Periphere arterielle Verschlusskrankheit

Lernhilfen zur Hauptvorlesung „Angiologie“ WS 2015/16 - Baars
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
Definition „Periphere arterielle Verschlusskrankheit“
•
Periphere Manifestation der Atherosklerose
•
Das bedeutet in 90% der Fälle der unteren Extremität
•
Prävalenz: altersabhängig -> nimmt mit dem Alter zu, kein Unterschied zwischen den Geschlechtern
•
Verlauf:
•
Chronische pAVK (> 95% der Fälle)
•
Akute pAVK (< 5% der Fälle)
Ursachen:
•
Atherosklerose:
-
> 95% der Fälle
-
Hauptrisikofaktoren:
•
Nikotinabusus: Indizidenz einer pAVK bei Rauchern gegenüber
Nichtrauchern um das 3-fache erhöht; dabei besteht eine klare
Abhängigkeit von der Höhe des Nikotinkonsums; die Verschlussrate von Bypässen der unteren Extremität ist bei fortgeführtem
Rauchen 3 mal höher als bei Patienten, die
das Rauchen
aufgeben
•
Arterielle Hypertonie
•
Hypercholesterinämie
•
Diabetes mellitus: Inzidenz der pAVK bei Diabetikern in
Abhängigkeit von der Blutzuckereinstellung -> jeder Anstieg des
HbA1c um 1% erhöht das pAVK-Risiko um 26%
•
•
„Entzündlich“:
-
•
Familiäre Vorbelastung
15-20% der Fälle
Andere Ursachen:
-
5-10% der Fälle
-
Chronisch-rezidivierende Embolien
-
Dissektionen
-
Spastik
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-
Traumen
Symptome:
•
Leitsymptom: Claudicatio intermittens („Schaufensterkrankheit“: bedingt
durch eine limitierte Durchblutungsreserve unter muskulärer Belastung)
-
reproduzierbarer, belastungsabhängiger, krampfartiger Schmerz immer
derselben Muskelgruppe
-
Prompte Besserung in Ruhe
-
Lok.: Projizierung des Schmerzes distal der Stenose
-
DD.: „Claudicatio spinalis“: bedingt durch einen zu engen Spinalkanal > Schmerzen in den Beinen werden beim Sitzen und Vorüberneigen
(Velofahren) besser und Verschwinden nach ca. 15-30 Minuten
•
Ruheschmerz:
-
akrale Schmerzen, vor allem nachts
-
Besserung der Beschwerden beim Hinaushängen (= Tieflagerung) der
Beine
•
Nekrosen:
-
cave: verzögerte, nicht-heilende Hautläsionen akral nach Mikrotraumen und klein-chirurgischen Eingriffen
Klinische Einteilung:

den klinische Schweregrad der pAVK teilt man in verschiedene Systeme ein:
(a) Einteilung nach Fontaine: -> orientiert sich an der Gehstrecke
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(b) Einteilung nach Rutherford: -> orientiert sich an der Claudicatio (eher im
angelsächsischen Bereich!)
(c) State of the art heute: Einteilung danach, ob
-
ein Patient eine Claudicatio intermittens hat mit einem typischen
Belastungsschmerz
-
eine chronisch-kritische Ischämie vorliegt, d.h. ein Ruheschmerz, der
einhergeht mit Nekrose und objektivierbaren Zeichen einer Minderdurchblutung:
o Knöchel-RR < 70 mmHg
o Zehen-RR < 50 mmHg
o TC-PO2 < 30 mmHg
(TC = transcutan)
Komplikationen:

pAVK-bedingt: Gangrän, Sepsis, Amputation

andere Manifestationen der Arteriosklerose: Myokardinfarkt, Apoplex

Todesursache bei AVK: in 70% der Fälle: Myokardinfarkt
Klinischer Fall:
In Ihre Sprechstunde konsultiert Sie ein 50-jähriger Mann; er berichtet Ihnen, dass er
seit etwa 3 Monaten unter zunehmenden krampfartigen Schmerzen in den Waden
leide, die insbesondere unter körperlicher Anstrengung beim Gehen bergauf
auftreten. Die Schmerzen sind rechts ausgeprägter als links und zwingen den
Patienten mittlerweile dazu, Pausen beim Laufen einzulegen. In Ruhe würden die
Schmerzen dann verschwinden. Vorerkrankungen sind nicht bekannt, Medikamente
werden keine eingenommen.
Diagnostik:

Anamnese: seit wann Schmerzen?

Inspektion: Nekrosen?

Palpation: Pulsstatus, Wärme?

