Traumapädagogische Thesen

HERZLICH WILLKOMMEN
zum
FACHTAG TRAUMAPÄGAGOGIK
Zertifizierungskurs
Traumapädagogik
März 2016 – Juni 2018
in Basel
Vorname Name, Datum
Funktion, Abteilung
Gliederung: Was erwartet Sie heute?
Keine Angst nicht schon wieder…
Gleicher Inhalt, aber anderer Vortrag!
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Gliederung: Was erwartet Sie heute?
Aber doch ein Überblick über den MV Traumapädagogik
› Was ist ein Trauma?
› Traumapädagogik braucht es, weil…
› Eine Auswahl von traumapädagogischen Thesen
› Der Modellversuch und seine Ziele
› Projektbestandteile
› Evaluation (Studienzentrum Ulm)
› Ausblick: Abschlussveranstaltung Juni 2016
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Was ist ein Trauma?
Traumatisches Lebensereignis
Extreme physiologische
Erregung
Flucht
Freeze
Fight
Traumasymptome
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Bei einer Traumatisierung laufen parallel zwei
unterschiedliche physiologische Prozesse ab
Übererregungs-Kontinuum
Dissoziatives-Kontinuum
Fight oder Flight
› Alarmzustand Wachsamkeit
› Angst/Schrecken
› Adrenalin-System wird aktiviert
– Erregung
› Serotonerges System verändert
sich – Impulsivität, Affektivität,
Aggressivität
Freeze – ohnmächtige / passive
Reaktion
› Gefühlslosigkeit / Nachgiebigkeit
› Dissoziation
› Opioid-System wird aktiviert
Euphorie, Betäubung
› Veränderung der Sinnes-, Körperwahrnehmung (Ort, Zeit, etc.)
Physiologisch
› Blutdruck  (Pulsrate )
› Atmung 
› Muskeltonus 
› Schmerzwahrnehmung 
Physiologisch
› Pulsrate  Blutdruck 
› Atmung 
› Muskeltonus 
› Schmerzwahrnehmung 
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Traumatypologie nach L. Terr (1991)
Typ – I - Trauma
› Einzelnes, unerwartetes, traumatisches
Erlebnis von kurzer Dauer.
› z.B. Verkehrsunfälle, Opfer/Zeuge von
Gewalttaten, Naturkatastrophen.
› Öffentlich, besprechbar
Typ – II - Trauma
› Serie miteinander verknüpfter Ereignisse
oder lang andauernde, sich
wiederholende traumatische Erlebnisse.
› Körperliche sexuelle Misshandlungen in
der Kindheit, überdauernde zwischenmenschliche Gewalterfahrungen.
Nicht öffentlich
Symptome:
Meist klare, sehr lebendige
Wiedererinnerungen
Vollbild der PTSD
Hauptemotion = Angst
Eher gute Behandlungsprognose
Symptome:
› Nur diffuse Wiedererinnerungen, starke
Dissoziationstendenz,
Bindungsstörungen
 Hohe Komorbidität, komplexe PTSD
Sekundäremotionen (z.B. Scham, Ekel).
Schwerer zu behandeln
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Biologische Faktoren
Genetik, prä- und perinatale
Risikofaktoren
Soziale
Wahrnehmung
weniger
soziale
Kompetenzen
PTSD:
Hyperarousal,
Intrusionen,
Vermeidung
Störungen
der
Empathiefähigkeit
Mentalisierung
Bindungsstörung
Störungen
der Interaktion
Störung der
Impulskontrolle
Selbstregulation
Stresstoleranz
Invalidierende,
vernachlässigende
Umgebung
Typ-II-Traumata
Selbstwert, Gefühl d.
Selbstunwirksamkeit
kognitive Schemata
Dissoziationsneigung/
Sinneswahrnehmung
Schmid (2008)
Störung der
Emotionsregulation
Störungen des
Körperselbst
Körperwahrnehmung
Somatisierung
Störung der
exekutiven,
kognitiven
Funktionen
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Traumapädagogik?
