ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ ___________________________________________________________________________ Fall14:UmdenRzutöten,bringtMunterdemVWͲPassatdesReineHandgranatemiteinerZugleiͲ tungsoan,dassbeieinerRadumdrehungderZündringderGranategelöstwirdunddiesedetoniert. Andiesem MorgenhatsichjedochR’s Ehefrau EdenWagen geliehen,welchegetötetwird,alssie mitdemAutolosfährt(BGH,NStZ1998,294;starkvereinfacht).–StrafbarkeitdesM? §§211,212anE,indemerGranateamVWmontierte. I.Tatbestand 1.ObjektiverTatbestand(+) 2.SubjektiverTatbestand MwollteRtötennichtE. Ͳ zurGleichwertigkeitstheorievgl.Fall13.DemnachVorsatz(+) Ͳ BGH:ZwarliegteinIrrtumdesMvor,dochschließtdaseineZuRdesErfolgsnichtaus.Mhabedas Opfernichtselbstoptischwahrgenommen;jedochhabeeresdurchdaszurSprengfalleumfunktiͲ onierteAutomittelbarindividualisiert.EinsolcherFallseiebensozubewertenwieder,dassder Täter sein Opfer optisch wahrnehme, sich aber über dessen Identität irre (error in persona). M habedenalsTötungsmittelbenutztenVWderfalschenPersonzugeordnet;dasentlasteihnnicht. DemnachVorsatz(+) Ͳ Herzberg,NStZ99,217u.a.:Auchvordem„geistigenAuge“kannmankonkretisieren.Demnach Vorsatz(Ͳ) Stellungnahme:DiemangelndeSichtbarkeitdesAngriffsobjektes(inAbgrenzungzuFall13)erscheint alsKriteriuminderTatnichtsonderlichüberzeugend.Warumdie„Konkretisierung“desTatobjekts geradeFragederunmittelbarengegenständlichenWahrnehmungseinsoll,wirdvomBGHauchnicht erläutert.Mankönntesogarargumentieren,dassderjenige,derseinOpfernichtvorsichsieht,seiͲ nenVorsatzgarnichtaufdenFalschenkonkretisierenkann,dennerhatdannzwangsläufigdasBild des Richtigen (den er letztlich treffen will) vor Augen. Geppert JURA 1992, 163, 165 f. rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung von Schuss und Sprengfalle deshalb nicht mit dem Kriterium der sinnlichenWahrnehmung,sonderndamit,dassnurbeiderSprengfalle(derBriefbombe,dervergifteͲ ten Enzianflasche) der fehlgehende Angriff typischerweise ein tatbestandlich gleichwertiges Opfer treffenwird.LetztendlichsindbeideAnsichtengutvertretbar. _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ29Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ ___________________________________________________________________________ errorinpersonaundaberratioictussindnichtzuverwechselnmit: Dolusalternativus gewollt T bewirkt X(Mensch) "gewollt"(alternativ) VersuchinTE? Wessels/Beulke,AT, Rn.231ff.) vollTat O(Mensch) oder:Sache _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ30Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ c)SubjektiveErfolgszurechnung Fall15:DieAstopftimVerlaufeinesStreitesderBSandindenMund,umsieamSchreienzuhinͲ dern,wobeisieauchderenTodinKaufnimmt.SiehältdienachdieserAktionregungslosDaliegende fürtotund wirftsieineineJauchegrube,woBsodannertrinkt. DasSchwurgericht hatteseinerzeit vollendetenTotschlagbejaht.ZurBegründunghatteesausgeführt,esliegeeindieganzeTatdurchͲ ziehender „dolus generalis“ vor. Der bedingte Tötungsvorsatz habe das gesamte Vorgehen der A beherrscht, beginnend mit der Verhinderung des Schreiens und endend mit der Versenkung ihres OpfersindieJauchegrube(BGHSt14,193).StrafbarkeitderA? Das Problem des Falls lässt sich nur dann erschöpfend darstellen, wenn man bei der Prüfung zwiͲ schen den beiden Tathandlungen differenziert. Zu beginnen ist mit der Handlung die unmittelbar zumTodgeführthat(vgl.auchschonFall1). A.