Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud)

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Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud)
Definition „Raynaud-Syndrom“

Erstmals von dem französischen Arzt Maurice Raynaud (1883-1881) beschrieben

Funktionelle Durchblutungsstörung: nicht organische anfallsweise Minderdurchblutung der Akren (speziell der Finger) mit einer folgenden Verfärbung (> Tricolore).
Ätiopathogenese:
Man unterscheidet zwischen einem primären (idiopathischem) Raynaud-Syndrom
und einem sekundären Raynaud-Syndrom:

primäres (idiopathische) Raynaud-Syndrom:
o Auslöser: funktioneller Vasospasmus der kleinen versorgenden Gefäße
der Akren, der z.B durch Kälteexposition, plötzlicher Temperaturwechsel und psychischen Stress ausgelöst werden kann.
o Genaue Ätiologie ist bislang nicht ausreichend erklärt. Man vermutet
allerdings, eine Dysregulation des sympathischen Teils des autonomen
Nervensystems, der über eine Alpha-Adrenorezeptoren eine übermäßige Gefäßkonstriktion der Arteriolen bewirkt.

sekundäre Raynaud-Syndrom:
o Auslöser: Grunderkrankung (z.B Kollagenosen,Thrombangitis obliterans, Trauma, arterielle Verschlusskrankheit).
o Auch
Medikamente
oder
äussere
mechanische
Einwirkungen
(Vibrationsstrauma) können ein sekundärer Raynaud bedingen (siehe
Tab 1).
Ursachen eines sekundären Raynaud‐Syndroms Kollagenosen  CREST‐Syndrom/Sklerodermie  Mischkollagenosen (Sharp‐Syndrom)  Lupus erythematodes Medikamente  Betablocker 1
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 Zytostatika  Interferon  Mutterkornalkaloide und Derivate Äussere Einwirkungen  Vibration  Schläge mit dem Handballen  Schäden durch Erfrierungen Chemikalien  Arsen  Vinylchlorid Tab. 1: Ursachen einer sekundären RS
Symptome:
Charakteristisch für das Raynaud-Syndrom ist das Auftreten von 3-Phasen:

Ischämie („weisse Haut“) : Blasse Akren mit zum Teil durch Minderdurchblutung induzierte Parästhesien und Taubheitsgefühl (funktioneller Vasospasmus)

Akrozyanose(„blaue Finger“): Zyanotische Haut durch Hypoxie (kapilläre und
venöse Paralyse)

Reaktive Hyperämie („rote Haut“):Vermehrte Durchblutung nach Lösung des
Vasospasmus
In Anlehnung an die französische Flagge wird diese Symptomatik als sog. TrikolorePhänomen bezeichnet (s.Abb. 1). Typisch für das primäre Raynaud ist ein
symmetrischer Befall der Digiti II-V (der Daumen ist in der Regel nicht betroffen),
während beim sekundären Raynaud typischerweise kein symmetrisches Befall
beobachtet wird. Beim sekundären Raynaud–Syndrom können durch Sekundärschäden der Gefäße auch trophische Störungen auftreten wie z.B Ulzerationen oder
Fingerkuppennekrosen. Ferner können hierbei die Phasen der Akrozyanose und/
oder reaktiven Hyperämie beim sekundären Typ fehlen.
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Abb.1: Tricolore-Phänomen bei Morbus Raynaud (Quelle:www. medicinenet.com)
Prävalenz:
Der grössere Teil der Bevölkerung (80%) leidet an einem primären RaynaudSyndrom. Ein primäres Raynaud-Syndrom manifestiert sich meist vor dem 40. Lebensjahr. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Diagnostik:

Anamnese + körperliche Untersuchung:
o Frage nach typischen Kollagenose-Symptomen ( Kardiopulmonale Auffälligkeiten, Myalgien,Arthritis, Fieber, Sicca-Symptomatik, Hautveränderungen, Photosensitivität ), Frage nach Medikamente, Eruieren von
Arbeiten mit vibrierenden Werkzeugen (-> Berufskrankheit!) , genaue
Auslösung von Raynaud-Attacken durch ein Positionswechsel im Halsund Schulterbereich als Hinweis für ein Thoracic outlet Syndrom.

