Bogenlängen - Fakultät für Mathematik

Technische Universität Dortmund
Fakultät für Mathematik
Bogenlängen
Seminararbeit
Markus Schrader
Matrikelnummer: 127047
Seminar: Analysis (Lehramt)
Semester: Sommer-Semester 2015
Betreuung:
Prof. Dr. Matthias Röger
19. Mai 2015
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Kurven im Rn
2
3 Polygonzüge und dessen Länge
3
4 Klasse der Funktionen beschränkter Variation
5
5 Rektifizierbarkeit und Berechnung von Längen
7
6 Parametertransformationen und Wege
11
Literaturverzeichnis
14
i
Kapitel 1
Einleitung
Innerhalb dieser Seminararbeit werden Kurven hinsichtlich ihrer Länge untersucht und
ob diese überhaupt eine endliche Länge besitzen. Hierbei werden insbesondere die Klassen der einmal stetig differenzierbaren Kurven und auch die der stückweise differenzierbaren Kurven betrachtet und hingehend auf ihre Rektifizierbarkeit untersucht. Rektifizierbar ist hierbei in etwa als streckbar zu verstehen. Dies bedeutet, die Kurve besitzt
eine endliche Länge ausgehend von einem abgeschlossenen Intervall im Definitionsbereich.
Vorab soll eine knappe Wiederholung des Kurvenbegriffs vorgenommen werden. Anschließend wird ein erster Zugang zur Rektifizierbarkeit gelegt, indem die Länge von Polygonzügen betrachtet wird. Danach wird ein Exkurs über die Klasse der beschränkten
Variation stattfinden, die eine Grundlage für den Begriff der Länge oder auch Totalvariation liefert. Daraus werden dann verschiedene Zusammenhänge gefolgert, insbesondere
zu Lipschitzstetigen Kurven und dessen Rektifizierbarkeit.
Der Hauptteil der Arbeit wird die Erkenntnis sein, dass alle einmal stetig differenzierbaren und alle stückweise glatten Kurven rektifizierbar sind. Gleichzeitig wird eine Formel
zur Berechnung der Längen dieser Kurven geliefert. Dies wird an dieser Stelle auch bewiesen.
Abschließend werden Kurven unterschiedlich parametrisiert. Dies kann man so verstehen, dass Kurven unterschiedlich schnell durchlaufen werden oder sogar in umgekehrter
Richtung (orientierungsumkehrend). Eine Erkenntnis wird sein, dass unterschiedlich parametrisierte Kurven die gleiche Länge besitzen, was den Begriff eines Weges und dessen
Länge motivieren soll.
1
Kapitel 2
Kurven im Rn
Der Vollständigkeit halber wird der Begriff der Kurve knapp wiederholt, da diese im
weiteren Verlauf dieser Seminararbeit betrachtet werden.
Definition 2.1 (Kurve)
Eine Kurve ist eine stetige Abbildung f : I → Rn mit
f (t) := (f1 (t), f2 (t), ..., fn (t))
wobei die Komponentenfunktionen fi : I → R, i = 1, 2, ..., n stetige Funktionen sind. f
heißt differenzierbar, falls alle fi differenzierbar sind.
Anschaulich kann man den Wert t als Zeitpunkt betrachten, zu dem man sich auf einem
bestimmten Punkt der Kurve befindet. Dies ist wie eine Fahrtstrecke zu verstehen, die
beispielsweise von einem Auto abgefahren wird. Mit Kurven ist es somit möglich zu
sagen, wann sich das Auto an welcher Stelle der Fahrtstrecke befindet.
2
Kapitel 3
Polygonzüge und dessen Länge
Innerhalb dieses Kapitels soll ein erster Schritt in Richtung Messung von Längen getätigt
werden. Hierzu werden sogenannte Polygonzüge betrachtet. Hierzu werden k verschiedene Stützstellen oder auch Teilpunkte gewählt. Diese Teilpunkte werden anschließend mit
Strecken verbunden. Dadurch wird es möglich sein, die Länge der einzelnen Strecken zu
bestimmen und zu addieren, sodass wir die Länge des gesamten Polygonzuges erhalten.
