Mitgliederinformation zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekaempfung

Mitgliederinfo an die Mitglieder der Landeskrankenhausgesellschaft
Brandenburg e.V.
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen
Am 29.07.2015 hat die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von
Korruption im Gesundheitswesen“ mit den neuen § 299a, § 299b StGB vorgelegt.
Das neue Recht hat gewichtige Auswirkungen auf Kooperationen im Gesundheitswesen und
birgt neuen Risiken für die Krankenhäuser. Mit dieser Mitteilung möchten wir Sie, in
Kooperation mit Prof. Dr. Hendrik Schneider, Boemke und Partner Rechtsanwälte, Leipzig,
der in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden war, direkt über die Gefahren für Sie
informieren.
Überblick
Gegenüber dem vorausgegangenen Entwurf des BMJV (siehe hierzu das Gutachten von
Prof.
Dr.
Schneider
unter
http://krim.jura.uni-leipzig.de
sowie
die
diesbezügliche
Pressemitteilung in Gesundheit ad hoc vom 27.05.2015 („Korruption im Gesundheitswesen.
Strafrechtlicher kritisiert Gesetzesentwurf“), wurden die Voraussetzungen der Strafbarkeit
nochmals verändert, wie bereits die Aufteilung in zwei Paragraphen zeigt.
Beide Straftatbestände betreffen die Zusammenarbeit der Ärzte und Pflegekräfte mit der
Industrie,
Kooperationsformen
zwischen
den
Sektoren
(z.B.
die
Tätigkeit
eines
niedergelassenen Arztes in einem Klinikum) oder Zuwendungen der Pharmaindustrie an
Apotheken, z.B. auch in Gestalt von Rabatten. Letzteres rückt Marketingstrategien der
Pharmaindustrie, auch im Rahmen des Vertriebs von OTC Medikamenten, mit der
Zielgruppe der Apotheker und PTA in den Vordergrund und betrifft demnach einen
potentiellen Täterkreis, der bislang weder im Mittelpunkt des kriminalpolitischen Interesses,
noch im Fokus der Ermittlungsbehörden gestanden hat.
Aufbau der §§ 299a, 299b StGB-E
Die neuen Straftatbestände sind, ebenso wie die §§ 331ff. StGB, spiegelbildlich aufgebaut. §
299a StGB-E erfasst das Fordern, sich Versprechen lassen und das Annehmen von
Vorteilen und damit die Seite der Vorteilsnehmer. § 299a StGB-E ist demnach einschlägig für
niedergelassene Vertragsärzte, Ärzte in Kliniken, Pflegekräfte, Apotheker, Pharmazeutisch
Technische Assistenten und andere Angehörige von Heilberufen, die eine staatlich geregelte
Ausbildung erfordern.
§ 299b StGB-E gilt demgegenüber für die Vorteilsgeber. Hierunter fallen alle natürlichen
Personen und somit alle Mitarbeiter von Unternehmen der Medizinprodukte und
Pharmaindustrie, die an die oben genannten Angehörigen von Heilberufen Vorteile
auskehren oder diese anbieten. Zu den Vorteilsgebern, die in der Praxis von § 299b StGB-E
erfasst
werden
können,
gehören
aber
auch
die
Organe
einer
Krankenhausbetreibergesellschaft, die mit niedergelassenen Ärzten Kooperationsverträge
abschließen oder Apotheker, und Inhaber von Sanitätshäusern, die Ärzten Vorteile
gewähren.
Tatbestandsmerkmale der §§ 299a, b StGB-E
Begriff des Vorteils
Der Tatbestand bezieht sich auf Vorteile. Insoweit kann auf die gefestigte Rechtsprechung
zum geltenden Recht, §§ 331 ff., 299 StGB verwiesen werden. Trotz identischen Wortlaut
sollen §§ 299a, b StGB-E aber darüber hinaus gehen. Die Väter des Entwurfs wollen
ausweislich der Entwurfsbegründung auch immaterielle Vorteile erfassen. Hierzu gehört etwa
die Einräumung der Möglichkeit einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Außerdem
werden als tatbestandsmäßige Vorteile auch Leistungen verstanden, die eine Vergütung für
eine Leistung des Vorteilsnehmers darstellen. Vom „Radar“ des Staatsanwalts werden
demnach auch Beraterverträge, Referentenverträge, Vergütungen niedergelassener Ärzte
für Nebentätigkeiten in Krankenhäusern usw. erfasst. Dreh und Angelpunkt ist hier, ob die
Vergütung angemessen ist. Die Maßstäbe für die Beurteilung der Angemessenheit sind aber
noch weitgehend ungeklärt.
Begriff der Unrechtsvereinbarung
Zwischen Vorteilsnehmer und Vorteilsgeber muss eine Unrechtsvereinbarung bestehen.
