Multikanalvertrieb in Zeiten der Digitalisierung

White Paper
„Multikanalvertrieb in Zeiten
der Digitalisierung“
Fünf zentrale Stellhebel für den Bankvertrieb der Zukunft
Dr. Marcus Niebudek
Daniel Bruch
2015
www.horvath-partners.com
White Paper: Multikanalvertrieb in Zeiten der Digitalisierung
1. Management Summary
Der Vertrieb von Finanzdienstleistungen erfährt wie nahezu keine andere Branche einen massiven Wandel, der nicht
nur von steigenden regulatorischen Anforderungen, sondern
insbesondere von veränderten Kundenerwartungen getragen
wird. Die Gründe für die Veränderungen im Informations- und
Abschlussverhalten der Kunden liegen dabei größtenteils in
den innovativen und kundenfreundlichen digitalen Angeboten
anderer Branchen, die die Messlatte immer höher legen und
bei Kunden neue Erwartungen wecken.
Diese Entwicklung erfordert eine merkliche Anpassung
bestehender Vertriebsstrukturen im direkten Kontakt zwischen Banken und ihren Kunden. Ein zielgerichtetes Multikanalmanagement und eine dazugehörige Cross-Media-Strategie
werden zunehmend erfolgskritisch, um die Erwartungen von
Kunden erfüllen und bestehende Kundenbeziehungen halten
oder langfristig festigen zu können. Zusätzlich erhöhen eine
umfassende Bereitstellung von Informationen und ein einfacher Zugang zu Produkten und Dienstleistungen die Chancen,
Neukunden zu gewinnen.
Eine systematische Anpassung an die veränderten Kundenerwartungen erfordert jedoch mehr als eine Bereitstellung
von Produkten und Dienstleistungen über unterschiedliche Zugangs- und Vertriebskanäle: Eine umfassende Multikanalstrategie verändert sowohl das Prozess- und Produktmanagement als
auch die Grundphilosophie von Kundenbetreuung und -service.
Das Denken und Handeln in den bisherigen „Silos“ einzelner
Vertriebskanäle der Banken muss aufgebrochen und ein übergreifendes, kundenzentriertes Handeln ermöglicht werden, um
die immer weiter steigenden Erwartungen der Kunden erfüllen
zu können.
Um diesen Veränderungsprozess systematisch anzugehen,
haben wir, basierend auf den Erfahrungen aus zahlreichen Projekten und dem direkten Kontakt mit Entscheidern aus dem
Vertrieb in Banken die im Folgenden dargestellten zentralen
Stellhebel als wesentliche Erfolgsfaktoren zusammengetragen.
Aus Sicht von Horváth & Partners strukturieren diese die aktuellen Herausforderungen im Vertrieb von Banken und führen
mögliche Herangehensweisen zur Umsetzung eines integrierten Multikanalvertriebs auf.
© Horváth & Partners 2015
2. Wie Kundenverhalten und Digitalisierung
den Bankvertrieb verändern
Die Kanäle für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen
und die Kommunikation mit Bankkunden werden sich gemäß
aktueller Markttrends und der Einschätzung von Branchenexperten innerhalb der nächsten fünf Jahre massiv verändern.
Bereits heute ist festzustellen, dass Kunden und Unternehmen
ihren digitalen Reifegrad stetig erhöhen. Erkennbar wird dies
unter anderem daran, dass in den letzten fünf Jahren sowohl
die Akzeptanz als auch die Anwendungsmöglichkeiten digitaler Technologien deutlich gestiegen sind. So hat sich beispielsweise die Anzahl von Smartphone-Nutzern in Deutschland auf
über 40 Millionen vervielfacht. Durch eine breite Akzeptanz
von Social Media und die hohe Internetaffinität der „Generation Y“ sind zudem Begriffe wie Omni-Channel, Big Data, WebIndustrialisierung, Cloud Computing und Social Customers immer populärer geworden.
Diese Veränderungen haben auch die Bankenbranche erreicht. Mag in den vergangenen Jahren in einzelnen Banken
noch die Meinung vorherrschend gewesen, man könne sich
dem Internet entziehen und Kunden vornehmlich über die „traditionellen“ Wege erreichen, so zeigt eine aktuelle Horváth &
Partners-Studie unter hochrangigen Entscheidern in Banken,
dass auch im Vertrieb von Finanzdienstleistungen von einer
nachhaltigen und massiven Veränderung des Kundenverhaltens auszugehen ist.
