Neue Regeln für den Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG

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Neue Regeln für den
Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG
und FINIG
November 2015
2
Neue Regeln für den Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG und FINIG
Hintergrund
Regulierung ist in den letzten Jahren zu einer zentralen strategischen Dimension für Finanzintermediäre in einer zunehmend vernetzten Welt geworden.
Komplexität und Interkonnektivität der einzelnen
Regulierungsinitiativen nehmen dabei stetig zu, die
Anforderungen und Kosten für die Marktteilnehmer
steigen, während der strategische Handlungsspielraum zunehmend kleiner wird.
Im Gefolge der jüngsten Finanzkrise wurden
insbesondere die Europäische Union (EU) und die
Vereinigten Staaten von Amerika die weltweit faktisch bestimmenden Taktgeber bei der Verdichtung
der Spielregeln und der Etablierung verbindlicher
Standards für die internationalen Finanzmärkte,
wobei sich die Kadenz der lancierten Regulierungsinitiativen zunehmend erhöht. Obgleich nicht in den
harmonisierten Markt der EU integriert, konnte sich
auch die Schweiz dieser Entwicklung nicht verschliessen. War es noch möglich, die Transponierung der
für die Finanzmarktregulierung des EU-Raumes
zentralen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, die sogenannte MiFID, welche 2007 EU-weit
Gültigkeit erlangte, zu vermeiden, hat die Eidgenossenschaft seither einen Weg der Harmonisierung
ihres Regelwerkes mit EU-Standards eingeschlagen. Hauptbeweggrund war dabei die Absicht, den
Anlegerschutz zu verbessern sowie die Grundlagen
für einen Zugang zum EU-Markt für Schweizer
Finanzintermediäre als Drittstaatenanbieter auf
Basis einer als äquivalent anerkannten Regulierung
zu ermöglichen.
So wurde zunächst die für den Retailfondsbereich
relevante Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere, die sogenannte
OGAWbzw. UCITS-Richtlinie, in ihrer dritten und
vierten Fassung ins Schweizer Kollektivanlagengesetz (KAG) überführt. Ebenso wurden die Kernprinzipien der EU-Richtlinie über die Verwalter
alternativer Investmentfonds, besser bekannt als
AIFM-Richtlinie, ins KAG überführt.
All diese Massnahmen waren möglich, ohne dass
die über Jahrzehnte gewachsene, prinzipienbasierte
Schweizer Finanzmarktregulierung mit ihren verschiedenen und mehrheitlich bedarfsgerecht auf einzelne Sektoren massgeschneiderten Spezialgesetzen
per se infrage gestellt wurde. Um auch die nächsten
grossen EU-Initiativen, konkret die EU-Verordnung
über die europäische Marktinfrastruktur (EMIR)
und die Neuauflage der MiFID – die sogenannte
MiFID II –, zum Teil des Schweizer Rechtsbestandes
zu machen, hat man sich zu einer konzeptionellen
Neugestaltung der Leitplanken des Finanzplatzes
entschlossen. Dabei sollen die Kerninhalte der EMIR
durch ein neues Finanzmarktinfrastrukturgesetz
(FinfraG) und die MiFID-Prinzipien durch ein ebenfalls neu zu schaffendes Finanzdienstleistungsgesetz
(FIDLEG) überführt werden. Zusätzlich sollen durch
ein neues Finanzinstitutsgesetz (FINIG) sektorenübergreifend die Bewilligungsvoraussetzungen und
die weiteren organisatorischen Anforderungen für
Finanzinstitute in der Schweiz neu geregelt werden.
Am 19. Juni 2015 wurde das FinfraG im Parlament
angenommen, wobei das Inkrafttreten auf 1. Januar
2016 geplant ist. Am 20. August 2015 wurden ausserdem Entwürfe der ausführenden Verordnungen
veröffentlicht, d.h. die Finanzmarktinfrastrukturverordnung des Bundesrats (FinfraV), die Finanzmarktinfrastrukturverordnung der FINMA (FinfraVFINMA) sowie die revidierte Nationalbankverordnung (NBV). Die Vernehmlassung dauerte bis am
2. Oktober 2015. Das Inkrafttreten der Verordnungen ist ebenfalls auf den 1. Januar 2016 angesetzt.
Die im Sommer 2014 eröffnete Vernehmlassung zu
den Vorentwürfen zu FINIG und FIDLEG («VE-FINIG» und «VE-FIDLEG») mündete in breit angelegte
Kritik, so dass der Bundesrat und das Eidg. Finanzdepartement (EFD) im Verlauf des Jahres 2015 weitreichende «Richtungsentscheide» und umfangreiche
Modifikationen vornehmen musste. Am 4. November
2015 hat der Bundesrat schliesslich Entwürfe sowie
eine Botschaft zu FIDLEG und FINIG veröffentlicht
(im folgenden «E-FIDLEG» und «E-FINIG»). Damit ist
der Weg für die parlamentarische Beratung geebnet,
deren Ergebnis mit Spannung erwartet werden darf.
Bei gesamthafter Betrachtung bedeuten diese Initiativen eine Abkehr vom bisherigen Säulenmodel der
Schweizer Finanzmarktregulierung (Abb. 1) zugunsten einer konzeptionell auf Regulierungsebenen
aufbauenden Systematik. Dabei werden insbesondere
die bisher vom Bankengesetz (BankG), vom Börsengesetz (BEHG) und vom Kollektivanlagengesetz
(KAG) abgedeckten Normierungsgebiete betreffend
die Regulierung der Finanzinstitute auf die neuen
Gesetze übertragen. Bemerkenswert ist, dass die
Regulierungsbereiche im Rahmen des BankG und
des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vom erwähnten Ebenenmodell teilweise unberührt bleiben.