Betrachten wir alle möglichen Zerlegungen, die bei einer Kurve vorgenommen werden
können, ergeben sich unterschiedliche Längen bezüglich der sich daraus ergebenden Polygonzüge. Diese Längen sind jedoch nach oben hin beschränkt und es ist sogar möglich
eine kleinste obere Schranke (Supremum) zu finden. Dieses Supremum wird dann als
Länge der betrachteten Kurve definiert.
Um allerdings überhaupt die Länge einer Kurve bestimmen zu können, müssen diese
eine endliche Länge besitzen. Kurven mit endlicher Länge werden als rektifizierbar bezeichnet, was auch als steckbar zu verstehen ist.
Betrachtet wird die Zerlegung Z von I = [a, b] durch die Teilpunkte t0 , ..., tk ∈ R mit
a = t0 < t1 < ... < tk = b
und die Kurve f : I → Rn .
Betrachtet wird außerdem der Polygonzug pZ : I → Rn mit den Eckpunkten f (tj ) mit
pZ (t) =
tj − t
t − tj−1
f (tj−1 ) +
f (tj )
tj − tj−1
tj − tj−1
3
Kapitel 3 Polygonzüge und dessen Länge
für t ∈ [tj−1 , tj ] wobei j = 1, ..., k. Hierbei ist pZ (t) als Strecke zwischen tj und tj−1 zu
verstehen. Dies wird ausgedrückt durch eine Linearkombination. Die Brüche sind hierbei
die Koeffizienten und die Punkte f (tj−1 ) und f (tj ) sind als feste Vektoren zu verstehen.
Die Werte in den Koeffizienten liegen im Intervall [0, 1]. Dies kann man zum einen Testen,
indem man für t einmal die Werte tj−1 und tj einsetzt und sich die daraus resultierenden
Koeffizientenwerte ansieht. Zum anderen taucht innerhalb der Koeffzienten nur der lineare Anteil t bzw. −t auf, sodass sich die Werte der Koeffizienten zwischen 0 und 1 bewegen.
Dann ist die Länge des Polygonzuges
LZ (f ) =
k
X
kf (tj ) − f (tj−1 )k.
j=1
Die Summe der Länge von LZ (f ) ist so zu verstehen, dass die einzelnen Differenzen der
Vektoren f (tj ) und f (tj−1 ) gebildet werden. Dies sind genau die Strecken zwischen den
Stützstellen tj und tj−1 . Mit Hilfe der Norm ist es möglich die Länge dieses Vektors
zu bestimmen, der genau die Strecke zwischen f (tj ) und f (tj−1 ) abdeckt. Die Länge
dieses Vektors entspricht genau der Länge der Strecke zwischen f (tj ) und f (tj−1 ). Wenn
dies nun für alle Teilstrecken gemacht wird und man die Längen der einzelnen Strecken
summiert, erhält man anschließend die Gesamtlänge des Polyzuges LZ (f ).
Nun soll ein erster Schritt getan werden, um die Länge von f selbst zu bestimmen. Hierzu betrachten wir die folgende Definition:
Definition 3.1 (Länge,Totalvariation,rektifizierbar)
Man bezeichnet
L(f ) := sup{LZ (f ) : Z Zerlegung von I}
als die Länge (oder Totalvariation) der Kurve f ∈ C 0 (I, Rn ) und benutzt hierfür auch
das Symbol
Rb
a
kDf k.
Wenn L < ∞ ist, so heißt die Kurve f rektifizierbar (streckbar).
Wichtig ist an dieser Stelle, dass das Integral
Rb
a
kDf k noch als Symbol zu verstehen
ist und das bisher noch nicht vorausgesetzt wird, dass das Differential Df überhaupt
existiert.
