3. Einheit / Teil 1: Versuch und Rücktritt

Ao. Univ. – Prof. Dr. Alexander Tipold
Repetitorium Strafrecht und Strafprozessrecht
030496 Sommersemester 2015
3. Einheit / Teil 1: Versuch und Rücktritt
Fallkonstellationen
Dynamischer Ablauf: Von der Vorbereitung über den Versuch bis zur Vollendung und zur
materiellen Vollbringung / bei Beteiligten
A. Versuch
1. Vorsatz / Tatentschluss
2. Versuchshandlung

Ausführungshandlung oder

Ausführungsnahe Handlung / Kriterien
 Zeitliche Nähe
 Örtliche Nähe
 Aktionsmäßige Nähe / Überschreitung der Hemmschwelle

Tauglichkeitsprüfung:
 Tauglichkeit des Subjekts / des Objekts / der Handlung
 Beurteilung der Tauglichkeit:
 Objektiv ex ante
 Begleitender Beobachter
 Zwischenlösungen / das zufällig abwesende Objekt
3. Rechtswidrigkeit / Schuld / Strafaufhebungsgründe (va Rücktritt)
B. Sonderfragen

Versuch bei mehraktigen Delikten

Problem: Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen (insbes § 7 Abs 2 Folgen)

Wahndelikt

Versuch und Beteiligung / Versuchte Beteiligung
C. Rücktritt vom Versuch
1. Rücktrittshandlung

Ausführung aufgeben

Erfolg abwenden

Ausführung verhindern
1
2. Freiwilligkeit
3. Sonderfall: Putativrücktritt
D. Problembereiche
1. Abgrenzung unbeendeter / beendeter Versuch:

Definition

Subjektive Sichtweise

Problem des Abgrenzungszeitpunktes
 Tatplantheorie
 Einzelaktstheorie
 Tateinheitstheorie

Fehlgeschlagener Versuch / Misslungener Versuch
2. Anforderungen an die Rücktrittshandlung:

Unbeendeter Versuch

Beendeter Versuch

Ernstliches Bemühen beim Putativrücktritt

Rücktritt trotz Erfolgseintritts?

