White Paper „Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken“ Steering Business in a Digital World Jörg Lehmann Sebastian Sydow April 2015 www.horvath-partners.com White Paper: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken Big Data und Digitalisierung wirken aktuell omnipräsent als Themen in Diskussionen, Veröffentlichungen und Veranstaltungen. Dabei stellt sich immer wieder die Frage nach dem Verständnis und dem konkreten Mehrwert für die Unternehmen und insbesondere auch für die Steuerung. Horváth & Partners skizziert in zehn Thesen die Bedeutung der Digitalisierung für die Steuerung und gibt Denkanstöße für die konkrete Anwendung in der Praxis von Banken. 1.Verständnis Die oft unscharfe, synonyme Verwendung der Begriffe Digitalisierung und Big Data zeigt eine fehlende Trennschärfe im Umgang mit den Themen und den Hang zur Verwendung marketingwirksamer Worthülsen, die gelegentlich auch am Kern der Sache vorbei gehen. So versperrt der anhaltende Hype um das Thema Big Data schon fast den Blick auf das Wesentliche. Denn bei aller Euphorie um die vom technischen Fortschritt ermöglichte deutlich verbesserte Handhabbarkeit großer, komplexer Datenmengen entsteht der Mehrwert für ein Unternehmen erst mit den konkreten Anwendungsfällen in den Geschäftsprozessen. Erst durch die Analyse der Daten, die Unterscheidung zwischen relevanten und irrelevanten Informationen und deren entsprechende Bewertung bezogen auf die Ziele sowie einen einfachen Zugriff auf die Ergebnisse entstehen werthaltige Informationen, die mit den Unternehmensprozessen verknüpft und in der Steuerung verwendet werden können. 2.Status quo Industrie und Handel beschäftigen sich nach unserer Marktbeobachtung schon seit längerem mit den Möglichkeiten, die sich aus der zunehmenden Digitalisierung der Geschäftsabläufe, den damit verfügbaren Daten und deren Analyse ergeben. Einige Unternehmen haben Digitalisierung in ihre strategischen Überlegungen aufgenommen, konkrete Roadmaps entwickelt und mit der Umsetzung begonnen. Analytics Daten Die Ursachen dafür, dass Banken anderen Branchen in der systematischen Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse teilweise hinterherlaufen, sind vielfältig. Neben einer branchentypischen Zurückhaltung, was die Implementierung von innovativen Lösungen angeht, stehen Banken seit einigen Jahren aufgrund des hohen Regulierungsdrucks und fallender Margen unter einem erhöhten Kosten- und Anpassungsdruck. Dies führte dazu, dass in der Priorisierung der Handlungsnotwendigkeiten die Kapazitäten in der Vergangenheit häufig auf die Sicherstellung und Optimierung des bestehenden Geschäftsbetriebs fokussiert wurden und die Entwicklung von zukunftsorientierten Lösungen eher in den Hintergrund getreten ist. Digitalisierung Prozesse/ Use Cases Technologie Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung von Gartner auch nicht verwunderlich, dass das Thema Big Data in 2015 seinen Zenit überschreiten und von Analytics und Mobility als aufkommenden Fokusthemen abgelöst wird. (Quelle: Gartner Group Report) Banken sind im Branchenvergleich hingegen bislang überwiegend nur unzureichend, aber besser als die Versicherungen auf die digitale Transformation vorbereitet. Die strategische Auseinandersetzung mit der sich vollziehenden digitalen Revolution und die sich anschließende notwendige Ableitung einer Digitalisierungsstrategie sind bislang nur in einem sehr begrenzten Ausmaß zu beobachten. Umfassender Ansatz: Kombination aller Komponenten der Digitalisierung bringt den entscheidenden Mehrwert Business Impact Also erst mit der Einbeziehung der sechs Komponenten Technologie, Daten, Prozesse/Use Cases, Analytics, Business Impact und Mobility entsteht mit Blick auf die konkrete Zielsetzung für ein Unternehmen der entscheidende Wertbeitrag. Insofern wirkt es auch eher hinderlich in diesem Kontext, weiterhin allein von Big Data zu sprechen, da aufgrund der reinen Begrifflichkeit