Die entsprechenden Erlasse werden nicht ins FINIG
überführt und entsprechend auch nicht aufgehoben.
Immerhin werden im BankG gewisse mit dem FINIG
eingeführte Konzepte nachvollzogen, sodass es zu
einer gewissen materiellen Harmonisierung der
Bestimmungen des FINIG und des BankG kommt.
PwC Schweiz
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Abbildung 1: Bisherige Schweizer Finanzmarktregulierungsarchitektur
NBG (2003)
Insbesondere weil die prudentielle Aufsicht auch auf
bisher nur indirekt im Wege der Selbstregulierung
beaufsichtigte Bereiche ausgedehnt und verdichtet
wird (Abb. 3) und gleichzeitig aus dem EU-Raum
rezipierte Regeln mit voraussichtlich erheblichem
Einfluss auf historisch gewachsene Geschäftsmodelle
praktisch sämtlicher Arten von Schweizer Finanz-
PfG
(1930)
KAG
(1995)
BEHG
(1995)
BankG
(1934)
GwG (1997)
VAG (2004)/
VVG (1908)
FINMAG (2007)
intermediären implementiert werden sollen, empfiehlt es sich, sich frühzeitig mit diesen neuen Regulierungsinitiativen zu beschäftigen. Im Anschluss
bieten wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen aus den beiden zur parlamentarischen Debatte übergebenen Finanzmarktgesetzen.
Abbildung 2: Inskünftige Schweizer Finanzmarktregulierungsarchitektur
NBG (2003)
FINMAG (2007)
Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) (1.1.2017)
Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FINFRAG) (1.7.2015)
Finanzinstitutsgesetz
(FINIG) (1.1.2017)
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PfG
(1930)
VAG (2004)/
VVG (1908)
KAG
(1995)
BEHG
(1995)
BankG
(1934)
GwG (1997)
Finanzinstitutsgesetz (FINIG)
Der Zweck des FINIG ist die einheitliche Regelung
der Aufsicht über alle Finanzdienstleister, die in
irgendeiner Form das Vermögensverwaltungsgeschäft
betreiben. Sowohl aus rein wettbewerbsrechtlichen
Gründen als auch unter Berücksichtigung des Regulierungsgefälles im Vergleich zu den umliegenden
Ländern wurde seit Jahren in Expertenkommissionen, in parlamentarischen Vorstössen, aber auch
in der Lehre das Thema der Unterstellungspflicht
der Vermögensverwalter diskutiert. Das E-FINIG
schlägt nun den Einbezug der Vermögensverwalter in die vorgesehene «Bewilligungskaskade» vor.
Ebenfalls neu ist die Regulierung von Trustees, die
das Vermögen eines Trusts verwalten oder darüber
verfügen. Die Einführung einer prudentiellen und
damit umfassenden Aufsicht über die einfachen
Vermögensverwalter bzw. die Trustees ist als eine
der wesentlichsten Neuerungn des FINIG für den
Finanzmarkt zu beurteilen.
Von den Vermögensverwaltern bzw. den Trustees
abzugrenzen sind die Verwalter von Kollektivvermögen. Hierbei handelt es sich um (i) Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen, die zuvor
im KAG geregelt waren und (ii) um Verwalter von
Vermögen von Vorsorgeeinrichtungen.
In Art. 5 E-FINIG wird eine konsequente Hierarchie
der einzelnen Bewilligungsstatus eingeführt. Dabei
umfasst die jeweils mit höheren Anforderungen
behaftete Bewilligung die Erlaubnis zur Ausübung
der Aktivitäten einer untergeordneten Bewilligung.
Dies führt dazu, dass eine Bank nicht mehr wie heute
zusätzlich eine Effektenhändlerbewilligung (oder,
wie sie neu heisst, Bewilligung als Wertpapierhaus)
benötigt, wenn sie – was aktuell in über 95 % der
bewilligten Banken der Fall ist – auch den Kundenhandel oder eine andere Effektenhandelstätigkeit
ausübt.
Nur teilweise in die Bewilligungskaskade einbezogen ist die Fondsleitungsbewilligung. Dies gründet
einerseits auf der sehr spezialisierten Tätigkeit einer
Fondsleitung, ist jedoch vor allem auch davon beeinflusst, dass die Fondsleitungstätigkeit nicht mit der
Bank- oder Effektenhandelstätigkeit vereinbar ist.
Einen ähnlichen Sonderstatuts geniessen die Trustees, die ebenfalls nur mit Vorbehalt in die erwähnte
Hierarchie gemäss Art. 5 E-FINIG eingeordnet werden können. Entsprechend dürfen nur Banken oder
Wertpapierhäuser ohne zusätzliche Bewilligung die
Tätigkeit eines Trustees im Sinne des FINIG ausüben.
Die Tätigkeit als Fondsleitung oder als Verwalter von
Kollektivvermögen schliesst demgegenüber zwar
die Bewilligung als einfacher Vermögensverwalter,
nicht hingegen jene als Trustee mit ein.