Viele Kunden sind durch innovative digitale „Customer
Journeys“ anderer Branchen verwöhnt und wollen künftig rund
um die Uhr Bankgeschäfte tätigen und selbst entscheiden können, wann und auf welchem Weg sie mit ihrer Bank in Kontakt
treten. Sie möchten nahtlos zwischen Online- und Offlinekanälen wechseln können. Alternative Kommunikationskanäle zum
persönlichen Besuch in der Filiale, wie beispielsweise Chat oder
Videoberatung, werden vor diesem Hintergrund deutlichen Zulauf erfahren. Schon heute informieren sich viele (potenzielle)
Kunden online über Bankprodukte und -dienstleistungen – dies
wird in Zukunft zu einer Selbstverständlichkeit werden.
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White Paper: Multikanalvertrieb in Zeiten der Digitalisierung
Zur Erreichung des Zukunftsbildes sind umfangreiche, kundenorientierte Anpassungen im Vertrieb von
Finanzdienstleistungen erforderlich
Status quo
Zukunftsbild
Pro Vertriebskanal gibt es jeweils einzelne, voneinander
unabhängige Strategien.
Es gibt eine integrierte Multikanalstrategie, die das Zusammenspiel einzelner Vertriebskanäle fördert und einer Kannibalisierung sowie Konflikten vorbeugt.
Die Vertriebssteuerung für Vertriebserfolge und Betreuungsleistungen ist kanalabhängig.
Unabhängig davon, wo und wie der Kunde einen Produktabschluss tätigt oder betreut wird, erfolgt die Zurechnung zu
dem jeweiligen Kundenberater.
Indirekte Vertriebskosten werden nicht auf die einzelnen Vertriebskanäle aufgeteilt.
Kosten und Erträge sind verursachungs- und nutzungsgerecht den einzelnen Vertriebskanälen zugeordnet: Eine Transparenz über den Wertbeitrag jedes einzelnen Vertriebskanals
ist vorhanden.
Produkte sind je nach Vertriebskanal inhaltlich unterschiedlich gestaltet.
Produkte werden so entwickelt, dass sie kanalunabhängig
vertrieben werden können: Produkte bestehen aus einer einheitlichen Basis-leistung sowie ggf. kanalspezifischen Zusatzleistungen.
Identische Produkte werden vertriebskanalabhängig unterschiedlich bepreist.
Preise für identische Produkte gelten unabhängig vom Vertriebskanal. Beratungs- und Serviceleistungen werden in modularen Produkten separat abgebildet.
Die Vertriebsprozesse der einzelnen Kanäle sind nicht aufeinander abgestimmt und lassen keinen Wechsel zwischen
Online- und Offlinekanälen zu („Research Online, Purchase
Offline“).
Die Vertriebsprozesse ermöglichen dem Kunden einen nahtlosen Wechsel zwischen den Online-und Offlinekanälen.
24/7-Informationsbereitstellung, Beratung und Abschluss aller Produkte ist online nicht gegeben („End-to-End-Prozesse“).
Der Kunde kann überall und zu jeder Zeit Versicherungs- und
Bankgeschäfte tätigen.
Der Onlineproduktabschluss ist zu kompliziert, aufwendig
und emotionslos – hohe Abbruchraten unterstreichen dies.
Der Onlineproduktabschluss ist einfach und in wenigen
Schritten möglich. Intelligente Algorithmen verkürzen unnötige Frageprozesse, der Mehrwert wird stärker visualisiert
und weckt Emotionen.
Neue technische Möglichkeiten (z.B. Big Data, Smart Analytics) für die Nutzung von Kundendaten im Vertrieb werden
nur unzureichend verwendet.
Kundendaten sind strukturiert und mit für den Vertriebsprozess relevanten Daten angereichert: Dies unterstützt die fokussierte und zielgerichtete Kunden- und Marktbearbeitung.
Der Kundenberater betreut seine Bestands- und Neukunden
nur in einem Vertriebskanal in den jeweils dort abgeschlossenen Produkten.
Der Kundenberater hat kanalübergreifend die Gesamtverantwortung für die ihm zugeordneten Kunden.