Rücktritt bei Beteiligten
3. Bestimmung der Freiwilligkeit:
II. Fälle
1. A versucht mit einer entwendeten Bankomatkarte, dessen Code er kennt, beim Automaten
Geld abzuheben. Die Karte ist bereits gesperrt, weshalb der Automat die Karte einbehält.
Strafbarkeit des A!
2. Filialdirektor A gewährt seinem Freund B einen Kredit seitens der Bank auf dessen Bitte
hin, obwohl er weiß, dass B das Geld nicht zurückzahlen kann. Er füllt die Papiere aus, beide
unterschreiben, die Papiere werden zur Abholung bereit gelegt. Aus einem Irrtum heraus
übergibt die Putzfrau die Papiere dem Reißwolf. Dies nicht wissend fährt A, von Gewissensbissen geplagt, extra früher ins Büro, um die Weiterleitung zu verhindern. Dort angekommen
erkennt er das Werk der Putzfrau. Strafbarkeit A/B.
3. A verletzt seine Frau mit Tötungsvorsatz sehr schwer. Von Reue gepackt fährt er mit ihr in
Richtung Krankenhaus. Aus Angst bringt er sie aber nicht zum Haupteingang, sondern lässt
sie 95m entfernt an einem Park aussteigen und fährt weg. Die Frau bricht auf dem Weg zusammen, wird aber von Passanten gefunden, ins Krankenhaus gebracht und gerettet.
4. Während einer Städtereise stößt A X in Tötungsabsicht in der Nähe von Krakau in die
Hochwasser führende Weichsel. X gelingt es, sich an einem Brückenpfeiler festzuhalten. Als
A das sieht, versucht er mit einem Ast auf X einzuschlagen, damit sie loslässt und ertrinkt.
Plötzlich besinnt er sich und hört auf. In der Überzeugung, X könne von selbst auf die Brücke
klettert, geht er weg. Nur mit Hilfe Dritter wird X gerettet.
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5. A schlägt auf jemanden ein, um eine Schuld einzutreiben. Dabei hält er es durchaus für
möglich, dass sich das Opfer den Arm bricht. Es passiert aber nichts außer ein paar blauen
Flecken. Strafbarkeit.
6. A möchte B berauben und schlägt ihn nieder. Der Schlag fällt unbeabsichtigt zu fest aus, B
stirbt. Daraufhin sucht A das Weite, ohne etwas wegzunehmen. Prüfen Sie die Strafbarkeit
des A!
7. A will B töten. Er legt sich auf die Lauer und schießt, als B erscheint. Entgegen seiner Ansicht hat er B mit dem ersten Schuss aus seiner Pistole nicht getötet, er geht aber davon aus,
dass ihm dies mit weiteren Schüssen gelingen werde. Wenn man hier den Sachverhalt stoppt,
welche Fragen drängen sich aus strafrechtlicher Sicht auf?
8. Gustav kann zwar der Polizei entkommen, hat aber eine Stunde später wieder Pech: Eine
ältere Dame überquert die Straße. Gustav kann wegen seiner überhöhten Geschwindigkeit
nicht rechtzeitig ausweichen und stößt die Frau nieder. Ohne anzuhalten und sich um die seiner Ansicht nach verletzte Frau zu kümmern, fährt Gustav weiter. Er hat Sorge, dass die Polizei ihm andernfalls auf die Schliche kommt. In der Folge stellt sich heraus, dass die Frau so
unglücklich gefallen ist, dass sie sofort beim Unfall verstorben ist. Prüfen Sie die Strafbarkeit
von Gustav!
9. B fällt in einem fremden Büro ein auffällig von der Wand abgehobenes Bild auf, und er schiebt
es zur Seite. Dahinter kommt ein Safe zum Vorschein. Mit der Möglichkeit vor Augen, so an Geld
zu gelangen, macht er sich daran, das Zahlenschloss durch das manuelle Ausprobieren verschiedener Kombinationen zu öffnen, was ihm aber nicht gelingt. Wenig später wird er durch Lärm
gestört, worauf er unverrichteter Dinge das Büro verlässt. Strafbarkeit des B?
10. A begleitet seine Freundin F zu einer Feier in der Wohnung von F’s Großmutter. Dort
entdeckt F auf dem Badezimmerboden eine Brosche, die sie sogleich einsteckt, um sie für
sich zu behalten. Sie ist sich sicher, es mit einem Erbstück ihrer Großmutter im Wert von
mindestens 5.000 € zu tun zu haben. In Wirklichkeit handelt es sich aber um Modeschmuck
der Nachbarin N im Wert von 200 €, den diese bei einem Besuch verloren hat. Prüfen Sie die
Strafbarkeit der F!
11. Damit seine Machenschaften nicht auffliegen, fasst A den Entschluss, seinen Vater V zu
töten. Zu diesem Zweck ruft er seinen Freund B an und bittet ihn, ihm zu helfen: B soll „wie
früher“ (bei längst verjährten Einbrüchen) die Leiter halten und Wache stehen, während er
selbst versuchen wird, über eine offen stehende Dachluke in das Haus des V zu gelangen. B
sagt dem A seine Hilfe zu, wobei er keine Ahnung von A’s tatsächlichem Vorhaben hat. Er ist
davon überzeugt, dass A den V nur um ein paar Wertgegenstände ärmer machen will. In der
folgenden Nacht schreiten A und B wie vereinbart zur Tat. Im Schlafzimmer des V angelangt,