4
Kapitel 4
Klasse der Funktionen beschränkter
Variation
Definition 4.1 (beschränkte Variation, Totalvariation)
Eine Funktion f : I → Rn heißt von beschränkter Variation (in Zeichen f ∈ BV (I, Rn )),
wenn es ein c ≥ 0 gibt, sodass für jede Zerlegung Z von I die Ungleichung
k
X
kf (tj ) − f (tj−1 )k ≤ c
j=1
erfüllt ist. Die Totalvariation ist gegeben durch
Vab (f ) := sup{
k
X
kf (tj ) − f (tj−1 )k : Z Zerlegung}.
j=1
Bemerkung 4.2
Offenbar gilt für a < c < b im Intervall I = [a, b]
Vab (f ) = Vac (f ) + Vcb (f )
und
Vac (f ) < Vab (f )
Auf den Beweis dieser Bemerkung wird an dieser Stelle verzichtet, um den Rahmen der
Arbeit nicht zu sprengen. Stattdessen wird eine direkte Folgerung aus der vorherigen
Bemerkung vorgenommen, um Erkenntnisse zur, im vorherigen Kapitel eingeführten,
Längenmessung von Kurven zu tätigen.
5
Kapitel 4 Klasse der Funktionen beschränkter Variation
Folgerung 4.3
Ist f : [a, b] → Rn rektifizierbar und c ∈ (a, b), so sind auch f |[a,c] und f |[c,b] rektifizierbar
und es gilt
L(f ) = L(f |[a,c] ) + L(f |[c,b] )
Beweis: Setze zum Beweis dieser Folgerung Vab (f ) = L(f ), Vac (f ) = L(f |[a,c] ) und
Vcb (f ) = L(f |[c,b] )
Beispiel 4.4
Ist f : [a, b] → Rn Lipschitzstetig mit der Lipschitzkonstanten L, so ist f rektifizierbar
und es gilt:
L(f ) ≤ L · (b − a).
Beweis: Für jede Zerlegung Z von I = [a, b] mit a = t0 < t1 < ... < tk = b gilt
LZ (f ) =
k
X
kf (tj ) − f (tj−1 )k ≤ L ·
j=1
k
X
|tj − tj−1 | = L · (b − a).
j=1
Daraus folgt die Behauptung.
Aus Analysis 1 und 2 wissen wir: Jede Kurve f ∈ C 1 (I, Rn ) ist Lipschitzstetig mit
L = maxI kDf k. Somit sind alle f ∈ C 1 (I, Rn ) auch rektifizierbar.
6
Kapitel 5
Rektifizierbarkeit und Berechnung von
Längen
Nun folgt der zentrale Satz dieser Arbeit, der Aussagen bzgl. der Rektifizierbarkeit von
Kurven der Klassen C 1 und D1 trifft. Außerdem ermöglicht der Satz, die Länge von
Kurven der Klassen C 1 und D1 innerhalb eines Intervalls I berechnen zu können.
Satz 5.1 (Rektifizierbarkeit und Berechnung der Kurvenlänge)
Jede Kurve f : I → Rn der Klasse C 1 oder D1 ist rektifizierbar und
L(f ) =
Z b
a
kf 0 (t)kdt.
Beweis: Der Beweis ist folgendermaßen aufgebaut:
1. Zu zeigen: f : I → Rn der Klasse C 1 oder D1 ist rektifizierbar
2. Zu zeigen: Das Kurvenstücks f |[a,t] ist differenzierbar im Intervall [a, b)
3. Zu zeigen: Für die Länge des Kurvenstücks f |[a,b] gilt f |[a,b] =
Rb
a
kf 0 (t)kdt.
Zu 1:
Sei Z eine Zerlegung in die Teilintervalle Ij , j = 1, ..., k und f |Ij die Einschränkung der
Kurve f auf das Intervall Ij .