Eine Traumapädagogik braucht es, weil…
Ebene der Fachpolitik
› Viele Abbrüche und Diskontinuität in der Hilfeplanung belasten das
System.
› Gesellschaftliche Aufwertung der Heimerziehung.
› Konzeptionelle Begründung für einen gezielten Einsatz von mehr
Ressourcen.
› Verbesserung Kooperation zwischen JH und KJPP – Stärkung der
Pädagogik in dieser Kooperation.
Ebene der Mitarbeiter
› Selbstwirksamkeit der Fachkräfte bei schwierigen Fällen stärken.
› Bessere Versorgung/Schutz der Mitarbeiter (Sekundär-Trauma, etc.)
› Heimerziehung ist mehr als ein Durchgangsberuf –
Arbeitszufriedenheit der Fachkräfte erhöhen
› Schutz vor Grenzverletzungen
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Traumapädagogik?
Eine Traumapädagogik braucht es, weil…
Ebene der Kinder und Jugendlichen
› Schutz vor Beziehungsabbrüchen und Grenzverletzungen.
› Die Mehrzahl der fremdplatzierten Kinder ist traumatisiert.
› Traumatisierte Menschen haben ein besonders hohes Risiko
auf Verschiebebahnhöfen zu landen.
› Traumatisierte Menschen weisen einen spezifischen
pädagogischen Bedarf auf – benötigen andere
Beziehungsangebote.
› Spezifische Förderung.
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Grundidee zur Analyse von Problemverhalten
Vom Du zum Wir – Überspitzt das klassische Modell
Erziehungsmassnahmen zur
Veränderung
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Eine Traumapädagogik braucht es, weil…
Zwei zentrale Herausforderungen an die Pädagogik
› Die traumatisierten Kinder/Klienten gehen mit pädagogischen
Bezugspersonen keine ausreichend vertrauensvolle Beziehung ein,
so dass klassische pädagogische Interventionen nicht gut gesetzt
werden und ihre Wirkung kaum entfalten können.
› Traumatisierte Kinder/Klienten konnten die notwendigen
Fähigkeiten zu Selbstregulation in ihren belastenden,
vernachlässigenden und misshandelnden Beziehungen gar nicht
oder nur bedingt entwickeln und scheitern deshalb häufig in
Situationen, in denen diese Fertigkeiten der Selbstregulation gefragt
sind.
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Eine Traumapädagogik braucht es, weil…
Ein pädagogisches Dilemma
Gehen kaum
Beziehungen ein
Brauchen
Unterstützung bei
der
Selbstregulation
Dilemma:
Klienten brauchen
Beziehung, um
Selbstregulation
erlernen zu können –
können aber noch
keine normalen
Beziehungen eingehen
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Grundidee zur Analyse von Problemverhalten
Vom Du zum Wir – Überspitzt das klassische Modell
Kind muss sich verändern
Erziehungsmassnahmen zur
Veränderung
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Grundidee zur Analyse von Problemverhalten
Vom Du zum Wir
Die Beziehung und Beziehungsfähigkeit
soll sich verbessern
Interaktion
pädagogische
Begegnung
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Übertragung von Anspannung in Interaktionen
Anspannung
Jugendliche
Anspannung
Unsicherheit
Pädagogen
Geringere pädagogische Präsenz
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Gliederung
Traumapädagogisches Konzept
„Man ist dort zu Hause, wo man
verstanden wird.“
Indianisches Sprichwort
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Traumapädagogik: Korrigierende Beziehungserfahrung
Traumapädagogische Haltung
Traumatisierendes Umfeld
Traumapädagogisches Milieu
› Unberechenbarkeit
› Transparenz /Berechenbarkeit
› Einsamkeit
› Beziehungsangebote
› Nicht gesehen/gehört werden
› Beachtet werden/wichtig sein
› Geringschätzung
› Wertschätzung (Besonderheit)
› Bedürfnisse missachtet
› Bedürfnisorientierung
› Ausgeliefert sein – andere
bestimmen absolut über mich
› Mitbestimmen können Partizipation
› Leid
› Freude
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Mitarbeiter als Teil des pädagogischen Konzeptes
› Traumatisierte Kinder lösen bei professionellen Helfern intensivste
Gefühle aus - Phänomen der sekundären Traumatisierung.
