Die Lorentz-Transformation als Bedingung für die Invarianz der Wellengleichung - Prof. G. Brunk Die 1-D-Wellengleichung wurde in Vorlesung und Übungen zur Beschreibung von Schwingungen und Wellen in homogenen Systemen eingeführt: (1) längsgerichtete / longitudinale Bewegung von elastischen Stäben, Schraubenfedern, Luft- / Gassäulen. (2) quergerichtete / transversale Bewegung von straff gespannten Seilen (Fäden, Saiten). Wellengleichung: ∂x2 w − 1 2 ∂ w = 0 c2 t (1) Der Träger der Schwingungen / Wellen ist ein materielles Kontinuum. Als Bezugssystem wird dasjenige Inertialsystem gewählt, in welchem dieses Kontinuum im Gleichgewicht ruht. Doppler-Effekt heißt die Veränderung der gemessenen Frequenzen gegenüber den Frequenzen der Erregung (Quelle) in Fällen der Relativbewegung von messendem Beobachter und Quelle. Als Quotient der Frequenzen bzw. Kreisfrequenzen wurde ermittelt vB 1+ fB ΩB c ≡ = vQ fQ ΩQ 1− c (2) Hierbei sind fB , ΩB fQ , ΩQ vB vQ c die gemessenen Frequenzen bzw. Kreisfrequenzen die Frequenzen bzw. Kreisfrequenzen der Erregung die ( Absolut“-)Geschwindigkeit des Beobachters im Medium ” in Richtung der Quelle die ( Absolut“-)Geschwindigkeit der Quelle im Medium in ” Richtung des Beobachters die Wellengeschwindigkeit Bei Transformation der Wellengleichung auf die Variablen x̂ = x − xB (t) = x − (xÔ − vB t) = x − xÔ + vB t t̂ = t (3) des beobachterfesten Koordinatensystems ergibt sich für das totale Differential der Verschiebung w = w(x, t) = ŵ(x̂, t̂) dw = dx ∂x w + dt ∂t w = dx̂ ∂x̂ ŵ + dt̂ ∂t̂ ŵ die Beziehung: 1 (4) Daraus folgt mit den Gleichungen (3) für die partiellen Ableitungen ∂x (·) = ∂x x̂∂x̂ (·) + ∂x t̂∂t̂ (·) = 1 ∂x̂ (·) + 0 ∂t̂ (·) und ∂t (·) = ∂t x̂∂x̂ + ∂t t̂∂t̂ (·) = vB ∂x̂ + 1 ∂t̂ (·) (5) Der Term vB ∂x̂ (·) heißt konvektive Zeitableitung, der Term ∂t̂ (·) lokale Zeitableitung im Bezugssystem des Beobachters. Es wird mit den Gleichungen (5) und t̂ ≡ t ( absolute“Zeit von Newton) ” ∂x2 (·) = ∂x̂2 (·) und ∂t2 = (vB ∂x̂ (·) + ∂t (·)) 2 2 2 = vB ∂x̂ (·) + 2vB ∂x̂ ∂t (·) + ∂t2 (·) Damit geht im Inertialsystem des Beobachters die Wellengleichung (1) über in die transformierte partielle Differentialgleichung 2 1 vB vB 1 − 2 ∂x̂2 w − 2 2 ∂x̂ ∂t w − 2 ∂t2 w = 0 c c c (6) Deutung der Lichtwellen um 1900: Die erst vor kurzem durch Maxwell vervollständigten Gleichungen der Elektrodynamik waren inzwischen als zutreffende theoretische Beschreibung auch für die Lichtausbreitung anerkannt; andererseits wurde aber vermutet, dass es für die Lichtwellen und die elektromagnetischen Felder einen materiellen Träger (genannt Äther“) gibt und dass die optischen und elektromagnetischen Erscheinungen im Grunde ebenso wie Luft” und Körperschall auf mechanischen Vorgängen beruhen. Es gelang aber nicht aus optischen Versuchen die Relativgeschwindigkeit zwischen bewegten Körpern und dem vermuteten