statistiker diese Information überhaupt abfragen, oder ob die zuständige Zollbehörde nur Daten auf Dollar- oder nur auf Yuan-Basis erhebt und diese dann eigenständig umrechnet. Der handelsgewichtete Außenwert des Yuan lag Anfang 2016 gut 12 % höher als Mitte 2014. Dies würde niedrigere reale Exporte und höhere reale Importe erwarten lassen. Dazu kommt aber noch der unbekannte Effekt auf die Import- und Exportpreise. Exportiert ein chinesisches Unternehmen und erzielt dadurch Einnahmen in ausländischer Währung, so werden diese Einnahmen durch eine Aufwertung des Yuan in Heimatwährung reduziert. Wenn die Zollbehörde dann die Exporte misst, kann sich wegen des Wechselkurseffekts eine geringere Exportzahl ergeben. Aufwertung im Windschatten des US-Dollar Wegen der großen Bedeutung der USA für China und aufgrund der zentralen Rolle des Dollar im Welthandel ist der Außenwert aber vielleicht weniger relevant als der bilaterale Wechselkurs zur amerikanischen Währung. Hier hat der Yuan seit Mitte 2014 rund 5 % verloren. In welcher Währung die chinesischen Ex- und Importe abgerechnet werden ist für den Effekt dieser Abwertung kritisch: Fakturiert man in Dollar, sind Exporte im Wert von 100 Dollar nun in Yuan gemessen 5 % mehr wert. Fakturiert man hingegen in Yuan und rechnet dies dann nur für die statistische Erhebung in Dollar um, gehen die so gemessenen Exporte um 5 % zurück. Schwaches Bild in Euro, Yen und Dollar… …sieht in Yuan aber besser aus Warenexporte Chinas, 12-Monatssumme in Landeswährung (Index Q1 2001 = 100) Warenexporte Chinas, 12-Monatssumme in Yuan (Index Q1 2001 = 100) 500 500 500 450 450 450 400 400 350 350 300 300 300 300 250 250 250 250 200 200 200 150 150 100 100 100 100 50 50 50 50 Eurozone 400 350 USA Japan 150 0 2001 2004 2007 2010 2013 0 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 0 2001 500 450 400 Eurozone 350 USA 200 Japan 2004 2007 150 2010 2013 0 2016 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Realitätscheck: Was sagen die Daten der Handelspartner? Wie sieht es mit der Nachfrage nach chinesischen Exporten in den großen Industrieländern aus, wenn man die Daten der Handelspartner heranzieht? Die Exporte Chinas in die Eurozone, nach Japan und in die USA sehen, in Euro, Dollar und Yen gemessen, alle sehr mäßig aus. Nur die Ausfuhren in die USA sind noch klar im Aufwärtstrend. Die Nachfrage in der Eurozone hat sich zuletzt eher seitwärts bewegt, während die Ausfuhren nach Japan seit längerer Zeit fallen. Das H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 5 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 3 LÄNDERF OKUS Bild ändert sich allerdings, wenn man die Exporte in Yuan betrachtet. Umgerechnet zeigen sich die Handelsströme unisono in einem deutlich besseren Zustand als in der jeweiligen Inlandswährung. Aus chinesischer Sicht sind die Exporterlöse also nicht so schlecht, wie es die Daten der Handelspartner nahelegen. Hier schlägt sich die in den letzten Jahren erfolgte Aufwertung des Yuan im Windschatten des US-Dollar nieder. Die jüngste Schwäche gegenüber dem US-Dollar, die an den Märkten für so viel Aufregung gesorgt hat, ist hingegen vergleichsweise gering. Sie ist in dem leichten Knick der Yuan-Exporte in die USA erkennbar, während die Dollarzahlen stabil waren. Werfen wir nun einen Blick auf die bilateralen Handelsdaten aus den USA und aus Deutschland. Wie gut passen sie zu ihren chinesischen Äquivalenten? Insgesamt sieht man, dass die Niveaus zum Teil erheblich voneinander abweichen. Für die USA bewegen sich die Größen aber größtenteils parallel. Nur am aktuellen Rand zeigen die Exportdaten der chinesischen Statistiker und die Exportdaten der US-Statistiker jeweils eine ausgeprägtere Schwäche als ihr Pendant. Dies dürfte mit der Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar zusammenhängen, der offenbar zu Bewertungsunterschieden führt, je nachdem, ob der Handelsstrom originär in US-Dollar oder in Yuan gemessen wird. Bessere Daten aus Deutschland und den USA? Handelspartner USA: Wechselkurseffekte? Handelspartner Deutschland: Widersprüchlich Warenhandel Chinas mit den USA, 12-Monatssumme, Mrd. Dollar Warenhandel Chinas mit Deutschland, 12-Monatssumme, Mrd. Dollar 500 500 450 450 US-Daten 400 400 350 Chinas Exporte