Öffentliches Recht/ BauR Seite 1 Problemübersicht: Kollision verschiedener Genehmigungen Examensrelevant kann die Frage sein, wie vorzugehen ist, wenn ein Bürger für ein Handeln verschiedene Genehmigungen benötigt, wobei sich die Prüfungsbereiche der verschiedenen Fachbehörden teilweise überschneiden. Klärungsbedürftig ist hierbei regelmäßig die Frage, wie weit die jeweilige Fachbehörde prüfen darf und inwieweit durch bereits vorhandene Genehmigungen Bindungswirkung für weitere Genehmigungsverfahren eintreten kann Zu unterscheiden sind dabei zwei Konstellationen: Prüfungsrahmen der Gewerbebehörde 2. Konstellation Prüfungsrahmen der Baubehörde 1. Konstellation 1. Konstellation: B möchte ein Gebäude errichten, in dem er dann gewerblich Menschen zur Schau stellen möchte. Er beantragt daher zunächst die insoweit gem. § 70 NBauO erforderliche Baugenehmigung und dann die gem. § 33a GewO erforderliche Gewerbeerlaubnis. Die zuständige Baugenehmigungsbehörde überprüft die von B eingereichten Unterlagen und kommt zu dem Ergebnis, dass aus baurechtlicher Sicht keine Bedenken gegen die Erteilung der Baugenehmigung bestehen. Allerdings ist sie der Ansicht, dass die erforderliche Gewerbeerlaubnis nicht erteilt werden kann, weil ihr bekannt ist, dass der B nicht unerhebliche Steuerschulden hat. Die Baugenehmigungsbehörde verweigert daher die Erteilung der Baugenehmigung aus diesen Gründen. ___________________________________________________________________________________________ schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RA Christian Pope März 16 Öffentliches Recht/ BauR Seite 2 B wendet sich nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens an seinen Rechtsanwalt mit der Bitte um Auskunft, ob die Baugenehmigung zu Recht aus diesen gewerbebezogenen Gründen verweigert werden kann. (P) Vorprüfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde: Streitig und problematisch ist insoweit die Frage, ob der Baugenehmigungsbehörde hinsichtlich der Genehmigungsvoraussetzungen der übrigen Genehmigungsverfahren, hier der GewO eine (S) Vorprüfungskompetenz zukommt. Problematik wäre im Prüfungsschema der Baugenehmigung (vgl. Übersicht BauR 1) im Rahmen der Genehmigungsfähigkeit im Prüfungspunkt Vereinbarkeit mit dem öffentlichen BauR nach der Vereinbarkeit mit Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht zu prüfen Schlusspunkttheorie 1: Baugenehmigung darf erst erteilt werden, wenn alle anderen Genehmigungen vorliegen bzw. nach Ansicht der Baugenehmigungsbehörde erteilungsfähig wären. Vorprüfungskompetenz (+) Behörde kann die somit die Erteilung der Baugenehmigung verweigern Arg.: Wortlaut der Regelungen des § 75 I NBauO Diese Ansicht wurde zuletzt auch vom OVG Münster (DVBl. 2010, 264) vertreten Separationstheorie 2: Baugenehmigungsverfahren und andere Genehmigungsverfahren sind voneinander unabhängig und separat zu beurteilen Vorprüfungskompetenz (-) Verweigerung der Baugenehmigung aus Gründen, die nicht zum gesetzlichen Prüfungsrahmen der Bauordnungsbehörde gehören, nicht möglich Arg.: Sinn und Zweck der unterschiedlichen Genehmigungsverfahren Wille des Gesetzgebers muss Beachtung finden Modifizierte Schlusspunkttheorie 3: Genehmigungsbehörde kann die Baugenehmigung mit Baubeginnvorbeha lt dergestalt versehen, dass mit dem Bau erst begonnen werden darf, wenn noch ausstehende anderweitige Genehmigungen erteilt worden sind. Arg.: 1 Gaentzsch NJW 1986, 2787, 2792; Ortloff NJW 1987, 1665, 1669 BayVGH NVwZ 1994, 304 ff.. 3 BVerwG, DVBl 1996, 57 ff. 2 ___________________________________________________________________________________________ schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RA Christian Pope März 16 Öffentliches Recht/ BauR Seite 3 Gesetzgeberischer Wille wird auf diese Weise ausreichend berücksichtigt wohl eingeschränkte Vorprüfungskompetenz vollständige Verweigerung der Baugenehmigung nicht möglich Baubeginnvorbehalt ist aufschiebende Bedingung iSd. § 36 II VwVfG 2. Konstellation: B möchte wiederum ein Objekt errichten und anschließend in diesem Objekt Menschen zur Schau stellen. Er beantragt die insoweit erforderliche Baugenehmigung gem. § 70 NBauO und die gem. § 33a GewO erforderliche Gewerbeerlaubnis. Die zuständige Baugenehmigungsbehörde prüft die vorgelegten Unterlagen und erteilt dann die Baugenehmigung antragsgemäß, da sie das Objekt mit der geplanten Nutzung für voll genehmigungsfähig hält. Die zuständige Gewerbebehörde prüft den bei ihr gestellten Antrag ebenfalls und kommt zu dem Ergebnis, dass das Objekt in dem Gebiet, in dem es betrieben werden soll, zu erheblichen Belästigungen für die Umgebung führen würde und möchte bereits aus diesem Grund die Erteilung der Erlaubnis ablehnen. Auch hat sie Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit des B. B wird zu dieser