New Mobility Services Wende vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister gibt neue Impulse für CRM Insbesondere für die junge Generation ist der Besitz eines eigenen Autos nicht mehr wichtig. Wohl aber eine komfortable Mobilität. Wenn Automobilhersteller jetzt umdenken, können sie die Chancen neuer Mobilitätskonzepte für das Kundenbeziehungsmanagement nutzen. 1 Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016 Erwartungen und Ansprüche an die persönliche Mobilität sind im Wandel. Die Ursachen liegen zum einen in den großen Ballungsräumen und Megacitys, deren Infrastrukturen an Grenzen stoßen. Bereits heute äußert sich dies in einer hohen Umwelt belastung, für den Einzelnen direkt spürbar sind aber vor allem Parkplatzmangel und innerstädtische Staus. Weltmetropolen wie Peking, Paris oder London reagieren darauf mit Maßnahmen wie Umweltplaketten, „Congestion Fees” oder „Ban Days”, die für Autofahrer immer eine Einschränkung bedeuten. Das Gefühl der Bequemlichkeit, mit dem Auto unterwegs sein zu können, schwindet. Zum anderen nimmt die Wichtigkeit des Autobesitzes, seine Bedeutung als Statussymbol, in den jungen Generationen deutlich ab. Generation Y und Digital Natives brauchen das Auto nicht, um mobil zu sein. Sie suchen komfortable Mobilitäts konzepte und maximale Flexibilität ohne Verpflichtungen – und greifen deshalb bevorzugt auf neue Mobilitätsangebote wie Carsharing und Transport-Apps für die intermodale Mobilität zurück. Der Wunsch nach Connectivity – sich in Netzwerken organisieren, über das Internet der Dinge verbunden sein – und Convenience – alles immer und überall verfügbar haben, Produkte und Services auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden – verstärkt diesen gesellschaftlichen Trend. Mobilitätskonzepte auf digitaler Basis schaffen Kundennähe Keine guten Nachrichten für Automobilhersteller? Weit gefehlt! Zwar titelte das renommierte Magazin Fast Company in diesem Jahr „Millennials Don‘t Care About Owning Cars, And Car Makers Can‘t Figure Out Why”. Doch noch sind Carsharing und intermodale Mobilitätskonzepte als Ergänzung der Urban Mobility zu sehen und keine Kannibalisierung der traditionellen Geschäftssparte der OEMs, des Verkaufs von Fahrzeugen. Bislang sieht nur ein Drittel der Autofahrer Carsharing als vollständiges Substitut zum eigenen Auto (Aral 2015: Trends beim Autokauf 2015). Noch ist also Zeit für OEMs, sich selbst auf den Wandel einzulassen und neue Mobilitätskonzepte zu ent wickeln. Für den klassischen Automobilhersteller bedeutet dies den Mindshift hin zum Mobilitäts- und Servicedienstleister und zur Nutzung der Digitalisierung für den intensiven Kunden austausch und eine stärkere Kundenbindung. Denn in der Vergangenheit haben sich OEMs fast ausschließlich um die Entwicklung und Herstellung von Autos gekümmert. Heute kommen IT-Unterstützung für Apps, Konnektivität und Backend, Supportprozesse wie Flottenmanagement und -disposition und vor allem – hier liegt die große Chance – das User Interface für die Endkunden mit Fokus auf Apps und Portale sowie Usability und User Experience dazu. Der Kunde auf dem (digitalen) Präsentierteller, wenn man so will. 2 Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016 Der direkte Zugang zu Kunden schafft viele Ansatzpunkte für die Kundeninteraktion, die für Kunden und Unternehmen einen Mehrwert bieten. Mit einer Mobility Card oder Nutzer-ID könnten Kunden zum Beispiel mit einer ID verschiedene Arten der Mobilität nutzen. So ist vorstellbar, dass über eine Karte oder eine App Carsharingfahrzeuge, Taxis oder Tickets für den Fernverkehr gebucht, genutzt und