Es genügt die Rektifizierbarkeit für Kurven der Klasse C 1 zu zeigen, da sich die Länge
7
Kapitel 5 Rektifizierbarkeit und Berechnung von Längen
der Kurve f zum einen durch
L(f ) =
k
X
L(f |Ij )
j=1
in die Summe der Längen der Teilstücke f |Ij , j = 1, ..., k zerlegen lässt. Ferner lässt
sich auch das Integral über das gesamte Intervall in die Summe über die Integrale der
Teilintervalle durch
Z
I
kf 0 kdt =
k Z
X
j=1 Ik
kf |0Ik kdt
zerlegen.
Wegen f (tj ) − f (tj−1 ) =
LZ (f ) =
k
X
R tj
tj−1
f 0 (τ )dτ folgt für die Länge von f über die Zerlegung Z
kf (tj )−f (tj−1 )k =
j=1
Z tj
k
X
0
k
j=1
tj−1
f (τ )dτ k ≤
k Z tj
X
j=1 tj−1
0
kf (τ )kdτ =
Z b
a
kf 0 (τ )kdτ.
Somit besitzt die Zerlegung von f eine endliche Länge und insbesondere auch das Supremum über alle Zerlegungen eine endliche Länge. Es gilt
L(f ) ≤
Z b
a
kf 0 (τ )kdτ.
Zu 2:
Um die Lesbarkeit im Folgenden zu fördern, wird die Bezeichnung σ(t) für die Länge des
Kurvenstücks f |[a,t] für a < t ≤ b eingeführt. Zusätzlich gilt für t = a, dass die Länge
des Kurvenstücks σ(a) = 0 ist.
Hieraus ergibt sich für die Einschränkung f |[t,t+h] , a ≤ t < t + h ≤ b, die Länge des
Kurvenstücks σ(t + h) − σ(t) und wegen L(f ) ≤
1
1
[σ(t + h) − σ(t)] ≤
h
h
Rb
a
kf 0 (τ )kdτ ergibt sich
Z t+h
t
kf 0 (τ )kdτ.
Ferner gilt, dass die Länge des Kurvenstücks zwischen f (t) und f (t + h) mindestens so
lang ist wie die Länge der Strecke zwischen diesen beiden Punkten, also kf (t+h)−f (t)k ≤
σ(t + h) − σ(t). Somit ergibt sich eine untere Schranke
k
1
h
Z t+h
t
f 0 (τ )dτ k ≤
8
1
[σ(t + h) − σ(t)].
h
Kapitel 5 Rektifizierbarkeit und Berechnung von Längen
Fasst man beide vorherigen Resultate zusammen, erhält man insgesamt für h1 [σ(t + h) −
σ(t)] die Einschränkung
1
k
h
Z t+h
t
1
1
f (τ )dτ k ≤ [σ(t + h) − σ(t)] ≤
h
h
1
h [σ(t
kf 0 (t)k.
0
Z t+h
t
kf 0 (τ )kdτ.
Für h → 0 strebt
+ h) − σ(t)] gegen σ 0 (t) und die obere beziehungsweise untere
Schranke gegen
Daraus folgt die Differenzierbarkeit des Kurvenstücks σ(t) im
Intervall [a, b). Zudem gilt σ 0 (t) = kf 0 (t)k.
Zu 3:
Aus σ 0 (t) = kf 0 (t)k folgt wegen des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung
für die Länge des Kurvenstücks σ(t), dass
σ(t) =
Z t
a
kf 0 (τ )kdτ.
Zudem erhält man für die Länge des Kurvenstücks zwischen f (b) und f (t) wegen L(f ) ≤
Rb
a
kf 0 (τ )kdτ für a ≤ t < b die Abschätzung
0 ≤ σ(b) − σ(t) ≤
Z b
t
kf 0 (τ )kdτ.
Für h → 0 strebt σ(t) gegen σ(b) und somit
σ(b) =
Z b
a
kf 0 (τ )kdτ.