› Letztlich ist für die Frage, ob ein Kind nach einer Eskalation auf einer
Wohngruppe verbleiben und gehalten werden kann, nicht das
Problemverhalten, sondern die Tragfähigkeit des pädagogischen Teams
ist entscheidend.
› Nur „stabile, sichere Mitarbeiter“ können in Krisensituationen
stabilisieren und deeskalieren.
› Mitarbeiter benötigen in Krisensituationen ähnliche innerpsychische
Fertigkeiten (natürlich auf viel höherem Niveau) wie die Kinder
(Emotionsregulation, Resilienzfaktoren).
› Sowohl die Heranwachsenden als auch die Mitarbeiter brauchen
letztlich einen sicheren Ort, an dem sie sich selbstwirksam erleben.
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Haltung
Sicherer Ort
Sicherer
Ort
=
Äussere
Sicherheit
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+
Innere
Sicherheit
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Schmid (2010/2011)
Institution
Leitung
„Versorger„
„Fachdienst“
„Gruppenpädagogen“
Kind
Externe Hilfen: Kollegiale Intervision/ Supervision/ Coaching/ Verband
Traumapädagogische Thesen
Spezifischer pädagogischer Bedarf
› Traumatisierte Menschen haben einen besonderen
pädagogischen Bedarf, sind in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe
extrem gefährdet und brauchen daher in vielen
Lebensbereichen ganz konkrete Unterstützung – dem
Entwicklungsstand der Klienten entsprechend zukunfts-, verhaltens-,
lösungs- und ressourcenorientiert, rechtzeitig, niederschwellig und
ausreichend intensiv.
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Traumapädagogische Thesen
Sicherer Ort als Ziel der Pädagogik
› Traumatisierte Menschen (und Menschen, die mit ihnen
arbeiten) brauchen sichere Orte, um ihre erlernten
Defensivreaktionen aufzugeben, bzw. überwinden zu
können – ein sicherer Ort ist in pädagogischen Settings ein
hehres, nicht immer zu haltendes Ziel. Es ist aber unabdingbar,
dieses Ziel anzustreben und nicht vor der Gewalt zu kapitulieren!
Wird der sichere Ort verletzt, sollte er mit den Beteiligten
möglichst wieder rekonstruiert werden.
„Eines ist sicher, dass nichts sicher ist.
Selbst das nicht.“
Joachim Ringelnatz
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Traumapädagogische Thesen
Reinszenierung von Beziehungserfahrung als
Herausforderung und Chance
› Die traumatischen Beziehungserfahrungen prägen das aktuelle
Interaktionsverhalten mit all seinen Facetten – jede Interaktion,
insbesondere die schwierigen (und gerade die mit den pädagogischen und
therapeutischen Fachkräften), wird von der psychosozialen Lerngeschichte
und den Bindungsrepräsentationen des Klienten beeinflusst – dies ist eine
besondere Herausforderung, aber auch eine grosse Chance für die
pädagogische Arbeit mit diesen Klienten.
„Nicht lachen, nicht jammern, nicht
urteilen, sondern verstehen.“
Baruch Spinoza, Philosoph, 17. Jhdt.
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Traumapädagogische Thesen
Korrigierende Beziehungserfahrungen
› Korrigierende Beziehungserfahrungen und die
pädagogische Präsenz sind das was wirkt und gar nicht
so selten sogar heilt.
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Traumapädagogische Thesen
Mitarbeiter sind ein Teil des Konzepts
› Um korrigierende Beziehungserfahrungen und
pädagogische Präsenz anbieten zu können, braucht es
gut versorgte, stabile und sichere Mitarbeiter – d.h.
ausreichend Raum für Psychohygiene und spezifische, auf die
Selbstwirksamkeit der sozialpädagogischen und
psychotherapeutischen Fachkräfte abzielende Fallbesprechung
sowie ausreichend Raum zur kritischen Fall- und
Selbstreflektion. Solche Besprechungszeiten müssen strukturell
im pädagogischen Konzept der Einrichtung verankert sein.