§212durchWerfenindieJauchegrube I.Tatbestand 1.ObjektiverTatbestand(+) 2.SubjektiverTatbestand? Lehredesdolusgeneralis: InbeidenTeilaktenliegteineinheitlichesHandlungsgeschehen,dasauchimzweitenTeilnochvom Tötungsvorsatzgetragenwird. Gegenargument: §16StGBVorsatzmuss„beiBegehungderTat“vorliegen(Simultanitätsprinzip).Vorsatzdesersten AkteswarbeiVornahmedeszweitenAktesbereitserloschen.AdachteBseitot.Vorsatz(Ͳ) B.§212durchStopfendesMundesmitSand I.Tatbestand 1.ObjektiverTatbestand(+) Kausalität: DasStopfendesSandesindenMundveranlasstedasWerfenindieJauchegrubeunddamitauchden TodderB. ObjektiveZurechnung: A hat mit dem ersten Akt ein Risiko gesetzt, das sich jedoch nicht verwirklicht (während dasverwirklichteunvorsätzlichgesetztwird):(Ͳ) HatderTätervonvornhereinvor,dieLeichenachderTatzubeseitigen,sorealisiertsich dasdurchdenerstenAktgesetzteErfolgsrisiko,nichthingegendann,wenn–wiewohlim _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ31Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ Fall (a.A. mit Begründung vertr.) – der Beseitigungsentschluss erst nach der (vermeintliͲ chen)Tötunggefasstwird:(Ͳ/+) Es liegt nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass ein Bewusstloser danach für Todgehaltenundbeseitigtwirdunderstdadurchstirbt(+) SoweiteineobjektiveZurechnungnichtfürerforderlichgehalten(BGH)oderi.E.bejahtwird: 2.SubjektiverTatbestand HinsichtlichdeserstenAkteshandelte A(bedingt)vorsätzlichundohneihnwäreeszum zweitenAktnichtgekommen.ZwarberuhtderTodaufeinemanderenalsdemvorgestellͲ tenVerlauf(ErtrinkenstattErsticken),aberdieseAbweichungistunwesentlichundrechtͲ fertigtkeineandereBewertungderTat:(+) Ebensoi.E.dieTheorievonderTatplanverwirklichung(s.o.1):(+) DerersteAktbegründetnureineversuchteTötung.DerzweiteAktistkeinbloßerKausalͲ verlauf(„Bedingung“),sonderneineHandlung,und zwardie,diedenErfolgkonkretherͲ beiführt.BeiihraberhandeltderTäterinUnkenntnisdesTötungssinnsseinesTuns(§16I 1). Die Beurteilung einer Handlung als (unͲ)vorsätzlich bestimmt sich nicht nach einer „Planverwirklichung“,sondernnachVorstellungundWollenbeiBegehungderTat:(Ͳ) Ergebnis:§212(sodieh.M.)bzw.§§212I,22,23I,12I(sodiea.A.,sog.„Versuchslösung“).Nach letztereristnoch(vgl.§16I2)§222zuprüfenundzubejahen:§§212I,22,23I,12I;222;53. ___________________________________________________________________________ SiehezurumgekehrtenKonstellation(Täter,dernachseinerVorstellungvomTatablaufdenTaterͲ folgerstdurcheinespätereHandlungherbeiführenwill,bewirktdiesetatsächlichdurcheinefrüheͲ re): BGH, NStZ 2002, 309: A will seine Frau E im Haus widerstandsunfähig machen, in den Kofferraum seines BMW verbringen, zu einem zuvor beschafften Ford Mondeo fahren, die E in dessen KofferͲ raum verfrachten, an den geplanten, 100 km entfernten Zielort fahren, dort die E zur Unterschrift untereineGeneralvollmachtzwingenundsiesodanntöten.Hierzukamesnicht,weilEschonzuvor gestorbenwar.ZuGunstendesAwardavonauszugehen,dassEbereitsinfolgederFesselung,KnebeͲ lung oder des Einsatzes des Betäubungsmittels gestorben war, ohne dass A dies gewollt oder beͲ merkthätte.VordemHintergrunddiesesPlansistderAngriffimHausnochkeinunmb.Ansetzenzur Tötung.DennAwollteEvorderTötungnocheineUnterschriftabnötigen,wasvoraussetzte,dassE