Abbildung 3: Ausdehnung der prudentiellen Aufsicht und Bewilligungskaskade
Prudentielle
Aufsicht
Aufsichtsintensität
Banken
Regulierungsanforderungen
Wertpapierhäuser
Fondsleitungen
Verwaltungen von
Kollektivvermögen
Aufsichtsorganisation
(AO)
Standes-/
Verhaltensregeln
Trustees
Vermögensverwalter
Anlageberater, Vertriebsträger, Makler, usw.
Selbstregulierung/
Indirekte Aufsicht
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5
Die Ausnahme von der Bewilligungspflicht im
Rahmen der Bewilligungskaskade befreit jedoch
nicht von der Erfüllung der Anforderungen an die
zusätzlich ausgeübte Tätigkeit. Die Prüfung der
Einhaltung dieser Voraussetzungen erfolgt einzig
nicht mehr im Rahmen eines zeitraubenden vorgängigen Bewilligungsverfahrens, sondern nach der
Aufnahme der Tätigkeit während der jährlichen
aufsichtsrechtlichen Prüfung. Die Prüfgesellschaft
wird unter Berücksichtigung ihrer Risikoanalyse
die neuen Aktivitäten in ihrem Prüfprogramm
angemessen zu berücksichtigen haben (siehe dazu
die Bestimmungen gemäss FINMA-RS 13/3 «Prüfwesen»).
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Neue Regeln für den Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG und FINIG
Abbildung 4: E-FINIG Gliederung
Artikel
Inhalt
Herkunft
Wesentliche Neuerungen
1–3
Gegenstand und
Geltungsbereich
–
Konzernobergesellschaften und
wesentliche Gruppengesellschaften
gemäss neuem Art. 2bis BankG
(eingeführt durch FinfraG)
4–15
Gemeinsame
Bestimmungen für
alle Finanzinstitute
Anforderungen an prudentiell beaufsichtigte Institute
Neuartige Aufsichtskategorien
(Trustees, Vermögensverwalter,
Wertpapierhäuser)
Versicherungen gemäss VAG sind
explizit keine Finanzinstitute gemäss FINIG.
Banken gemäss BankG werden
entgegen ursprünglichem Plan
nicht im FINIG geregelt.
16–19
Einfache Vermögens­
verwalter
–
Vollständig neue Regulierung
20–27
Qualifizierte
Vermögensverwalter
Definition und Anforderungen an Vermögensverwalter
von kollektiven Kapitalanlagen gemäss KAG
–
28–36
Fondsleitungen
Definition und Anforderungen an Fondsleitungen
gemäss KAG
–
37–47
Wertpapierhäuser
Definition gemäss BEHG
(«Effektenhändler»)
Umbenennung in Wertpapierhaus
(Angleichung an international
gebräuchliche Bezeichnung)
48–53
Zweigniederlassungen
und Vertretungen
Bewilligungspflicht für
Zweigniederlassung und
Vertretungen gemäss BEHG
Aufnahme der Möglichkeit einer
Ausnahme von der Bewilligungspflicht basierend auf Staatsverträgen
54–63
Aufsicht über die
Finanzinstitute
Aufsicht gemäss FINMAG,
BEHG und KAG
Einfache Vermögensverwalter
werden durch eine von der FINMA
unabhängige Aufsichtsorganisation
(AO) beaufsichtigt.
64
Verantwortlichkeit
Regelung der Verantwortlichkeit mit Exkulpationsbeweis, wie bereits in
Art. 145 KAG vorgesehen
Ausdehnung auf alle Finanzinstitute
65–67
Strafbestimmungen
Strafbestimmungen gemäss
den bisherigen Aufsichtsgesetzen
–
68–71
Schlussbestimmungen
–
Übergangsfristen sowie Aufhebung
des BEHG
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Anforderungen an Finanzinstitute
Einfache Vermögensverwalter
Die Bewilligungskaskade beinhaltet gleichzeitig
auch ein Ansteigen der Aufsichtsintensität und der
Regulierungsanforderungen, je höher der relevante
Status ist. Dies entspricht den aktuellen Bestimmungen sowie der Praxis der FINMA betreffend der
Banken, Effektenhändler und weiterer prudentiell
regulierter Finanzinstitute. Durch die ansatzweise
Konsolidierung in einem Gesetz werden jedoch bestehende, materiell nicht gerechtfertigte Unterschiede beseitigt. Als Beispiel kann die Ausgestaltung der
Genehmigungs- und Meldepflichten bei Veränderungen bewilligter Finanzinstitute genannt werden, bei
denen bisher erhebliche Unterschiede zwischen den
älteren und den neueren Gesetzen bestehen (z.B.
BEHG vs. KAG).
Der neuen Bewilligungspflicht für Vermögensverwalter unterliegt, «wer gestützt auf einen Auftrag
gewerbsmässig im Namen und für Rechnung der
Kundinnen und Kunden Vermögenswerte verwaltet oder auf andere Weise über Vermögenswerte
von Kundinnen und Kunden verfügen kann» (Art.
16 Abs. 1 E-FINIG). Der Vermögensverwalter kann
dabei insbesondere die individuelle Verwaltung
einzelner Portfolios, die Anlageberatung, die Portfolioanalyse und den Vertrieb von Finanzinstrumenten
ausüben (Art. 18 E-FINIG).
