Klima- und Umweltbündnis Stuttgart www.KUS-Stuttgart.de Manfred Niess, Kernerstr. 22B, 70182 Stuttgart, Tel. 0711/ 29 70 82, e-mail: [email protected] Herrn Oberbürgermeister Fritz Kuhn Marktplatz 1 70173 Stuttgart Stuttgart, 17. September 2015 Divestment Ausstieg aus der Finanzierung und/oder Beteiligung an Projekten zur Nutzung fossiler Energien Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sicher haben auch Sie schon Informationen darüber erhalten, dass eine breite Bewegung in Gang gekommen ist – auch im Zusammenhang mit der Klimakonferenz in Paris 2015 - deren Ziel es ist, die Finanzierung von Projekten zur Nutzung fossiler Energien möglichst rasch und konsequent zu beenden. Menschen, Firmen, Versicherer, Banken und die unterschiedlichsten Institutionen sollen dazu bewogen werden, bisher in solche Projekte geflossenes Investitionskapital und Anlagegelder umzuschichten und keinesfalls mehr in klimaschädliche, erderwärmende neue Vorhaben zu investieren. Details dazu finden sich auf den Internetseiten http://350.org/de/ und http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/18313-aufbruch-ins-divestment-zeitalter. Wir betrachten es als evident, dass die Stadt Stuttgart die womöglich in der Vergangenheit getätigten Investitionen, Anlagen, Beteiligungen, usw. daraufhin überprüft und sich transparent, am besten öffentlichkeitswirksam, aus solchen Investitionen (direkt oder indirekt), Beteiligungen, Anlagen, usw. zurückzieht und deinvestiert um ein positives, zukunftsfähiges, klimastabilisierendes Zeichen zu setzen. Der erste Schritt auf diesem Weg muss zur Klärung folgender Fragen führen: 1. Wie verschafft sich die Stadt Stuttgart (oder auch städtische Tochterunternehmen) Transparenz ob sie und wenn ja direkt oder indirekt Geld in Unternehmen, Finanzierungen oder Projektförderungen angelegt hat, die fossile Brennstoffe (besonders Kohle, Öl,) fördern, vertreiben oder in großtechnischem Maßstab nutzen? 2. Wie bewertet und beantwortet die Stadt diese Frage in Bezug auf ihre Beteiligung/Eigenkapitalanteil an der LBBW? Ist die Stadt als Miteigentümerin treibende Kraft dafür, einen Veränderungsprozess in dieser Hinsicht bei der LBBW zu erzeugen bzw. den Vorstand in dieser Hinsicht zu einer ökologisch zukunftsgerichteten Unternehmenspolitik zu verpflichten? 3. Wie nimmt die Stadt Stuttgart als bedeutender Anteilseigner der LBBW auf deren Anlagepolitik und Anlagerichtlinien/-kriterien in Bezug auf diese Fragestellung und darüber hinaus Einfluss bzw. versucht auch andere Miteigentümer dafür zu gewinnen? Die Basis aller derzeit schon laufenden oder geplanten Maßnahmen zum Divestment aus fossilen Energieträgern ist die Tatsache, dass die Einhaltung der 2° Grad-Schranke der Weltgemeinschaft voraussetzt, dass ein sehr großer Teil der noch im Boden befindlichen Rohstoffe nicht mehr gefördert und genutzt werden darf. Eine Voraussetzung dafür ist es, diesem gesamten Bereich die finanziellen Grundlagen zu nehmen und umzulenken in zukunftsweisende, sozial-ökologisch verantwortbare gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungsfelder. Ein breites weltweites Engagement in Richtung eines Ausstiegs, der mit dem Divestment u.a. des norwegischen Pensionsfonds und der Axa- Versicherung schon begonnen hat, wird zur Folge haben, dass im Bereich der fossilen Energien besonders stark involvierte Unternehmen und Anleger gravierende finanzielle Verluste erleiden werden; z.B. kommen die Eon-Aktien in diesem Jahr bereits auf einen Abschlag von rund 37 Prozent, RWE-Aktien auf 51 Prozent. (n-tv, 17.9.2015) Auch deshalb ist ein frühzeitig zukunftgerichtetes Divestment eine politische Verpflichtung. Ein erster unerlässlicher Schritt in diese Richtung ist unseres Erachtens die transparente Aufstellung konsequenter Anlagerichtlinien für die gesamte Kommune und ihre Einrichtungen. Diese Anlage- und Investitionsrichtlinien müssen in ihren operativen Kriterien eine Werteorientierung zum Ausdruck bringen, an der sich die Stadt Stuttgart in sozialer und ökologischer Hinsicht beispielhaft, auch für andere Kommunen, messen lassen kann und will. Das heißt zum Beispiel, das in der Haushaltordnung beschriebene Ergiebigkeits- und Sparsamkeitsprinzip ist zwingend um soziale und ökologische Verantwortungsfelder qualitativ zu erweitern, über die rein monetäre Betrachtung hinaus. Dazu bedarf es eines politischen Gestaltungswillens, der dies in die Diskussion bringt mit dem Ziel, am Ende entsprechende Anlagerichtlinien auszuformulieren. Es gibt genügend Unternehmen, die in dieser Hinsicht beratend tätig sein könnten. Oekom research München, imug in Hannover oder das ökumenische Südwindinstitut. Eventuell auch die GLS Bank. Eine selbstverständlich unvollständige Aufzählung. Es stünde einer Stadt wie Stuttgart gut zu Gesicht, sich bei diesem Thema erkennbar zu engagieren und sich in eine gesellschaftlich relevante Vorreiterrolle zu bringen. Wir werden diesen Brief auch den Gemeinderatsfraktionen zur Kenntnis bringen. Mit freundlichen Grüßen im Namen des Klima- und Umweltbündnisses Stuttgart Traude Heberle-Kik Dieter Bareis Harald Beck Manfred Niess
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