IKB-Kapitalmarkt-News – Wird China wieder zum Motor der

IKB-Kapitalmarkt-News – Wird China wieder zum Motor der Weltkonjunktur?
17. August 2016
Dr. Klaus Bauknecht
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Konjunktur stabilisiert sich und bleibt verhalten positiv
Vor etwa einem Jahr kam große Sorge auf, die chinesische Wirtschaft könne sich nicht nur abkühlen, sondern gar einen
Einbruch erleben, der eine weltweite Konjunktureintrübung mit sich bringt. Diese Sorge führte dazu, dass zahlreiche Experten
ihre Konjunkturprognosen nach unten revidierten, was den Druck auf die Notenbanken zusätzlich erhöhte. Doch die
entscheidenden Aktionen kamen von den Chinesen selbst. Die Regierung kündigte geldpolitische Lockerungen in Form von
Zinssenkungen (von 6,0 Ende 2014 auf aktuell 4,35 %), die Abwertung des Renminbi und die Senkung der Mindestreserven
(für eine umfangreichere Kreditvergabe) an. Aber auch fiskalische Maßnahmen, wie Steuererleichterungen beim Autokauf,
wurden eingeführt. Die chinesischen Wirtschaftszahlen der letzten 12 Monate dokumentieren den Erfolg dieser Maßnahmen.
So hat sich die Sorge wegen eines Konjunktureinbruchs in China bis dato nicht bestätigt .
Vielmehr stabilisieren sich die chinesischen Konjunkturindikatoren. Der Einkaufsmanager-Index für das produzierende
Gewerbe ist im Juli das erste Mal seit Anfang 2015 wieder über den kritischen Wert von 50 Punkten gestiegen. Das BIPWachstum lag im ersten wie auch im zweiten Quartal bei 6,7 % im Jahresvergleich und entwickelte sich damit besser als
erwartet. Das Wachstum der Industrieproduktion scheint sich ebenfalls zu stabilisieren, wenn auch auf einem relativ niedrigen
Wachstumsniveau. Es lag im Juli bei 6,0 % im Jahresvergleich (im Juni bei 6,2 %). Wie die stabile Entwicklung von PKW Neuzulassungen zeigt, hält das chinesische Konsumwachstum weiter an. Der Wert lag im Juni knapp 15 % über dem
Vorjahresniveau.
Abb. 1: PKW-Neukäufe in China, in Millionen
2,8
2,6
2,4
2,2
2,0
1,8
1,6
1,4
1,2
Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
2016
Jun
Jul
2015
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
2014
Quelle: Automobilv erband China
Einschätzung: Die aktuelle chinesische Konjunkturdynamik scheint relativ robust zu sein, auch wenn auf Basis der aktuellen
Indikatoren mit keiner Beschleunigung zu rechnen ist. Das chinesische Konjunkturrisiko ist aktuell eher überschaubar. Die IKB
erwartet ein BIP Wachstum von knapp unter 7,0 % in 2016 und rund 6,5 % in 2017.
China ist nach wie vor bedeutend für das globale Wachstum und die deutsche Industrieproduktion
Das Interesse an der chinesischen Konjunkturentwicklung rührt daher, dass das Land in den letzten Jahren zum wichtigsten
Wachstumstreiber der Weltwirtschaft geworden ist. So mag der direkte Wachstumsbeitrag der chinesischen Wirtschaft aktuell
bei ca. 1,2 Prozentpunkten des Welt-BIP liegen, was etwas mehr als ein Drittel des weltweiten Wachstums der letzten Jahre
ausmacht; der eigentliche Einfluss der chinesischen Wirtschaft ist aufgrund ihrer Vernetzung allerdings deutlich höher. Dies gilt
vor allem seit der Finanzkrise. Seit 2010 ist der Erklärungsbeitrag des chinesischen Wachstums für das Welt-BIP deutlich
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höher als vor der Finanzkrise (2000 – 2008). Damals haben noch andere Wachstumstreiber, wie die USA, durch eine ebenfalls
hohe Eigendynamik das Welt-BIP entscheidend beeinflusst. Seither ist das Wachstum der Weltwirtschaft abhängiger vom
chinesischen Wachstum geworden. So ist die Bedeutung Chinas nicht nur wegen seines zunehmenden Gewichts in der
Weltwirtschaft, sondern auch aufgrund des geringen Wachstums anderer Regionen zu betonen. Im aktuellen Umfeld bleibt das
chinesische Wachstum somit entscheidender Faktor für den weltwirtschaftlichen Ausblick und vor allem für die weltweite
Industrieproduktion.