zu viel Betonung auf den Daten liegt. Stattdessen ist die Verwendung des Begriffs Digitalisierung passender, da sich hierunter alle Instrumente und Möglichkeiten, die sich aus der Verbindung von Technologie, Daten, Analytics und konkreten Geschäftsprozessen ergeben, zusammenfassen lassen. Mobility Abb. 1: Wesentliche Komponenten der Digitalisierung 2 © Horváth & Partners 2015 White Paper: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken Gleichzeitig ist jedoch zu beobachten, dass vermehrt neue – zumeist technologieorientierte – Wettbewerber in Form von FinTechs in die Geschäftsfelder der etablierten Banken eintreten und diese durch flexible und attraktive Kundenlösungen erheblich unter Druck setzen.1 Banken müssen daher umgehend auf die neuen Wettbewerber reagieren sowie die Herausforderungen und Chancen der sich vollziehenden Digitalisierung systematisch analysieren, um die Geschäftsmodelle entsprechend anzupassen und perspektivisch die Geschäftsprozesse weiter zu digitalisieren. Die möglichen Vorteile der Digitalisierung und die sich daraus ergebenden Anwendungsfälle (Use Cases) für die Geschäftsmodelle einer Bank sind vielfältig. 3.Mögliche Anwendungsbereiche Bei der Suche nach Anwendungsfällen für Banken kann zunächst der Blick in andere Branchen helfen. Dabei gilt der Grundsatz, dass sich Anwendungsbereiche mit hohem Datenaufkommen, komplexen Berechnungen und Zusammenhängen sowie weitreichender technischer Integration besonders für den Einsatz von Digitalisierung eignen. ■■ ■■ ■■ So werden beispielsweise im Vertrieb von Retail und Konsumgütern (z. B. Amazon) Kunden unter Einbeziehung aller intern und extern verfügbaren Daten unternehmensweit nach ihrer Relevanz analysiert und so Handlungsmuster abgeleitet, die für individualisierte Ansprachen zu spezifischen – an Peers orientierten – Bedarfen verwendet werden oder zusammen mit Predictive Analytics helfen, zukünftige Bedarfe treffsicher vorherzusagen. Der Wirkungsgrad von Vertriebsaktivitäten und Marketingmaßnahmen wird dadurch deutlich erhöht. In der Produktion (z. B. Großanlagen) können mittels Sensordaten und Predictive Analytics Reparaturbedarfe vorhergesagt und so Produktionsausfälle durch stillstehende Fertigungsabschnitte vermieden werden. In der Wartung helfen diese Informationen zudem dabei, Wartungsbedarf vorherzusehen und die Ausstattung der Wartungsteams und deren Einsatzplanung entsprechend zu optimieren. In der Unternehmenssteuerung der Automobil- und Fertigungsindustrie führen integrierte Planungsansätze, die Vertrieb, Produktion und Zulieferer einbeziehen, zu deutlich verbesserter Planungs- und Steuerungsqualität 1 siehe auch Studie von Horváth & Partners: FinTechs – Angriffe auf die Geschäftsmodelle von Banken, Juli 2014 sowie zu effizienteren Abläufen (u. a. Reduzierung der Lagerhaltung, Optimierung Zusammenspiel mit Zulieferern) und deutlich schnelleren und treffsichereren Entscheidungen. Übertragen wir diese Erfahrungen auf die Bankenwirtschaft, ergeben sich konkrete Anwendungsbereiche, die hinsichtlich Digitalisierung eingehender betrachtet werden sollten: ■■ Vertriebs- und Produktsteuerung ■■ Produktionssteuerung ■■ Planung/Forecasting und Reporting Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken werden im Folgenden anhand von zehn griffigen Thesen beleuchtet. 4.Zehn Thesen zur Steuerung von Banken in einer digitalisierten Welt These 1: Integrierte Multikanalstrategie dient als zentraler Stellhebel für zukünftigen Erfolg Die fortschreitende Digitalisierung sowie die damit einhergehenden Veränderungen im Verhalten der Kunden stellen Banken vor neue Herausforderungen. Der Erfolg im Vertrieb von Finanzdienstleistungen kann nur durch eine kundenzentrierte und integrierte Multikanalstrategie sichergestellt werden. Im Gegensatz zu den heutigen voneinander weitgehend unabhängigen „Silostrategien“ für die einzelnen Vertriebskanäle positioniert eine kundenzentrierte Multikanalstrategie