Dem Fluch des starken Frankens entgehen

Neue Zürcher Zeitung vom 10.08.2015, Seite 21:
Dem Fluch des starken Frankens entgehen
Anleger sollten bei Investitionen in ETF auf Aktien und Anleihen
stets das Währungsrisiko bedenken
In Zeiten eines sehr starken Frankens sollten Anleger bei Investitionen in Aktien- oder
Obligationen-ETF stets das Währungsrisiko im Auge behalten, sonst drohen böse
Überraschungen. Bei vielen Produkten wird das Währungsrisiko abgesichert.
Michaela Zin Sprenger
Ein harter Schweizerfranken mag bei Ferien in einem Euro-Zonen-Land die Urlaubskasse
schonen: Hotelübernachtungen in der Toskana sind günstiger als im vergangenen Sommer,
bei einem Einkaufsbummel in Paris sind die Tüten etwas voller, und ein nettes Abendessen
in Barcelona ist deutlich erschwinglicher. Doch das, was den Touristen erfreut, ist für den
Anleger weniger angenehm. Haben Schweizer in Aktien oder Anleihen aus den Ländern der
europäischen Währungsunion investiert, dann würde ein starker Euro dem Depot ein
zusätzliches Minus bescheren. Seit die Schweizer Notenbank den Franken Anfang des
Jahres vom Euro abgekoppelt hat, ist dies umso eher der Fall. Die Schweizer Währung ist so
massiv gegenüber der Gemeinschaftswährung erstarkt wie noch nie zuvor – und das aktuelle
Niveau ist immer noch sehr hoch. Die Folge ist, dass der harte Franken die Gewinne bei
Aktien aus Ländern mit schwächeren Währungen frisst.
Rasantes Wachstum
Eine der Konsequenzen ist, dass die Nachfrage nach Exchange-Traded Funds (ETF), also
börsenkotierten Indexfonds, mit einem Währungspuffer in Schweizerfranken beflügelt wurde.
Seit Anfang des zweiten Quartals 2014 bis zum Ablauf des zweiten Quartals dieses Jahres
habe sich das verwaltete Vermögen in solchen ETF nahezu verdoppelt, sagt Roger Bootz,
verantwortlich für den Bereich «öffentlicher Vertrieb von passiven Anlageprodukten in
Europa» bei der Deutschen Asset und Wealth Management. Damit machen die in
Schweizerfranken besicherten ETF mit 4,34 Mrd. € rund 17% an allen währungsgesicherten
Indexfonds aus. Sie liegen an zweiter Stelle nach in Euro besicherten ETF. Laut Bootz
wurden in Europa Ende des ersten Halbjahres insgesamt 25,63 Mrd. € in kotierte Indexfonds
mit einer Absicherung gegen Währungsschwankungen verwaltet.
Lohnende Absicherung
Bedenkt man, dass neben der Schweizerischen Nationalbank seit Jahresbeginn mehr als 25
Notenbanken weltweit an ihren Devisenkursen gedreht haben, ergibt sich noch ein anderes
Bild. Die Nachfrage nach währungsgesicherten ETF sei sehr viel stärker als der
Gesamtmarkt gewachsen, erläutert Bootz. Nach Angaben des Schweizers stieg das in Euro
verwaltete Vermögen der europäischen ETF-Branche um rund 18% an – und das der
währungsgesicherten Indexfonds mit plus 38,4% wuchs im gleichen Zeitraum sogar um mehr
als das Doppelte.
Das ist insofern naheliegend, als Anleger dadurch das Auf und Ab an den Devisenmärkten
aus dem Depot verbannen können. Ein Vergleich zeigt, dass sich dies in den vergangenen
Monaten bezahlt gemacht hat. Seit Jahresbeginn ist der MSCI-EMU-Index, der 238
Unternehmen aus der Euro-Zone umfasst, in Schweizerfranken laut dem Datenanbieter
Morningstar um 4,3% gestiegen. In Euro hätte die Wertentwicklung mit 19,1% deutlich
besser ausgesehen. Ein Anleger, der in einen ETF mit einem Währungspuffer für
Schweizerfranken wie den ETF der Grossbank UBS «MSCI EMU hedged CHF» investiert
gehabt hätte, hätte immerhin eine Rendite von 16,8% erzielt.
Hohe Volatilität
Ein Hauptgrund für diese gravierenden Unterschiede sind die Schwankungen im Kurs des
Frankens gegenüber dem Euro. Die Volatilität, der Gradmesser für die Ausschläge nach
oben und unten, liegt auf der Sicht von sechs Monaten bei 5%. Auf ein Jahr betrachtet
beträgt sie sogar rund 17%. Beim Franken ist der Wert dabei stark durch die Aufhebung des
Euro-Franken-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank beeinflusst. An dem
Tag der Aufhebung fiel der Euro zum Franken zwischendurch um 35% und schloss mit
einem Verlust von 19%. Durch grössere Wechselkursschwankungen nehme die Volatilität
der Gesamterträge eines Portfolios deutlich zu, erläutert Dag Rodewald vom ETF-Anbieter
UBS. Mit währungsgesicherten Produkten könne die Volatilität dem Gesamtportfolio
entzogen werden.
