IKB-Kapitalmarkt-News – Deutsche Industrie kann geringeres Wirtschaftswachstum in China weitgehend kompensieren 1. September 2015 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Die Sorgen über die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft halten an und sind nicht unbegründet. Denn gemessen an der Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft würde ein BIP-Wachstumsverlust von über 3 Prozentpunkten das globale Wachstumsbild durchaus belasten. Doch in welchem Maße würden einzelne Volkswirtschaften negativ beeinflusst? In ihren jüngsten Kommentaren betont die Fed, dass eine US-Zinsanhebung trotz der Abkühlung in China zu erwarten ist. Die Fed sieht nur einen begrenzten Einfluss der chinesischen Konjunktur auf die US-Wirtschaft und bewertet auch die Auswirkungen einer möglichen weiteren Abwertung der chinesischen Währung als überschaubar. Für die USA mag dies gelten. Denn nicht nur ist die US-Wirtschaft relativ geschlossen, auch hat sie einen negativen Leistungsbilanzsaldo gegenüber China. Die Nachfrage nach US-Produkten wird also weniger durch die chinesische Wirtschaft bestimmt, sondern vielmehr von den USKonsumenten. In Deutschland ist die Dynamik aufgrund der großen Bedeutung des Exports möglicherweise eine andere. Allerdings machen Ausfuhren nach China nur 6 % der deutschen Gesamtgüterexporte aus. Deshalb ist selbst bei einem deutlichen Rückgang der Ausfuhren nach China von keinem besonderen Wachstumsrisiko auszugehen, vor allem, wenn andere Exportmärkte diese Entwicklung kompensieren. Zudem blieb der Ausfuhranteil in den letzten Jahren relativ stabil bei 6 % bis 7 %, obwohl das Wirtschaftswachstum Chinas deutlich höher war als das anderer Exportmärkte. Verstärkte deutsche Direktinvestitionen in China haben den Einfluss des chinesischen Wachstums auf deutsche Exporte gedämpft. In der Kommentierung über China wird oftmals eine eindimensionale Sicht eingenommen, die damit den tatsächlichen Einfluss Chinas verzerrt. Demnach würde ein Wachstumsrückgang Chinas automatisch das deutsche Wachstum verlangsamen. Richtiger wäre aber die Aussage, dass ein niedrigeres chinesisches Wachstum das deutsche Wachstum belastet. Ob dies tatsächlich zu einer geringeren Dynamik in Deutschland führt, kann aufgrund der Exportdiversifikation nicht zwangsläufig schlussgefolgert werden. Das BIP-Wachstum im zweiten Quartal verdeutlicht den Unterschied. Der deutsche Exportanteil nach China von vor allem konjunktursensitiven Branchen wie Automobilindustrie und Maschinenbau ist in den ersten 6 Monaten 2015 deutlich gesunken (siehe IKB-Kapitalmarkt-News 28.08.2015). Die deutschen Gesamtexporte konnten dagegen aufgrund des hohen US-Wachstums im zweiten Quartal um über 5 % zulegen. So hat China zwar die deutsche Wirtschaft negativ beeinflusst, aber das Gesamtbild ist aufgrund anderer Wachstumstreiber positiv geblieben. Abb. 1: Deutschland: Exportanteile nach Länder und Regionen am Gesamtexport 2. Quartal 2015; Anteile in % Übrige Länder 26,1 Euro-Raum 36,7 302 Mrd. € China 6,2 USA 9,7 Rest EU 21,3 Quellen: Statistisches Bundesamt; IKB Doch beeinflusst eine Abkühlung Chinas nicht auch die gesamte Weltkonjunktur und hat damit über indirekte Effekte einen deutlich größeren Einfluss auf die deutschen Exporte? Eine Hauptkomponentenanalyse zeigt, dass sich die Wachstumsdynamik Chinas sehr deutlich von der Dynamik in den USA und in der Euro-Zone unterscheidet. Der chinesische Wachstumsverlauf hat nahezu keine Übereinstimmung mit dem der industrialisierten Länder. Diese Entwicklung ist vor allem in den letzten Jahren wenig überraschend. Denn während USA und Euro-Zone aufgrund der Finanzkrise und hoher Verschuldung nur sehr niedrige Wachstumsraten erreichen konnten, war die Dynamik in China anhaltend hoch. So kann aus statistischer Sicht das globale Wirtschaftswachstum in zwei Blöcke aufgeteilt werden, die relativ unabhängig voneinander sind: auf der einen Seite Kapitalmarkt News stehen die Dynamik der USA, der Euro-Zone und anderer Industrieländer und auf der anderen Seite das Wachstum von China und anderen Entwicklungsländern. Entscheidend ist, dass beide Dimensionen das Weltwachstum extrem gut abbilden und zwischen beiden kein Einfluss bzw. keine Korrelation besteht. China, die Euro-Zone und die USA haben in den letzten Jahren als Folge von länderspeziellen Entwicklungen wie z. B. der Euro-Krise einen relativ unabhängigen Wachstumspfad gezeigt. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass es keine Vernetzung zwischen den Ländern gibt, sondern lediglich, dass die Wachstumsdynamik in den USA und in China sehr unterschiedlich verlaufen ist. Eine einfache Korrelationsanalyse bestätigt diesen Eindruck, zeigt aber auch, dass das deutsche Wachstum sehr wohl von China beeinflusst wird, wenn auch eher überschaubar. Die erhöhe Korrelation Chinas mit dem globalen Wirtschaftswachstum ist angesichts des Gewichts des Landes in der Weltwirtschaft nicht überraschend. Abb. 2: Korrelation - BIP-Wachstum Chinas mit ausgesuchten Ländern, in % auf Basis normalisierter BIP-Wachstumsraten 2000 - 2 015 70 60 50 40 30 20 10 0 USA Deutschland Welt Quellen: IWF; Eurostat; IKB Um den Einfluss Chinas auf die deutsche Wirtschaft genauer zu analysieren, wurde ein Modell geschätzt (VECM-Model), das das Verhältnis der Wachstumsraten zueinander näher beleuchtet. Je nach Modellspezifikation ergibt sich folgender Einfluss: Eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in China um 1 Prozentpunkt würde die deutsche Konjunktur um 0,2 bis maximal 0,4 Prozentpunkte belasten, wobei der Einfluss über die Zeit deutlich nachlässt. Sollte Chinas Wirtschaftswachstum von 7 % auf 4 % fallen, was aktuell als eine eher extreme Prognose angesehen werden kann, würde die deutsche Konjunktur ca. einen Prozentpunkt (0,6 bis 1,2 Prozentpunkte) an Wachstum verlieren. Bei Berücksichtigung der Bedeutung von USA und EU für den deutschen Export sollte ein Rückgang des chinesischen Wachstums um 1 bis 2 Prozentpunkte 2015/16 durchaus kompensiert werden können, vor allem weil die US-Konjunktur relativ unabhängig von der Chinas verläuft. Ein langsameres Wachstum in China sollte somit begrenzten Einfluss auf das erwartete deutsche Wirtschaftswachstum für 2015/16 haben. Die Gründe hierfür sind: Der deutsche Exportanteil nach China ist überschaubar. Deutsche Exporte sind relativ diversifiziert. Das chinesische Wachstum führte zu mehr deutschen Direktinvestitionen in China und damit zu verstärkter Produktion in China; der deutsche Exportanteil nach China stieg deshalb in den letzten Jahren nicht mehr und blieb relativ stabil Der private Konsum sollte in Deutschland in diesem und im nächsten Jahr einen bedeutenden Wachstumsbeitrag liefern. Der negative Einfluss des nachlassenden Wirtschaftswachstums in China wird durch die Erholung anderer Handelspartner kompensiert. Der wichtigste Handelspartner Deutschlands, die USA, weist zu China eine relativ unabhängige Wachstumsdynamik auf. Die Euro-Zone stabilisiert sich weiter, die Euro-Schwäche wird tendenziell anhalten. Fazit: Die IKB schätzt, dass ein Rückgang des Wirtschaftswachstums in China um 1 Prozentpunkt das deutsche BIPWachstum um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte belasten würde. Dies sollte aber zu keiner bedeutenden Anpassung der Wachstumsprognose für Deutschland führen, da andere wichtige Handelspartner diesen Einfluss in 2015/16 kompensieren können. Allen voran die USA, deren Wirtschaftswachstum relativ unabhängig von der Entwicklung in China verläuft und im zweiten Quartal deutlich zulegen konnte. Eine deutlichere Wachstumsverlangsamung der chinesischen Wirtschaft um mehr als 3 Prozentpunkte könnten allerdings sehr wohl Einfluss auf die deutschen BIP-Wachstumsaussichten nehmen, auch wenn sich dieser laut Berechnungen der IKB in Grenzen halten sollte. Die IKB erwartet weiterhin ein BIP-Wachstum in Deutschland von 1,5 % in 2015 und 1,8 % in 2016. Das Prognoserisiko bleibt trotz der Entwicklungen in China ausgeglichen. 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