die verschiedenen Vertriebskanäle gleichberechtigt zueinander und stellt Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtung („customer centricity“). Nur durch eine integrierte Multikanalstrategie kann sichergestellt werden, dass alle Vertriebskanäle situationsgerecht, kombinierbar und wertschöpfend – sowohl für Kunden als auch die Bank – eingesetzt sowie kundenindividuelle Kanalpräferenzen berücksichtigt werden. Ebenso lassen sich dadurch mögliche „Kannibalisierungseffekte“ zwischen den verschiedenen Vertriebskanälen begrenzen. These 2: Kundenorientierte Steuerung mit hoher Kostenund Ertragstransparenz wird zunehmend notwendig Die traditionellen „siloartig“ entwickelten Vertriebskanäle sind bislang zumeist auf die Anforderungen des jeweiligen Vertriebsbereichs ausgerichtet. Die Vertriebssteuerung hat infolge- 3 © Horváth & Partners 2015 White Paper: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken dessen überwiegend den einzelnen Kundenberater und weniger den jeweiligen Kunden in den Mittelpunkt der Steuerung gestellt. Derartige Steuerungsmechanismen müssen zukünftig aufgebrochen und die internen Strukturen an das sich verändernde Kundenverhalten angepasst werden. Für den Gesamterfolg der Bank muss die Vertriebssteuerung zukünftig so ausgerichtet werden, dass es für den Kundenberater grundsätzlich unerheblich ist, über welche Vertriebskanäle „seine“ Kunden ihre Finanzdienstleistungen beziehen. Der Kundenberater der Zukunft trägt vielmehr die Gesamtverantwortung für die ihm zugeordneten Kunden und bedient dabei alle Vertriebskanäle in gleichem Maße. Die Vertriebssteuerung der Zukunft muss entsprechende Steuerungsmechanismen bzw. -anreize entwickeln, die kundenzentrierte Kennzahlen in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellen. Notwendige Voraussetzung hierfür ist eine ausreichende Transparenz über Kosten und Erträge in den einzelnen Vertriebskanälen. Insbesondere indirekte Vertriebskosten gilt es in diesem Zusammenhang eindeutig und transparent den einzelnen Kanälen zuzuordnen. These 3: Anschlussfähige Prozessarchitekturen entlang der „customer journey“ gestalten Viele Kunden sind bereits heute „hybrid“ und wollen über den gesamten Vertriebsprozess von der Informationsbeschaffung über die Beratung bis hin zum Vertragsabschluss den für sie optimalen und situativ passenden Vertriebs- und Kommunikationskanal nutzen. Neben dem klassischen Filialbesuch erwarten Kunden zunehmend online- und webbasierte Services. Kunden haben keine starren Kanalpräferenzen mehr. Daraus resultiert eine immer stärkere, situationsbezogene Nutzung und Kombination der unterschiedlichen Vertriebs- bzw. Kommunikationskanäle während eines einzigen Geschäftsvorfalls. Hieraus ergeben sich steigende Anforderungen an die Prozessarchitekturen in den einzelnen Vertriebskanälen von Banken. Etablierte Prozesse müssen mit dem Ziel einer ganzheitlichen und integrierten Lösung weiter optimiert und aufeinander abgestimmt werden. Ebenso müssen weitergehende Potenziale für die Automatisierung von Prozessen gehoben werden. Nur ein aus Kundensicht nahtloser Übergang zwischen den einzelnen Vertriebs- und Kommunikationskanälen – sowohl online als auch offline – erfüllt die veränderten Kundenerwartungen, erhöht die Kundenzufriedenheit und stärkt nachhaltig die Kundenbindung. These 4: „Smart Data“ bietet Mehrwert für Kunden und Banken „Smart Data“ befasst sich mit der Frage, wie Banken vorhandene Informationen über Kunden und deren Verhalten zum beiderseitigen Nutzen einsetzen können. Im Vordergrund steht dabei weniger, welche Informationen ausgewertet, sondern vielmehr, wie diese für eine möglichst effektive Kundenansprache eingesetzt werden können. Die Bereitstellung aller kundenund vertragsrelevanten Informationen – die „360-Grad-Sicht“ auf den Kunden – bildet dabei die Grundlage. Des Weiteren geht es aber auch um die Frage, wie die vorhandenen Kundendaten um Informationen über das