6. Ostersonntag B - 10. Mai 2015 - Goldene Kommunion - Joh 15, 9-17

6. Ostersonntag B - 10. Mai 2015 - Goldene Kommunion - Joh 15, 9-17
Vor vierzehn Tagen war jener Kommunionjahrgang hier, der seine Diamantene
Erstkommunion feierte. Heute sind unter uns jene „Erstkommunionkinder“, die in diesem Jahr
ihre Goldene Erstkommunion begehen.
50 Jahre Empfang der heiligen Speise, des Leibes Christi.
50 Jahre Verwirklichung der Aufforderung Jesu: „Bleibt in meiner Liebe!“ - wie wir es gerade
im Evangelium gehört haben.
Natürlich wird nicht alles, was jetzt als Goldjubliäum glänzt, auch Gold gewesen sein.
50 Jahre sind keine 50 gleichen Jahre. In 50 Jahren geschieht viel in einer Beziehung.
Da gibt es Zeiten der Nähe und Zeiten der Distanz. Da gibt es ganz starke Augenblicke der
Gottverbundenheit, aber auch Zeiten, in denen Gott keine Rolle spielen durfte im Leben.
Schließlich gibt es nichts Unaufdringlicheres als Gott, den niemand je gesehen, den niemand
je bewiesen hat. Da wird von uns Christen gefordert, andauernd in der Spannung von „Gott,
Du bist bei mir“ und „Gott ist nicht feststellbar“ zu leben. Ja, wir Christen sind Menschen,
die ständig in der Spannung zwischen „Sein oder Nichtsein Gottes“ leben.
Jesus sagt es heute selbst: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich auch Euch geliebt.“
Ja, Gott liebte diesen Jesus, der einerseits bei seiner Taufe erlebte: „Du bist mein geliebter
Sohn“, der aber am Ende seines Lebens auch erfuhr: Gott scheint nicht da zu sein und rief:
„Mein Gott, mein Gott, wozu hast du mich verlassen?“
Wenn Jesus heute sagt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“,
dann zeigt er uns, was Gott unter Liebe versteht: nämlich uns Menschen in die Entscheidung
zu stellen: Vertraust Du mir immer oder nur unter bestimmten Bedingungen?
„Lieben“ heißt bei Gott also gerade nicht: Ich räume Dir alle Schwierigkeiten aus dem Weg,
sondern ich traue Dir zu, durch alle Schwierigkeiten hindurch – durch alle „Gott-scheint-nichtda-zu-sein-Erfahrungen“ hindurch, seiner Liebe zu vertrauen, seinem Wort: „Du bist mein
geliebtes Kind. An Dir habe ich Gefallen gefunden.“
Christliches Glaubensleben ist also auch ein lebenslanges Entscheiden: Glaube ich an eine
Liebe Gottes zu mir, oder gibt es für mich unter bestimmten Bedingungen keine Liebe Gottes
zu mir?
Es ist die entscheidende Frage für unser Glaubensleben überhaupt:
Glaube ich, dass Gott mich immer liebt oder glaube ich das nicht immer? Wer an Gottes
Liebe glaubt –und zwar unabhängig davon wie das Leben verläuft – der hat eine Kraft, eine
Beziehung, durch die er andauernd erfährt:
Ich, Dein Gott, will Dich! Ich stehe zu Dir! Ich bleibe bedingungslos bei Dir…, weil ich Dich
liebe.
Gott sagt: Ich liebe Dich, … aber mit der Zumutung, dass Du auch mit den Erfahrungen leben
musst: Ich, Dein Gott, bin nicht beweisbar. Ich bin nicht so da, wie du es gerne hättest, in
dem ich Dir das Schwere aus dem Weg räume. Ich, Dein Gott, bin so da, dass Du nach
Deinen Vorstellungen von mir sogar denken kannst: „Gott ist nicht da!“
Gott sagt: Ich bin anders da als du denkst, damit Du um-denkst, neu denkst und frei wirst
von falschem Denken, von Sack-Gassen-Vorstellungen.
