Korruption im Gesundheitswesen §§ 299a, 299b StGB

19./20.2.2016
Korruption im Gesundheitswesen
§§ 299a, 299b StGB
Prof. Dr. Gerhard Dannecker
Universität Heidelberg
Institut / Thema / Verantwortliche(r) / Position
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Inhaltsverzeichnis
I. Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens
1. Entscheidung des Großen Senats des BGH
2. Ruf des Großen Senats nach dem Gesetzgeber
3. Korruption bisher ohne strafrechtliche Rechtsfolgen?
II.§ 299a StGB – Bestechlichkeit im Gesundheitswesen
1. Wortlaut
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§
299a, 299b StGB erfassten Verhaltensweisen
3. Neue Aufgaben für Kassenärztliche Vereinigungen,
Krankenkassen und den Spitzenverband Bund der
Krankenkassen
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I. Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens:
Zur Notwendigkeit der Beseitigung der
Straflosigkeit der Vertragsärzte wegen Korruption
1. Entscheidung des Großen Senats des BGH:
 Vertragsärzte: keine Amtsträger / keine Beauftragte
 Begründung: Verhältnis des Versicherten zum Vertragsarzt wesentlich von
Elementen persönlichen Vertrauens bestimmt
2. Ruf des Großen Senats nach dem Gesetzgeber!
„Vor dem Hintergrund der seit längerem im strafrechtlichen Schrifttum geführten Diskussion sowie im
Hinblick auf gesetzgeberische Initiativen zur Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen
verkennt der Große Senat für Strafsachen nicht die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens,
Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems
zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten. Die Anwendung bestehender
Strafvorschriften, deren Tatbestandsstruktur und Wertungen der Erfassung bestimmter
Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Erbringung von Gesundheitsleistungen nach den
Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung als strafrechtlich relevant entgegenstehen, auf der
Grundlage allein dem Gesetzgeber vorbehaltener Strafwürdigkeitserwägungen ist der Rechtsprechung
jedoch versagt.“
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I. Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens:
Zur Notwendigkeit der Beseitigung der
Straflosigkeit der Vertragsärzte wegen Korruption
3. Korruption bisher ohne strafrechtliche Rechtsfolgen?
Antwort: Nein!
a. Vorteilsannahme und Bestechlichkeit für Amtsträger(§§ 331, 332
StGB)
b. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
c. Abrechnungsbetrug bei Kick-backs
d. Untreue des Vertragsarztes(?)
e. Fazit: Lückenhaftigkeit des Antikorruptionsstrafrechts
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
1. Wortlaut
§ 299a Bestechlichkeit im Gesundheitswesen
(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die
Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im
Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder
einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder
annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder
Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten
oder Untersuchungsmaterial
1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer
Weise bevorzuge oder
2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit
verletze,
Vorhergehende Fassung: in sonstiger Weise seine
Berufsausübungspflichten verletze
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
1. Wortlaut
§ 299a Bestechlichkeit im Gesundheitswesen
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne
des Absatzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder
annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder
Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind,
seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen
Unabhängigkeit verletze.
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§ 299a, 299b
StGB erfassten Verhaltensweisen
These 1: Die Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Einführung
der strafrechtlichen Verantwortung wegen Bestechlichkeit und
Bestechung im Gesundheitswesen ist überzeugend. Es handelt sich um
strafwürdiges und strafbedürftiges Verhalten. Die Einführung eines
Straftatbestandes ist deshalb legitim!
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§ 299a, 299b StGB
erfassten Verhaltensweisen
Bestechung als Wettbewerbsgefährdung oder Berufspflichtverletzung
 Schützenswerte Rechtsgüter
o Wettbewerb im Gesundheitswesen
• stark regulierter „Wettbewerb“ des Gesundheitswesens
o Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient
These 2: Der aktuelle Gesetzesentwurf vermengt Wettbewerbsschutz und
Schutz des Patientenvertrauens nicht mehr!
a. Der Schutz des Wettbewerbs wird durch die erste Variante des § 299a
StGB geschützt.
b. Der Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Patient
und Heilberufsträger wird ausschließlich durch die 2. Variante
geschützt.
c. Deshalb stehen beide Alternativen in Tateinheit zueinander.