„Erkenne dich selbst, bevor du Kinder zu erkennen trachtest.“
Janusz Korczak
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Traumapädagogische Thesen
Individualisierung
„Jeder Mensch ist ein Sonderfall – jeder Mensch ist durch seine
alleinige und einzigartige Lebensgeschichte geprägt.“
Zitat von Joseph Weizenbaum
› Ein gutes und tragfähiges pädagogisches Konzept sollte versuchen,
den Bedürfnissen jedes Sonderfalls so gerecht wie möglich zu
werden.
› Individuelle Bedürfnisse und Lösung werden gesucht –
die Individualität und Unterschiedlichkeit der Menschen
wird auch in der Gruppenpädagogik genutzt und durch diese
unterstützt.
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Traumapädagogische Thesen
Spezifische Förderung unterentwickelter Fertigkeiten
› Traumatisierte Klienten konnten in ihren
Herkunftssystemen bestimmte wichtige Fertigkeiten nicht
erlernen, diese müssen mit ihnen im Rahmen der
Traumapädagogik spezifisch gefördert werden.
› Sinnes- und Körperwahrnehmung
› Emotionsregulation
› Resilienzfaktoren
› Selbstwirksamkeit
› Stresstoleranz
› Bindung und Mentalisierung
› Soziale Kompetenz
› Resilienz
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Traumapädagogische Thesen
Verstehen des «guten Grundes» für jedes Verhalten
› Symptome und Fehlverhalten von Klienten haben immer einen
„guten Grund“ – diesen zu verstehen, wertzuschätzen und daran
anzusetzen bedeutet aber nicht, mit dem Problemverhalten
einverstanden zu sein.
„Wer ein Warum fürs Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
Friedrich Nietzsche
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Traumapädagogische Thesen
Wider der Alternativlosigkeit
› Traumatische Erlebnisse sind Erfahrungen der
Ausweglosigkeit und des Ausgeliefertseins, die mit Gefühlen der
Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit einhergehen. Diese Gefühle der
Alternativlosigkeit können sich leicht auch auf das Helfersystem
übertragen – deshalb ist es wichtig, stets noch einen Plan
„B“ zu haben und sich nie unnötig in seiner Handlungsfreiheit
einzuschränken. Biete traumatisierten Klienten immer
Wahlmöglichkeiten an, wenn Du etwas Unangenehmes von ihnen
verlangst.
„Handle stets so, dass sich die Zahl deiner Wahlmöglichkeiten grösser wird“.
Heinz von Förster
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Traumapädagogische Thesen
Strukturen, die Anspannung reduzieren
› Problemverhalten wird oft durch Unsicherheit und
Übererregung ausgelöst – weshalb es wichtig ist, eine Umwelt
zu schaffen, die möglichst viel Sicherheit, Ruhe, Geborgenheit,
Wertschätzung und Freude (Ästhetik, Freizeitangebote) vermittelt
und die Möglichkeit zur Partizipation bietet.
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Traumapädagogische Thesen
Freude an der Arbeit mit den Kindern haben
› Je mehr Spass und Freude wir mit unseren Klienten im
pädagogischen Alltag erleben – desto besser und
erfolgreicher ist unsere Arbeit.
„Humor ist auch eine Form von nachsichtiger Nächstenliebe.“
Gerhard Uhlenbrock
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Traumapädagogische Thesen
Personalisierung von Regeln - Absprachen
› Persönliche Absprachen sind viel wirkungsvoller als
institutionelle Regeln. Mitarbeiter sollen sich nicht hinter
institutionellen Regeln verstecken, sondern sagen, warum
ihnen dieses Verhalten wichtig ist und wie dieses die
Beziehung beeinflusst.
› Gruppenpädagogen sollten sich auf ihr Gefühl verlassen
und nie eine für sie zu strenge Konsequenz nur aus
institutionellem Druck heraus mit einem schlechten
Gewissen aussprechen.