Die erwähnte institutionelle Konsolidierung wird
indessen inkonsequent umgesetzt, da Banken gemäss BankG und Versicherungen gemäss VAG nicht
im FINIG geregelt werden, obschon sie materiell
Finanzinstitute darstellen. Dasselbe gilt für gewisse
Finanzintermediäre des KAG (z.B. Investmentgesellschaften wie SICAF und SICAV), die trotz Institutseigenschaft im KAG geregelt bleiben.
Seit mehreren Jahren beschäftigt das Thema der
Steuerkonformität der verwalteten Vermögen die
Vermögensverwaltungsbranche. Eine explizite
Regulierung bestand bisher nicht, und die Problematik wurde einzig durch ein FINMA-Positionspapier
thematisiert, das auf die generellen Anforderungen
an Compliance und Risikomanagement verwies.
Ausserdem wurde das Bundesgesetz über die
Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (GwG) ergänzt, so
dass gewisse Steuerdelikte als Vortaten zur Geldwäscherei gelten. Der VE-FINIG schlug mit Art. 11
sodann die Einführung einer expliziten, aufsichtsrechtlich verpflichtenden «Weissgeldstrategie» vor,
indem bei der Annahme der Vermögenswerte eine
Prüfpflicht hinsichtlich des Risikos für nicht korrekt
versteuerte Gelder vorgesehen war. Als Reaktion auf
negative Rückmeldungen in der Vernehmlassung
wurde der erwähnte Art. 11 VE-FINIG im Rahmen
des bundesrätlichen Entwurfs indessen aufgegeben.
Die Diskussion um eine aufsichtsrechtliche Pflicht
zur Herstellung von Steuerkonformität wird derzeit
im Rahmen einer Teilrevision des GwG (Einführung
eines Art. 6a E-GwG) diskutiert. Eine diesbezügliche
Botschaft wurde am 5. Juni 2015 veröffentlicht. Der
Ausgang der parlamentarischen Debatte wird mit
Spannung erwartet.
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Als Trustee gilt gemäss Art. 16 Abs. 2 E-FINIG «wer
gestützt auf eine zweckgebundene Zuwendung
namentlich in der Errichtungsurkunde eines Trusts
im Sinne des Haager Übereinkommens vom 1. Juli
1985 über das auf Trusts anzuwendende Recht und
über ihre Anerkennung gewerbsmässig ein Sondervermögen zugunsten der Begünstigten oder für
einen bestimmten Zweck verwaltet oder darüber
verfügt.» Der Trustee verwaltet das Sondervermögen,
sorgt für dessen Werterhaltung und verwendet es
zweckgebunden (Art. 18 Abs. 2 E-FINIG).
Vermögensverwalter und Trustees müssen Anforderungen an die Organisation erfüllen, finanzielle
Garantien sicherstellen und sowohl selbst als auch
hinsichtlich ihrer qualifiziert Beteiligten und der mit
der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten
Personen die Gewährsanforderungen einhalten. Für
die Konkretisierung der Anforderungen müssen die
Ausführungsbestimmungen in den Verordnungen
abgewartet werden. Unter Berücksichtigung der Bewilligungskaskade dürften die Anforderungen unter
jenen an qualifizierte Vermögensverwalter liegen.
Es ist zu erwarten, dass die Vermögensverwalter
und die Trustees zumindest ein angemessenes IKS,
eine Risikomanagement- sowie eine ComplianceFunktion, Funktionentrennungen und Prozesse zur
Sicherstellung der Steuerkonformität implementieren werden müssen.
Die Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften
kommt bei Finanzinstituten, die gemäss FINIG einer
prudentiellen Aufsicht unterstehen, grundsätzlich
der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA)
zu. Der bundesrätliche Entwurf sieht allerdings für
die bisher nicht beaufsichtigten Vermögensverwalter und Trustees in Art. 57 ff. E-FINIG eine neu im
FINMAG zu schaffende, von der FINMA organisatorisch unabhängige «Aufsichtsorganisation» (AO) mit
Selbstregulierungscharakter vor. Das neue Konzept
der AO wird im FINMAG geregelt sein (Art. 43a ff.
E-FINMAG). Eine AO kann ähnlich wie die FINMA
selbst Bewilligungen erteilen und Verfügungen erlassen. Zudem können AO mit der Genehmigung der
FINMA auch Rundschreiben erlassen.
Neue Regeln für den Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG und FINIG
Abbildung 5: Anforderungen an Vermögensverwalter
Gewähr
•qualifiziert Beteiligte
•Verwaltungsrat
•Geschäftsleitung
•Ort der Leitung
Weitere Voraussetzungen
•periodische Prüfung
•Meldung von Änderungen
•Meldung Auslandgeschäft
Finanzielle Garantie
oder Berufshaftpflichtversicherung
Organisation
•angemessene Regeln zur
Unternehmensführung
•Erfüllung der gesetzlichen Pflichten
•IKS
•Risikomanagement
•Compliance
•Steuerkonformität
•Anforderung an Auslagerung
Aufgrund verschiedener Studien ist bekannt, dass
ein erheblicher Teil der Vermögensverwalter über
lediglich einen oder wenige Mitarbeitende verfügt
und Vermögenswerte in Höhe von wenigen Millionen
verwaltet. Oft handelt es sich um ehemalige Kundenberater von Banken, die sich selbständig gemacht
haben. Insbesondere für die kleinen Vermögensverwalter wird die Einführung der neuen Bewilligungspflicht erhebliche Auswirkungen haben. Die
Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen
bringt zweifellos erhöhte Kosten mit sich. Wird dies
zu einer Zwangsbereinigung oder einem Zusammenschluss dieser Vermögensverwalter bzw. zu einer
Aufwärtskonsolidierung führen?