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§ 299a, 299b
StGB erfassten Verhaltensweisen
 Überzeugende Lozierung der Strafvorschriften im StGB (nicht im
SGB V)
 Sozialrechtliche und berufsrechtliche Regelungen allein erfassen
den Unwert korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen nicht
hinreichend
 Blankettverweisung (?) auf berufsrechtliche Regelungen oder
normatives Tatbestandsmerkmal
o Inbezugnahme von berufsrechtlichen Pflichten anderer EUStaaten?
o Inbezugnahme von berufsrechtlichen Pflichten ausländischen
Staaten?
These 3: Die 2. Alternative verweist als Blankett nur auf die deutschen
berufsrechtlichen Regelungen. Heilberufsträger im Ausland unterliegen
§ 299a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht.
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§ 299a, 299b
StGB erfassten Verhaltensweisen
Problem: Inbezugnahme berufsrechtlicher Pflichten
 Strafbarkeitsgefälle durch unterschiedliche berufsrechtliche
Vorschriften
o kein gleichheitswidriges und verfassungswidriges „Sonderstrafrecht
für Ärzte“
o Strafrecht darf fragmentarisch und anlassbezogen sein!
 Möglichkeit zur zukünftigen „strafbefreienden Berufsrechtsgestaltung“
 Vereinbarkeit mit der Bundeskompetenz des Gesetzgebers auf dem
Gebiet des Strafrechts?
o Wenn der Bundestag von seiner Strafrechtskompetenz Gebrauch
macht, muss das Handlungsunrecht im Wesentlichen einheitlich
bestimmt sein!
 Sachnähe der Ärztekammern als Legitimationsgrundlage?
 Dynamische Verweisung auf das für den jeweiligen Heilberuf
maßgebliche Berufsrecht
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§ 299a, 299b
StGB erfassten Verhaltensweisen
These 4: Der Verweis auf spezifische berufsrechtliche Regelungen, die
die Unabhängigkeit des Berufsträgers betreffen, ist sachgerecht und
dient der Konkretisierung der vom Gesetzgeber bereits getroffenen
Umschreibung des tatbestandlichen Verhaltens.




Vereinbarkeit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip?
Vereinbarkeit mit dem Wesentlichkeitsgrundsatz?
Hoher Informationsaufwand für die Geberseite
Freiwillige Berufsordnungen und sonstige Verpflichtungen von
Berufsverbänden für ihre Mitglieder von vornherein irrelevant
 Manche Heilberufe ohne berufsrechtliche Pflichten!
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
2. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit der durch §§ 299a, 299b
StGB erfassten Verhaltensweisen
These 5: Das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit und des „Vorteils
großen Ausmaßes“ ist schnell verwirklicht!
Typische Erhöhung des Schuldgehalts der Tat?
Strafantragserfordernis sollte den Schutzzwecken entsprechen.
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II. § 299a StGB – Bestechlichkeit im
Gesundheitswesen
3. Neue Aufgaben für Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und
den Spitzenverband Bund der Krankenkassen
Pflicht zum regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit:
 Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen
 Berufsständischen Kammern
 Staatsanwaltschaft
Berichtspflicht und Informationen an Aufsichtsbehörden:
 Pflichtverletzungen: Anzahl, Art und Schwere
 Gegenmaßnahmen
 Verhinderter und entstandener Schaden
 Anonymisierte Fallbeispiele
Neue Compliance-Aufgaben für die Staatsanwaltschaft?
Weitergehende Auskunftspflichten der kassenärztlichen Vereinigungen
und der Krankenkassen bei Anfangsverdacht?
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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