Wald & Jagd
■ BAUERNBLATT l 3. Oktober 2015
Wildbrethygiene und Verwertung
Ungetrübte Freude an heimischer Spezialität
Hirschbraten, „Nein danke!"? Mit
Leckerbissen vom Wild können Jäger gut ins Gespräch kommen. Leckeres vom Reh, Wildschwein oder
Hirsch steht immer höher in der
Gunst der Verbraucher. Allerdings
gilt es, Einiges zu beachten, wenn
die Freude am Wildbret ungetrübt
sein soll.
Wie der Weg vom Revier in die Küche zu einem ungetrübten Erlebnis
wird, hängt von einigen Begleitumständen ab. Warum Wildbrethygiene bereits vor dem Schuss beginnt
und die Freude am Erlegen und am
Wild deswegen noch lange danach
ungetrübt anhält, ist allerdings kein
Geheimnis, meinen Jäger und Sachkundige wie Dr. Kurt Warlies, Leitender Kreisveterinärdirektor im Kreis
Segeberg.
Hirschbraten? „Nein danke, das ist
mir zu streng.“ Den Satz mögen vie-
Sauber zurechtgeschnitten präsentieren sich Unterschale, Oberschale und Nuss
nebst Knochen und Beinfleisch vom Reh für feinste Filets, Braten oder Wirsingrouladen und andere Wildgenüsse aus der Rehkeule.
le Jäger bereits einmal gehört ha- Wildessens vom Brunfthirsch oder
ben. Werbung für die Jagd ist der mit reichlich Testosteron und AdreGenuss eines hoch angepriesenen nalin angereichertem Keiler sicher
nicht. Bei der Beachtung einiger
schlichter Regeln sind Wirsingrouladen vom Reh, leckere Wildbratwürste, „Coc au vin“ vom Fasan und zarte
Wildsteaks vom Grill allerdings die
schönste Werbung für die „Grüne
Passion“. Das wissen so auch die Jäger aus dem Plöner Revier in der Gemeinde Schillsdorf. Etwa 60 Stück
Schalenwild beträgt hier die Jahresstrecke, zu der Rehwild, Damwild
und Schwarzwild zählen. Längst hat
sich die Wildverwertung in der eigenen Küche vom klassischen Wildbraten zu Kurzgebratenem oder feinstem Grillgut gewandelt, erzählen
die Schillsdorfer Jäger. Dorffeste sind
inzwischen fester Bestandteil im
Jagdjahr und der „Jägergrill" mit leckerer Wildbratwurst und Filets vom
Rehbock oder Überläufer (junges
Wildschwein), sind die beste Grundlage für ungezwungene Gespräche
rund um die Jagd und aktuelle Um-
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Mürrisch aber offensichtlich gesund. Trotzdem ist der Hase als potenzieller Empfänger der Tularämie (Hasenseuche) ein möglicher Überträger einer sogenannten
ZoonoseunddamiteineraufdenMenschenübertragbarenKrankheit.Grundsätzlich gilt: Einmalhandschuhe sind beim Verwerten von Wild keine Schande.
weltthemen, wissen Jäger wie Jeremy Weikinat oder „Reviergrillmeister“ Frank Matthießen aus Bokhorst.
Fast die gesamte Jahresstrecke wird
in einer nahe gelegenen EU-aner-
verschweißt und alle Untersuchungen erledigt, das sei stressfrei und
spare Zeit und Arbeit. Auch die Probenentnahme zur Trichinenuntersuchung beim Schwarzwild wird in der
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kannten Fleischerei verarbeitet. Das
hat schlichte Vorteile, meint der
Landwirt und Jäger Hans Hermann
Storm aus dem Nachbarrevier im Hegering Neun. Küchenfertig vakuum-
Fleischerei erledigt. Anders sieht es
mit dem Aufbrechen aus. Das geschieht auf dem heimischen Bauerhof. Häufig genug weiß der Praktiker, reicht das Licht im Revier einfach
„Coc au Vin“ vom Fasan? Der Vielfalt von Wild in der Küche sind kaum Grenzen
gesetzt. Auch bei Kleinwild ist Wildbrethygiene oberstes Gebot. Dann ist Wild
in der Küche die schönste Werbung für die Jagd als Nutzung natürlicher Schätze
aus Wald und Feld.
nicht mehr, um Wild und Organe
beim Aufbrechen (Öffnen des Wildkörpers und Entnahme der Organe)
ordnungsgemäß beurteilen zu können.