› Regeln und Abläufe dürfen und sollen ständig hinterfragt
werden. Nur so können Regeln und dahinterstehende
Werte und Haltungen von Jugendlichen und Mitarbeitern
verinnerlicht werden. Menschen tun aus Pflichtgefühl
gegenüber Autoritäten Dinge, die sie gar nicht tun wollen.
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Traumapädagogische Thesen
Deeskalation hat Vorrang
› Deeskalation hat Vorrang - es macht keinen Sinn, mit
traumatisierten Klienten im hoch erregten oder dissoziierten
Zustand zu diskutieren. Dies bedeutet keinesfalls immer
nachzugeben, sondern die Themen in einer ruhigen Situation
wieder aufzugreifen.
„Der reissende Fluss wird gewalttätig genannt.
Warum nicht das Flussbett, welches ihn einengt?“
Bertolt Brecht
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Traumapädagogische Thesen
Geduld - Vertrauen in die Selbstheilungskräfte
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“
Afrikanisches Sprichwort
› Die direkten und schnellen Einfluss- und Veränderungsmöglichkeiten sind
begrenzt. In der traumapädagogischen Begleitung von Menschen geht es oft vor
allem darum, günstige Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Klienten
zu schaffen. Um im Bild zu bleiben, wenn das Gras optimal gedeihen soll, sollte
der Gärtner nicht daran ziehen, sondern darauf achten, dass es ihm an nichts
fehlt, es gut düngen, bewässern, hegen und pflegen.
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Traumapädagogische Thesen
Hilfe anbieten und in Anspruch nehmen
› You never walk alone! Anderen Hilfe geben und selbst um Hilfe
bitten. Dies gilt sowohl für die Mitarbeiter im Team, die Institution
und ihre Kooperationspartner als auch für die Kinder. Gerade für
schwer belastete Kinder kann es eine gute Erfahrung sein, selbst
anderen zu helfen, die andere Probleme haben. Es macht als
Wohngruppe auch Sinn, sich für andere Menschen, die Hunger
leiden, geflüchtet sind etc. zu engagieren, um für die eigenen
Ressourcen zu sensibilisieren (vgl. Brendtro, Brokenleg und Van
Bockern, z.B. 2009).
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Traumapädagogische Thesen
Nutze und beachte das Modelllernen
› Traumapädagogische Fach- und insbesondere
Leitungskräfte sind mit ihrem Verhalten ein wichtiges
Modell – die traumapädagogischen Grundhaltungen sollten
daher das Milieu der gesamten Einrichtung und seine
Kooperationsbeziehung prägen.
„Erziehung bedeutet vorleben.
Alles andere ist Dressur.“
Oswald Bumke
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Traumapädagogische Thesen
Beachte die Ressourcen und die Überlebensleistung
› Wertschätze und achte die Überlebensleistung, Ressourcen und
Resilienz der Klienten!
› Erarbeite ein Narrativ, in dem die Betroffenen nicht im
„Vollopferstatus“ bleiben, sondern eine Herausforderung tapfer
annehmen.
„Man muss daran glauben, dass das Kind nicht
dreckig, sondern nur beschmutzt sein kann.“
Janusz Korczak
„Worauf man schaut, das wird mehr!“
Wolfgang Burr
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Traumapädagogische Thesen
Balance zwischen Loyalitätsbindung und erneuten
Täterkontakten
› Beachte einerseits die Loyalitätsbindungen der Klienten
zu ihrem Herkunftssystem und schütze diese andererseits
wirksam vor Retraumatisierungen und maladaptiven
Einflüssen des Herkunftssystems – nehme eine
Mehrgenerationenperspektive ein, um den Eltern mit der
notwendigen Wertschätzung und Empathie begegnen zu können.
„Wir können Kinder aus Familien nehmen,
aber die Familien nicht aus den Kindern.“
Ried Portengen
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Traumapädagogische Thesen
Förderung der Autonomie
› Fördere die Autonomie des Klienten seinem Entwicklungsstand
entsprechend – verstehe deine Hilfe als „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Jede/r professionelle HelferIn sollte sich stets vergegenwärtigen, dass
unsere Hilfe lediglich einen Übergang darstellt und den Klienten
mittelfristig ein selbständiges Leben oder ein Leben mit weniger intensiven
Hilfen ermöglichen soll. Es ist daher wichtig, Hilfen auch vom Ende her zu
denken, Übergänge rechtzeitig vorzubereiten und diese gut zu begleiten.
