Kollision Genehmigungen

Öffentliches Recht/ BauR
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Problemübersicht: Kollision verschiedener Genehmigungen

Examensrelevant kann die Frage sein, wie vorzugehen ist, wenn ein Bürger für ein Handeln
verschiedene Genehmigungen benötigt, wobei sich die Prüfungsbereiche der verschiedenen
Fachbehörden teilweise überschneiden. Klärungsbedürftig ist hierbei regelmäßig die Frage, wie
weit die jeweilige Fachbehörde prüfen darf und inwieweit durch bereits vorhandene
Genehmigungen Bindungswirkung für weitere Genehmigungsverfahren eintreten kann

Zu unterscheiden sind dabei zwei Konstellationen:
Prüfungsrahmen der
Gewerbebehörde
2. Konstellation
Prüfungsrahmen der
Baubehörde
1. Konstellation
1. Konstellation:
B möchte ein Gebäude errichten, in dem er dann gewerblich Menschen zur Schau stellen
möchte. Er beantragt daher zunächst die insoweit gem. § 70 NBauO erforderliche
Baugenehmigung und dann die gem. § 33a GewO erforderliche Gewerbeerlaubnis. Die
zuständige Baugenehmigungsbehörde überprüft die von B eingereichten Unterlagen und kommt
zu dem Ergebnis, dass aus baurechtlicher Sicht keine Bedenken gegen die Erteilung der
Baugenehmigung bestehen. Allerdings ist sie der Ansicht, dass die erforderliche
Gewerbeerlaubnis nicht erteilt werden kann, weil ihr bekannt ist, dass der B nicht unerhebliche
Steuerschulden hat. Die Baugenehmigungsbehörde verweigert daher die Erteilung der
Baugenehmigung aus diesen Gründen.
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B wendet sich nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens an seinen
Rechtsanwalt mit der Bitte um Auskunft, ob die Baugenehmigung zu Recht aus diesen
gewerbebezogenen Gründen verweigert werden kann.
(P) Vorprüfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde:
Streitig und problematisch ist insoweit die Frage, ob der Baugenehmigungsbehörde hinsichtlich
der Genehmigungsvoraussetzungen der übrigen Genehmigungsverfahren, hier der GewO eine
(S) Vorprüfungskompetenz zukommt.
 Problematik wäre im Prüfungsschema der Baugenehmigung (vgl. Übersicht BauR 1) im Rahmen
der Genehmigungsfähigkeit im Prüfungspunkt Vereinbarkeit mit dem öffentlichen BauR nach der
Vereinbarkeit mit Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht zu prüfen
Schlusspunkttheorie 1:
Baugenehmigung darf erst erteilt werden, wenn alle anderen Genehmigungen vorliegen bzw.
nach Ansicht der Baugenehmigungsbehörde erteilungsfähig wären.
 Vorprüfungskompetenz (+)
 Behörde kann die somit die Erteilung der Baugenehmigung verweigern
Arg.:
 Wortlaut der Regelungen des § 75 I NBauO
 Diese Ansicht wurde zuletzt auch vom OVG Münster (DVBl. 2010, 264) vertreten
Separationstheorie 2:
Baugenehmigungsverfahren und andere Genehmigungsverfahren sind voneinander unabhängig
und separat zu beurteilen
 Vorprüfungskompetenz (-)  Verweigerung der Baugenehmigung aus Gründen, die nicht
zum gesetzlichen Prüfungsrahmen der Bauordnungsbehörde gehören, nicht möglich
Arg.:
 Sinn und Zweck der unterschiedlichen Genehmigungsverfahren
 Wille des Gesetzgebers muss Beachtung finden
Modifizierte Schlusspunkttheorie 3:
Genehmigungsbehörde kann die Baugenehmigung mit Baubeginnvorbeha lt dergestalt
versehen, dass mit dem Bau erst begonnen werden darf, wenn noch ausstehende anderweitige
Genehmigungen erteilt worden sind.
Arg.:
1
Gaentzsch NJW 1986, 2787, 2792; Ortloff NJW 1987, 1665, 1669
BayVGH NVwZ 1994, 304 ff..
3
BVerwG, DVBl 1996, 57 ff.
2
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Gesetzgeberischer Wille wird auf diese Weise ausreichend berücksichtigt
 wohl eingeschränkte Vorprüfungskompetenz
 vollständige Verweigerung der Baugenehmigung nicht möglich
 Baubeginnvorbehalt ist aufschiebende Bedingung iSd. § 36 II VwVfG
2. Konstellation:
B möchte wiederum ein Objekt errichten und anschließend in diesem Objekt Menschen zur
Schau stellen.
Er beantragt die insoweit erforderliche Baugenehmigung gem. § 70 NBauO und die gem. § 33a
GewO erforderliche Gewerbeerlaubnis. Die zuständige Baugenehmigungsbehörde prüft die
vorgelegten Unterlagen und erteilt dann die Baugenehmigung antragsgemäß, da sie das Objekt
mit der geplanten Nutzung für voll genehmigungsfähig hält. Die zuständige Gewerbebehörde
prüft den bei ihr gestellten Antrag ebenfalls und kommt zu dem Ergebnis, dass das Objekt in
dem Gebiet, in dem es betrieben werden soll, zu erheblichen Belästigungen für die Umgebung
führen würde und möchte bereits aus diesem Grund die Erteilung der Erlaubnis ablehnen. Auch
hat sie Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit des B.
B wird zu dieser Problematik nochmals durch die Gewerbebehörde angehört. Er beruft sich
darauf, dass es doch nicht sein könne, dass die Gewerbebehörde die Erteilung der Genehmigung
aus raumbezogenen Gründen ablehnen wolle. Hierüber habe doch schließlich die
Baugenehmigungsbehörde als sachnähere Behörde bereits abschließend entschieden. Die
Gaststättenerlaubnisbehörde dürfe von dieser Entscheidung keinesfalls abweichen. Im Übrigen
sei er auch zuverlässig. Die Behörde lehnt die Erteilung der Gewerbeerlaubnis aus
raumbezogenen Gründen ab. B erhebt Klage. Der zuständige Richter beim VG überlegt, ob
tatsächlich eine Bindungswirkung besteht.
 Problematik wäre im Prüfungsschema der Gewerbeerlaubnis in der Genehmigungsfähigkeit unter
dem Prüfungspunkt „Vorliegen eines Versagungsgrundes“ zu prüfen