Das sieht auch der Segeberger
Kreisveterinärdirektor und Jäger Dr.
Kurt Warlies so. Jagd ist zwar längst
kein gesellschaftliches Privileg mehr,
aber dennoch mit Privilegien verbunden. Dazu zählt die Berechtigung zur Probenentnahme für die
Trichinenuntersuchung
beim
Schwarzwild oder etwa die Verwertung eines Dachses in der Küche, wie
sie zu früheren Zeiten durchaus üblich war. Für die Probenentnahme
durch den Jäger muss eine Berechtigung erworben werden. Diese ist
wie die dazu gehörigen Wildbegleitscheine, Wildmarken und Probenbehälter über die Kreisveterinärämter
zu erhalten. Theoretisch mögliche
Trichinen beim Schwarzwild ist allerdings nur ein kleiner Ausschnitt bei
der Betrachtung von Wild als Lebensmittel. Über die notwendige
Sachkunde und die Verantwortung
als Person, die Lebensmittel in Verkehr bringt, wie es heißt, lässt besonders geltendes EU-Recht wenig
Zweifel.
Kühlzelle ist
gute Investition
Auch wenn sich Schleswig-Holsteins Wild vom Hasen bis zum Rotwild auffällig krankheitsarm zeigt,
sollte allein wegen der geltenden
Rechtsnormen entsprechendes Gewicht auf der Wildbrethygiene liegen, sagt Warlies. Verhalten sich
Bock, Ricke, Hirsch oder Wildschwein normal? Das braucht in der
Regel wenig Zeit und sollte ganz bewusst beim sogenannten Ansprechen vor dem Schuss dazugehören,
sagt der Fachmann. Nicht umsonst
darf Unfallwild nicht in den Verkehr
Trotz guter Treffpunktlage hat der sogenannte hydrostatische Druck der Schusswirkung Der Schillsdorfer Jäger Jeremy Weikinat weiß: Leckeres vom Wild, wie
bei diesem Stück Rotwild dafür gesorgt, das Blut und Körperflüssigkeiten weit zwischen hier Filets und Grillwurst vom Rehbock, bringt die Menschen ins Gedie einzelnen Muskelpartien gedrückt wurde. Hier gilt: großzügiges Zuschneiden.
spräch und schafft Zugang zum Thema Jagd.
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Ansprechen vor dem Schuss. Aufmerksam, mit glänzender Decke (Fell)
und normaler körperlicher Entwicklung zeigt sich dieser junge Rehbock. Hier darf zunächst von einem gesunden Wildtier ausgegangen
werden.
gebracht werden, da genau diese
Merkmale fehlen. Liegt das gesunde
Wild nach dem Schuss im Idealfall im
Schussknall oder wenige Fluchten
vom Anschuss entfernt, sollte das
Wild alsbald versorgt, sprich aufgebrochen werden. Ob dies im Revier
geschieht, müsse im Einzelfall abgewogen werden. Zu bedenken sei allerdings, dass im Zweifelsfall alle Organe für eine Untersuchung aufgehoben werden sollten. Liegen keine
bedenklichen Merkmale wie Veränderungen an den Organen vor, kann
das Wild in der Regel verwertet werden.
Gesunde Organe sind im Regelfall
glänzend, zeigen typische Färbungen und wie etwa Milz und Leber
klare Ränder. Abweichende gehäufte Flecken etwa, zahlreiche Geschwüre unter der Haut, Knoten in
der Lunge, die auf einen Lungenwurmbefall hinweisen oder andere
Wildfleisch als gesundes Lebensmittel ist die beste Werbung für die Jagd. Für die
Trichinenprobe darf der 50-Gramm-Probenbehälter gern ausgenutzt werden, sagt
der Segeberger Kreisveterinärdirektor und Jäger Dr. Kurt Warlies. Dann reicht die
Menge auch für eine Nachuntersuchung.
Fotos: Ralf Seiler
sinnfällige Veränderungen, wie auffällige Gerüche, müssen die Alarmglocken schrillen lassen, so Warlies.
Liegen bedenkliche Merkmale vor,
ist eine Fleischuntersuchung unumgänglich, wenn das Stück trotzdem
verwertet werden soll. Die Kostengrenze darf allerdings in der Praxis
vom Kleinwild bis hin zu Rehwild Beachtung finden. Hier stehen Kosten
und Nutzen nur in einem gesunden
Verhältnis, wenn die Untersuchung
der Beobachtung der „Reviergesundheit“ dient.
Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei der Verdacht auf meldepflichtige Tierseuchen. Dazu zählen neben der klassischen Schweinepest Wildseuchen wie die Afrikanische Schweinepest, die inzwischen
Osteuropa erreicht hat. Für das Aufbrechen selbst darf etwa ein Zeitraum von bis zu zwei Stunden als gut
vertretbar angenommen werden.
Stichworte zur Wildbrethygiene:
Vor dem Schuss:
Normales Verhalten wie etwa
Fluchtdistanzen, Verhalten, äußere
Merkmale wie ein verschmutzter
Spiegel, normaler Gang, abgekommene Stücke – als Hinweis auf Parasitenbefall oder Krankheiten,
normaler Atem – keine Lungengeräusche oder „Schnarchgeräusche“
wie etwa bei Rachendasselbefall.
Nach dem Schuss:
Äußerliches Bild, vorhandene Verletzungen, Parasitenbefall durch
Zecken, Flöhe oder Hirschläuse
und Haarlinge in hoher Zahl, zahlreiche Federlinge oder Milben,
normale Seher oder Hoden beim
Hasen.
Beim Aufbrechen und späteren
Zerwirken, Geruch, Farbe, Konsistenz der Organe, Muskulatur
und Haut prüfen, Aufschärfen
von Lunge, Leber, Nieren und
Herz zur Prüfung auf möglichen
Parasitenbefall, Abszesse in größerer Zahl.
Keine Verwertung von eingegangenem Wild, Verkehrsfallwild oder sonstigem Unfallwild.
Beachtung möglicher Übertragungen bestimmter Wildkrankheiten auf den Menschen – Stichwort Zoonosen, Einmalhandschuhe, Kunststoffsäcke für Kleinwildtransport bei Krankheitsverdacht,
Eigenschutz vor Brauchtum.
Danach beginnt die Darmbarriere
nachzugeben, was mit einem spürbaren Anstieg von Keimen und Bakterien einhergeht. Aufgekrempelte
Hemdsärmel und Einmalhandschuhe sind dabei heute keine Schande
mehr. Im Gegenteil, auch für Jäger
darf die eigene Gesundheit ein Thema sein. Gerade Jäger haben häufig
mit den Arbeiten im Revier verbunden leicht kleine Verletzungen an
den Händen. Das schafft potenziell
Eintrittsöffnungen für Keime. Ist
kein Kühlraum vorhanden, kann sich
das Herunterkühlen des Wildkörpers
je nach Jahreszeit als Problem erweisen.
Die Anschaffung einer Kühlzelle
ist selbst für kleine Reviere oder Einzeljäger eine gute Investition, sagt
Warlies. Nach wie vor sollte Schalenwild zügig (innerhalb von 24 Stunden) auf sieben, Kleinwild wie Hase,
Ente oder Fasan auf 4 ºC heruntergekühlt werden. Auch bei Kleinwild
gilt, dieses alsbald nach dem Erlegen
auszuweiden, zu versorgen und zu
kühlen. Kein Fasan der im Dezember
geschossen wird, muss die Neujahrsglocken noch an der Scheunentür
hängend hören.
Beim Zerwirken
an Kunden denken
Ähnlich sorgsam wie Ansprechen,
ein sauberer Schuss und das Versorgen
des gestreckten Wildes sollte die Verarbeitung, sprich das Zerwirken des
Wildes erfolgen. Großzügiges Zuschneiden von Schusseinwirkungen,
die Entfernung von Sehnen und Häuten etwa beim Rücken sollte besonders bei der Abgabe an Nichtjäger Beachtung finden. Auch ins Wildhack
sollten nur die schönsten Stücke kommen.MiteinigenSchalotten,Kräutern
und in feinem Olivenöl angebraten,
lässt dann der Bratling für den Wildburger die Angebote von Herstellern
mit den bekannten großen Leuchtreklamen mit Sicherheit im Regen stehen. Wird die Verarbeitung dem
hochwertigen Lebensmittel gerecht,
bleibt am Ende nur noch der Genuss
in Küche oder auf dem Grill, Zuhause
oder beim nächsten Dorffest und die
schönste Werbung dafür, als Jäger der
Leidenschaft einer ganz besonderen
Freizeitbeschäftigung nachzugehen.
Ralf Seiler
Freier Autor
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