„Man kann den Menschen nicht auf Dauer helfen,
wenn man für sie tut, was sie selbst tun können
und sollten.“
Abraham Lincoln
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Traumapädagogische Thesen
Weiterentwicklung durch Qualitätssicherung und
Evaluation
› Traumapädagogische Konzepte entwickeln sich durch
kontinuierliche Evaluation und stetige Qualitätssicherung
immer weiter – weshalb die Wirkung der (trauma-) pädagogischen
Interventionen auf individueller und institutioneller Ebene regelmässig
überprüft werden sollte.
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Traumapädagogische Thesen
Veränderungsprozesse in Institutionen brauchen Zeit und
Ressourcen – Schulungen und Prozessbegleitungen
› Entscheid auf allen institutionellen Ebenen – Welcher Nutzen hat wer von
Traumapädagogik? Warum möchte eine Institution etwas verändern?
› Ausreichend Zeit für die Wissensvermittlung (Psychotraumatologie, etc.).
› Etablierung einer Versorgungskette in den Institutionen.
› Sicherung der Ressourcen im pädagogischen Alltag – Veränderungsprozesse
brauchen viele wertvolle und knappe Ressourcen an der Schnittstelle Leitung/Team.
› Erfolgreiche Veränderungsprozesse brauchen einen „sicheren Ort“.
› Idee: Begleitung des Schulungs- und Umsetzungsprozesses
im Rahmen eines Modellversuchs.
„Wer nicht mehr danach strebt besser zu werden,
hört auf gut zu sein.“
Philip Rosenthal (Deutscher Unternehmer)
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Unser Modellversuch
Ziele des Modellversuchs
› Implementierung von traumapädagogischen Konzepten in verschiedenen
sozialpädagogischen Wohngruppen der Deutschschweiz.
› Institutionen für Mädchen, Jungen und co-edukative Wohngruppen
› Unterschiedliche Altersgruppen
› Kantonale Streuung
› Übertrag der traumapädagogischen Konzepte auf die Spezifika des Schweizer
Rechts- und Jugendhilfesystems.
› Anwendung von traumapädagogischen Konzepten auf delinquente
Heranwachsende.
› Erneute Überprüfung der Wirkung von Traumapädagogik auf Mitarbeiter,
Klienten und Institutionen.
› Aufbau einer zertifizierten traumapädagogischen Ausbildung.
› Erfahrung mit der Übertragung von Changeprozessen in der Jugendhilfe im
Allgemeinen und der Einführung von traumapädagogischen Konzepten im
Besonderen sammeln.
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Projektbestandteile
Fachwissen
Selbststudium
Funktionsträger
spezifische
Seminare
Erfahrungswissen
Eng angeleiteter und
unterstützter interner
Umsetzungsprozess
(Klausurtage/Prozessbegleitung)
Traumapädagogisches
Konzept
Ressourcen
Institutionsinterne
Ressourcen &
Erfahrungen
Vernetzung mit
anderen
Institutionen &
Arbeitsgemeinschaften
Reflektion
Erkenntnisse aus
der
Evaluation
Wer nimmt am Modellversuch teil?
Modell- und Spiegelinstitutionen
Modellinstitution
Spiegelinstitution
Jugendstation Alltag
Trimmis/GR
Stiftung Juvenat
Flüeli-Ranft/OW
Bürgerliches Waisenhaus
Basel/BS
Burghof Pestalozzi-Jugendstätte
Dielsdorf/ZH
Sozialpädagogische Wohngruppe Rose
Heiden/AR
Schulheim Sommerau
Rümlingen/BL
Wohnheim Varnbüel
St. Gallen/SG
Kleinheim Hirzel
Hirzel/ZH
Landheim Brüttisellen
Bassersdorf/ZH
Gfellergut
Zürich/ZH
Wohngruppen Sennwald
Sennwald/SG
Schlössli
Basel/BS
Schulheim Friedeck
Schaffhausen/SH
Kinder- und Jugendheim Maiezyt
Wabern/BE
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Die Bausteine und ihr Zusammenspiel
Ton - Verarbeitung - Unterschiedliche Endprodukte
Schulungen
Prozessbegleitung
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Umsetzung
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Erfahrungen aus der Umsetzung von
traumapädagogischen Konzepten
Funktionsträgerspezifische Aufgaben bezüglich der
Pädagogik des sicheren Ortes – bedeutsam für
Umsetzungsprozess. Prozess braucht ausreichend Zeit und
muss engmaschig begleitet werden!