amZielortnochamLebenundhandlungsfähigwar.NachseinerVorstellungsollteEdurchseinen1. AngriffimHausnochnichtunmb.inihremLebengefährdetwerden;esmusstenvielmehrnochweiͲ tere wesentliche Zwischenschritte absolviert werden (insb. sollte E noch eine Unterschrift leisten). WirdderTaterfolgschondurcheineVorbereitungshandlungbewirkt,kommti.E.wegendesSimultaͲ nitätsprinzipsnureineVerurteilungwegenfahrlässigerVerursachungdiesesErfolgsinBetracht.Der imzweitenHandlungsabschnittvorliegendeVorsatzistausSichtdeserstenTeilakteseinunbeachtliͲ cherdolussubsequens. _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ32Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ II.DieLehrevonderRechtswidrigkeit 1.DiewichtigstenRechtfertigungsgründe Esfolgennachh.M.demPrinzipdes mangelndenInteresses Einwilligung mutmaßlicheEinwilligung behördlicheErlaubnis überwiegendenInteresses Abwehrrechte: Notwehr(§§32StGB,227BGB) Selbsthilfe(§§229[i.V.mit230],561,859,1029BGB) Notstandsrechte: rechtfertigenderNotstand(§§34StGB,228,904BGB) indizierterSchwangerschaftsabbruch(§218aII,IIIStGB) Pflichtenkollision Widerstandsrecht(Art.20IVGG) WahrnehmungvonRechtenundPflichten: WahrnehmungberechtigterInteressen(§193StGB) Amtsbefugnisse(u.a.§§81ff.,94ff.StPO;758,808,909ZPO) vorläufigeFestnahme(§127IStPO) Züchtigungsrecht (§ 1631 Abs. 2 BGB; oft ist jedoch Erheblichkeitsschwelle des §223Abs.1nichtüberschritten,sonstu.U.kannauch§34StGBzurAnwendung kommen) 2.GrundlagenundAufbau Aufbaubei§32: 1) Notwehrlage Angriff Rechtswidrigkeit des Angriffs (hier: event. Schachtelprüfung od. Verweis nach oben) _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ33Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ GegenwärtigkeitdesAngriffs 2) Notwehrhandlung musssichgegenAngreiferrichten Erforderlichkeit(„nichtandersabwendbar“) ͲGeeignetheit ͲKeinMildestesdergeeignetenMittel –Gebotenheit(=sozialethischbedingteEinschränkungen,Fälle18Ͳ20) 3) Verteidigungswille(zumFehlenvgl.Fall22) Aufbaubei§34: 1) Notstandslage NotstandsfähigesRechtsgut(ggf.:mehrere) (Gegenwärtige)GefahrfürdiesesRechtsgut Alternative:Gegenwärtigkeitersthierprüfen 2) Notstandshandlung Erforderlichkeit(„nichtandersabwendbar“) Geeignetheit MildestesdergeeignetenMittel 3) Interessenabwägung,insbes. abstrakterWertderkollidierendenGüter konkreter Grad ihrer Gefährdung, Intensität des Eingriffs, Größe der RettungsͲ chancen HerkunftssphärederGefahrenquelle,besondereGefahrtragungspflichten... Angemessenheit(a.A.gehtinderInteressenabwägungauf) 4) Gefahrabwendungswille(kannauchvor3erörtertwerden) 3.Notwehr/Nothilfe Grundkonzepte I.DualistischesNotwehrkonzept(h.M.):DasNotwehrrechtdientzumeinendemInteressedeseinͲ zelnenanderanderVerteidigungseinerRechtsgüter(individualrechtlicheKomponente),zumandeͲ ren der Bewährung der Rechtsordnung (Verhinderung eines Triumphs des Rechtsbrechers über die Rechtsordnung,sozialrechtlicheKomponente). II. Überindividuelles Konzept (vereinzelt vertreten): Das Notwehrrecht dient unmittelbar nur der Bewährung der Rechtsordnung; der gleichzeitige Schutz der Einzelinteressen des Angegriffenen ist nureinReflexhiervon. III.IndividualrechtlichesKonzept:DieRechtsordnunggewährtdemBürgerweitreichendeNotwehrͲ befugnisse, um dem elementaren menschlichen Bedürfnis Rechnung zu tragen, sich nicht einem _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ34Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ akutenRechtsͲundFriedensbruchbeugenzumüssen–wederdurchdieHinnahmeeigenerRechtsͲ gutsverletzungennochdurcheinenZwangzurFluchtvordemUnrecht(Beispiel:Bahnhof). ZumGesamtaufbaus.o. Notwehrlage=gegenwärtiger,rechtswidrigerAngriff Angriff:VonmenschlichemVerhaltenausgehendeBeeinträchtigungrechtlichgeschützterInteressen. ͲkeineNaturgefahren,keineTierangriffe ͲauchfahrlässigesVerhaltenoderUnterlassen(beidesstr.),aberHandlungsqualitäterforderlich Ͳ rechtlich geschütztes Interesse – jedes beliebige Individualrechtsgut des Verteidigers oder eines Dritten(grundsätzlicheGleichwertigkeitvonNotwehrundNothilfe) ͲNothilfezugunstendesStaatesnur,wenndieseralsTrägervonIndividualrechtsgütern(öffentliches Eigentum)betroffenist–keineNotwehrfähigkeitderöffentlichenSicherheitundOrdnungalssolcher (VerprügelnvonFalschparkern) Rechtswidrigkeit: ͲAngriffnichtseinerseitsgerechtfertigt ͲErfüllungeinesStraftatbestandesnichterforderlich–außerstrafrechtlicherRechtsverstoßgenügt ͲAngriffmussaberzumindestobjektivpflichtwidrigsein–zufälligeEignungeinesVerhaltenszurBeͲ einträchtigungfremderRechtsgüterreichtnicht(str.) ͲSchulddesAngreifersnichterforderlich(str.). Ͳ Gegenwärtigkeit: Rechtsgutsverletzung droht unmittelbar, findet gerade statt oder ist noch nicht vollständigabgeschlossen. Notwehrhandlung 1.gegendenAngreifer 2.str.:EignungzurAbwehrdesAngriffs 3.Erforderlichi.e.S.istdieVerteidigungshandlungdann,wennsieentwederdaseinzigeoderunter mehrerenzurVerfügungstehendenAlternativendasmildesteMittelzusicherenAbwehrdesAnͲ griffsdarstellt. ͲErf.darfnichtmitVerhältnismäßigkeiti.S.einerWahrungderGüterproportionalitätgleichͲ gesetzt werden – es geht nur darum, den Angreifer vor unnötigen Beeinträchtigungen zu schützen,dienichtnotwendigsind,umdasVerteidigungszielzuerreichen. ͲDerVerteidigeristnichtverpflichtet,sichaufdasRisikounzureichenderMaßnahmeneinzuͲ lassen. Ͳ Notwendigkeit eines gestaffelten Vorgehens (besonders beim Waffeneinsatz), wenn dies ohneGefährdungdesAbwehrerfolges(!)möglichist(vgl.Seite38). Ͳ Die Erforderlichkeit ist (im Gegensatz zur Notwehrlage!) in einer lebensnahen exanteͲBeͲ trachtung aus der Verteidigerperspektive zu prüfen (Einschätzung, die von einem besonneͲ nenMenschen,derüberdiephysischenMöglichkeitendesVerteidigersverfügt,inderkonͲ kretenSituationzuerwartenist). 3.UngewollteVerletzungendesAngreifersdurchdieAbwehrhandlungsindgerechtfertigt,wennder Verteidiger entweder befugt gewesen wäre, die Folge vorsätzlich herbeizuführen, oder wenn die EingehungdesentsprechendenRisikoserforderlichwar. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Gebotenheit(=sozialethischeEinschränkungenderNotwehr) –nichtunproblematisch(Art.103Abs.2GG!);Arg.fürzurückhaltendeHandhabung –Fallgruppen: 1. FehlendeodergeminderteSchulddesAngreifers _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ35Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ 2. 3. 4. AusweichpflichtenundErhöhungderSchwelledessen,wasnachdemPrinzipvon2.ggf.hin Ͳzunehmenist GrobesMissverhältniszwischenFolgenderAbwehrundVerteidigungsinteresse besonderszubeachtenbeiSchüssenaufDiebe,diemitderBeuteflüchten EngepersönlicheBeziehungen u.U.PflichtzurHinnahmeleichtererKörperverletzungen Notwehrbeschränkung darf aber nicht zum Freibrief zur regelmäßigen Misshandlung der körperlichunterlegenenSeitewerden! RechtswidrigprovozierteAngriffe a) „Absichtsprovokation“:str.,obüberhauptNotwehrmöglich