abgerechnet werden können. Auch für das eigene Auto können Kraftstoffe und Parkgebühren hiermit beglichen werden. Die Total Cost of Mobility werden dem Endkunden transparent in einer Kostenübersicht dargestellt. Abhängig vom Mobilitätsbedarf sind gegebenenfalls verschiedene Mobilitätstarife oder Flatrates analog zu Mobilfunktarifen buchbar. OEMs als Anbieter einer solchen Karte gewinnen Transparenz über das Mobilitätsverhalten ihrer Kunden und können auf dieser Basis maßgeschneiderte Mobilität für bestimmte Kundengruppen anbieten. Dies bindet Nutzer langfristig über den reinen Verkauf von Fahrzeugen hinaus. Mobilitätsdaten können weiterhin genutzt werden, um zielgerichtet neue Services und Mobilitätsdienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Der Aufbau von Mobilitätsnetzen mit Vorteilen für die eigenen Kunden hinsichtlich der intermodalen Mobilität würde die Lock-inEffekte für Kunden weiter erhöhen. Das Mobile Device ist der neue „Point of Sale“ „Personalized – unique – just for you”, das ist der Weg, den OEMs im Kundenbeziehungsmanagement einschlagen müssen. Produkte, Kundenservice und relevante Marketingkampagnen müssen individuell auf den einzelnen Nutzer zugeschnitten werden. Gleichzeitig wird der Nutzer über die Crowd Intelligence zum Co-Creator und somit Teil des Produkts – er wird in die Produktentwicklung integriert. Viele erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle ziehen ihren Erfolg aus genau dieser Vorgehensweise. Klassisches CRM legt den Fokus auf die internen Kundenschnittstellen und Prozesse. Die Aktivitäten im automobilen CRM konzentrieren sich noch heute hauptsächlich auf Lead-Generierungsmaßnahmen im Salesprozess und begleitende Dialogmarketingkampagnen beim Modelllaunch. Ergänzend finden eher halbherzig umgesetzte Saleskampagnen im Aftersales statt, um den Kunden proaktiv an den Servicepartner zu binden. Der tatsächliche Kundenkontakt findet nicht beim OEM, sondern maximal beim Importeur, meistens jedoch beim Händler statt. Bereits heute müssten aber tatsächlich der Kunde und das Gestalten des Kundenerlebnisses im Mittelpunkt stehen. Und so ziehen die Veränderungen im Mobilitätsverhalten veränderte Anforderungen, aber auch Möglichkeiten für das Kundenbeziehungs- und das Kundenerwartungsmanagement nach sich. 3 Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016 Andere Branchen, deren Digitalisierungsgrad bereits weiter fortgeschritten ist, bieten bereits differenziertere Ansätze, um ein nachhaltiges Kundenerlebnis zu kreieren und die Kunden an sich zu binden. App-basierte Geschäftsmodelle nutzen die Crowd Intelligence intensiv und binden den Kunden als Co-Creator über strukturierte Feedbackkanäle ein. Auf diese Weise kann ein Produkt in schnellen und agilen Entwicklungszyklen im Livebetrieb ständig weiterentwickelt werden. Aus der aktiven Mitgestaltung des Kunden an „seinem“ Produkt wächst eine enge Kundenbindung. Im Kundenservice ergänzen soziale Medien den klassischen Servicekanal. Die Herausforderung für Unternehmen liegt in der schnellen Beantwortung der Anfragen oder Beschwerden. Etwa ein Drittel der Nutzer von Social Media erwartet eine Antwort innerhalb von maximal einer Stunde. Der Nutzen für Unternehmen liegt deshalb darin, schnell und zielgerichtet auf Unzufriedenheit reagieren zu können. Mit intelligenten Network-Mapping-Methoden können hier zusätzlich die Social Influencer identifiziert und kommunikativ entsprechend bearbeitet werden. Dies erhöht die Chance, Meinungsmacher im Netz zu positivem Engagement im Sinne des Unternehmens zu animieren, was zur Verbreitung von positiven Firmenmessages beiträgt. Das