Abb. 1: Einschätzungen von Horváth & Partners zum Status quo und Zukunftsbild des Multikanalvertriebs
2.1 Status quo
Veränderte Kundenanforderungen und die fortschreitende
Digitalisierung stellen die maßgeblichen Einflussfaktoren für
Veränderungen im Vertrieb der Banken dar. Es ist offensichtlich, dass diese Veränderungen Potenziale bieten, aber andererseits auch große Veränderungsprozesse erfordern. Viele Entscheider aus dem Vertrieb in Banken sind sich einig: Derzeit
existieren noch viele offene Fragen bei der Gestaltung eines
kundenzentrierten Multikanalvertriebs.
Aus der Sicht der Banken bleiben derzeit viele Möglichkeiten zur bedarfsorientierten Nutzung von kundenbezogenen
© Horváth & Partners 2015
Daten, wie beispielsweise kundenindividuelle Anforderungen
oder vergangene Produktnutzung, unberücksichtigt. Dies hat
zur Folge, dass Vertriebspotenziale ungenutzt bleiben. Weiterhin ist die Betreuungszuständigkeit und Erfolgsmessung über
einzelne Kanäle hinweg für die Vertriebsmitarbeiter intransparent. Häufig ist nicht gewährleistet, dass ein Berater die
Gesamtverantwortung für eine Kundenbeziehung trägt und
die ihm zugeordneten Bestands- und Neukunden vertriebskanalübergreifend betreut. Ferner stellen Lücken in der Zurechnung von Erträgen bzw. Kosten Kundenberater und Entscheider vor Herausforderungen.
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Die angeführten Probleme in der Aufstellung der einzelnen
Vertriebskanäle werden auch für die Kunden sichtbar. Aus Kundensicht ist die fehlende Abstimmung zwischen den einzelnen
Vertriebskanälen problematisch, die sich in unterschiedlicher
Produktgestaltung und in teilweise sich widersprechenden
Preisstrukturen äußert. Nicht abgestimmte Vertriebsprozesse
und die meist nicht vorhandene Möglichkeit zu einem flexiblen Wechsel zwischen Online- und Offlinekanälen, führen aus
Kundensicht zudem zu komplizierten, aufwändigen und wenig
emotionalen Such- und Abschlussprozessen. Der von Kunden
geforderte jederzeitige Zugang zu Informationen und Services
ist häufig ebenfalls noch nicht gegeben.
2.2 Zukunftsbild
Entscheider aus dem Vertrieb in Banken sind sich der Veränderungen des Kundenverhaltens und der fortschreitenden
Digitalisierung durchaus bewusst und antizipieren diese bereits im Rahmen fortlaufender Strategie-, Organisations- und
Prozessanpassungen. Allerdings ist davon auszugehen, dass
es sich hierbei – je nach Größe der jeweiligen Bank – um ein
langwieriges und investitionsintensives Verfahren handelt. Die
Umsetzung der notwendigen Anpassungen erfordert von den
Banken neben dem Aufbau entsprechender technologischer
Kompetenzen auch die Ausbildung korrespondierender Fähigkeiten bei den betroffenen Vertriebsmitarbeitern.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf der Gestaltung
der On- und Offlinekanäle und deren Zusammenspiel liegen.
Schließlich ist zu erwarten, dass der Trend zu einer geringeren
Bedeutung der physischen Interaktion auch den Vertrieb von
Finanzdienstleistungen mit einschließen wird. Die Folge wird
eine weitere Reduzierung des Filialnetzes sein, die nach unserer Meinung in den kommenden fünf Jahren in der Größenordnung von 20 Prozent oder mehr liegen wird. Ziel der Banken
muss es daher sein, neue Möglichkeiten zur Interaktion mit
dem Kunden und zur Beibehaltung einer ergebnisorientierten
Kontaktfrequenz zu erschließen. Zu erwarten ist daher ein Anstieg von „reinen“ Onlinefilialen, die keine physische Interaktionsmöglichkeit mehr anbieten. Die Herausforderung hierbei
wird sein, das Kundenerlebnis online nicht wesentlich von der
Qualität des bisher erlebten physischen Kontakts in der Filiale
abweichen zu lassen.
Im Zukunftsbild des kundenzentrierten Multikanalvertriebs
stehen alle Vertriebskanäle gleichberechtigt nebeneinander,
wobei Kunden in jeder Phase des Vertriebsprozesses selbstständig entscheiden, welchen Vertriebskanal sie für ihr jeweiliges
Anliegen nutzen wollen. Dies umfasst auch die jeweils situative Entscheidung, neben oder in Ergänzung zu dem bereits bekannten persönlichen Ansprechpartner, flexibel und sich über
die angebotenen Zugangs- und Vertriebskanäle hinweg Finanzdienstleistungen zu informieren bzw. diese abzuschließen.