Auskultation: Schwirren über den Arterien

Knöchel-Arm-Index (ABI):
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-
Es wird der RR am Arm und am Knöchel gemessen und der Quotient
gebildet
-
-
Ein ABI ≤ 0.9 weist auf eine pAVK hin
ABI
Interpretation
> 1.29
Abklärung eines Diabetes mellitus
1.00-1.29
Normal
0.91-0.99
Nicht eindeutig
0.41-0.90
Hinweis auf eine mittelschwere pAVK
0.0-0.40
Hinweis auf eine schwere pAVK
ABI 0.91-0.99: in unklaren Fällen kann man den ABI auch noch einmal
unter Belastung bestimmen; wenn ABI dann ≤ 0.9 -> Hinweis auf eine
pAVK
-
ABI > 1.29: in Einzelfällen führt die Messung des ABI nicht weiter, etwa bei
einer ausgeprägten verkalkten Mönckeberg-Sklerose (häufige am Arm als
am Bein) -> dann verwendet man andere nicht-invasive Diagnostik-Methoden wie z.B. Zehen-RR-Messung mittels Dopplertechnik: -> „Doppler“ =
österreichischer Physiker:
o gemessen wird die Pulswellengeschwindigkeit
o daraus wird der periphere RR berechnet
MERKE: der ABI ist eine sensitive und spezifische Messung; die Messung des ABI
ist eine rasche und kosteneffektive Methode, um die Diagnose einer pAVK zu sichern
oder zu widerlegen; TASC II empfiehlt den ABI als Routinemessung im Rahmen der
hausärztlichen Versorgung!
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
Laufbandergometrie:
-

3.2 km/h (entsprechend 2 Meilen/h) bei einer Steigung von 12%
farbkodierte Duplexsonographie:
-
Ziel: Diagnosesicherung bei ABI ≤ 0.9
-
gestattet die morphologische Darstellung des Gefässes und senkrecht
dazu die Messung des Flussgeschwindigkeitsprofils



intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie (DSA):
-
Therapieplanung: -> Ort, Ausdehnung und Charakteristik der Läsion
-
invasive Bildgebung
-
Vorteil: häufige Verfügbarkeit
-
Nachteil: mit Strahlenbelastung vergesellschaftet
Kontrastmittel-unterstützte Magnetresonanzangiographie:
-
Alternative zu DSA -> immer größeren Stellenwert
-
Vorteil: strahlenfrei
-
Nachteil: geringe Verfügbarkeit
Computertomographische Angiographie:
-
Weitere Alternative: Beste Auflösung und präzise Darstellung, aber nicht
unerhebliche Strahlenbelastung
-
Indiziert zur dezidierten Planung einer Intervention
-
Nachteil: wieder Strahlenbelastung“
Therapie:

Stadium I/IIa:
-
Therapie der Risikofaktoren
-
Gehtraining (AHA/ACC-Guidelines (2006): ein kontrolliertes Trainingsprogramm ist als Initialtherapie für Patienten mit Claudicatio intermittens zu
empfehlen; das Training sollte mindestens 30-45 Minuten dauern und
mindestens 3 ml pro Woche über mindestens 12 Wochen erfolgen.
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-
medikamentös (Cilostazol, Naftidrofuryl, Protanoide): Cilostazol (100 mg
oral 2-mal täglich) ist indiziert als eine effektive Therapue zur
Symptomverbesserung und Verlängerung der Gehstrecke bei Patienten
mit pAVK der unteren Extremitäten und Claudicatio intermittens.

Stadium IIb und größer:
-
interventionelles Vorgehen:
o PTA (perkutane transluminale Angioplastie
o DCB (drug coated Ballon)
o Stents
o Thrombektomie
o Atherektomie
-
TEA (Thrombendarteriektomie), Embolektomie:
o Ausschälen der arteriosklerotischen Intimawand/Patch
-
Bypasschirurgie:
o Venen (v.a. V. saphena magna)
o Kunststoff (Goretex oder Dacron); Nachteil des Kunststoffes ist die
erhöhte Thrombose- und Wiederverschlussrate; daher immer Antikoagulation nötig bei Kunststoffbypass!


Amputation: Ultima ratio
Rezidivproblematik:
-
Progression der Grundkrankheit
-
biomechanische Belastung der Gefäßwand (AFS, APOP)
-
inflammatorische Reaktion auf Dilatationsstress
Therapeutische Massnahmen:
-
Lebensstilmodifikation
-
Intensivierte Basis-Pharmakotherapie
o Arterielle Hypertonie/Linksherzhypertrophie/Nephropathie mit erhöhter Eiweißausscheidung:
=> Ziel-RR-Wert: < 130/80 mmHg mit AT1-Antagonist
o Hyperlipidämie:
=> Ziel-LDL-Wert: < 100 mg/dl
o Diabetes mellitus:
=> Ziel-HbA1c: < 7%
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o Zustand Q-WAVE-Infarkt (STEMI)(pAVK-Stadium IIb:
=> forcierte Blutzuckereinstellung, RAAS-Blockade, ASS und
Clopidogrel

-
Gezielte medikamentöse Nachbehandlung
-
Interventionelle Modifikation
Restenosebehandlung nach PTA:
-
Endovaskuläre Brachy (Bestrahlungs-)therapie mit Rhenium 188
-
Atherektomie mittels Atherektomiekatheter
-
Medikamenten beschichteter peripherer Stent (peripheral drug eluting
stent) = DES
-
Medikamenten beschichteter peripherer Ballon (peripheral drug eluting
ballon) = DEB
-
Cutting Balloon
Def. „Subclavian-Steal-Syndrom“:

Verschluss der A. subclavia an ihrem Abgang vom Aortenbogen

Folge: retrograde Blutversorgung des gleichseitigen Armes über die Vertebralarterie
Symptome:

Drop attacks: vertebro-basiläre Insuffizienz

Blutdruckdifferenz von > 25 mmHg an beiden Armen
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