Die derzeitige Schwankungsanfälligkeit bei den Wechselkursen beeinflusst nicht nur die
Wertentwicklung von Aktien, sondern auch die von Obligationen. Bei Letzteren wird so auch
ein Vorteil dieser Anlageklasse zunichtegemacht. Obligationen mit einem Investment-GradeRating gelten unter anderem als vergleichsweise sichere Anlage, weil sie ein anderes
Auszahlungsprofil als Aktien haben: Sie weisen in der Regel einen festen Zinscoupon auf,
der bei Fälligkeit ausgezahlt wird. Ihre Wertentwicklung wird also nicht vom Börsenhandel
bestimmt, und deswegen sind sie weniger volatil und werden somit als weniger riskant als
Aktien angesehen. Da aber auch Obligationen in verschiedenen Währungen notieren,
unterliegen sie ebenfalls Wechselkursschwankungen. Die Folge davon ist, dass die Devisen
ihre Volatilität in die Obligationen transportieren und damit das Profil von Anleihen ähnlicher
wie Aktien machen und entsprechend den gängigen Klassifizierungs-Massstäben riskanter.
Mit Blick auf die verschiedenen Währungen ist der Franken nicht nur gegenüber dem Euro
sehr schwankungsanfällig. Auch zum Dollar liegt die Volatilität über dem Zeitraum von einem
Jahr bei 11,7%. Das sollten nicht nur Investoren von ETF auf die grossen amerikanischen
Leitindizes im Hinterkopf haben. Neben verschiedenen Indizes für die Schwellenländer wird
auch der MSCI World in Dollars berechnet. Und dessen ist sich nicht immer jeder Anleger
sofort bewusst. Es sei wichtig, zu wissen, welcher Index in welcher Währung kalkuliert wird,
sagt Heike Fürpass-Peter vom ETF-Anbieter Lyxor. Starke Anstiege, wie auch im Juni beim
Dollar insgesamt beobachtet werden konnte, hätten einige Anleger nachfragen lassen,
warum die Wertentwicklung ihres ETF auf den «MSCI World» von der des Indexes
abweiche.
Unter den währungsgesicherten ETF liegen Produkte mit einem Dollar-Schutz derzeit auf
Platz drei in der Beliebtheitsskala. Einige Anleger verstärken zum Beispiel die Entwicklung
der europäischen Aktienindizes durch den erstarkten Dollar. Allerdings ist dabei eines zu
beachten. Sollte die viel prognostizierte Leitzinserhöhung durch die US-Notenbank
tatsächlich noch in diesem Jahr stattfinden, dann hätte das für ETF mit einer
Währungsabsicherung Folgen für die Kosten.
Gegenwärtig sind diese vergleichsweise niedrig und liegen im Durchschnitt etwa 0,1% über
der Verwaltungskommission von börsenkotierten Indexfonds ohne Währungsabsicherung.
Wie teuer das Plus an Puffer ist, hängt im Einzelnen vom jeweiligen Währungspaar ab. Zwar
hat Sicherheit ihren Preis. Da dieser sich mitunter auch aus der Differenz der Leitzinsen
berechnet und diese momentan in den meisten Industrieländern auf einem ähnlichen Niveau
liegen, wird der Anleger dafür derzeit nicht über Gebühr zur Kasse gebeten. Kommt die
Zinswende in den USA, könnte sich das ändern. Dann wird die Absicherung nämlich
entsprechend teurer – vorausgesetzt, dass andere Notenbanken nicht nachziehen.
Kein Vollkaskoschutz
Eines sollten Anleger, die ihr Depot gegen Währungsschwankungen wappnen wollen,
ebenfalls wissen. Es gibt unterschiedliche Absicherungs-Methoden. Nur Daily-HedgedProdukte (täglich gesicherte Produkte) wiesen auch wirklich eine täglich angepasste
Währungsabsicherung auf, während die Monthly-Hedged-Produkte die Währungssicherung
lediglich einmal im Monat anpassten, sagt Oliver Kilian, ETF-Händler bei UniCredit. Bei einer
täglichen Absicherung ist der Anleger auch dann geschützt, wenn an einem einzigen Tag der
Franken, der Dollar, der Euro oder eine andere Währung ungewöhnlich erstarkt oder sich
abschwächt. Die meisten Produkte sichern den ETF auf Monatsbasis ab. Das ist
kostengünstiger und mittelfristig nach Ansicht verschiedener Emittenten effizienter. Allerdings
ist das nicht die Vollkaskoversicherung.
Anbieter von ETF mit einer täglichen Währungsabsicherung führen ins Feld, dass die
Wertentwicklung so stärker verbessert und die Kosten mehr als kompensiert würden. Im Fall
von starken Kurssprüngen wie Anfang Januar beim Schweizerfranken dürfte das stimmen.
Der Anleger sollte aber abwägen, für wie wahrscheinlich er die Häufigkeit solcher Ereignisse
hält. Zudem ist das Angebot hier mit einigen wenigen Produkten auf japanische Indizes
begrenzt. Doch auch was das Angebot mit einem Hedge in Schweizerfranken angeht, ist die
Auswahl von ETF auf den «MSCI EMU» derzeit überschaubar.!