wichtigste Element in der Interaktion mit dem Kunden und für die Schaffung von positiven Kundenerlebnissen ist die direkte Schnittstelle zum Kunden – das User Interface. Um dem tät Wunsch nach ständiger Konnektivität bei hoher Mobili nachzukommen, muss diese Schnittstelle „Mobile First“ designt werden. Das heißt, Kundenanwendungen werden zunächst für die Nutzung auf dem Smartphone oder Tablet gestaltet, erst danach für Laptop oder PC. Daher müssen sich Apps oder Software intuitiv anwenden lassen, eine hohe Performance nachweisen und im ungünstigen Fall, in dem ein Kunde nicht weiterkommt, eine schnelle Problemlösung anbieten. Nur so kann ein einwandfreies Kundenerlebnis geschaffen und darüber eine Bindung zur Marke zu aufgebaut werden. Das Marken image und positive Kundenerlebnis rund ums Auto werden in die digitale Welt übertragen. IT und Organisation müssen CRM-tauglich werden Digitale Geschäftsmodelle zur Mobilität beinhalten für OEMs die Chance des direkten Zugangs zu ihren Kunden und somit zu den Kundendaten. Die Herausforderung besteht nun darin, diese auch prozessieren und verarbeiten zu können. Heute noch ist in vielen Unternehmen die komplette Infrastruktur unzureichend, um dies zufriedenstellend abzubilden. Es fehlen beispielsweise integrierte performante Datenbanken, CRM Systeme sind nur rudimentär vorhanden und nicht auf digitale Servicedienstleistungen ausgelegt, die interne Organisationsstruktur ist nicht dienstleisterorientiert, die entsprechenden Prozesse fehlen. Performantes Kundendatenmanagement ist aber das Backbone, das neue digitale Mobilitätsdienstleistungen erst ermöglicht und darüber hinaus ein positives Kundenerlebnis wie auch langfristige Kundenzufriedenheit sicherstellt. „Für Facebook ist das Auto nur ein weiteres Mobile Device.“ (Zitat Christoph Stadeler, Facebook, auf dem Automotive Allstars Event 2015.) Facebook hat erkannt, dass es in der Digitalisierung der Automobilbranche nicht darum geht, das Auto zu vernetzen, sondern sich als Unternehmen im Sinne des Relation ship Building mit dem Fahrer zu vernetzen. OEMs müssen hier gleichziehen, um in der Zukunft nicht die Position als reiner Hersteller von austauschbaren „Endgeräten“ einnehmen zu müssen. Dazu müssen die Business Capabilities im Customer Relationship Management sukzessive ausgebaut und vor allem die organisatorischen und IT-technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Nur so kann der Wandel vom Hersteller hin zum Anbieter von (neuer) Mobilität gelingen und die volle Wertschöpfungskette kommerzialisiert werden. Vorreiter in diesem Bereich sind Ansätze wie moovel, Daimler AG, und Qixxit, Deutsche Bahn AG. Hier werden gezielt Geschäftsbereiche aufgebaut, die sich intermodalen Mobilitätskonzepten widmen. Noch steckt dieses Geschäftsfeld allerdings in den Kinderschuhen. AUTOREN Jörg Recktenwald ist als Managing Consultant im Cluster Automotive tätig. Er berät in- und ausländische Firmen zu Themen der Digitalisierung, schwerpunktmäßig zu neuen Mobilitätskonzepten und digitalen Geschäftsmodellen. Recktenwald hat drei Jahre in Peking gelebt und dort ein B2B-Carsharingkonzept für einen großen deutschen OEM erfolgreich mit aufgebaut. Yujin Schmidt ist Management Consultant und verfügt über mehrjährige Projekterfahrung in den Branchen Automotive und Telekommunikation. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich Neue Mobilität und Connected Car sowie bei den Themen Customer Relationship Management, Customer Experience Management und digitale Geschäftsmodelle. 4 Detecon Management Report dmr • Special CRM 1 / 2016
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