zieht A ein Messer aus der Tasche und sticht auf V ein. Dabei rechnet er bei jedem Stich damit, V tödlich zu verletzen. A hat das Messer bereits zum dritten Stich erhoben, als er plötzlich Mitleid mit V empfindet und das Messer sinken lässt. Da er erkennt, dass V ohne ärztliche Hilfe sterben wird, verständigt er noch anonym die Rettung, bevor er sich entfernt. V hat
allerdings kein Glück: Im Krankenhaus unterläuft dem Arzt bei der sofort durchgeführten
Notoperation ein besonders schwerer Behandlungsfehler, an dessen Folgen V stirbt. Bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Eingriff hätte V höchstwahrscheinlich überlebt. Prüfen
Sie die Strafbarkeit von A und B!
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3. Einheit / Teil 2: Urkunden bis Zahlungsmittel
1. Was ist eine falsche Urkunde, was eine gefälschte und was ist eine Lugurkunde?
2. Wofür hat eine Lugurkunde Relevanz?
3. Sind Kfz – Kennzeichen Urkunden?
4. Was ist strafrechtlich betrachtet eine Bankomatkarte?
5. Wie verhält sich § 223 Abs 1 zu § 223 Abs 2 StGB?
6. Warum war die Schaffung des § 225a StGB nötig?
Fälle
1. A findet bei einem Toten dessen Führerschein und steckt ihn ein.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A!
2. A nimmt eine Bankomatkarte mit, um sie später zu verwenden.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A!
3. A braucht dringend Geld. Er schließt sich mit B und C zusammen, die beide eine beachtliche kriminelle Vergangenheit haben, und entwickelt mit ihnen folgenden Plan: Die drei wollen sich ein „Lesegerät“ von einem Bekannten von B und C ausborgen, das sie für eine Nacht
an einem Bankomaten in der Stadt anbringen und anschließend zurückgeben. Dieses „Lesegerät“ kann bei Benutzung einer Bankomatkarte deren elektronische Codierung ablesen und
speichern. Diese Codierungen wollen sie danach auf die Magnetstreifen von Kartenrohlingen
übertragen, so dass sie dann diese Rohlinge am drauffolgenden Tag wie die originalen Karten
benützen können. Auch der PIN-Code der jeweiligen Bankomatkarte wird ihnen auf diese
Weise bekannt, so dass sie ihn mit der jeweiligen nachgemachten Karte eingeben können.
Auf diese Weise stellen A, B und C insgesamt zehn Karten mit den elektronischen Daten der
Originalkarten her. Bevor sie jedoch Geld abheben können, bekommt A kalte Füße und versteckt die Karten in seiner Wohnung, damit B und C sie nicht finden und die Karten nicht
mehr gebraucht werden können; später will er sie dann vernichten. Als B und C das erfahren,
suchen sie A in dessen Wohnung auf und verlangen, dass er ihnen die Karten aushändigt. A
weigert sich, daraufhin packt B den A am Arm, so dass er sich nicht mehr bewegen kann, und
C versetzt ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht. A erleidet „nur“ eine Platzwunde über der
Schläfe. C ist verwundert, hat er doch damit gerechnet, dass A aufgrund seiner Schläge zumindest eine zertrümmerte Nase davonträgt.
3. Einheit / Teil 3: Rechtspflegedelikte
1. Was ist der Aussagenotstand dogmatisch? Was sind seine Voraussetzungen?
2. Auf Befragung eines Polizisten belügt die Befragte den Polizisten. Ist das strafbar?
3. Kann die Einwilligung bei der Verleumdung (§ 297 StGB) rechtfertigend wirken?
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Fälle
1. D wird als Zeuge geladen und sagt falsch aus. Es stellt sich heraus, dass D von einem
Rechtspraktikanten vernommen wurde, formal durchaus korrekt.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von D!
2. A sagt vor Gericht falsch aus, weil er verhindern möchte, dass er selbst wegen einer Straftat
verfolgt wird. – Mitten in der Aussage kommen dem Richter Zweifel über den Wahrheitsgehalt der Aussage. Aufgrund von Vorhalten ändert A seine Aussage und sagt richtig aus.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A!
3. B hat für eine Bauverhandlung inhaltlich unrichtige Pläne vorbereitet und legt sie vor.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von B!
4. A verursacht einen Unfall mit Personenschaden, weil er zu schnell unterwegs war. Um seine Position zu verbessern, erzeugt er nachträglich Bremsspuren. Variante: Er ist sorgfaltsgemäß gefahren, aber um die diesbezügliche Beweislage abzusichern, erzeugt er nachträglich
Bremsspuren.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit des A!
5. Ein Busfahrer verschuldet den Tod eines Kindes. Um das zu verdecken, versteckt er die
Schultasche des Kindes.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit des Busfahrers!
6. W, der gerade einen Unfall mit Verletzten verursacht hat, verständigt mit seinem Handy die
Einsatzkräfte und bittet seine Frau X, gegenüber der Polizei anzugeben, sie wäre die Unfalllenkerin gewesen. Er fürchtet nämlich, im Falle einer Verurteilung seine Arbeit zu verlieren