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3. Fünf zentrale Stellhebel für einen
erfolgreichen Multikanalvertrieb
Die fortschreitende Digitalisierung und die damit einhergehenden vielfältigen und tiefgreifenden Veränderungen der
Kundenanforderungen sind keine vorrübergehenden Erscheinungen, sondern werden den Vertrieb nachhaltig verändern.
Die aufgezeigten Herausforderungen müssen systematisch
analysiert und mit einem konsequenten Kundenfokus bearbeitet und umgesetzt werden. Für Banken ist es dabei unumgänglich, sich mit den Facetten und Stellhebeln eines kundenzentrierten Multikanalvertriebs intensiv auseinanderzusetzen. Nur
so können die strategischen und operativen Voraussetzungen
geschaffen werden, um zukünftigen Herausforderungen adäquat zu begegnen und idealerweise dem Wettbewerb einen
Schritt voraus zu sein.
1. Stellhebel: Integrierte Multikanalstrategie
Ein zentraler Stellhebel für den zukünftigen Erfolg im Vertrieb von Finanzdienstleistungen ist eine kundenzentrierte und
integrierte Multikanalstrategie. Im Gegensatz zu den heutigen, voneinander weitgehend unabhängigen „Silostrategien“
für einzelne Vertriebskanäle, positioniert eine solche Strategie
die verschiedenen Vertriebskanäle gleichberechtigt zueinander
und stellt den Kunden in den Mittelpunkt der Betrachtung
(„Customer Centricity“).
Eine integrierte Multikanalstrategie stellt sicher, dass alle
Vertriebskanäle situationsgerecht, kombinierbar und wertschöpfend – sowohl für den Kunden als auch für das Unternehmen – eingesetzt sowie kundenindividuelle Kanalpräferenzen
berücksichtigt werden. Ebenso sorgt sie für eine Begrenzung
der möglichen gegenseitigen „Kannibalisierung“ der Vertriebskanäle. Auf diese Weise trägt eine integrierte Multikanalstrategie insgesamt dazu bei, die Ausrichtung der Vertriebskanäle
zu optimieren und positive Kundenerlebnisse wie in anderen
Branchen, zum Beispiel in der Konsumgüter- oder Automobilindustrie, zu schaffen.
2. Stellhebel: Kundenorientierte Steuerung mit hoher
Kosten- und Ertragstransparenz
Die traditionellen, meist „siloartig“ entwickelten Vertriebskanäle sind bislang zumeist auf die Anforderungen des jeweiligen Vertriebsbereichs ausgerichtet. Die Vertriebssteuerung hat
infolgedessen überwiegend den einzelnen Kundenberater und
weniger den jeweiligen Kunden in den Mittelpunkt gestellt.
Diese Steuerungsmechanismen müssen aufgebrochen und die
internen Strukturen der Banken an das veränderte Kundenverhalten angepasst werden.
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Für den Gesamterfolg der Bank muss die Vertriebssteuerung
zukünftig so ausgerichtet werden, dass es für den Kundenberater grundsätzlich unerheblich ist, über welche Vertriebskanäle
„seine“ Kunden ihre Produkte und Dienstleistungen beziehen.
Der Kundenberater der Zukunft trägt die Gesamtverantwortung für die ihm zugeordneten Kunden und bedient dabei alle
Vertriebskanäle in gleichem Maße: Der jeweilige Kunde „gehört“ dabei – das sei ausdrücklich gesagt – dem Unternehmen,
nicht einem einzelnen Kundenberater bzw. Vertriebskanal.
Hierfür muss die Vertriebssteuerung der Zukunft entsprechende Steuerungsmechanismen bzw. -anreize entwickeln, die
kundenzentrierte Kennzahlen in den Mittelpunkt des Denkens
und Handelns stellen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist
eine ausreichende Transparenz über Erträge und Kosten in den
einzelnen Vertriebskanälen. Insbesondere indirekte Vertriebskosten gilt es in diesem Zusammenhang eindeutig und transparent den einzelnen Kanälen zuzuordnen.
