Mitteilungen der Juristischen Zentrale REGIONALCLUB Nr. 54/2015 16.12.2015 Kö Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und Tschechien im Fahrerlaubnisrecht Sehr geehrte Damen und Herren, derzeit gibt es neue Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen EU-Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Fahrerlaubnisrecht. Insbesondere die Verfahren gegen Deutschland und Tschechien sind für Inhaber deutscher Fahrerlaubnisse von besonderem Interesse. Einem Vertragsverletzungsverfahren geht i.d.R. ein sog. EU-Pilotverfahren voraus. In diesem informellen, strukturierten Dialog zwischen dem EU-Mitgliedstaat und der EU-Kommission können vermutete Rechtsverstöße gegen EU-Recht geklärt werden. Geht es allerdings um eine EU-Richtlinie (hier: RL 2006/126/EG), wird gegen den Mitgliedstaat ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Ist dieses nicht erfolgreich, erfolgt die endgültige Klärung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). 1. Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland Am 10. Dezember 2015 hat die EU-Kommission beschlossen, Deutschland vor dem EuGH zu verklagen, weil aus ihrer Sicht Deutschland die europäischen Führerscheinvorschriften (Richtlinie 2006/126/EG) nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Betroffen sind unter anderem - die Definitionen der Fahrerlaubnisklassen A2, C1, D1 und C, die Einschlussregelung der LKW- und Bus-Klassen und die Geltungsdauer der Fahrerlaubnisklassen C1 und C1E. Das gesamte Verfahren dauert voraussichtlich etwa zwei Jahre, bis ein Urteil des EuGH vorliegt. Deutschland bereitet gerade die Umsetzung der von der EUKommission beanstandeten Punkte vor. Ein entsprechendes Verordnungsgebungsverfahren wird voraussichtlich im Juli 2016 abgeschlossen werden. Bestehende Fahrerlaubnisse sollen von den Änderungen nicht betroffen sein. 2 2. Vertragsverletzungsverfahren gegen Tschechien Am 19.11.2015 hat die Kommission beschlossen, die Tschechische Republik wegen Versäumnisse bei der Bekämpfung des Führerscheintourismus vor dem EuGH zu verklagen. Auch hier lautet der Vorwurf die nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG. Der Informationsaustausch über das EU-Führerscheinnetz RESPER war zum 19.01.2013 vorgesehen. Das System dient der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander und soll sicherstellen, dass Führerscheine im Einklang mit den EUVorschriften ausgestellt werden, um Führerscheintourismus und Fälschungen besser zu bekämpfen. Tschechien ist aktuell nicht angebunden. Klagegrund ist weiter, dass die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses (also das Führerscheine nur an Personen mit Wohnsitz in der Tschechischen Republik ausgestellt werden) in den Jahren 2004 bis 2011 nicht gewährleistet wurde. Richtlinienwidrig ausgestellte und heute noch gültige Führerscheine beeinträchtigen aus Kommissionssicht die Glaubwürdigkeit des EU-Führerscheinsystems und gefährden die Straßenverkehrssicherheit. Der letzte Punkt ist für Personen interessant, die nach Entziehung einer Fahrerlaubnis in Deutschland zur Vermeidung der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) rechtswidrig einen Führerschein in Tschechien erworben haben. Mit freundlichen kollegialen Grüßen Dr. Markus Schäpe Leitung Juristische Zentrale
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