und nicht mehr für die Familie sorgen zu können. So geben sie es bei den ersten Erkundigungen am Unfallort gegenüber der Polizei an. Bei seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge
durch die Kriminalpolizei behauptet W zunächst noch, seine Frau wäre gefahren. Als er jedoch mit den Auskünften konfrontiert wird, die bei ersten Erkundigungen von Passagieren
eingeholt wurden, gibt er zu, dass er und nicht seine Frau X mit dem Bus gefahren ist. X wird
zeitgleich von anderen Beamten als Beschuldigte vernommen. Sie stellt den Vorfall in der
abgesprochenen Version dar, um ihren Mann vor einer strafgerichtlichen Verfolgung zu
schützen.
7. G hat eine Haushaltsversicherung und möchte unter Vorspiegelung eines Diebstahls den
Schadensbetrag von der Versicherung erschleichen. Er geht zur Polizei und meldet einen Einbruch in seine Wohnung, der tatsächlich nicht stattgefunden hat; gestohlen worden sei ein
Betrag von € 6.300,-. Mit der polizeilichen Bestätigung dieser Diebstahlsmeldung will er bei
seiner Versicherung die Auszahlung des Ersatzbetrags begehren. Auf dem Weg zum Postamt
wird G von einem Auto angefahren. Er kommt nicht mehr dazu, die bereits unterfertigte Meldung abzugeben; dafür kommt, weil ihm der Brief aus dem noch offenen Umschlag fällt und
ein Spitalsmitarbeiter „fürsorglich“ bei der Versicherung Nachfrage hält, der wahre Sachverhalt heraus.
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3. Einheit / Teil 4: Staatsschutzdelikte ua
1. Was sind politische Delikte und was ist das Besondere an ihnen?
2. Was ist § 269 Abs 4 StGB dogmatisch?
3. Wo ist eigentlich das Verbot der Schlepperei verankert? Und wo jenes der Wiederbetätigung?
Fälle
1. Die Freundin bittet ihren Freund, nicht mehr in die Kaserne einzurücken, sondern stattdessen bei ihr zu bleiben. Er tut es und bleibt 20 Tage dem Dienst fern. Erst dann wird er ertappt.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit der beiden!
2. Um einer Fahrzeugkontrolle zu entkommen, stößt A den Polizisten X heftig zu Seite, wobei
sich dieser leicht verletzt. Sodann steigt A in das Auto und fährt davon.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A!
3. Jemand klebt einen „Kuckuck“ = Pfändungsmarke von einem Gegenstand auf einen anderen, und versteckt den Gegenstand, an dem die Marke ursprünglich geklebt war.
Frage: Ist das strafbar?
4. Eine Demonstration eskaliert, Steine werden auf Polizisten geworfen, Schaufenster eingeschlagen, Autos in Brand gesetzt. A selbst nicht gewalttätig, trägt weiterhin sein Transparent
und schreit seine Parolen. Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit des A!
5. A und B planen gemeinsam einen Raubüberfall auszuüben. Sie forschen das entsprechende
Objekt aus, aber am Tag vor dem Überfall bekommt A kalte Füße und weigert sich weiterzumachen. B kann den Überfall allein nicht durchführen.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A und B!
6. Jemand reist die Flagge Österreichs während des Hahnenkammrennens (Deutschlands von
der Botschaft) herunter und verrichtet seine Notdurft darauf. Frage: Ist das strafbar?
7. Jemand sieht, wie gerade in einer Wohnung eingebrochen wird. Obwohl er ein Handy hat,
ruft er nicht die Polizei, sondern schaut zu.
Frage: Ist das strafbar?
8a. Ändert sich etwas, wenn der Betreffende einem Zeitungsdiebstahl zusieht?
8b. Ändert sich etwas, wenn der Betreffende einem Überwachungsunternehmen angehört, das gerade diese Wohnung überwachen soll.
8c. Ändert sich etwas an der Lösung, wenn nicht wirklich in die Wohnung eingebrochen wird – denn es handelt sich um den Eigentümer, der den Schlüssel vergessen hat – der
Beobachter dies aber nicht erkennt, sondern an den Einbruch glaubt?
8. Frage: Bei einem Fleischhauer werden abgelaufene Waren beschlagnahmt. Eine Untersuchung zeigt, dass der Verzehr dieser Waren zu erheblichen Magen/Darm-Schwierigkeiten
geführt hätte, die uU sogar stationär im Krankenhaus hätten behandelt werden müssen. Zum
Glück wurde davon noch nichts verkauft. Nach welchen Bestimmungen könnte sich der
Fleischhauer strafbar gemacht haben?
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9. A möchte aus dem Gefangenenhaus entfliehen. Er bekommt auf seine Bitte hin von einer
Bekannten Hilfsmittel, mit deren Hilfe ihm die Flucht gelingt. Die Bekannte kannte As Pläne,
ist aber von As Unschuld überzeugt und dachte, ihr Handeln diene der Gerechtigkeit.
Frage: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A und seiner Bekannten!
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