Hierfür enthalten die §§ 299a, 299b zwei unterschiedliche Bezugspunkte.
Erstens liegt eine Unrechtsvereinbarung vor, wenn der Vorteilsnehmer zumindest ins Auge
fasst (!) sich für die Vorteilszuwendung durch eine unlautere Bevorzugung des
Vorteilsgebers zu revanchieren.
Dies liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Vertragsarzt sich bei dem Geschäftsführer eines
Krankenhauses für die auskömmliche Vergütung seiner ärztlichen Leistungen im Rahmen
der stationären Versorgung auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages damit
erkenntlich zeigt, dass er seine Patienten aus der Praxis zur stationären Versorgung in das
Krankenhaus seines Kooperationspartners überweist. Dasselbe gilt, wenn ein Arzt, der nach
Auffassung des Staatsanwalts „unangemessen hohe“ Nebeneinnahmen mit klinischen
Studien erzielt, die Medikamente des entsprechenden Herstellers vermehrt, empfiehlt oder
verschreibt.
Zweitens liegt eine Unrechtsvereinbarung vor, wenn sich der Zuwendungsempfänger durch
eine Verletzung seiner heilberuflichen Unabhängigkeit für die Vorteilszuwendung revanchiert.
Dieser Auffangtatbestand kann relevant werden, wenn es um die Empfehlung von
Originalpräparaten geht, bei denen keine Wettbewerbssituation vorliegt. Wichtig ist darüber
hinaus, dass diese Variante der §§ 299a und 299b StGB-E auch dann einschlägig sein kann,
wenn sich die unlautere Bevorzugung eines Marktteilnehmers nicht nachweisen lässt und
„nur“
der
Verdacht
einer
einschlägigen
Berufsrechtsverletzung
besteht.
So
sind
beispielsweise Apotheker nach den jeweils geltenden Berufsordnungen dazu verpflichtet,
produktneutral zu beraten. Erfolgreiche Marketingstrategien von Herstellern von OTC
Medikamenten können so in das Visier des Staatsanwalts geraten, weil zum Beispiel ein
durch Rabatte beim Bezug der Produkte gesteigerter Absatzerfolg ein Indikator gegen das
Vorliegen einer produktneutralen Beratung darstellen kann. Insofern führt das neue Recht
also in einer Marktwirtschaft zu grotesken Resultaten.
Verfall
§ 302 StGB-E verweist auf den § 73d StGB und damit auf den so genannten erweiterten
Verfall. Danach gilt: „Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das
auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des
Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen,
dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind.“ Verfall
bedeutet, dass die aus der Straftat erzielten Einnahmen zugunsten der Staatskasse
eingezogen werden. Ist eine juristische Person, zum Beispiel ein Krankenhaus oder ein
Unternehmen der Pharma- oder Medizinprodukteindustrie bereichert worden, trifft die
Verfallsanordnung das Unternehmen selbst, § 73 Abs. 3 StGB. Es gilt das „Bruttoprinzip“.
Dies bedeutet, dass die gesamten Einnahmen ohne Abzug möglicher Kosten oder
Gegenleistungen eingezogen werden. § 302 StGB-E verdeutlicht, wie zutreffend das
geflügelte Wort der Compliance-Branche ist: „If you think that compliance is expensive, try
non compliance“!
Den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen sowie
das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hendrik Schneider zum Entwurf eines Gesetzes zur
Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen können Sie im Downloadbereich der
Homepage
der
Boemke
und
Partner
Rechtsanwälte
unter
folgendem
Link
http://www.boemke-partner.de/index.php/sonstiges.html abrufen.
Abschließend möchten wir Sie an dieser Stelle auf das Seminar „Transparenzkodices der
Industrie und neues Korruptionsstrafrecht und seine Auswirkungen auf Compliance
im
Krankenhaus“
am
21.09.2015,
10:30
Uhr
–
16:30
Uhr
bei
der
Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg mit Prof. Dr. Hendrik Schneider, Professor der
Universität Leipzig und Kooperationspartner der Boemke und Partner Rechtsanwälte,
Leipzig, hinweisen. In diesem Seminar werden die mit dieser Mitgliederinformation
angesprochenen
Probleme
detailliert
erläutert
sowie
Tipps,
Hinweise
und
Gestaltungsmöglichkeiten zu rechtssicheren Reaktionen gegeben. Alle Informationen rund
um die Veranstaltung finden Sie in der Seminarinformation und auf der Website der Boemke
und Partner Rechtsanwälte: www.boemke-partner.de
Diese Mitteilung wurde uns von Prof. Dr. Hendrik Schneider, Professor der Universität
Leipzig und Kooperationspartner der Boemke und Partner Rechtsanwälte, Leipzig,
www.boemke-partner.de, zur Verfügung gestellt.