Da σ(b) gerade die Länge des Kurvenstücks im Intervall [a, b] ist, ergibt sich L(f ) = σ(b)
und somit
L(f ) =
Z b
a
kf 0 (τ )kdτ.
Beispiel 5.2
Betrachtet wird die Kreiskurve c : [0, 2π] → R2 mit Radius r > 0, die gegeben ist durch
c(t) := (r · sin(t), r · cos(t)).
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Kapitel 5 Rektifizierbarkeit und Berechnung von Längen
Es ergibt sich
L(c) =
Z 2π
0
kc0 (τ )kdτ =
Z 2π q
0
r2 · (sin2 (τ ) + cos2 (τ ))dτ =
Z 2π
0
r dτ = r·2π−r·0 = 2πr.
Korollar 5.3 (Länge nichtparametrischer Kurven)
Ist f : [a, b] → Rn von der Klasse C 1 oder D1 , so ist die Länge der nichtparametrischen
Kurve φ(x) := (x, f (x)), a ≤ x ≤ b, gegeben durch
L(φ) =
Z bq
a
1 + kf 0 (x)k2 dx.
Man nennt L(φ) auch die Länge von graph(f ).
Beweis: Das Einsetzen der Funktion φ in die Formel aus Satz 5.1 liefert direkt L(φ) =
Rbp
a
1 + kf 0 (x)k2 dx und damit die Behauptung.
Beispiel 5.4
Bestimmt werden soll die Bogenlänge der Funktion f : [a, b] → R mit f (x) = cosh(x).
Es ergibt sich nach dem vorherigen Korollar:
L(f ) =
Z bq
a
1 + sinh2 (x)dx
durch cosh2 (x) − sinh2 (x) = 1 ergibt sich
=
Z bq
a
cosh2 (x)dx =
Z b
a
cosh(x)dx = sinh(b) − sinh(a).
10
Kapitel 6
Parametertransformationen und Wege
Innerhalb von Kapitel 2 wurde der Begriff Kurve veranschaulicht, indem man sich vorgestellt hat, dass ein Auto eine Fahrtstrecke abfährt, wenn man die Kurve durchläuft.
Hierbei war zur Zeit t das Auto an der Stelle f (t).
Nun soll jedoch der Aspekt betrachtet werden, dass sich Autos auch zu unterschiedlichen Zeiten an bestimmten Stellen der Fahrtstrecke befinden können. Ebenso können
Autos unterschiedliche Zeitfenster benötigen oder die Strecke unter Umständen sogar
rückwärts abfahren.
Diese Veranschaulichung soll dazu dienen, die Begriffe Parametertransformation und
Weg zu motivieren. Im Folgenden wird zuerst die Parametertransformation definiert.
Anschließend werden mögliche C 0 -Äquivalenzen und dessen Äquivalenzklassen betrachtet, die sich später als sogenannte Wege herausstellen. Ein Ziel wird die Erkenntnis
sein, dass verschiedene Parametertransformationen eines Weges (also verschiedene Repräsentanten einer Äquivalenzklasse) die gleiche Kurvenlänge besitzen. Dadurch wird es
abschließend möglich sein, die Länge eines Weges selbst zu definieren.
Definition 6.1 (Parametertransformation, C 0 -Äquivalenz)
• Unter einer Parametertransformation verstehen wir eine bijektive Abbildung φ :
I 0 → I eines Intervalls I 0 = [a0 , b0 ] auf ein Intervall I = [a, b].
Wir nennen φ orientierungstreu, wenn φ monoton wächst, und orientierungsumkehrend, falls φ monoton fällt.
• Zwei Kurven f ∈ C 0 (I, Rn ) und g ∈ C 0 (I 0 , Rn ) heißen C 0 -äquivalent (in Zeichen
f ∼ g), wenn es eine orientierungstreue Parametertransformation φ : I 0 → I gibt,
sodass g = f ◦ φ ist.