Problematik nochmals durch die Gewerbebehörde angehört. Er beruft sich darauf, dass es doch nicht sein könne, dass die Gewerbebehörde die Erteilung der Genehmigung aus raumbezogenen Gründen ablehnen wolle. Hierüber habe doch schließlich die Baugenehmigungsbehörde als sachnähere Behörde bereits abschließend entschieden. Die Gaststättenerlaubnisbehörde dürfe von dieser Entscheidung keinesfalls abweichen. Im Übrigen sei er auch zuverlässig. Die Behörde lehnt die Erteilung der Gewerbeerlaubnis aus raumbezogenen Gründen ab. B erhebt Klage. Der zuständige Richter beim VG überlegt, ob tatsächlich eine Bindungswirkung besteht. Problematik wäre im Prüfungsschema der Gewerbeerlaubnis in der Genehmigungsfähigkeit unter dem Prüfungspunkt „Vorliegen eines Versagungsgrundes“ zu prüfen Hier ist zunächst zu beachten, dass überlappende Prüfungsbereiche im vorliegenden Fall deshalb gegeben sind, weil gem. § 33a Abs. 2 Nr. 3 GewO auch die Gewerbebehörde raumbezogene Voraussetzungen bei der Erteilung der Gewerbeerlaubnis beachten muss. (P1) Fraglich und problematisch ist dabei zunächst die Frage, ob und in welchem Umfang die Gewerbebehörde an die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde gebunden ist. hM.4: Grundsätzlich ist eine Behörde in ihrem Verfahren nicht an eine Entscheidung über einen Aspekt, über den in einem anderen bereits abgeschlossenen Verfahren entschieden wurde, gebunden. Eine Bindungswirkung ist aber ausnahmsweise möglich, wobei nach der Rechtsnatur des VA abzugrenzen ist. 4 Michel/Kienzle GastG § 4 Rn. 60; Ortloff, NJW 1987, 1665 (1666); Lämmle, a.a.O., S. 82 ff. m.w.N. ___________________________________________________________________________________________ schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RA Christian Pope März 16 Öffentliches Recht/ BauR Seite 4 o In Betracht kommt zunächst eine Bindungswirkung der Baugenehmigung aufgrund der sogn. Feststellungswirkung eines VA Bindungswirkung bestünde insoweit sowohl an Tenor, wie auch an die Begründung des VA Feststellungswirkung besteht jedoch nur in den gesetzlich ausdrücklich angeordneten Fällen (zB. § 35 III GewO) dies ist bei Baugenehmigung nicht der Fall o Bindungswirkung könnte aber auch aufgrund der Tatbestandswirkung eines jeden VA eintreten Tatbestandswirkung bedeutet, dass jede Behörde die Existenz eines bestehenden VA zu beachten hat Beispiel: Ausländer A wird durch VA bestandskräftig eingebürgert jede Behörde muss A nunmehr als Deutschen behandeln. Tatbestandwirkung bezieht sich jedoch nur auf den verfügenden Teil (Tenor) des VA, nicht auf die Begründung Nachfolgende Behörde müssen also die Entscheidung der vorhergehenden Behörde als gegeben akzeptieren Mit Erteilung der Baugenehmigung wird verfügend festgestellt (feststellende Wirkung der Baugenehmigung), dass kein Verstoß gegen das öffentliche Baurecht besteht (Tenor) Bindungswirkung für die Gaststättenbehörde vorliegend (+) o (P2) Reichweite der Bindungswirkung eA.: Es besteht eine vollständige Bindungswirkung Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde ist bindend für Gewerbebehörde Kritik: es wird eine (S) faktische Konzentrationswirkung begründet hM.: Es besteht lediglich eine beschränkte Bindungswirkung Entscheidung der Baubehörde ist bezüglich der Erteilung der Gewerbegenehmigung nur insoweit bindend, als die fraglichen Aspekte in die originäre Zuständigkeit der Baubehörde fallen Gewerbebehörde wird nicht ihrer Prüfungskompetenz beraubt (so Separationsmodell), darf jedoch von ihrer Entscheidungsbefugnis nur in einer der Baugenehmigung entsprechenden Weise Gebrauch machen ___________________________________________________________________________________________ schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RA Christian Pope März 16 Öffentliches Recht/ BauR Seite 5 eA5: Separationsmodell Die sich inhaltlich berührenden Kompetenzbereiche sind strikt voneinander zu trennen. Teilweise wird hier angenommen, dass die jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen einer Behörde zuzuordnen sind. Entscheidungsbefugt ist die jeweils sachnähere Behörde Kritik: Abgrenzung ist häufig problematisch Rechtsunsicherheit Wortlaut des Gesetzes, das eine fachübergreifende Prüfung will, wird nicht ausreichend berücksichtigt teilweise wird daher verlangt, dass die Genehmigungen nebeneinander stehen und die zuständigen Behörden unabhängig voneinander prüfen divergierende Behördenentscheidungen sind möglich vgl. zum Ganzen auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdnr. 8, 9 5 Jarras, DÖV 1978, 21 (22); Henseler, DVBl. 1982, 390. ___________________________________________________________________________________________ schloemer-sperl.de Juristisches Repetitorium Hemmer RA Christian Pope März 16
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