materiellen Träger der Lichtwellen zu ermitteln. Insbesondere zeigte sich die Lichtgeschwindigkeit in ihrem Wert unabhängig davon, ob der Beobachter im Bezugssystem der Quelle ruhte oder sich relativ zu ihr - wie auch immer bewegte (MichelsonVersuch). Bei diesem Diskussionsstand entwickelte Albert Einstein 1905 die Spezielle Relativitätstheorie: Die Suche nach dem materiellen Träger des Lichtes wird aufgegeben, stattdessen wird die Kinematik so verändert, dass bei Wechsel des Inertialsystems die Wellengleichung - im Widerspruch zu Gleichung (6) ihre Form behält und damit in allen Inertialsystemen die Lichtausbreitung mathematisch gleich beschrieben wird. Da die störenden“Terme in Gleichung (6) gerade aus der partiellen Zeitableitung ∂t2 (·) herkommen, ” ist daher - unter anderem - notwendig Newtons Idee der absoluten Zeit - Gleichung (3) - aufzugeben. - In den jeweils ersten Zeilen der Gleichungen (5) führen wir die Abkürzungen ∂x x̂ =: p ∂t x̂ =: r ∂x t̂ =: q ∂t t̂ =: s (7) ein. Damit erhalten wir ∂x2 (·) 2 = (p∂x̂ (·) + q∂t̂ (·)) = p2 ∂x̂2 (·) + 2pq∂x̂ ∂t̂ (·) + q 2 ∂t̂2 (·) 2 und ∂t2 (·) = (r∂x̂ (·) + s∂t̂ (·)) 2 = r2 ∂x̂2 (·) + 2rs∂x̂ ∂t̂ (·) + s2 ∂t̂2 (·) Hiermit geht die Wellengleichung (1) anstatt in Gleichung (6) zunächst allgemein in 1 p2 − 2 r2 ∂x̂2 w c 1 + 2 pq − 2 rs ∂x̂ ∂t̂ w c 1 + q 2 − 2 s2 ∂t̂2 w = 0 c (8) über. Da der Beobachter B̂ die Wellenausbreitung in der gleichen Form wahrnimmt wie B, muss die transformierte Gleichung (8) wieder der Wellengleichung ∂x̂2 w − 1 2 ∂ w=0 ĉ2 t̂ (9) gleichwertig sein. (Dabei ist ĉ die vom Beobachter B gemessene Wellengeschwindigkeit). Damit ergibt sich 1 rs = 0 c2 1 p2 − 2 r 2 = C c 1 1 q 2 − 2 s2 = − 2 C c ĉ pq − (10) als Satz von Bedingungen für p, q, r, s. Aus (dx̂ = 0) (dx = 0) ⇐⇒ ⇐⇒ (dx = vB̂ dt) bzw. (dx̂ = v̂B dt̂) ergibt sich mit den aus den Gln. (7) folgenden Beziehungen dx̂ p = q dt̂ r s dx dt (11) 0 = (pvB̂ + r)dt bzw. v̂B dt̂ = rdt und dt̂ = sdt, also r = −pvB̂ und r = sv̂B 3 (12) Für die wechselseitigen Relativgeschwindigkeiten gilt also die Beziehung p v̂B = − vB̂ s (13) Es wird nun angenommen, dass die Matrix in Gl. (11) von der Relativgeschwindigkeit vB̂ abhängt, also p = p̃(vB̂ ), s = s̃(vB̂ ) usw. Weiter wird angenommen, dass die Beobachter B und B̂ einen einheitlichen Wechsel der Längen- und der Zeiteinheit vornehmen; dann sind die Zahlenwerte von vB̂ und v̂B einheitlich zu transformieren: Umeichung “ ” (vB̂ 7−→ αvB̂ ) ⇐⇒ (v̂B 7−→ αv̂B ) (14) Dann folgt aus Gl. (13) nach Umeichung αv̂B = − p̃(αvB̂ ) αv ; s̃(αvB̂ ) B̂ α beliebig > 0 (15) Der Vergleich von Gl. (15) und Gl. (13) ergibt p̃(vB̂ ) p̃(αvB̂ ) = = const. s̃(αvB̂ ) s̃(vB̂ ) (16) Andererseits muss für vB̂ = 0 (keine Relativbewegung der Beobachter, also kinematische Übereinstimmung) die Transformationsmatrix in Gl. (11) die Einheitsmatrix sein ( Einbettung “). Damit folgt aus