b) sonstigeProv.:eingeschränktesNotwehrrecht c) keineBeschränkungdesNotwehrrechts,wennsichderAngreiferdurcheinelegitime Ausübungderallg.HandlungsfreiheitdesspäterenVerteidigersprovoziertfühlt Fall16:ImLokaldesAsitztBbeimBier.ZweiandereGästebeleidigenihnundnähernsich,alsBdaͲ raufnichtreagiert,mitSchlagringenbewaffnetseinemTisch.BstehtaufundfasstdenBierkrugfesͲ ter.A,inSorgeumseinenKrug,ruft,Bsolleihnabstellen.AlsdiesernurdenKopfschüttelt,gibtA einenWarnschussausseinemRevolverab,wasBnichtbeeindruckt.NunmehrschießtAaufdieUnͲ terschenkeldesBundtrifft(VereinfachungvonRGSt23,116).StrafbarkeitdesA? §§223,224INr.2,5 I.Tatbestand(+) II.Rechtswidrigkeit:§32? Notwehrlage EingegenwärtigerAngriff aufdenKrugdesAliegtvor,daBimBegriffsteht,sich mitdem Krugzu verteidigen, wobei mit dessen Zerstörung zu rechnen ist. Rechtswidrig ist dieser Angriff, wenn das objektiveRechtihnnegativbewertet(Handlungsunrecht,woranesfehlt)bzw.derAngegriffene(A) ihnnichtzuduldenbraucht(Erfolgsunrecht).Dasistgem.§904BGBhierjedochderFall:DieEinwirͲ kungaufdenKrug(mitdermöglichenFolgeseinerZerstörung)warzurAbwendungdergegenwärtiͲ gen,derKörperintegritätdesBdrohendenGefahrnotwendig;derBdrohendeSchadenwarggü.dem ausderEinwirkungdemEigentümerAu.U.entstehendenSchadenunverhältnismäßiggroß(wasnäͲ herzuerläuternwäre):(Ͳ) III.Schuld(+) Fall 17: Der wohnsitzlose A ist nach einer Zechtour (2,41 ‰ BAK) nachts unterwegs, als er auf die streitlustigenMundStrifft.SiebauensichinKaratestellungvorAauf,undeinerderbeidenfordert ihnauf,seine„Kohle“herauszugeben.A,imBesitzvon350,ͲEuro,deramVortagabgeholtenALGII, bekommtAngst,daersichwegenseinerTrunkenheitggü.denbeidenjungenMännern(20und18 Jahre)hilflosfühlt,undversuchtweiterzugehen.ErwirdgeschubstundzwischenMundSmehrfach hinundhergeworfen.AlsAdiebeidendaraufhinbeschimpft,wirftMeinenSchlüsselbundnachihm, trifft aber nicht. Schließlich verabreicht M ihm eine höchst schmerzhafte Ohrfeige. A hat genug; er greiftinseineJackentasche,öffnetinihrseinKlappmesser,holtesherausundstichtS,dergerade vor ihm steht und von dem er glaubt, die Ohrfeige erhalten zu haben, unvermittelt zweimal in die _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ36Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ linkeBrust.DieMöglichkeit,Stödlichzuverletzen,nimmterbilligendinKauf.EinStichtrifftinsHerz undführtzumToddesS(BGH,StV1999,145).StrafbarkeitdesA? §212 I.Tatbestand ObjektiverundsubjektiverTatbestand(hier:bedingterTötungsvorsatzstehtaußerStreit)sindgegeͲ ben. II.Rechtswidrigkeit 1.Notwehrlage(+) EingegenwärtigerrwAngriffaufdiekörperlicheUnversehrtheitunddasEigentumdesAliegtvor. 2.Verteidigungshandlung SiebestehtindenbeidenStichenmitdemMesser.DassSnichtderjenigewar,derAgeohrfeigthatͲ te,istunerheblich,daderAngriffvonMundSalsMittäternausgeht.DeshalbdarfAsichgegenjeden vonihnenverteidigen. a)Erforderlichkeit Die Stiche waren geeignet, den Angriff sofort und endgültig zu beenden. Die Eignung wird nicht dadurch zweifelhaft, dass der andere Angreifer von der Verteidigung nicht unmittelbar betroffen wird. Mildestesderi.d.S.geeignetenMittel? LG:Eshättegenügt,denEinsatzanzudrohenoderaberStichegegen„wenigersensibleKörperregioͲ nen“zuführen. BGH:Richtigist,dass,werübermehrerewirksameVerteidigungsmittelverfügt,dasmildesteMittel unddiefürdenAngreiferamwenigstengefährlicheEinsatzmöglichkeitwählenmuss.Richtigistauch, dass