Unserer Auffassung nach besteht einiges Potenzial
für Zusammenschlüsse in der Vermögensverwalterbranche. Das E-FINIG gewährt jedoch neben den
Übergangsfristen auch eine wesentliche Ausnahme
für etablierte Vermögensverwalter, die lediglich
ihre bestehenden Kunden weiterbetreuen möchten.
Gemäss Art. 70 Abs. 3 E-FINIG können einfache
Vermögensverwalter, die seit mindestens 15 Jahren
aktiv sind und keine neuen Kunden akquirieren,
ihre Tätigkeit bewilligungsfrei weiterführen.
PwC Schweiz
9
Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) –
wesentliche Neuerungen
Präzisierung der Begriffe «Finanzdienstleister» und «Finanzdienstleistung» bei Ausdehnung der
Bewilligungspflicht für Tätigkeitsentfaltung in der Schweiz aus dem
Ausland
Das E-FIDLEG definiert in seinem Art. 3 als Finanzdienstleister alle Personen, die «gewerbsmässig
Finanzdienstleistungen in der Schweiz oder für
Kundinnen und Kunden in der Schweiz erbringen»,
und als Finanzdienstleistung die folgenden für
Kundinnen und Kunden erbrachten Tätigkeiten:
• Erwerb oder Veräusserung von Finanzinstrumenten,
• Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die
Finanzinstrumente zum Gegenstand haben,
• Verwaltung von Vermögenswerten (Vermögensverwaltung),
• Erteilung von persönlichen Empfehlungen, die
sich auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten
beziehen (Anlageberatung),
• Gewährung von Krediten für die Durchführung
von Geschäften mit Finanzinstrumenten.
Das schweizerische Aufsichtsrecht ist – entgegen
dem Aufsichtskonzept der meisten europäischen
Länder – bisher konsequent auf Aktivitäten ausgerichtet, die in der Schweiz ausgeübt werden. Dies
lässt ausländischen Finanzinstituten viele Freiheiten
bei der Kundenakquisition und -betreuung in der
Schweiz. Erst mit der effektiven oder faktischen Errichtung einer Präsenz in der Schweiz (Vertretung,
Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft) wird
eine Bewilligung notwendig.
Neu werden vom E-FIDLEG auch ausländische
Finanzdienstleister erfasst, sofern sie Kunden in der
Schweiz bedienen. Für ausländische Finanzdienstleister bestehen indessen keine aufsichtsrechtlichen
Mechanismen zur Überwachung der Verhaltenspflichten und anderer Vorschriften. Eine noch im
VE-FIDLEG vorgesehene Pflicht zur Eintragung
ausländischer Finanzdienstleister in ein besonders
Register, wurde aufgegeben. Immerhin sieht das
E-FIDLEG in Art. 30 ff. vor, dass sich Kundenberater
eines ausländischen Finanzdienstleisters, der in der
Schweiz nicht beaufsichtigt ist, in ein sog. Beraterregister eintragen lassen müssen. Die Eintragungspflicht ist analog zur Eintragungspflicht für Kundenberater von schweizerischen Finanzdienstleistern
ausgestaltet. Die Eintragung in das Beraterregister
wird von diversen Eintragungsvoraussetzungen
10
(Ausbildung und Weiterbildung, Berufshaftpflichtversicherung, Anschluss an eine Ombudsstelle)
abhängig gemacht.
Die neue Registrierungspflicht gleicht unseres Erachtens zumindest teilweise den Wettbewerbsnachteil
der schweizerischen Finanzinstitute im internationalen Geschäft aus und erlaubt der Aufsichtsbehörde
einen Überblick über die bisher vollständig unkontrollierten grenzüberschreitenden Angebote von
Finanzdienstleistungen in die Schweiz.
Neue Kundensegmentierungssystematik
Das E-FIDLEG bringt in offenkundiger Anlehnung an
MiFID-Vorgaben mit seiner in Art. 4 vorgeschlagenen Unterteilung der Kunden in institutionelle und
professionelle Kunden sowie vermögende Privatkunden und übrige Privatkunden eine neue Segmentierung mit der aus dem teilrevidierten KAG bekannten
Opting-in und Opting-out-Systematik. Letztere dient
innerhalb dieser Klassifizierungen der individuellen
Erhöhung bzw. Verringerung der resultierenden
Schutzbedürftigkeit. Die letztendliche Qualifikation
hat unterschiedliche Informations- und Aufklärungspflichten seitens des Finanzdienstleisters zur Folge.
Gemäss E-FIDLEG sollen als professionelle Kunden
beaufsichtigte Finanzintermediäre, Versicherungsunternehmen, ausländische Kundinnen und Kunden,
die einer gleichwertigen prudentiellen Aufsicht
unterstehen, Zentralbanken, öffentlich-rechtliche
Körperschaften mit professioneller Tresorerie,
Vorsorgeeinrichtungen mit professioneller Tresorerie und Unternehmen mit professioneller Tresorerie
gelten. Dieser Katalog der professionellen Anleger
wird zur Bestimmung der institutionellen Anleger
im Wesentlichen um Vorsorgeeinrichtungen mit
professioneller Tresorerie und Unternehmen mit
professioneller Tresorerie gekürzt. Als Privatkundinnen und -kunden gelten Kundinnen und Kunden, die
originär keine professionellen Kunden sind oder im
Optingin-Weg erklärt haben, nicht als professionelle
Kunden gelten zu wollen.
