Öffentliches Recht und Europarecht – Aktuell

04/2016 29.01.2016
I. Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit
Verwaltungsgerichte
Niederösterreich: 14.09.2015, LVwG-S-1300/001-2015
KFG. Soweit der Beschwerdeführer – dem vorgeworfen wurde, die Lenkung eines Fahrzeuges ohne die Verpflichtung
zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes erfüllt zu haben – auf die kurze Strecke zur Apotheke
verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass das Vorwärtsfahren auf
einer Strecke von 50 m jedenfalls nicht unter den Begriff der ganz geringen Gefahr fällt (VwGH vom 04.06.1987,
Zahl 87/02/0027). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist zudem selbst eine Vollbremsung – also eine bloß gewöhnliche
Betriebsgefahr – bei der Sicherung der Ladung zu berücksichtigen (VwGH 30.03.2011, 2011/02/0036).
Tirol: 18.09.2015, LVwG-2015/45/1139-1
RLV; WaffG; BDG. 1 Abs 3 RLV verlangt von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Erfüllung ihrer Aufgaben ein Einschreiten außerhalb des Dienstes nur dann, wenn ihnen dies – sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind – nach den eigenen Umständen zumutbar ist. Damit kommt ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes
außerhalb des Dienstes nicht in die Lage, sich unbewaffnet eine ihm zwangsläufig erwachsenen Gefahr aussetzen zu
müssen, der am zweckmäßigsten nur mit Waffengewalt begegnet werden kann, wie dies § 22 Abs 2 WaffG verlangt. Auch
aus § 43 BDG lässt sich nicht ableiten, dass ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb des Dienstes sich einer derartigen Gefahrensituation unbewaffnet auszusetzen hätte. Da sich die aus § 43 Abs 1 und Abs 3 ergebenden Dienstpflichten ausdrücklich auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten beziehen, kommen sie für die Zeit außer Dienst nicht zum Tragen. Schon angesichts der in § 1 Abs 3 RLV für das Einschreiten außerhalb des Dienstes verlangten Zumutbarkeit kann auch nicht gesagt werden, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht erhalten bliebe, wenn sich dieses
Organ außer Dienst nicht unbewaffnet einer qualifizierten Gefahr im Sinne des § 22 Abs 2 Waffengesetz aussetzt. § 1 Abs
3 RLV trifft insofern für das Verhalten außer Dienst eine besondere Regelung. Erweist sich ein Einschreiten außerhalb des Dienstes zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit
von Menschen oder für fremdes Eigentum in großem Ausmaß als nicht zumutbar, haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 1 Abs 3 RLV die Sicherheitsbehörde von dieser Gefahr zu verständigen.
Wien: 11.09.2015, VGW-032/072/4964/2015/VOR
StVO. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH vom 22.11.1984, 84/02B/0067) kann ein Halteverbot
iSd § 52 Z 13b StVO sich sogar entlang des betreffenden Fahrbahnrandes in einem Bogen, ohne Rücksicht auf topografische Bezeichnungen dieses Straßenabschnittes, erstrecken. Sind zu Beginn dieses Bereiches ein Verkehrszei-
chen nach § 52 Z 13b StVO mit der Zusatztafel ANFANG und am Ende dieses Bereiches ein solches Verkehrszeichen mit
der Zusatztafel ENDE angebracht, so ist das Verbot ordnungsgemäß kundgemacht, wenn auch nur eines dieser Verkehrszeichen von einem herannahenden Fahrzeuglenker wahrgenommen werden kann. Dieses Verbot ist daher auch
dann zu beachten, wenn auf Grund der eingeschlagenen Fahrtrichtung nur das Verkehrszeichen nach § 52 Z 13b StVO
mit der Zusatztafel ENDE angetroffen wird. Dem betreffenden Fahrzeuglenker obliegt in einem solchen Falle der Entlastungsbeweis gem § 5 Abs 1 VStG. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Kraftfahrer gerade im
Stadtgebiet mit Halteverboten zu rechnen und daher – hat er die Absicht, sein Fahrzeug abzustellen – gezielt nach entsprechenden Straßenverkehrszeichen Ausschau zu halten (vgl VwGH vom 15.9.1999, 96/03/0009).
Wien: 18.09.2015, VGW-031/V/071/7704/2015
StGB; KFG. Fahrlässig handelt gemäß § 6 Abs 1 StGB, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm auch zuzumuten
ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Bei Prüfung des Vorliegens eines Verschuldens ist zunächst maßgebend, welches Maß an Sorgfalt den Umständen
nach zur Vermeidung des tatbildmäßigen Unrechts objektiv geboten und pflichtgemäß aufzuwenden ist. Hier handelt es
sich um jene Sorgfalt, wie sie ein mit den rechtlich geschützten Werten angemessen verbundener, besonnener und einsichtiger Mensch in der Lage des Täters aufwenden würde, um die Gefahr einer Rechtsgutbeeinträchtigung zu erkennen
und hintanzuhalten. In Ermangelung einschlägiger Vorschriften richtet sich das Maß der einzuhaltenden objektiven
Sorgfalt nach dem, was von einem sich seiner Pflichten gegen die Mitwelt bewussten, dem Verkehrskreis des Täters angehörigen Menschen billigerweise verlangt werden kann.
II. Oberster Gerichtshof
21.10.2015, 2Ob56/15x
StVO. Die Verwendung eines Elektromobils (auch „Seniorenfahrzeug“ oder „Behindertenfahrzeug“) signalisiert die Zugehörigkeit zum Kreis der nach § 3 Abs 1 StVO geschützten Personen mit „offensichtlicher“ körperlicher Beeinträchtigung. Keine derartige Signalisierung für andere Straßenbenützer hat die Verwendung eines Elektromobils allerdings dahin, dass es seinem Benützer an der Einsicht in die Gefahren des Straßenverkehrs fehlt.
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