Vermittlung von
traumapädagogischen
Methoden und
Haltungen an die
Fachkräfte im
Gruppendienst
Leitung, Beratung,
Unterstützung
(«Versorgung») der
Mitarbeiter und
Aufbau von förderlichen
Strukturen in der
Institution
Mindestens vierjähriges
traumapädagogisches
Qualifizierungskonzept mit
Leitungs-/Versorgerebene
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| 46
Funktionsträgerspezifische Weiterbildung –
zwei Termine für Teams
Vorteile:
Nachteile:
1. Gezielte Vermittlung von
funktionsträgerspezifischen Kompetenzen
und Haltungen (Gesprächsführung).
1. Austausch über Funktionsträger hinweg in
den Seminaren nicht möglich.
2. Zeitgewinn, um Einrichtungsstrukturen
anpassen zu können.
3. Gewisser Wissensvorsprung für
Leitungsebene und Beratungsebene.
4. Gezielter Einsatz der Zeit in den
Seminaren (Konzeption, detaillierte
Interventionen).
5. Peergruppe - grössere Offenheit.
6. Praktische Erwägung (gute
Gruppengrössen, Gruppendienste,
Ersatztermine, zwei Orte, Zeit etc.)
2. Sensibilisierung für Nöte und
Aufgabenbereiche der Ebenen kann „nur“
vermittelt werden.
3. Institutionsebene fehlt - interne
Klausurtage als ökonomischere und
intensivere Alternative.
4. Umsetzung kann in den Seminaren nicht zu
Ende diskutiert werden.
5. Etwas höherer Organisationsaufwand für
die Tagungen.
6. Spannungsbogen muss länger gehalten
werden.
7. Die Organisation der Klausurtage obliegt
nicht allein dem MV-Team.
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| 47
Prozess in den Institutionen
Prozessbegleitung und Klausurtage
› Die Begleitung institutionsinterner Prozesse sind zentraler Bestandteil
und wichtige Wirkfaktoren des Gesamtprojektes.
› Nach den Teamschulungen wird gemeinsam mit der Leitungs- und
Versorgungsebene die konkrete institutionelle Umsetzung in diesen
Klausurtagen reflektiert, diskutiert und realisiert.
› Die Klausurtage werden von den Prozessbegleiterinnen und den
Prozessverantwortlichen gemeinsam vor- und nachbereitet.
› Diese Klausurtage werden von den Prozessbegleiterinnen moderiert
und dokumentiert.
› Problem: Klausurtage brauchen die eh schon knappen Ressourcen der
Teams und der Leitung.
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| 48
Gliederung
Evaluation zur Überprüfung und Optimierung
› Forschung sollte möglichst direkt der
Implementierung zugutekommen (Action
Research).
› Forschung sollte Change-Prozesse in
pädagogischen Institutionen abbilden.
› Die Datenerhebung sollte in den pädagogischen
Alltag gut integrierbar sein.
› Forschung sollte auf individueller Ebene dem
Fallverständnis dienen.
› Synthese aus klassischen medizinischpsychotherapeutischen und
sozialpädagogischen Forschungsmethoden .
http://www.service-by-paul.de/images/erfolg.jpg
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| 49
DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT
„Haltung ist eine kleine Sache,
die einen grossen Unterschied
macht.“
Sir Winston Churchill
Ich übergebe an Claudia
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:C
hurchill_V_sign_HU_55521.jpg&filetimestamp=2
0080414235020
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