im Fall der Waffenverwendung in der Regel gegenüber einem unbewaffneten Angreifer der Gebrauchangedrohtwerdenmuss,bevorsielebensgefährlicheingesetztwird.DochmussderAngeͲ griffenesichnichtaufMittelundMöglichkeitenverweisenlassen,derenAbwehrerfolgungewissist. Entscheidend ist dabei eine ex anteͲSicht (es liegt ja ein echter Angriff vor). Der Angegriffene darf diejenigeVerteidigungwählen,dieeinesofortigeundendgültigeBeseitigungderGefahrverspricht. Deshalbkannu.U.,jenachArt,MaßundStärkedesAngriffsunddenVerteidigungsmöglichkeitendes AngegriffeneninderkonkretenSituation(„Kampflage“),aucheinvorhernichtangedrohterlebensgeͲ fährlicherWaffeneinsatzzurAbwehrerforderlichsein.DieseFragebedurfteansichnochtatrichterliͲ cherPrüfung.DerSenattendiertrechtdeutlichzurBejahungdes§32. III.ETBI/Schuld _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ37Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ WarendieStichezurAbwehrdesAngriffsauchaus obj.exanteͲSichtnichterforderlich, hieltAsie jedoch für das mildeste Mittel, liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor (siehe dazu Fall 31). Dieser wurdevomBGHjedochnichtthematisiert(andersBGH3StR450/10=BGHHRRS2011Nr.557). Daneben greift nämlich auch § 33 StGB, denn A hat die Grenzen der Notwehr überschritten (sog. „intensiver“ Notwehrexzess). Die festgestellte Angst des A erfüllt die Voraussetzung „aus Furcht“: InfolgedesdurchdasGefühldesBedrohtseinsausgelöstenErregungszustandswardieFähigkeitzur richtigenWahrnehmungundVerarbeitungdesGeschehenserheblichreduziert.DemstehtnichtentͲ gegen,dassauchdieAlkoholisierungunddieaffektiveGereiztheitnachderOhrfeigeeineRollegeͲ spielthabenkönnen;esgenügt,dassdieFurcht(„asthenischer“Affekt)ͲnebenanderengefühlsmäͲ ßigenRegungenͲfürdieNotwehrüberschreitungmitursächlichwar.Vorteilvon§33StGBggü.dem Erlaubnistatbestandsirrtum ist, dass er auch hinsichtlich eines eventuellen Fahrlässigkeitsvorwurfs zur Anwendung kommt. So konnte der BGH direkt (ohne Rückverweisung an das Landgericht) zum Freispruchgelangen. Hinweis:InderKlausurwäreesbesserzunächstdenETBIzubejahen,undimRahmendesFahrlässigͲ keitsdeliktsdann§33StGBzuprüfen.Soz.B.auchBGH3StR450/10=BGHHRRS2011Nr.557,Rz.12). ___________________________________________________________________________ Hinweise: ZurErforderlichkeitderVerteidigungshandlungsieheauchBGH,NStZ1998,508;BGHStV1999,143; zumNotwehrexzessBGH,StV1999,148.ZumFall„SvenG.“ErbNStZ2011,186. ZurNotwehrgegenErpressungundeiner„normativen“EinschränkungdesHeimtückemerkmalssieͲ he BGH NStZ 2003, 425: „Der Erpresser ist in einer von ihm gesuchten Konfrontation mit dem ErͲ presstengegenübereinemwehrendenGegenangriffdesErpresstenaufseinLebenregelmäßignicht arglosimSinnedesMordmerkmalsderHeimtücke,wennerindessenAngesichtimBegriffist,seine Tat zu vollenden und zu beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des ErͲ presstenzubewirken.