Unabhängigkeit und Retrozessionen
Die Vorgaben zur Bezeichnung als unabhängiges
Finanzinstitut sind im schweizerischen Recht neu
und basieren auf entsprechenden Vorschriften der
MiFID. Art. 9 VE-FIDLEG sah vor, dass eine ausreichende Anzahl auf dem Markt angebotener Finanzprodukte zu berücksichtigen sind (open architecture) und keine Vorteile angenommen werden
Neue Regeln für den Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG und FINIG
dürfen bzw. diese an die Kunden weitergegeben
werden müssen. Während die Möglichkeit der
internen Differenzierung von unabhängig und nicht
unabhängig erbrachten Finanzdienstleistungen
möglich blieb, konnte lediglich ein die Anforderungen von Art. 9 VE-FIDLEG erfüllendes Institut sich
selbst als unabhängig bezeichnen. Im Rahmen des
bundesrätlichen Entwurfs wurde Art. 9 VE-FIDLEG
fallen gelassen. Die Botschaft enthält keine Ausführungen zu den Beweggründen.
Mit der Frage der Unabhängigkeit verbunden ist
die Entgegennahme von Vorteilen durch die Finanzinstitute. Die in den letzten Jahren mehrfach
bekräftigte Auslegung des Auftragsrechts durch das
Bundesgericht im Bereich der Vermögensverwaltung
wird in Art. 28 E-FIDLEG gesetzlich verankert. Die
Entgegennahme von Vorteilen und deren Einbehalten ist für Finanzintermediäre nur zulässig, wenn
die Kunden vorgängig ausdrücklich und im Wissen
um die Art und den Umfang der Vorteile auf deren
Herausgabe verzichtet haben. Ist dies nicht der Fall,
hat der Finanzdienstleiter die Vorteile dem Kunden
weiterzugeben. Die vorgeschlagene Bestimmung bezieht sich ausdrücklich auf alle Finanzdienstleistungen sowie auf alle Leistungen, die dem Finanzdienstleister im Zusammenhang mit der Erbringung einer
Finanzdienstleistung von Dritten zufliessen. Dabei
ist der Begriff der Finanzdienstleistung gemäss Art.
3 lit. d E-FIDLEG breit gefasst und umfasst unter
anderem auch Execution-only-Tätigkeiten.
Während im Bereich der Banken und Effektenhändler die Differenzierung heute nur in einzelnen Fällen
hauptsächlich über die Unabhängigkeit erfolgt,
gilt die Unabhängigkeit für Vermögensverwalter
regelmässig als wesentlicher Wettbewerbsfaktor.
Die Tatsache, dass das ursprünglich in Art. 9 VEFIDLEG vorgesehene Unabhängigkeitserfordernis im
Entwurf des Bundesrats nicht mehr figuriert, dürfte
demnach für viele unabhängige Vermögensverwalter vorteilhaft sein.
Verdichtete Offenlegungs-, Dokumentations- und Ab- bzw. Aufklärungspflichten für Finanzdienstleister
Vermögensverwalter und Anlageberater sollen inskünftig verpflichtet sein, bei Privatkunden eine
Eignungsprüfung (Art. 13 E-FIDLEG) und eine Angemessenheitsprüfung (Art. 12 E-FIDLEG) durchzuführen. Erstere erfordert, dass sich der Finanzdienstleister einen Überblick über die finanziellen
Verhältnisse und Anlageziele des Kunden verschafft,
zweitere, dass er sich über deren Kenntnisse und
Erfahrungen in Bezug auf die angebotenen Finanzinstrumente und Dienstleistungen informiert,
bevor er ihnen geeignete Finanzdienstleistungen
und -instrumente empfiehlt. Für andere Leistungen
als Vermögensverwaltung oder Anlageberatung
genügt eine Angemessenheitsprüfung. Der Finanzdienstleister ist also lediglich verpflichtet, sich vor
der Dienstleistungserbringung über die Kenntnisse
und Erfahrungen seiner Kunden in Bezug auf die
angebotenen Produkte oder Dienstleistungen zu erkundigen und zu prüfen, ob diese für die Kundinnen
und Kunden angemessen sind. Im Falle von professionellen Kunden darf ein Finanzdienstleister gemäss
Art. 15 E-FIDLEG ohne gegenteilige Anhaltspunkte
davon ausgehen, dass diese einerseits genügende
Kenntnisse und Erfahrungen zur Beurteilung einer
Dienstleistung oder eines Produkts haben und
dass für sie andererseits die mit der Dienstleistung
einhergehenden Anlagerisiken finanziell tragbar
sind. Das E-FIDLEG sieht bei institutionellen Kunden
weder eine Angemessenheits- noch eine Eignungsprüfung vor. Zudem besteht gemäss Art. 14 E-FIDLEG eine Ausnahme von der Pflicht zur Angemessenheitsprüfung, wenn die erbrachte Dienstleistung
ausschliesslich im Führen eines Kontos oder Depots
oder in der Ausführung oder Übermittlung von
Kundenaufträgen besteht und die Dienstleistung auf
Veranlassung des Kunden erbracht wird. Allerdings
sind die Kunden auch in diesen Fällen darüber zu
informieren, dass vor der Dienstleistungserbringung
keine Angemessenheits- oder Eignungsprüfung
durchgeführt wurde.