Kundenverhalten sowie um weitere externe Informationen angereichert werden können – beispielsweise durch die Nutzung neuer technologischer Möglichkeiten an der Schnittstelle zu sozialen Netzwerken (z. B. Facebook oder XING) bzw. zu „wissensbasierten“ Geschäftsmodellen (z. B. Google oder Amazon). Auf Basis dieser Informationen kann mittels moderner Methoden zur Analyse unstrukturierter Daten (z. B. Text oder Web Mining) oder mittels statistischer Vorhersagealgorithmen (Predictive Analytics) umfangreiches Wissen über (potenzielle) Kunden generiert und intelligente Kundenprofile erstellt werden, die es Banken ermöglichen, Kunden personalisiert anzusprechen und ihnen maßgeschneiderte individualisierte Angebote zu unterbreiten. Die kosteneffiziente Generierung und intelligente Nutzung von personenbezogenen Kundeninformationen wird zukünftig erfolgskritisch für Banken sein. Bereits heute versuchen internetbasierte Finanzdienstleister, das Onlinenutzungsverhalten ihrer Kunden zu antizipieren und diesen proaktiv individualisierte Lösungen zu unterbreiten. So kann „Smart Data“ einen echten Mehrwert für Kunden und Banken schaffen. These 5: Effektivere Produktionssteuerung und digitale Serviceangebote steigern die Leistung der Operations Die Steuerung der Operations von Banken bekommt eine neue Qualität: Datenbasierte verbesserte Forecasts der Produktionsplanung steigern die Effektivität der Kapazitätssteuerung. Vollständig integrierte Workflow-Systeme bieten künftig in Verbindung mit operationalen Dashboards volle Transparenz hinsichtlich aktueller Produktionszahlen und Bearbeitungsstände sowie aktuell erforderlicher Kapazitäts- und Skillbedarfe. Regelbasierte Systeme bieten Entscheidungshilfen bei ungeplanten Produktionssituationen. 4 © Horváth & Partners 2015 White Paper: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken Service Center entwickeln sich mit steigender Digitalisierung zunehmend zum Informationsmanager und -provider. Die zunehmende Vielfalt und Menge digitaler „Touch Points“ zum Kunden sind integriert zu steuern. Die durchgängige Orchestrierung kundenbezogener multipler Zugangswege erfordert ein prozessbezogenes Multikanalmanagement. Durch die kundenseitig steigende Akzeptanz handhabbarer Self-Service-Angebote eröffnen sich neue Formen kostengünstiger Mehrwertleistungen. Aufbau und Betreuung der digitalen Kundenschnittstellen werden neue, branchenübergreifende Kooperationen mit hervorbringen. These 6: IT muss künftig noch flexibler sein und BusinessAnforderungen schnell und kostengünstig umsetzen Die Digitalisierung erfordert flexible IT-Systeme und flexible IT-Strukturen, die im Laufe von Monaten – nicht wie bisher von Jahren – umfassend auf externe Anforderungen reagieren können. Aktuell können die Geschäftsbereiche fast nicht mehr ohne die IT-Abteilungen als Business Partner agieren. Durch die zunehmende Digitalisierung werden die Anforderungen an die IT-Abteilungen noch weiter zunehmen. So können moderne Anforderungen, wie beispielsweise Predictive Analytics zur Steigerung der Vertriebseffektivität oder Optimierung der Produktionskette, nicht umgesetzt werden. Die IT-Abteilung muss daher künftig stärker die Rolle „IT als Enabler“ einnehmen, um die umfassenden anstehenden Veränderungen mitgestalten zu können, anstatt nur auf diese zu reagieren. Die Bankwelt steht seit vielen Jahren durch veränderte regulatorische Rahmenbedingungen und die Einführung neuer Anforderungen (beispielsweise BCBS 239) zunehmend unter Anpassungsdruck, der auch erhebliche Implikationen auf die bestehenden IT-Systeme und deren Schnittstellen nach sich zieht. Dadurch haben die IT-Abteilungen häufig eine stärkere reaktivere Struktur entwickelt, die den Wandel „verwaltet“, und im Sinne eines sich immer schneller verändernden Marktes kontraproduktiv ist. Diese Strukturen müssen durch flexiblere (Anforderungs- und Portfolio-)Prozesse, effizientere Organisationsstrukturen, flexiblere