Eine sich stabilisierende chinesische Industrieproduktion würde aktuell einen wichtigen Beitrag für das globale, aber auch für
das deutsche Wirtschaftswachstum liefern. Wie die globale Konjunktur, ist auch das Wachstum der deutschen
Industrieproduktion seit der Finanzkrise in höherem Maß von der chinesischen Konjunkturentwicklung abhängig. So ist für eine
erneute Beschleunigung der Wachstumsdynamik der deutschen Industrie vor allem ein stabilisierendes Wachstum der
chinesischen Industrieproduktion notwendig.
Abb. 2: BIP-Wachstum im Vergleich, in %
20
15
10
5
0
-5
-10
-15
-20
2001
2002
2003
2004
2005
China
2006
2007
2008
2009
Deutschland
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Welt (aggregiert)
Quellen: EIU; IKB-Brechnung
Einschätzung: Der globale Konjunkturausblick wird weiterhin entscheidend von China geprägt, nicht nur, weil Chinas Gewicht
in der Weltwirtschaft zunimmt, sondern auch, weil andere bedeutende Wirtschaftsregionen in 2016 erneut enttäuschen sollten.
In 2016 sollte das Wirtschaftswachstum in den USA unter 2 % liegen, während die Entwicklungen rund um den Brexit den
Ausblick für Europa belasten. Auch viele Schwellenländer können weiterhin wenig überzeugen. Für die deutsche Industrie, die
nach einem positiven Start ins Jahr an Schwung verloren hat, wäre eine Stabilisierung des chinesischen Industriewachstums
besonders wünschenswert.
Strukturelle Veränderungen halten an und stärken Wachstumsdynamik
Die Nachhaltigkeit des chinesischen Wachstums wird aufgrund struktureller Probleme Chinas bzw. nur moderater
Reformfortschritte immer wieder in Frage gestellt. Sorgen bereiten insbesondere eine mögliche Immobilienblase, die hohe
Investitionsquote sowie der hohe Verschuldungsgrad. Auch steht China oft in der Kritik, Konjunkturaspekte in den Vordergrund
zu stellen und strukturelle Probleme nur zögerlich anzugehen.
Dabei gibt es viele Anzeichen struktureller Veränderungen in China, die das anhaltend robuste, wenn auch geringere
Wachstum stützen. U. a. gehört dazu die Urbanisierungsquote, die aktuell immer noch bei einem eher geringen Niveau von
55 % liegt, tendenziell aber weiter ansteigt. Haushalte in chinesischen Städten konsumieren zwei- bis dreimal so viel wie
Haushalte in ländlichen Regionen. Auch das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen ist in den Städten dreimal so hoch wie auf dem
Land. Eine zunehmende Urbanisierungsrate führt somit insgesamt zu einem ansteigenden Pro-Kopf-Einkommen und zu mehr
Konsum. Daraus resultieren ein anhaltender Bedarf an Infrastrukturinvestitionen sowie ein Abbau von Überkapazitäten im
Immobilienmarkt, was mittelfristig das Risiko einer Immobilienblase reduziert.
Urbanisation und Wachstum beeinflussen sich wechselseitig. Auf der einen Seite ist Urbanisierung die Folge davon, dass die
Bevölkerung nach Arbeit und einem besseren Lebensstandard strebt; auf der anderen Seite benötigt die chinesische
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Wirtschaft in den Städten immer mehr Arbeitskräfte, ursprünglich vor allem wegen der wachsenden Industrieproduktion, die
aufgrund des Arbeitskräfteüberschusses niedrige Löhne zahlen konnte. Inzwischen steht zunehmend die Wertschöpfung im
Fokus, was die Produktivität steigert und höhere Löhne rechtfertigt.
Mittlerweile arbeiten rund 40 % aller Beschäftigten in China im Dienstleistungssektor. Ein Anstieg von sechs Prozentpunkten
seit 2010. Die Industrie konnte hingegen im gleichen Zeitraum nur einen Prozentpunkt zulegen und liegt aktuell bei rund 30 %.
Die übrigen Beschäftigten arbeiten immer noch im vergleichsweise unproduktiven primären Sektor, in dem reale Lohnanstiege
begrenzt sind. Allerdings sinkt der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten kontinuierlich, was insgesamt zu steigenden
Durchschnittslöhnen führt. So sollte das verfügbare Einkommen unabhängig von der Volatilität von Industrie und BIP relativ
robust wachsen und damit zu einem steigenden Anteil des privaten Konsums am BIP führen.
Abb. 3: BIP-Komponenten Chinas, in % des BIP
60
50
40
30
20
10
0
1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014
Privater Konsum
Bruttoanlageinvestition
Exporte von Waren und Dienstleistungen
Quellen: EIU; IKB
In 2010 hatte der Staat 55 % aller Löhne und Gehälter bezahlt. In 2014 waren es nur noch 37 %. Der Anteil des Privatsektors
ist dementsprechend von 45 % auf rund 63 % angestiegen. Auch durch diese Entwicklung sollte das Pro-Kopf-Einkommen
zunehmen, da die Privatwirtschaft generell produktiver arbeitet und ein geringeres Risiko von Fehlallokationen aufweist als
staatliche Planwirtschaft.