in die USA (chin. Daten) 250 200 100 80 80 100 250 60 100 2005 2007 2009 2011 2013 Chinas Importe aus D (chin. Daten) Deutsche Daten 20 50 0 2001 0 2003 Chinas Exporte nach D (chin. Daten) 40 150 US-Daten 50 300 200 Chinas Importe aus den USA (chin. Daten) 150 2015 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 120 Deutsche Daten 100 350 300 0 2001 120 60 40 20 0 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Im Falle Deutschlands hängt das Vorzeichen des bilateralen Handelsbilanzsaldos kurioserweise davon ab, ob man die deutschen oder die chinesischen Daten zu Grunde legt. Die nationalen Daten beider Länder weisen aktuell jeweils ein Defizit für das Inland aus (Warenimporte größer als -exporte). Ob hierfür primär Erfassungs- und Bewertungsprobleme oder Wechselkurseffekte verantwortlich sind, ist unklar. Die Daten aus China liegen bereits für den Februar vor, die deutschen Reihen enden im Dezember. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt haben sich die passenden Daten in der jüngsten Vergangenheit weitgehend parallel bewegt. Sie zeichnen ein Bild, nach dem die nominale Nachfrage Chinas nach deutschen Exporten zuletzt gefallen ist, während die Nachfrage Deutschlands nach chinesischen Exporten seit geraumer Zeit weitgehend stagniert. Deutschland: Anteil Chinas geht seitwärts US-Importe: Anteil Asiens stabil Anteil Chinas am deutschen internationalen Warenhandel, % Anteil an den US-Warenimporten, % 12 12 45 45 40 10 10 Importe (China 2015: 91 Mrd. €) 8 8 6 6 4 4 Exporte (2015: 71 Mrd. €) 2 0 2 1985 1990 1995 2000 2005 2010 35 30 30 25 25 20 20 15 15 China 10 10 5 0 1980 40 andere asiatische Länder* 35 2015 Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 5 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 5 0 0 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 *Japan, Hongkong, Malaysia, Korea, Indonesien, Singapur, Taiwan und Thailand Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research 4 LÄNDERF OKUS Auf Jahresbasis lag Chinas Anteil an den deutschen Ausfuhren 2015 bei rund 6 %, seit 2010 weitgehend unverändert. Der Anteil Chinas an den Importen Deutschlands lag bei knapp 10 %, einem Rekordwert, der allerdings 2010 schon einmal erreicht wurde. In den USA nimmt der Anteil Chinas an den Warenimporten nur noch sehr langsam zu, vor allem verglichen mit dem rapiden Anstieg in den 1990er und 2000er Jahren. 2015 lag er beim Höchstwert von 21,5 %. Dies ist allerdings nur wenig höher als der Anteil im Jahr 2010 (19 %). In Amerika hat China zudem vor allem andere asiatische Produzenten verdrängt – der Anteil Ostasiens insgesamt an den US-Importen ist seit den 1980er Jahren mit rund einem Drittel erstaunlich konstant. Reale Daten: Stochern im Nebel Die offizielle chinesische Statistik bietet keine preisbereinigten (oder Volumen-)Größen zum Außenhandel. Wir können uns dem Thema aber über andere Daten annähern. So berechnet das niederländische Forschungsinstitut CPB reale Handelsgrößen für „Emerging Asia“, ein Aggregat, in dem China zweifelsohne ein sehr hohes Gewicht hat. Die Importe diese Ländergruppe zeigen für das Jahr 2015 insgesamt ein leichtes Minus, wobei sich die Einfuhren nach einer merklichen Delle im Frühjahr wieder erholt haben. Deflationiert man die bilateralen US-Importzahlen aus China mit dem passenden Importpreisindex, ergibt sich – gemessen an der 12-Monatssumme – zuletzt eine Stagnation bei den realen chinesischen Warenexporten in die USA. Chinas realer Handel: Wahrscheinlich Stagnation… …oder leichtes Minus im Jahr 2015 Realer Warenhandel, indexiert Dez-04 = 100 Chinas Waren- und Dienstleistungshandel in konstanten Preisen, Mrd. USD* 260 260 240 2500 240 US-Importe aus China deflationiert mit Importpreisindex China (12-Monatssumme) 220 200 180 220 200 180 160 160 Importe der asiatischen Schwellenländer insgesamt 140 120 100 80 2004 2500 140 120 2000 2000 Exporte 1500 1500 1000 1000 Importe 500 500 100 80 2006 2008 2010 2012 2014 Quellen: Macrobond, CPB, Helaba Volkswirtschaft/Research 0 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 * OECD Schätzungen und Prognosen vom Herbst 2015. Quellen: Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Internationale Organisationen wie OECD oder IWF veröffentlichen zudem in recht