IT-Architekturen, offene Schnittstellen zu Drittsystemen und auch Personalentwicklungsmaßnahmen durchbrochen werden. Nur so kann eine Lean IT etabliert werden, die als starker Business Partner für die Geschäftsbereiche der Bank fungiert und diese auf Basis von Marktentwicklungen unterstützt. These 7: CIO- und COO-Organisationen werden zukünftig zusammenwachsen COO und CIO haben heute beide isoliert jeweils die Anforderung, die Produktion flexibler und kostengünstiger auszurichten. IT-Effizienzvorteile aus Technologie, z. B. durch Cloud/Virtualisierung und Outsourcing sind in modernen Unternehmen heute bereits weitestgehend gehoben. Prozessuale Effizienzvorteile in der Bankproduktion sind als Best Practice ebenfalls seit mehreren Jahren über Themen wie Lean Management und Lean Production eingebunden. Die Hebung weiterer substanzieller Effizienzen kann somit nur noch aus der übergreifenden Optimierung von Prozessen und IT erfolgen. Dies können die Einführung von z. B. übergreifenden Workflowsystemen sein, die Back-end-Systeme möglichst effizient verzahnen und mit denen schnell auf Veränderungen, bspw. durch Smart Analytics, reagiert werden kann. These 8: Für den CFO ist nicht Big Data, sondern „Faster Better Data“ entscheidend Die neuen technologischen Plattformen von Anbietern wie SAP, Oracle, IBM, SAS etc. ermöglichen die beschleunigte Auswertung, die analytische Verknüpfung von verschiedenen Datensätzen und die Analyse in einer ganz neuen Detailtiefe. Mehr und schnellere Daten bedeuten jedoch nicht automatisch bessere Entscheidungen, denn heterogene und unstrukturierte Vorsysteme stellen bislang eine große Herausforderung in der Analyse und Auswertung von Daten dar. Das Problem der mangelnden Datenqualität und deren fehlende Abstimmbarkeit wird durch die neuen Technologien nicht gelöst, sondern muss ergänzend dazu sichergestellt werden. Auf Basis der neuen Technologien wird jedoch eine Integration über die Sichten Finance, Risk und Treasury möglich, da eine bessere Verarbeitung und Verknüpfung der Daten realisierbar wird. Um den Vorteil der schnelleren Verarbeitung von größeren Datenmengen im Sinne einer optimalen Entscheidungsfindung zukünftig maximal nutzen zu können, ist neben dem Einsatz entsprechender moderner IT-Systeme insbesondere auch auf Maßnahmen zur Datenqualitätsverbesserung abzustellen. Denn mehr und schnellere Daten sollen schlussendlich auch zu besseren und zeitnahen Entscheidungen führen. 5 © Horváth & Partners 2015 White Paper: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken These 9: Entscheidungsprozesse erfolgen zunehmend regelbasiert und ersetzen Kompetenzen des heutigen „Middle Management“ Die umfassende Datenerhebung und -analyse schafft neue Voraussetzungen für die Etablierung computergestützter und regelgebundener Entscheidungsprozesse. Während heutzutage die Bewertung und Interpretation der generierten Daten durch Menschen erfolgt und in der Hierarchie nach menschlichem Ermessen („Bauchgefühl“) nach oben verdichtet wird, geben zukünftig computergestützte Prognoseszenarien den strategischen Entscheidungsrahmen vor. Der Entscheidungsprozess wird hierdurch erheblich beschleunigt und die Einbindung des „Middle Management“ wird signifikant reduziert. ProduktAbsatzprognosen erfolgen dann nicht durch langwierige „Bottom-up“-Befragungen der lokalen Vertriebseinheiten, sondern werden Realtime auf Basis von Bestelleingängen unter Berücksichtigung relevanter makroökonomischen Daten berechnet. Die Beschleunigung der Entscheidungsprozesse eröffnet neue Vertriebschancen und wirkt unmittelbar auf den Produktentwicklungsprozess. These 10: „Code of Conduct für Digital Ethics“: Die Bank ist gefordert, sich selbst Grenzen zu setzen Verbesserung der Risikoeinschätzung und des Pricings Steigerung der Abschlusswahrscheinlichkeit Effizienzsteigerung Imageschädigung und Kundenabwanderung Privatsphäre und Autonomie des Kunden Risiko Datenmissbrauch Abb. 2: Machbarkeit vs. Digital Ethics Im Zeitalter der Digitalisierung wird Vieles möglich. Informationen entstehen an vielen Stellen – in der direkten Beziehung mit dem Kunden, aber auch durch dessen Aktivitäten in sozialen Netzwerken, seinem Kaufverhalten oder schon durch das Surfverhalten im Internet. Das wirft eine Reihe von Fragen auf: Wem gehören die Daten? Wer darf sie nutzen? Welche rechtlichen oder ethischen Grenzen der Nutzung bestehen? Entscheidend dafür, was für Informationen genutzt werden, ist letztendlich „nur“ noch die Einstellung des Menschen bzw. die Bank, nicht mehr die Verfügbarkeit der Informationen oder die technische Machbarkeit der Sammlung und Auswertung. Daher bedarf es neuer Regeln im Unternehmen, wie mit Informationen umgegangen werden soll, was und wieviel man sammelt und auswertet. Diese sind in einem „Code of Conduct für Digital Ethics“ festzulegen. Dabei spielen die Wertevorstellungen der Bank und der Gesellschaft eine wichtige Rolle. 5.Konkrete Anwendungsfälle und Nutzenpotenzial Neue Technologien und moderne Analysemethoden ermöglichen eine schnellere und präzisere Analyse Eine Herausforderung für Banken besteht in der fachlichen Anforderung, innerhalb kürzester Zeit Standard-Reports und Ad-hoc-Ergebnisse verfügbar zu haben. Zugleich wollen und müssen Banken immer mehr Daten analysieren, um in den Prognosen deutlich präziser an die tatsächlichen Marktbedingungen heranzukommen. Die Lösungsansätze basieren in einem ersten Schritt auf einer leistungsfähigen Datenverarbeitung. So ist es heute möglich, nach der Einführung einer In-Memory-Technologie und in höchster Parallelität komplexe Berechnungen vorzunehmen, z. B. in Stresstests die Dauer zur Erstellung von Reports von 20 Stunden auf nur noch wenige Minuten zu reduzieren. Der Nutzen für die Banken besteht darin, dass sie sehr viel schneller auf Marktentwicklungen reagieren können. Beispielsweise ist es dann der Bank möglich, potenzielle Auswirkungen auf Risikopositionen rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen frühzeitig einzuleiten. Um diese Effekte vollumfänglich heben zu können, sind die Prozesse signifikant anzupassen. Schwerpunkte bilden das Datenmanagement im Vorfeld und die Fähigkeit der Fachabteilungen, zeitadäquat Maßnahmen auf der Grundlage dieser Echtzeitergebnisse einzuleiten. Digitalisierung ermöglicht eine medienbruchfreie E2E-Bearbeitung von heterogenen Kundenaufträgen über eine zentrale Digitalplattform In einer modernen Bankfabrik werden alle Kundenaufträge digitalisiert, indiziert und über die relevanten Eingangskanäle (Brief, E-Mail, Fax, Onlinebanking) auf einer zentralen Digitalplattform gebündelt. Eine besondere Herausforderung besteht hierbei in der Abwicklung von Kundenaufträgen mit 6 © Horváth & Partners 2015 White Paper: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung von Banken unterschiedlichster Komplexität und fachlicher Bandbreite (z. B. eine Adressänderung und Baufinanzierungsauszahlung). Da diese Vorgänge in der Bearbeitungstiefe erhebliche Unterschiede aufweisen, führt das in der Bearbeitung auf einem virtuellen „Fließband“ zu zusätzlichen Anforderungen. Bei Geschäftsvorfällen mit hohen Volumina nutzt man eine weitgehende Prozessautomation, komplexere Aufträge werden überwiegend manuell bearbeitet. Während der Prozessbearbeitung steht eine Vielzahl von Hilfswerkzeugen unabhängig vom Einzelprozess zur Verfügung (z. B. eAkte, einheitliches OutputManagement, Rückfrageprozesse, Prioritätensteuerung). Sind Nacharbeiten erforderlich, wird der Prozess an der betroffenen Stelle angehalten und unmittelbar fortgesetzt, sobald die erforderlichen Informationen oder Dokumente nachgereicht sind. In der Konsequenz kann eine medienbruchfreie E2E-Prozesskette sichergestellt werden. Der Nutzen einer Digitalplattform sind die ortsungebundene Arbeitslastverteilung (Workload Balancing), die Vermeidung von Prozesshemmnissen und eine Realtime-Transparenz hinsichtlich der eingesetzten Arbeitskapazitäten, Team-Auslastungen sowie der Einhaltung der vereinbarten Service Level Agreements. Die erzielbaren Effizienzsteigerungspotenziale durch die Einführung einer Digitalplattform liegen bei ca. 15 -20 Prozent. 