“. Beim lebensgefährlichen Einsatz einer Schusswaffe gilt hinsichtlich der Erforderlichkeit folgendes: Dieserkanngrds.nurdasletzteMittelderVerteidigungsein.Wennmöglich,mussderAngegriffene denGebrauchderSchusswaffezunächstandrohen.Wenndiesnichtausreicht,istergehalten,ungeͲ zielte Warnschüsse abzugeben oder in die Beine des Angreifers zu schießen, danach erst auf den Körper.DasGanzeistaberkeinestarreRegel,sondernimmervondenUmständenderSituationabͲ hängig(Rspr.:konkreteKampflage):StaffelungderVerteidigungmitAndrohung,nichtlebensgefährliͲ chem und erst zuletzt tödlichem Waffeneinsatz kann nur dort verlangt werden, wo nach den UmͲ ständeneinausreichenderzeitlicherSpielraumzurVerfügungsteht.IsteineentsprechendeZurückͲ haltungdagegenmiteinerSchmälerungderVerteidigungschancenverbunden,brauchtsichderVerͲ teidiger nicht darauf einzulassen – z.B., weil der Angreifer schon unmittelbar an ihm dran ist, oder auchdeshalb,weilerkeinenzweitenSchussmehrhat. Fall18:AwillmiteinemvonihmgestohlenenPKWvoneinemParkplatzdavonfahrenundstreiftein geparktesAuto.Afährtdavon,derentrüsteteFahrerFdesbeschädigtenFahrzeugsfährtihmnach. AneinerAmpelmussAhalten,steigt ausundfliehtzu Fußweiter.FverfolgtihnmitdemRuf„Ich bring’dichum“undholtihnein.EskommtzueinertätlichenAuseinandersetzung,beiderAeinen FinnendolchziehtunddenFtödlichverletzt(BGHSt24,356).StrafbarkeitdesA? _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ38Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ A.§142INr.1(+) B.§212 I.Tatbestand(+) SofernAohneTötungsvorsatzgehandelthabensollte,wäre§222zuprüfen II.Rechtswidrigkeit:§32? 1.Notwehrlage a)gegenwärtigerAngriffdesFgegenA(+) b)RechtswidrigkeitdesAngriffs RechtfertigungsgründefürF? Notwehr: Der Angriff des A auf das Eigentum des F (Beschädigung des Autos) war nicht mehrgegenwärtig:(Ͳ) Festnahmerechtnach§127IStPO,zivilrechtlicheSelbsthilfenach§229BGB:DasVerhalͲ tendesFgingobjektivüberdienachdiesenVorschriftenerlaubteGewaltanwendunghinͲ aus(nurwaszurIdentitätsfeststellungbzw.zurFestnahmeerforderlichist)undwarauch subjektiv nicht hinreichend von einem Festnahmewillen bzw. dem Willen zur IdentitätsͲ feststellungdesA(zurSicherungvonSchadensersatzansprüchen)getragen:(Ͳ) Ergebnis:DerAngriffdesFgegenAwarrechtswidrig. 2.Verteidigungshandlung BestandimMesserstich. a)Erforderlichkeit A war nicht verpflichtet, sich auf ein Handgemenge mit unsicherem Ausgang einzulassen. Da er Ͳ mangelskonkretergegenteiligerAnhaltspunkteͲdemFkörperlichnichteindeutigüberlegenwarund FinstarkerErregunghandelte,stelltederStichmitdemMesserdasmildesteMittelzursicherenund endgültigenAbwehrdesAngriffsdesFdar:(+) b)Verteidigungswille(+) c)Gebotenheit HatderAngegriffenedenAngriffinvorwerfbarerWeiseprovoziert,somusserausweichen, wenn dies nicht möglich ist, fremde Hilfe in Anspruch nehmen und/oder sich zunächst auf MaßnahmenderSchutzwehrbeschränken,wobeiergeringeBeeinträchtigungenundVerletͲ zungen hinzunehmen hat. Zur Trutzwehr, d.h. zur gewaltsamen, sofortigen Beendigung des _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ39Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster ExaminatoriumStrafrecht A AT Skript _______________________________________________________ Angriffs,darfererstübergehen,wenndieSchutzwehrohneWirkungbleibtund/odererhebͲ licheeigeneVerletzungendrohen(h.M.,alsostreitig). Hier:AkonntedemAngriffdesFnichtausweichen.EineAbwehrdesAngriffsmitbloßenFäustenwar offensichtlich nicht möglich, fremde Hilfe nicht vorhanden. Danach durfte A das Messer einsetzen (a.A.beientsprechenderSachverhaltsauslegungvertretbar). Ergebnis:Ahatnichtrechtswidriggehandelt. _____________________________________________________________________________________________________________________ Wintersemester2011/2012 Ͳ40Ͳ Prof.Dr.FrankSchuster
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