Art. 16 E-FIDLEG bestimmt für Fälle der fehlenden
Eignung oder Angemessenheit einer Finanzdienstleistung oder eines Finanzinstrumentes, dass ein
Finanzdienstleister seine Kunden vor der Durchführung des Geschäfts zu warnen hat. Weiter wird
angeordnet, dass wenn die Informationen, die ein
Finanzdienstleister erhält, nicht für eine Eignungsprüfung ausreichen, keine Anlageberatung oder
Vermögensverwaltung vorgenommen werden darf
und über diesen Umstand zu informieren ist. Ebenso
ist zu warnen, wenn eine Angemessenheitsprüfung
nicht möglich ist und entsprechend nicht beurteilt
werden kann, ob eine Finanzdienstleistung oder ein
Finanzinstrument für den Kunden angemessen ist.
In weiterer Überführung von MiFID-Standards sollen Finanzdienstleister gemäss Art. 17 f. E-FIDLEG
inskünftig die mit den Kunden vereinbarten Leistungen und die über sie erhobenen Informationen sowie
die ausgesprochenen Warnungen und die erbrachten
Leistungen schriftlich dokumentieren müssen. Ebenso sind Vermögensverwalter und Anlageberater inskünftig gehalten, die Bedürfnisse der Kunden sowie
die Gründe für jede Empfehlung, die zum Erwerb
oder zur Veräusserung eines Finanzinstruments
führt, zu dokumentieren und dieses Dokumentarium
den Kunden zu übergeben.
PwC Schweiz
11
Art. 18 E-FIDLEG verlangt, dass Finanzdienstleister
über die erbrachten Dienstleistungen Rechenschaft
ablegen müssen. Dies umfasst insbesondere die
ausgeführten Geschäfte, die Zusammensetzung,
Bewertung und Entwicklung des Portfolios und die
mit den Dienstleistungen verbundenen Kosten.
Art. 20 E-FIDLEG verankert eine Präzisierung der
Pflicht zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen (best execution), wobei Details hierzu
noch vom Bundesrat zu präzisieren sind. Finanzdienstleister haben interne Weisungen betreffend
der Ausführung von Kundenaufträgen zu erlassen
(Art. 20 Abs. 3 E-FIDLEG).
Neue Ausbildungsanforderungen für
Kundenberater
In Art. 6 E-FIDLEG wird neu festgeschrieben, dass in
der Schweiz tätige Kundenberater über hinreichende
Kenntnisse über die Verhaltensregeln nach diesem
Gesetz sowie über das für ihre Tätigkeit notwendige
Fachwissen verfügen müssen. Die Finanzdienstleister bestimmen branchenspezifische Mindeststandards für die Aus- und Weiterbildung der Kundenberater. Art. 30 E-FIDLEG bestimmt weiter, dass
inskünftig in der Schweiz nur als Kundenberater
tätig werden darf, wer in das entsprechende (neu zu
schaffende) Kundenberaterregister eingetragen ist.
Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Eintragung
in das Kundenberaterregister bestimmt Art. 31 EFIDLEG, dass ein Nachweis erforderlich ist, dass eine
Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen oder
gleichwertige finanzielle Sicherheiten geleistet
wurden sowie ein Anschluss an eine Ombudsstelle
gemäss Art. 77 E-FIDLEG erfolgt ist. Soweit die Kundenberater als Mitarbeiter bei einem Finanzdienstleister tätig sind, können die Voraussetzungen durch
diesen erfüllt werden.
Darüber hinaus darf gegen Kundenberater keine
strafrechtliche Verurteilung wegen eines Verstosses
gegen die Art. 92–94 oder wegen strafbarer Handlungen gegen das Vermögen nach den Art. 137–172ter
StGB im Strafregister eingetragen sein und für die
einzutragende Tätigkeit weder ein Tätig-keitsverbot
noch ein Berufsverbot nach FINMAG vorliegen.
Produktspezifische
Dokumentationspflichten
Das E-FIDLEG enthält in seinen Art. 37 ff. neue
Bestimmungen, die bewirken, dass Effekten, also
vereinheitlichte, zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, Wertrechte, Derivate und Bucheffekten, in der Schweiz grundsätzlich nur noch dann
öffentlich angeboten werden dürfen, wenn dafür
ein Prospekt nach den Vorgaben des FIDLEG erstellt
12
und veröffentlicht wird. Dieser Prospekt bedarf der
Überprüfung durch eine unabhängige Prüfstelle.
Gemäss Art. 42 E-FIDLEG muss der Prospekt die für
einen Entscheid der Anleger wesentlichen Angaben
enthalten. Hierzu zählen insbesondere Informationen zum Emittenten und zum Garantiegeber wie
Verwaltungsrat, Geschäftsleitung, Revisionsstelle
und weiteren Organen, die letzte Jahresrechnung
oder, wenn noch keine solche vorliegt, Angaben
zu Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, die
Geschäftslage, wesentliche Perspektiven, Risiken
und Streitigkeiten. Darüber hinaus sind Informationen zu den öffentlich angebotenen oder zum Handel
auf einem Handelsplatz bestimmten Effekten,
namentlich die damit verbundenen Rechte, Pflichten
und Risiken für die Anlegerinnen und Anleger, zur
Verfügung zu stellen, und hinsichtlich des Angebots
müssen die Art der Platzierung und der geschätzte
Nettoerlös der Emission indiziert werden. Diese Angaben müssen in einer Amtssprache oder in Englisch
gemacht werden. Darüber hinaus muss der Prospekt
eine Zusammenfassung der wesentlichen Angaben
in verständlicher Form enthalten.