3. Stellhebel: Anschlussfähige Prozessarchitekturen entlang
der „Customer Journey“
Viele Kunden sind bereits heute „hybrid“ und wollen über
den gesamten Vertriebsprozess von der Informationsbeschaffung über die Beratung bis hin zum Vertragsabschluss den
für ihre Kaufentscheidung jeweils optimalen und situativ passenden Vertriebs- bzw. Kommunikationskanal nutzen. Kunden
haben somit keine starren Kanalpräferenzen mehr. Daraus resultiert eine immer stärkere, situationsbezogene Kombination
und Nutzung unterschiedlicher Vertriebs- respektive Kommunikationskanäle während eines einzigen Geschäftsvorfalls.
Hieraus ergeben sich steigende Anforderungen an die
Prozessarchitekturen in den einzelnen Vertriebskanälen von
Banken. Die Prozesse müssen optimiert und aufeinander abgestimmt sowie Potenziale für eine weitere Automatisierung
gehoben werden. Nur ein aus Kundensicht nahtloser Übergang
zwischen den einzelnen Vertriebs- und Kommunikationskanälen – sowohl online als auch offline – erfüllt die veränderten
Kundenerwartungen, erhöht die Kundenzufriedenheit und
stärkt nachhaltig die Kundenbindung.
4. Stellhebel: Modulare Produktarchitekturen
Die immer stärkere, situationsbezogene Kombination und
Nutzung unterschiedlicher Vertriebs- und Kommunikationskanäle erfordert in logischer Konsequenz eine auf das Kundenverhalten abgestimmte Produktentwicklung: Produkte bzw.
Dienstleistungen sind künftig so zu entwickeln, dass sie kanalunabhängig vertrieben werden können. Idealerweise bestehen
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Bankdienstleistungsprodukte, ähnlich dem „Plattformprinzip“
in der Automobilindustrie, aus einer einheitlichen Basisleistung sowie kanalspezifischen Zusatzleistungen.
Diese Produkt- und Servicemodule sollten dabei so einfach
wie möglich gestaltet werden, da Komplexität einen erfolgreichen kanalübergreifenden Einsatz der Produkte und Dienstleistungen erschwert. „Simplicity“ als Gestaltungsprinzip der
Produktarchitektur ist eine wichtige Voraussetzung, um Potenziale durch steigendes Onlineabschlussverhalten erfolgreich
erschließen zu können.
5. Stellhebel: „Smart Data“ als Mehrwert für
Kunden und Banken
Der letzte und entscheidende Stellhebel befasst sich mit
der Frage, wie Unternehmen vorhandene Informationen über
Kunden und deren Verhalten zum beiderseitigen Nutzen einsetzen können. Des Weiteren geht es aber auch um die Frage, wie
vorhandene Kundendaten gezielt um externe Informationen
angereichert werden können – beispielweise durch Nutzung
neuer technologischer Möglichkeiten an der Schnittstelle zu
sozialen Netzwerken (z. B. Facebook oder XING) bzw. zu „wissensbasierten“ Geschäftsmodellen (z. B. Google oder Amazon).
Im Vordergrund steht dabei weniger, welche Informationen
ausgewertet werden können, sondern vielmehr wie diese für
eine möglichst effektive Kundenansprache eingesetzt werden
können und sollen. Die Bereitstellung aller kunden- und vertragsrelevanten Informationen – die „360-Grad-Sicht“ auf den
Kunden – auf Basis einer integrierten Datenhaltung bildet dabei die Grundlage. Auf Basis dieser Informationen kann mittels
moderner Methoden zur Analyse unstrukturierter Daten (z. B.
Text oder Web Mining) oder mittels statistischer Vorhersagealgorithmen (Predictive Analytics) umfangreiches Wissen über
(potenzielle) Kunden generiert und intelligente Kundenprofile
erstellt werden. Diese ermöglichen Banken, ihre Kunden personalisiert anzusprechen und ihnen maßgeschneiderte, individualisierte Angebote zu unterbreiten.
Die kosteneffiziente Generierung und intelligente Nutzung von personenbezogenen Kundeninformationen wird für
Banken zukünftig erfolgskritisch sein. Bereits heute versuchen
internetbasierte Finanzdienstleister, das Online-Nutzungsverhalten ihrer Kunden zu antizipieren und diesen proaktiv individualisierte Lösungen zu unterbreiten. Den Kunden muss dabei
jedoch offen kommuniziert werden, warum bestimmte Informationen erhoben werden, was mit diesen geschieht und worin
der Mehrwert für die Kunden besteht („Digital Ethics“). Nur so
kann das notwendige Vertrauen in einen „smarten“ Umgang
mit Informationen entstehen.