6.Faktoren für die erfolgreiche Digitalisierung ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ Steuerung: Die Steuerungssysteme müssen agiler werden, um mit der rasanten Entwicklung und der Beweglichkeit der Märkte und Kunden Schritt zu halten. 7.Fazit ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ Digitalisierung an sich bringt noch keinen Nutzen. Erst durch innovative Ideen und konkrete Anwendungsfälle für die neuen Technologien entsteht der eigentliche Mehrwert. Die Menschen müssen die Ideen dafür generieren, was mit Digitalisierung erreicht werden kann und worin der Mehrwert für das Unternehmen besteht. Banken sollten ihre eigene Strategie für die Digitalisierung entwickeln. Nicht alle vorhandenen Ansätze lassen sich übertragen, die (technische) Ausgangslage ist unterschiedlich und die Herausforderungen sowie der Nutzen, sind individuell. Entscheidend für den Erfolg von Digitalisierung im Unternehmen sind vor allem die Rahmenbedingungen. Die Einstellung im Unternehmen muss an die neuen Möglichkeiten angepasst, Verständnis geschaffen und Fertigkeiten aufgebaut werden. Die Steuerung von Banken muss sich an die Möglichkeiten und Geschwindigkeiten einer digitalisierten Welt anpassen und deutlich agiler werden. Der Umgang mit den neuen Möglichkeiten bedarf einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld Machbarkeit vs. Ethik. Ein entsprechender „Code of Conduct“ empfiehlt sich. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Gerne stehen wir Ihnen für einen Gedankenaustausch zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Steuerung Ihres Unternehmens zur Verfügung. Prozesse: Die Entscheidungsprozesse müssen angepasst werden, um die neuen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Daten: Die Datenqualität ist eine wesentliche Voraussetzung für die Aussagekraft von Informationen. Datenharmonisierung in den (ERP-)Systemen in Verbindung mit einer starken Governance sind die Basis dafür. Technologie/Fertigkeiten: Neue Technologien und neues Know-how, insbesondere im Bereich Analytics, müssen aufgebaut oder extern zugekauft werden. Kultur: Die Änderung des Mind Set/der Einstellung im Unternehmen/im Controlling, bei den Anwendern und auch im Management ist erfolgskritisch. 7 © Horváth & Partners 2015 Impressum/Kontakt Herausgeber Horváth & Partner GmbH Phoenixbau | Königstraße 5 70173 Stuttgart Tel.: +49 711 66919-0 [email protected] Horváth & Partners – Management Consultants Horváth & Partners ist eine international tätige, unabhängige Managementberatung mit Sitz in Stuttgart. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 600 hochqualifizierte Mitarbeiter an Standorten in Deutschland, Österreich, Rumänien, der Schweiz, Ungarn, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Mitgliedschaft in der internationalen Beratungsallianz „Cordence Worldwide“ unterstützt die Fähigkeit, Beratungsprojekte in wichtigen Wirtschaftsregionen mit höchster fachlicher Expertise und genauer Kenntnis der lokalen Gegebenheiten durchzuführen. Jörg Lehmann Competence Center Financial Industries [email protected] Sebastian Sydow Competence Center Financial Industries [email protected] Die Kernkompetenzen von Horváth & Partners sind Unternehmenssteuerung und Performanceoptimierung – für das Gesamtunternehmen wie für die Geschäfts- und Funktionsbereiche Strategie, Organisation, Vertrieb, Operations, Controlling, Finanzen und IT. Horváth & Partners steht für Projektergebnisse, die nachhaltigen Nutzen schaffen. Deshalb begleitet Horváth & Partners seine Kunden von der betriebswirtschaftlichen Konzeption bis zur Verankerung in Prozessen und Systemen.
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