großen Abständen Schätzungen zu den Komponenten der realen Nachfrage in China, einschließlich des Außenhandels. Die jüngsten OECD-Zahlen vom Herbst zeigen für 2015 eine geschätzte Stagnation bei den realen Importen Chinas (mit Dienstleistungen) und ein leichtes Minus bei den Exporten. Die Crux mit den Wechselkursen Lohnt es sich wirklich, solche Hilfsgrößen zu betrachten? Warum sind nominale Zahlen so problematisch? Wir haben oben bereits die Auswirkungen von starken Rohstoffpreisschwankungen auf die Wertgrößen des Außenhandels thematisiert. Wahrscheinlich wirken Schwankungen der Wechselkurse aber noch verzerrender, nicht nur auf globale Aggregate, sondern potenziell auch auf Dollargrößen für Einzelländer. Nehmen wir beispielsweise an, Deutschland und China würden ihren Handel komplett in Euro abwickeln. Nun wertet der Dollar gegenüber dem Euro um 10 % auf. Selbst wenn sich an den Handelsströmen zwischen Deutschland und China absolut nichts ändert, weder im Volumen noch in Euro gerechnet, wird ein Maß für die Handelsströme auf Dollarbasis nun einen entsprechenden Rückgang um 10 % ausweisen. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 5 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 5 LÄNDERF OKUS Fazit: Belastende Trends plus zyklische Komponente Die offiziellen Außenhandelsdaten in China sind nur mit Vorsicht zu verwenden. Aktuell überzeichnen sie wohl aus mehreren Gründen die Schwäche der chinesischen Binnennachfrage ebenso wie die Entwicklung der chinesischen Exporte. Dass die Importe in realer Betrachtung wohl stagnieren oder bestenfalls noch einen flachen Anstieg verzeichnen, stellt jedoch schon eine deutliche Verlangsamung gegenüber der Vergangenheit dar. Was sind die Ursachen? Aus unserer Sicht handelt es sich um eine Kombination aus abflachendem Wachstumstrend in China (mittelfristig in Richtung 5 %), akuten konjunkturellen Problemen und strukturellen Änderungen der Wirtschaft. Viele der zentralen Reformprojekte der Regierung sollten die Zusammensetzung des Außenhandels beeinflussen: Weg von der Schwerindustrie und Anlageinvestitionen, hin zu Dienstleistungen und Konsumausgaben. Schon das zunehmende Gewicht der Dienstleistungen für sich genommen dürfte den Warenhandel dämpfen. Länder wie Deutschland, die vor allem in der Investitionsgüterbranche stark sind, sehen sich der Herausforderung gegenüber, die Bedürfnisse des „neuen China“ so gut zu bedienen wie bisher. Ungebrochener Aufwärtstrend bei den Direktinvestitionen Jahreswerte in US-Dollar, indexiert 2000 = 100 1000 1000 900 900 800 800 Importe 700 700 600 600 500 500 400 400 300 300 Bestand ausländischer Direktinvestitionen in China 200 100 200 100 0 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Quellen: UNCTAD, Macrobond, Helaba Volkswirtschaft/Research Produktion vor Ort reduziert Handelsströme Hinzu kommt wohl ein andauernder Trend zu verstärkter Produktion ausländischer Unternehmen in China. Produziert BMW ein Auto in Schanghai statt in München, fällt es aus der Außenhandelsstatistik komplett heraus. Bestenfalls werden noch einzelne Komponenten aus Deutschland eingeführt. Aber in dem Maße, in dem die Wertschöpfung nach China verlegt wird, sinkt der gemessene Außenhandel. Dieses Phänomen ist zudem nicht auf ausländische Firmen beschränkt. Auch die chinesische Wirtschaft verlagert offenbar zunehmend Produktionsprozesse ins Inland. Wurden früher häufig importierte Vorleistungsgüter nur „zusammengeschraubt“ und dann re-exportiert, findet heute wohl auch bei chinesischen Unternehmen ein stetig steigender Anteil der Wertschöpfung im Inland statt. Dies dämpft die Importe, ohne dass Produktion oder Nachfrage insgesamt rückläufig sein müssten. Das Fazit für den Rest der Welt ist zweischneidig. Die gute Nachricht: Der chinesische Außenhandel läuft derzeit nicht so schlecht, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag. Die schlechte Nachricht: Die dämpfenden Faktoren sind zu einem guten Teil strukturell und damit eher längerfristiger Natur. Selbst wenn es konjunkturell wieder besser läuft, werden die alten Zuwachsraten wohl kaum wieder erreicht. H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 1 5 . M Ä R Z 2 0 1 6 · © H E L A B A 6
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