Hier ist zunächst zu beachten, dass überlappende Prüfungsbereiche im vorliegenden Fall
deshalb gegeben sind, weil gem. § 33a Abs. 2 Nr. 3 GewO auch die Gewerbebehörde
raumbezogene Voraussetzungen bei der Erteilung der Gewerbeerlaubnis beachten muss.

(P1) Fraglich und problematisch ist dabei zunächst die Frage, ob und in welchem Umfang
die Gewerbebehörde an die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde gebunden ist.
hM.4:
Grundsätzlich ist eine Behörde in ihrem Verfahren nicht an eine Entscheidung über einen
Aspekt, über den in einem anderen bereits abgeschlossenen Verfahren entschieden wurde,
gebunden. Eine Bindungswirkung ist aber ausnahmsweise möglich, wobei nach der Rechtsnatur
des VA abzugrenzen ist.
4
Michel/Kienzle GastG § 4 Rn. 60; Ortloff, NJW 1987, 1665 (1666); Lämmle, a.a.O., S. 82 ff. m.w.N.
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o In Betracht kommt zunächst eine Bindungswirkung der Baugenehmigung aufgrund der sogn.
Feststellungswirkung eines VA
 Bindungswirkung bestünde insoweit sowohl an Tenor, wie auch an die Begründung
des VA
 Feststellungswirkung besteht jedoch nur in den gesetzlich ausdrücklich
angeordneten Fällen (zB. § 35 III GewO)
 dies ist bei Baugenehmigung nicht der Fall
o Bindungswirkung könnte aber auch aufgrund der Tatbestandswirkung eines jeden VA
eintreten
 Tatbestandswirkung bedeutet, dass jede Behörde die Existenz eines bestehenden VA
zu beachten hat
Beispiel:
Ausländer A wird durch VA bestandskräftig eingebürgert  jede Behörde muss A
nunmehr als Deutschen behandeln.


Tatbestandwirkung bezieht sich jedoch nur auf den verfügenden Teil (Tenor) des
VA, nicht auf die Begründung
Nachfolgende Behörde müssen also die Entscheidung der vorhergehenden Behörde
als gegeben akzeptieren
 Mit Erteilung der Baugenehmigung wird verfügend festgestellt (feststellende
Wirkung der Baugenehmigung), dass kein Verstoß gegen das öffentliche Baurecht
besteht (Tenor)
 Bindungswirkung für die Gaststättenbehörde vorliegend (+)
o (P2) Reichweite der Bindungswirkung
eA.: Es besteht eine vollständige Bindungswirkung
 Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde ist bindend für Gewerbebehörde
Kritik: es wird eine (S) faktische Konzentrationswirkung begründet
hM.: Es besteht lediglich eine beschränkte Bindungswirkung
 Entscheidung der Baubehörde ist bezüglich der Erteilung der Gewerbegenehmigung
nur insoweit bindend, als die fraglichen Aspekte in die originäre Zuständigkeit der
Baubehörde fallen
 Gewerbebehörde wird nicht ihrer Prüfungskompetenz beraubt (so
Separationsmodell), darf jedoch von ihrer Entscheidungsbefugnis nur in einer der
Baugenehmigung entsprechenden Weise Gebrauch machen
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eA5: Separationsmodell
Die sich inhaltlich berührenden Kompetenzbereiche sind strikt voneinander zu trennen.
Teilweise wird hier angenommen, dass die jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen einer
Behörde zuzuordnen sind.
 Entscheidungsbefugt ist die jeweils sachnähere Behörde
Kritik:
 Abgrenzung ist häufig problematisch  Rechtsunsicherheit
 Wortlaut des Gesetzes, das eine fachübergreifende Prüfung will, wird nicht ausreichend
berücksichtigt
 teilweise wird daher verlangt, dass die Genehmigungen nebeneinander stehen und
die zuständigen Behörden unabhängig voneinander prüfen
 divergierende
Behördenentscheidungen sind möglich
 vgl. zum Ganzen auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdnr. 8, 9
5
Jarras, DÖV 1978, 21 (22); Henseler, DVBl. 1982, 390.
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