Trotz eines steigenden Pro-Kopf-Einkommens ist die Schuldenquote Chinas über die Jahre deutlich angestiegen. So ist die
Verschuldung der Unternehmen von rund 100 % des BIP in 2008 auf über 160 % in 2015 angestiegen.. Doch im Gegensatz zu
den meisten Entwicklungsländern verfügt China über einen Leistungsbilanzüberschuss. Das Land produziert also mehr Güter,
als es konsumiert, und finanziert seinen Konsum somit nicht über Verschuldung im Ausland. Im Gegenteil, China hat über die
Jahre gigantische Devisenreserven aufgebaut. Da jede Verschuldung auch eine Vermögensposition aufbaut und diese nicht im
Ausland zu finden ist, ist die steigende Verschuldung in China primär ein Thema der inneren Verteilung. Sicherlich mag die
hohe Schuldenquote das Wirtschaftswachstum belasten. Doch das politische System Chinas verschafft im Notfall viel
Handlungsspielraum.
Einschätzung: Die anhaltende Urbanisierung festigt den privaten Konsum und treibt die strukturellen Veränderungen im BIPWachstum voran. Aktuell liegt die Urbanisierungsquote bei nur 55 %, was zu anhaltendem Bevölkerungszuwachs in den
Städten führt. Daraus resultieren ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen, zunehmender Konsum, Investitionen in die Infrastruktur
und eine kontinuierliche Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum. Das Risiko steigender Schuldenquoten sollte hingegen
nicht überbetont werden.
Risiko einer Renminbi Abwertung überschaubar
Die Abwertung des Renminbi im vergangenen Jahr hat zusätzlich für Unsicherheit und teilweise sogar Panik auf den
Finanzmärkten gesorgt. Aufgrund der gleichzeitig nachlassenden chinesischen Konjunktur wurde befürchtet, dass die
Notenbank die Währung weiter abwerten würde, um insbesondere die Exportindustrie zu stützen. Diese Befürchtungen haben
sich nicht bestätigt – im Gegenteil. Um eine Abwertung zu verhindern, musste die Notenbank ihre Währungsreserven
anzapfen und das Überangebot an Renminbi neutralisieren. So sind die Reserven um fast 1 Billion US-Dollar geschmolzen.
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Abb. 4: Währungsreserven der Chinesischen Notenbank, in Mrd. US-Dollar
4500
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
Quelle: PBoC
Seit Anfang 2016 haben sich die Währungsreserven stabilisiert. Angesichts des aktuellen Konjunkturverlaufs, der strukturellen
Veränderungen in der Wirtschaft und der aktuellen Haltung der Notenbank ist nicht von einem erneuten kurzfristigen
Abwertungsdruck beim Renminbi auszugehen. Allerdings hat auch die amerikanische Fed der chinesischen Notenbank
geholfen. Denn durch ihre zögerliche Zinspolitik hat sie eine anhaltende bzw. erneute Aufwertung des US-$ und damit auch
des Renminbi verhindert. Doch kann Entwarnung gegeben werden, da ambitionierte Zinsanhebungen der Fed eher
unwahrscheinlich sind. Die IKB erwartet eine Fed-Zinsanhebung von 25 bp in 2016.
Einschätzung: Die IKB erwartet auf Grundlage aktueller Konjunkturdaten für China keinen kurzfristigen Abwertungsdruck auf
den Renminbi, vor allem nicht gegenüber dem Euro.
Fazit: Die chinesische Konjunktur hat sich gefangen und scheint ihren Wachstumspfad auf etwas niedrigerem Niveau
fortzusetzen. Angesichts eines schwachen US-Wachstums und einer anfälligen europäischen Konjunktur – unter anderem
aufgrund des bevorstehenden Brexit – ist das für die Weltwirtschaft von außerordentlicher Bedeutung. Insbesondere die
deutsche Industrie ist mangels weiterer prosperierender Volkswirtschaften auf die Nachfrage aus China vermehrt angewiesen.
Der mittelfristige Ausblick ist positiv, auch aufgrund struktureller Veränderungen der chinesischen Wirtschaft. Die
Schuldenquote des Landes steigt zwar; doch spiegelt dies kein Finanzierungs-, sondern ein Verteilungsproblem innerhalb
Chinas wider. Aufgrund dieser Entwicklungen ist eine erneute kurzfristige Abwertung des Renminbi eher unwahrscheinlich.
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17. August 2016
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