Gemäss Art. 60 E-FIDLEG ist für Finanzinstrumente,
die sich an Privatinvestoren richten, ein Basisinformationsblatt zu erstellen und den Kunden vor Vertragsschluss kostenlos zu übergeben. Finanzinstrumente
umfassen dabei nicht nur Effekten, sondern unter
Umständen auch Anteile an kollektiven Kapitalanlagen und strukturierte Produkte. Keine Pflicht
zur Erstellung eines Basisinformationsblatts ist für
Aktien vorgesehen.
Durchsetzung von Ansprüchen
Ein wesentliches Element der neuen Vorgaben des
FIDLEG umfasst verschiedene Bestimmungen zur
Durchsetzung allfälliger Ansprüche der Kunden
von Finanzinstituten. Neben mehreren Möglichkeiten, die die Durchsetzung berechtigter Ansprüche
erleichtern sollten, wurden gemäss VE-FIDLEG
ursprünglich auch Varianten für den Rechtsweg zur
Diskussion gestellt. Diese wurden im Rahmen des
bundesrätlichen Entwurfs allerdings grösstenteils
wieder aufgegeben.
Basis für die Rechtsdurchsetzung bildet die Herausgabepflicht der Finanzinstitute hinsichtlich der
Kundendossiers und aller den Kunden betreffenden
Dokumente (Art. 75 ff. E-FIDLEG). Dies ermöglicht –
im Falle von gerechtfertigten Ansprüchen – die
Verbesserung der Beweislage in den verschiedenen
Verfahren. Eine noch im VE-FIDLEG vorgeschlagene
Beweislastumkehr betreffend der Einhaltung der
Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber
den Kunden wurde indessen nach entsprechender
Kritik im Vernehmlassungsverfahren wieder aufgegeben. Eine Beweislastumkehr hätte dazu geführt,
Neue Regeln für den Schweizer Finanzplatz durch FIDLEG und FINIG
dass in einem allfälligen Zivilprozess das Finanzinstitut die Folgen zu tragen gehabt hätte, wenn es nicht
hätte beweisen können, dass es seinen Informationspflichten gegenüber dem Kunden angemessen nachgekommen ist.
Dem ordentlichen Schlichtungsverfahren, wie es im
Zivilrecht vorgesehen ist, wird ein spezifisches Ombudsverfahren für Finanzdienstleistungen zur Seite
gestellt (Art. 77 ff. E-FIDLEG). Der Entwurf verzichtet allerdings darauf, eine Entscheidkompetenz der
Ombudsstelle vorzusehen. Die Ombudsstelle soll
lediglich vermitteln. Finanzinstitute gemäss FIDLEG
haben grundsätzlich eine Pflicht, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen.
Für die rechtskräftige Entscheidung waren im VEFIDLEG ursprünglich zwei Varianten vorgesehen:
ein spezielles Schiedsgericht oder der ordentliche
Zivilgerichtsweg, kombiniert mit einer Prozesskostenfinanzierung. Das Schiedsgericht wäre neben dem
ordentlichen Zivilgericht zur Verfügung gestanden,
wenn auch in diesem Fall ohne die Möglichkeit der
privilegierten, aufsichtsrechtlichen Prozesskostenfinanzierung. Nachdem die erwähnten prozessualen
Optionen in der Vernehmlassung auf Widerstand
gestossen waren, wurden sie schliesslich aufgegeben.
Immerhin wird im Rahmen des E-FIDLEG eine
Kostenregelung in der Zivilprozessordnung (ZPO)
vorgeschlagen, mit der sich das Prozesskostenrisiko
für Privatkunden reduzieren lässt. Konkret sollen
Privatkunden bei zivilrechtlichen Streitigkeiten mit
Finanzdienstleistern gemäss Art. 114a E-ZPO von
der Pflicht zur Leistung von Prozesskostenvorschüssen und Sicherheiten befreit werden. Zudem sollen
Finanzdienstleister auch im Falle ihres Obsiegens
unter gewissen Voraussetzungen ihre eigenen
Prozesskosten selber tragen müssen, womit sich das
Prozesskostenrisiko für die Privatkundinnen und
-kunden reduzieren lässt. Voraussetzung dafür ist
insbesondere, dass der Streitwert CHF 250 000.–
nicht übersteigt und vorgängig ein Verfahren vor
einer Ombudsstelle durchgeführt wird.
Der VE-FIDLEG sah schliesslich zwei dem schweizerischen Finanzmarktaufsichtsrecht neue Elemente
der kollektiven Verfahren vor, d.h. Verbandsklage
und Gruppenvergleichsverfahren. Nachdem diese
Vorschläge in der Vernehmlassung auf Kritik gestossen waren, wurden sie im Rahmen des E-FIDLEG
wieder aufgegeben. Stattdessen soll die Einführung
eines allgemeinen, nicht auf das Umfeld der Finanzdienstleistungen beschränkten Gruppenvergleichsverfahrens im Rahmen der ZPO erwogen werden.
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