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4. Fazit und Handlungsempfehlungen
Banken müssen im Vertrieb zukünftig kanalübergreifend
denken, handeln und steuern. Die Autonomie der einzelnen
Vertriebskanäle und die regelmäßig damit verbundene selektive
Kundenbetreuung in „Silos“ muss aufgebrochen werden. Gefragt
ist eine zielgerichtete, integrierte Multikanalstrategie anstelle
unabhängiger, nicht aufeinander abgestimmter Einzelstrategien
in den Vertriebskanälen. Eine kanalübergreifende Ausrichtung
fördert dabei außerdem die Entstehung und Etablierung neuer kollaborativer Partnerschaften − auch über Branchengrenzen
hinweg.
Die Bank der Zukunft verfügt über einen kundenzentrierten
Multikanalvertrieb, der vom einfachen und unkomplizierten Onlineproduktabschluss bis hin zu einem flexiblen Wechsel von Onund Offlinekanälen die Erwartungen der Kunden im digitalen
Zeitalter erfüllt. Kundendaten sind dabei strukturiert und mit
für den Vertriebsprozess relevanten Informationen angereichert.
Eine vertriebskanalunabhängige Erfolgszurechnung zum Kundenberater, verbunden mit einer dazu passenden Vertriebssteuerung und einer kanalübergreifenden Gesamtverantwortung des
Kundenberaters für die ihm zugeordneten Kunden stellt effiziente Vertriebsprozesse sicher. Die verursachungs- und nutzungsgerechte Zurechnung von Vertriebskosten auf die einzelnen Vertriebskanäle ermöglicht zudem eine genauere Erfolgsmessung.
Preise für identische Produkte sollten unabhängig vom Vertriebskanal gelten und für Beratungs- und Serviceleistungen separat
abgebildet werden.
Auf diese Weise eröffnen die genaue Kenntnis der Präferenzen
und Bedürfnisse der Kunden sowie der gewünschten Vertriebskanäle, inklusive darauf abgestimmter Produkte, Dienstleistungen
und Werbebotschaften neue Wege zur Gewinnung von Marktanteilen und zur nachhaltigen Profitabilisierung des Vertriebs.
Eine langfristig angelegte Strategie und ein integriertes Vorgehen erhöhen dabei die Erfolgswahrscheinlichkeit und die Anpassungsfähigkeit der Banken auf zukünftige Marktentwicklungen.
Die dazu erforderlichen Zieldefinitionen und Umsetzungsschritte
müssen frühzeitig und mit Hilfe adäquater Analyseinstrumente,
wie zum Beispiel dem Sales-Performance-Excellence-Ansatz von
Horváth & Partners, tiefergehend analysiert und unter Berücksichtigung unternehmensspezifischer Eigenschaften konsequent
verfolgt werden.
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Impressum/Kontakt
Herausgeber
Horváth & Partner GmbH
Mainzer Landstraße 41
60329 Frankfurt am Main
Tel: +49 69 2695898-0
[email protected]
Horváth & Partners – Management Consultants
Horváth & Partners ist eine international tätige, unabhängige
Managementberatung mit Sitz in Stuttgart. Das Unternehmen
beschäftigt mehr als 600 hochqualifizierte Mitarbeiter an Standorten in Deutschland, Österreich, Rumänien, der Schweiz, Ungarn,
Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Mitgliedschaft in der internationalen Beratungsallianz „Cordence
Worldwide“ unterstützt die Fähigkeit, Beratungsprojekte in wichtigen Wirtschaftsregionen mit höchster fachlicher Expertise und
genauer Kenntnis der lokalen Gegebenheiten durchzuführen.
Dr. Marcus Niebudek
Competence Center
Financial Industries
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Daniel Bruch
Competence Center
Financial Industries
[email protected]
Die Kernkompetenzen von Horváth & Partners sind Unternehmenssteuerung und Performanceoptimierung – für das Gesamtunternehmen wie für die Geschäfts- und Funktionsbereiche Strategie, Organisation, Vertrieb, Operations, Controlling, Finanzen
und IT. Horváth & Partners steht für Projektergebnisse, die nachhaltigen Nutzen schaffen. Deshalb begleitet Horváth & Partners
seine Kunden von der betriebswirtschaftlichen Konzeption bis zur
Verankerung in Prozessen und Systemen.