Gl. (16): ” p̃(vB̂ ) p̃(0) = = 1 ⇐⇒ s̃(vB̂ ) s̃(0) p=s v̂B = −vB̂ (17) Gl. (10.1) ergibt hiermit q= r c2 (18) Gl. (11) nimmt also die Form an. dx̂ 1 =p −vB̂ /c2 dt̂ −vB̂ 1 dx dt (19) Für die Lichtausbreitung folgt aus den Gln. (10.3) und (10.2) dann ĉ2 = 2 1 − vB̂ /c2 p2 − r2 /c2 2 = 2 /c4 = c s2 /c2 − q 2 1/c2 − vB̂ Beide Beobachter messen denselben Wert c der Lichtgeschwindigkeit! Umkehr des Richtungssinnes von x und x̂: dx 7→ −dx, dx̂ 7→ −dx̂ 4 (∗) =⇒ (20) dx̂ 1 = p̃(vB̂ ) vB̂ /c2 dt̂ vB̂ 1 dx dt (21) In der Matrix kehrt sich das Vorzeichen von vB̂ (erwartungsgemäß) nach dem Hineinmultiplizieren des Minuszeichens von −dx und −dx̂ um, im Argument des Vorfaktors p̃(vB̂ ) ändert sich nichts, andererseits gilt mit (∗) vB̂ 7→ −vB̂ =⇒ p̃(−vB̂ ) = p̃(vB̂ ) gerade Funktion (22) Forminvarianz von Transformation und Umkehrtransformation als Ausdruck der Gleichberechtigung der Beobachter B und B̂: (dx̂, dt̂) ⇐⇒ = L(dx, dt; vB̂ ) gemäß Gl. (19) (dx, dt) ≡ L−1 (dx̂, dt̂; vB̂ ) = L(dx̂, dt̂; v̂B ) (23) Mit Gl. (17.2), v̂B = −vB̂ , folgt (dx, dt) = L(dx̂, dt̂; −vB̂ ), d.h. (24) dx 1 vB̂ dx̂ = p̃(−vB̂ ) dt vB̂ /c2 1 dt̂ Die Zusammenfassung der Gln. (19) und (25) ergibt bei Berücksichtigung von Gl. (22) 1 0 ! 2 1 vB̂ 1 −vB̂ I ≡ = p̃ (vB̂ ) 0 1 vB̂ /c2 1 −vB̂ /c2 1 ∼ Diese Beziehung ist genau dann erfüllt, wenn p̃2 (vB̂ )(1 − (vB̂ /c)2 ) = 1 ist. Durch die Einbettungsbedingung p̃(0) = +1 ist auch das Vorzeichen von p̃(.) festgelegt. Damit haben wir 1 p̃(vB̂ ) = [1 − (vB̂ /c)2 ]− 2 (25) Relativistischer Dopplereffekt: Die Phase einer harmonischen Welle ist als relativistischer Skalar zu betrachten, da das Argument einer reellen Sinus- oder Kosinusfunktion reellwertig ist: sin(ωt − kx + α) = sin(ω̂ t̂ − k̂x̂ + α̂) 5 (26) Dabei ergeben sich x̂ und t̂ für vB̂ = konst. in x und t (gleichförmige relative Translation von Inertialsystemen) durch Integration von Gleichung (19) ...[Die Ereignisnullpunkte“(x = 0, t = 0) und (x̂ = 0, t̂ = 0) ” beider Beobachter fallen für α = α̂ zusammen]. Gleichung (26) gibt eine Lösung der Wellengleichung (1) für B bzw. (9) für B̂ an; dabei ist c ≡ ω̂ ω = ĉ ≡ k k̂ (27) Die Invarianz der Phase in Gleichung (26) führt auf die Beziehung ω̂dt̂ − k̂dx̂ ≡ ω̂(dt̂ − 1 dx̂) c = ωdt − kdx ≡ ω(dt − 1 dx) c und damit auf das Frequenzverhältnis ω̂ ω dt − dx/c dx − cdt = dt̂ − dx̂/c dx̂ − cdt̂ = Einsetzen von Gleichung (19) mit p = p̃(vB̂ ) gemäß Gleichung (25) ergibt ω̂ ω = = = dx − cdt p (dx − vB̂ dt) − c(−dxvB̂ /c2 + dt) dx − cdt p dx(1 + vB̂ /c) − cdt(1 + vB̂ /c) 1 p(1 + vB̂ /c) ω̂ ω s = 1 − vB̂ /c 1 + vB̂ /c (28) Hier ist vB̂ die Relativgeschwindigkeit des Beobachters B̂ von der Quelle weg. Für vB̂ /c → 0 wird ω̂ ω → 1 − vB̂ /c (29) Im klassischen Fall folgt mit vB = −vB̂ − vQ aus Gleichung (2) für vQ /c → 0 und vB̂ /c → ebenfalls ΩB ΩQ = 1 − vB̂ /c 6 (30)
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