Ischämienachweis mittels Provokationstests:
o Kälteprovokation : Eintauchen der Hände für ca. 3 min in Eiswasser
o Faustschlussprobe( Patient wird gebeten, die Hände bei erhobenen
Armen und komprimiertem Handgelenk im Sekundentakt zwei Minuten
lang zur Faust zu schließen und wieder zu öffnen.

Kapillarmikroskopie:

Labor:
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o Blutsenkungsgeschwindigkeit, Immunserologie (ANA, Antikörpernachweis)
Diagnostische Kriterien des primären RS Diagnostische Kriterien des sekundären RS Auslösung durch Kälte Symmetrischer Fingerbefall an beiden Händen Fehlen von Nekrosen/Ulzerationen Normale Kapillarmikroskopie Normale Blutsenkungsgeschwindigkeit Negative Immunserologie Nachweis struktureller Kapillarveränderungen in der Nagelfalz‐
Kapillarmikroskopie Nachweis einer Ursache für das sek. RS (Siehe Tab XX) Abb. 2: Diagnostische Kriterien beim primären und sekundären RS
Therapie:

Primäres Raynaud:
o Konsequenter Kälteschutz des Akren durch speziell isolierende
Handschuhe
oder durch Einsatz von Taschenwärmern, heizbare
Handschuhe und Sohlen.
o Nikotinverzicht (-> Rauchen reduziert zusätzlich den Blutfluss im
Bereich der kleinen Gefäße)
o Vasodilatatoren
o Calciumantagonisten (z.B Nifedipin®, Diltiazem®)
o ACE-Hemmer (z.B. Enalapril®)
o Angiotensin-II-Rezeptor-1 (AT-1) Antagonisten (z.B. Losartan®)
o Nitropräparate

Sekundäres Raynaud:
o Behandlung der Grunderkrankung/Meidung der auslösenden Ursache
(Medikamente, äussere Reize, Noxen)
o Vasodilatatoren (s. oben)
o Infusionen mit Prostaglandin E1 (z.B Iloprost®) bei Ruheschmerzen
oder trophischen Störungen.
Iloprost® ist ein Prostaglandianalogon und führt neben einer Vasodilatation
zur Hemmung der Thrombozytenaggregation und- adhaesion. Intravenöses
Iloprost ist derzeit am besten belegt für die systemische Sklerose,
insbesondere beim gleichzeitigen Vorliegen von Fingerkuppennekrosen. Die
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Datenlage zur Behandlung eines primären Raynauds ist derzeit beschränkt,
so dass keine eindeutigen Empfehlungen bestehen.
Neuere Therapiekonzepte:

Endothelin-Antagonist (Bosentan®):
o Zwei Placebo-kontrollierte Studien zeigten, dass Bosentan neue akrale
Ulzerationen verhindert, die Abheilung aber nicht beschleunigt werden
konnte. Ein eprophylaktische Gabe von Bosentan ist vor allem bei
Patienten mit einem hohen Ulcus-Risiko (zahlreiche Ulzera in der
Vergangenheit)
gegeben.
Nachteil:
Transaminasenanstieg,
hohe
Kosten(115 Euro /Tag !)

Phosphodiesterase-Hemmer( Sildenafil®):
o Reduziert den Abbau von vasodilatatorischen Substanzen. Einsatz bei
therapierefraktären RS.
Prognose:
Das primäre Raynaud-Syndrom hat eine gute Prognose. Beim sekundären Raynaud
hängt die Prognose entscheidend von der Grunderkrankung ab.
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1 http://images.medicinenet.com/images/appictures/raynauds-phenomenon-s3causes.jpg
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