11
Kapitel 6 Parametertransformationen und Wege
Bemerkung 6.2
f ∼ g ist eine Äquivalenzrelation.
Beweis: Hierzu sind die drei Eigenschaften einer Äquivalenzrelation zu überprüfen:
1. f ∼ f (Reflexivität)
Folgt, wenn man für φ die Identität wählt.
2. f ∼ g =⇒ g ∼ f (Symmetrie)
Folgt unmittelbar aus der Bijektivität von φ. Ist φ monoton wachsend, so ist es
auch die Umkehrabbildung φ−1 .
3. f ∼ g und g ∼ h =⇒ f ∼ h (Transitivität)
Folgt aus Anwendung der Komposition zweier Parametertransformationen φ und
ψ.
Mit der Erkenntnis, dass es sich bei ∼ um eine Äquivalenzrelation handelt, ist es nun
möglich den Begriff eines Weges zu definieren:
Definition 6.3 (Weg, Spur)
Wir nennen jede C 0 -Äquivalenzklasse γ = [f ] einen (stetigen) Weg in Rn .
Die Menge Γ := f (I) mit I = [a, b] heißt Spur des Wegen γ. f (a) heißt Anfangspunkt
und f (b) Endpunkt.
Wenn man den Gedanken betrachtet, dass verschiedene Repräsentanten einer C 0 -Äquivalenz
den gleichen Weg beschreiben, lässt sich dies so verstehen, dass es verschiedene Kurven
gibt, die denselben Weg beschreiben. Dadurch lässt sich vermuten, dass, wenn die eine
Kurve rektifizierbar ist, es auch die andere ist. Ferner lässt sich vermuten, dass diese
beiden Kurven die gleiche Länge besitzen. Dies wird im folgenden Satz untersucht.
Satz 6.4
Sind f ∈ C 0 (I, Rn ) und g ∈ C 0 (I 0 , Rn ) zwei C 0 -äquivalente Kurven und ist f rektifizierbar, so auch g und es gilt L(f ) = L(g).
12
Kapitel 6 Parametertransformationen und Wege
Beweis: Da f ∼ g C 0 -äquivalent sind, gibt es eine Parametertransformation φ : I 0 → I,
so dass g = f ◦ φ ist. Seien nun Z und Z 0 zwei Zerlegungen von I und I 0 mit
a = t0 < t1 < ... < tk = b
beziehungsweise
a0 = t00 < t01 < ... < t0k = b0
mit tj := φ(t0j ). Wegen |g(t0j ) − g(t0j−1 )| = |f (tj ) − f (tj−1 )| ergibt sich, dass
LZ 0 (g) = LZ (f ) ≤ L(f ).
Somit ist die Kurve g rektifizierbar und zudem gilt L(g) ≤ L(f ). Werden nun die Rollen
von f und g vertauscht, ergibt sich analog L(f ) ≤ L(g), sodass aus beiden Wegen die
Gleichheit L(f ) = L(g) folgt. Daraus ergibt sich die Behauptung.
Durch dieses Satz ist es uns möglich die Länge eines Weges zu definieren. Möchte man
die Länge eines Weges bestimmen, so wählt man sich einfach eine Kurve als Repräsentanten und bestimmt dessen Länge.
Definition 6.5 (Länge eines Weges)
Ein Weg γ heißt rektifizierbar, wenn ee eine rektifizierbare Parameterdarstellung f ∈
C 0 (I, Rb ) besitzt, und wir nennen
L(γ) = L(f ) =
die Länge des Weges γ.
13
Z
I
kdf k
Literaturverzeichnis
[Am]
Analysis 2, H. Amann und L. Escher, Springer Verlag, 2006
[Fo]
Analysis 2, Otto Forster,Vieweg + Teubner, 8. Auflage, 2008.
[Hi1]
Analysis 1, Stefan Hildebrandt, Springer Verlag, 2.Auflage, 2006.
[Hi2]
Analysis 2, Stefan Hildebrandt, Springer Verlag, 2013.
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