Lieben heißt nur bei kleineren Kindern: „Komm, ich mach das mal für Dich.“
Einen Erwachsenen zu lieben heißt: Ich führe Dich dazu, dass Du selber sehen, gehen,
handeln, sprechen kannst. Lieben heißt bei Jesus: Ich stehe Dir so bei, dass Du selbständig
leben kannst, und zwar – man höre und staune – auch ohne mich bewiesener Maßen auf
Deiner Seite zu sehen! Darum ist Gott unsichtbar, unbeweisbar. Er will bei uns sein. Er will
uns stärken. Er will uns Kraft und Mut geben, ohne zwingend sichtbar da zu sein! Damit wir
durch ihn, seine Wort, durch seinen Geist, ganz wir selber werden und nicht in eine
Abhängigkeit geraten, die uns hindert, selbst verantwortlich zu sein. Viele, die nicht wissen,
was Liebe ist, verstehen unter Liebe bei Gott immer nur: Räume mir die Schwierigkeiten aus
dem Weg.
Manche glauben an Gott nur in der Weise, dass er helfen soll, die Schwierigkeiten aus dem
Weg zu räumen. Und wenn Gott das dann nicht so macht wie sie es wollen, dann ist Gott für
sie ein Versager, ein Nichtsnutz, nur eine Einbildung. Aber in Wirklichkeit liebt Gott gerade
so, dass er nichts für uns macht, sondern uns durch seine scheinbare Abwesenheit hilft,
selbst neu zu sehen, neue Wege zu suchen, neue Lebensmöglichkeiten zu entdecken.
„Lieben“ heißt für Jesus nicht: dafür zu sorgen, dass alles so weitergeht wie gewohnt, wie
bisher, so dass wir uns nicht mehr ändern müssen. „Liebe“ ist für Jesus: Ich öffne Euch die
Augen für neue Wege. Ich heile Eure Lähmung, damit Ihr auf neuen Wegen weitergeht. Ich
heile Eure Taub-Stummheit, damit Ihr von neuen Wegen hört und sprecht und nicht die alte
jammernde Leier herunter leierst … wie gut doch früher alles angeblich war.
Darum sagt Jesus ganz bewusst: Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch
geliebt. Er sagt damit: „Der Vater hat mich geliebt – als ich verraten, verkauft, verurteilt und
hingerichtet wurde. Er hat mich in dieser Situation geliebt – ohne mich durch materielle
Gewalt da heraus zu holen. Gott liebt mich auch wenn Kreuz und Leid mich treffen. Aber ihr
werdet meine Liebe nur verstehen, wenn ihr sie davon abhängig macht, dass ich Euer Kreuz
und Leid aus dem Weg räume. Ich liebe Euch“, sagt Jesus, „auch dann, wenn alle sagen:
„Da ist gar kein Gott festzustellen!“ Denn wahre Liebe macht unabhängig, macht frei.
Wie viele Eltern „lieben“ in der Weise, dass ihre Kinder nicht frei werden…, sie lieben in
Wirklichkeit nicht ihre Kinder. Sie lieben sich in ihnen, denn sie machen sie abhängig, so
dass ihre Kinder sich an sie binden sollen. Ihre angebliche Liebe führt sie selbst oft ins
Unglück, weil ihre Kinder neue Wege gehen wollen. Sie erfahren Eltern als Zwangsjacke.
Doch Eltern sollen helfen, dass Kinder frei werden. Zur Freiheit gehört aber auch jene Liebe,
die weiß: Ohne Kreuz gibt es manchmal keine neue Sichtweise.
Ohne Geburt im Stall – kein Gott im Stall, kein Gott bei den Kleinsten, den Schwächsten.
Ohne den verlorenen Sohn – keinen barmherzigen Vater, der keine Vorwürfe macht, sondern
nur sagt: Ich freue mich, dass Du wieder da bist!
Ohne das verlorene Schaf – keinen guten Hirten, der dafür alles stehen und liegen lässt und
mühsam sucht. Aber was für eine Freude beim Finden.
Ohne den verlorenen Sohn am Kreuz – keine Auferstehung für alle verlorenen Söhne und
Töchter Gottes.
Das ist der Weg der Liebe: „Wie mich der Vater geliebt hat, so liebe ich euch.“
Liebe gibt es nicht ohne Leiden, weil Liebe sonst am Leiden scheitern würde.
Dazu sagt Jesus: Bleibt in meiner Liebe! Und er ergänzt: Dies habe ich zu Euch gesagt,
damit meine Freude in Euch ist und damit Eure Freude vollkommen wird. Vollkommene
Freude ist, wenn jemand gewiss ist: Gott Du bist bei mir – auch wenn ich Dich nicht erkennen
kann. Amen.
Ferdinand Rauch als Pfarrer
www.katholische-kirche-poppenhausen.de