Wer leistet umsatzsteuerfrei?

RECHT UND STEUERN 15
IMMOBILIEN ZEITUNG 21.1.2016, Ausgabe 3/2016
Ein Beitrag aus der
Immobilien Zeitung 3/2016
vom 21. Januar 2016
www.iz.de
Wer leistet umsatzsteuerfrei?
Für Rechtsunsicherheit sorgt das Urteil des Europäischen
Gerichtshofs, der Anfang Dezember darüber befand, welche
Leistungen für welche Immobilienfonds von der
Umsatzsteuer befreit sind. Leider sind die richterlichen
Ausführungen an wichtigen Stellen wenig konkret. Die Fonds
hoffen nun auf das Bundesfinanzministerium.
K
urz zusammengefasst lautet die
Entscheidung: Auch geschlossene
Fonds sind als Sondervermögen
von der Umsatzsteuerbefreiung
nach europäischem Mehrwertsteuerrecht
(Art. 13 Teil B Buchst. D Nr. 6 der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG) umfasst. Befreit sind
als Verwaltung des Sondervermögens Leistungen des Asset-Managements, nicht aber
des Property- und des Facility-Managements
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(Urteil vom 9. Dezember 2015, Rs. C-595/13,
„Fiscale Eenheid X“). Zugrunde liegt ein Vorabentscheidungsersuchen des Fonds Hoge
Raad (Oberster Gerichtshof der Niederlande)
von November 2013. Der Namensgeber des
Rechtsstreits Fiscale Eenheid X ist ein Immobilienfonds für institutionelle Investoren in
der Form einer AG niederländischen Rechts.
Betroffen sind grundsätzlich alle Fonds, die
seit Umsetzung der AIFM-Richtlinie in deut-
sches Recht, unabhängig von der Rechtsform,
aufgelegt wurden und somit einer Regulierung unterliegen.
Für deutsche Fondsstrukturen und ihre
Berater schwierig ist: Der Europäische
Gerichtshofs (EuGH) lieferte keine konkreten
Definitionen zu zwei entscheidenden Fragen.
„Uns beschäftigen derzeit zwei Punkte“,
sagt der Münchner Steuerberater Alexander
Lehnen von Crowe Kleeberg Real Estate. „Das
ist zum einen die Anwendbarkeit auf die
deutsche Investment-KG.“ So haben die
Europarichter zwar festgelegt, dass regulierte
Immobilienfonds unter den Begriff des Sondervermögens im Sinne der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie fallen. Aber, erklärt Lehnen, der EuGH ging hierbei davon aus, dass
bei den Fonds eine Risikostreuung vorliegt.
„Für Fonds, die nur ein Asset halten, ist die
Steuerbefreiung fraglich“, schlussfolgert
Lehnen daher. Fondsexperte Andreas Walter
von WTS Frankfurt bewertet das etwas
anders. Seiner Ansicht nach sind Vehikel, die
lediglich eine Immobilie halten, außen vor –
bei ihnen fällt also weiterhin Umsatzsteuer
an. „Weil die Risikodiversifikation fehlt, die
Merkmal eines Sondervermögens im Sinn der
sechsten Richtlinie ist“, meint Jurist Walter.
Allein: Eine sichere Aussage des EuGH hierzu
findet sich im Urteil nicht.
Der zweite Knackpunkt laut Lehnen: „Um
welche Leistungen geht es, wenn wir über die
Befreiung von der Umsatzsteuer reden?“ Im
Urteil nachzulesen ist, dass die „tatsächliche
Bewirtschaftung der Immobilien“ nicht unter
den Begriff Verwaltung fällt. Die Richter führten aus, dass Leistungen für das Immobilienportfolio, wie z.B. An- und Verkauf sowie die
Grundlagen der Investitionsentscheidungen
für einen bestimmten Fonds, von der
Für Reinigungsarbeiten fällt wohl
auch nach dem Urteil des
Europäischen Gerichtshofs
weiterhin Umsatzsteuer an,
dienen sie doch der unmittelbaren
Bewirtschaftung des Gebäudes.
Bild: Fotolia.de/Andrey Popov
Umsatzsteuer frei sind. Arbeiten, die an der
Immobilie selbst ausgeführt werden, sind
weiterhin umsatzsteuerpflichtig. „Es gibt
jedoch keine Erläuterung dazu, wie die Grenzen zwischen immobilienbezogenen und
fondsbezogenen Leistungen zu ziehen sind“,
sagt Walter. Als Beispiel für einen Problemfalls nennt er den erhöhten Aufwand bei der
Kontenführung, der bei Ankäufen anfällt.
Was das für Abreden mit Dienstleistern
bedeutet, erklärt Walter so: „Wir versuchen
derzeit, alle Tätigkeiten genau zu beschreiben, sodass es Sicherheit für beide Seiten gibt,
sich aber operative Tätigkeiten nicht verschieben.“
Verdient werden kann mit der Befreiung
grundsätzlich nichts: Entfällt die dem AssetManager zu zahlende Umsatzsteuer, entfällt
auch der Vorsteuerabzug, der ansonsten geltend gemacht werden kann. Für Immobilienfonds bedeutet der Richterspruch des EuGH
Aufwand, um den Anforderungen gerecht zu
werden – und rechtliche Unsicherheit darüber, wie die Rechnungen und Vertragsverhältnisse zu gestalten sind. Mit Blick auf die
mögliche Verjährung von Forderungen zu
Jahresende sagt Jürgen Scholz, WTS Düsseldorf: „Hier galt es zunächst einmal, sich
durch Absprachen mit Vertragspartnern
hinüberzuretten.“
Steuerfachmann Scholz hofft, dass das
Bundesfinanzministerium (BMF) in nicht
allzu ferner Zukunft durch einen Erlass für
Klarheit sorgt, wie es den EuGH interpretiert
wissen will. „Ich denke, es ist dort angekommen, welche hohe praktische Relevanz das
Thema hat.“ Zugleich ist er jedoch skeptisch:
„Für die Finanzverwaltung ist es ein Nullsummenspiel, sie hat keinen unmittelbaren Vorteil von einer Regelung.“ Ein halbes Jahr,
glaubt Scholz daher, wird es dauern, bis die
Immobilienfonds hierzulande wissen, wie sie
mit dem EuGH-Urteil umzugehen haben.
Lehnen gibt sich optimistischer: „Ich hoffe,
bis April wissen wir mehr.“ ba