Heiliger Abend 2016

1
Heiliger Abend 2016; 16.00 FK Joh.3,16-21
Liebe Gemeinde,
haben Sie in diesem Jahr einmal so richtig geliebt – mit ihrem ganzen
Denken, mit ihren Sinnen, mit ihrem Herzen, mit all ihren Emotionen. So
dass alles davon zitterte und innerlich schwang?!
Liebe Gemeindeglieder hier in der Frauenkirche,
oder wurden sie in diesem Jahr einmal so richtig geliebt – dass Sie sich
geborgen fühlten, dass sich eine innere Wärme ausgebreitet hat, dass
sie mit diesem Gefühl die Welt einreißen oder aufbauen könnten?
Wenn sie das eine oder das andere gespürt haben, dann können sie
vielleicht etwas Gottes Liebe zu uns nachfühlen, nachspüren, sich ihr
aussetzen.
Das Johannesevangelium enthält keine anrührende Geburtsgeschichte,
wie wir sie gerade aus dem Lukasevangelium gehört haben. Es beginnt.
Das Wort ward Fleisch und wohnt unter uns und wir sahen seine
Herrlichkeit“ Gott wird ganz Mensch. Und darin steckt für Johannes das
große göttliche Geheimnis, das Geheimnis seiner Liebe. Dieses Fleisch,
dieses Mensch gewordene Wort Gottes ist Jesus Christus, von dem
Johannes dann eine kurze Redesequenz berichtet, die unser Predigttext
ist: Joh. 3,16-21
Also hat Gott die Welt geliebt... Dann ist ja alles gut – dann ist auch die
Welt gut? Unsere Erfahrung ist eine andere. Gerade im vergangenen
Jahr war die Welt gefühlt keine gute Welt. Auch wenn die Statistiken, z.B.
der Kriminalitätsrate in Deutschland eher rückläufig sind – gefühlt ist die
Welt in Deutschland und besonders in vielen anderen Teilen unserer
2
schönen Erde keine gute Welt.
Aber – das ist die eine, die gefühlte Seite. Die andere, die wohl auch
mehr mit einem Wohlfühl-Index zu tun haben könnte, heißt, dass viele in
unserer Stadt und in unserem Land das hinter uns liegende Jahr für sich
persönlich als ein gutes Jahr empfunden haben. Und wenn sie dazu
fromme Leute sind, dann würden sie wohl auch sagen können: Also hat
Gott die Welt geliebt. Und er liebt sie auch heute, an diesem Heiligen
Abend, 2016 Jahre nach der Geburt Gottes als ein kleines Kind auf
dieser Welt – er liebt sie mit ihren Schattenseiten und mit ihren hellen
lichten Seiten.
Gott liebt diese Welt, dass er sogar seinen Sohn in diese Welt gegeben
hat. Er liebt die Menschen, wie SIE und SIE wohl auch geliebt werden
wollen. Aber – die Gegenliebe kann man eben nicht erzwingen.
Genauso, wie Sie das in Ihrer Ehe, Partnerschaft und Familie erleben –
Liebe kann man nicht erzwingen. Wir können nur Liebe geben und
hoffen, dass sie beantwortet wird. Und Gott gibt und will auch nicht die
Gegenliebe erzwingen. Hier ist es schön, wieder einmal auf Martin
Luther zu hören, der ja im kommenden Jahr sehr viel im Zentrum der
Gedanken und des Gedenkens stehen wird – mit all seinen
persönlichen hellen, weltverändernden, lichten Seiten – und mit seinen
Schattenseiten, die nicht gerade die Liebe Gottes ausdrücken und die
wir auch im 500. Gedenkjahr der Reformation nicht verschweigen wollen
und werden. Er sagte in einer Predigt: „Dass ein Gott sein soll und soll
die Welt lieb haben und ihr etwas Gutes gönnen, das ist über alle
unsere Vernunft, Sinn, Verstand und Kunst., Ich wünschte der Welt das
höllische Feuer, und sonderlich täte ich das, wenn ich Gott wäre, der die
3
Welt inwendig und auswendig kennet und weiß, was Welt ist. Das täte
ich. Aber was tut Gott? Anstatt seines Zorns, den die Welt wohl
verdienet hat, hat er die Welt lieb... Und dabei ist sie doch das
hassenswerteste und am allerwenigsten liebenswerte Objekt,... Ein Stall
voll böser, schändlicher Leute, die alle Kreaturen Gottes auf das
schändlichste mißbrauchen, Gott lästern und ihm alle Plage anlegen.
Dieselben schändlichen Leute hat Gott lieb.“
Ich würde nun nicht behaupten, dass wir heute hier eine Frauenkirche
voller „schändlicher Leute“ hätten. Aber ganz ehrlich – fühlen wir uns in
unserem Inneren wirklich als liebens-werte Leute?! Selbst wenn wir jetzt
mit dem Kopf schütteln würden – Dich, Dich, mich und Dich hat Gott lieb.
Und das wird besonders in dem kleinen, zarten, unscheinbaren Kind in
der Krippe, das wird zu Weihnachten deutlich.
An einer anderen Stelle sagte Martin Luther, der viel mit Bildern
gearbeitet hat: „Gott ist wie ein glühender Backofen voller Liebe.“ Aber
er strahlt diese Liebe nicht einfach so vor sich hin oder bringt eine laue
Wärme und ein mattes Licht in die Welt. Nein - er will mit dieser Liebe
treffen – unser Herz, unsere Sinne, unser ganzes Dasein. „Also hat Gott
die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die
an ihn glauben nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Und damit will er uns verändern. Indem wir mit all unseren schönen
Seiten und mit unseren großen Schwächen geliebte Menschen sind;
damit will er uns liebes fähig machen. Und das gegen alle Egoismen
persönlicher und nationaler und gesellschaftlicher Art. Liebe kann nie
etwas mit Egoismus zu tun haben, da sie immer auf den anderen
gerichtet ist. Deshalb ist ja die Liebe von Gott her zu Weihnachten so
4
wunderbar, da sie von ihm zu uns her leuchtet. Liebe fragt nicht zuerst,
was mir gut tut, sondern erst einmal, was dem anderen gut tut. Deshalb
auch das viele Schenken zu Weihnachten, was Ihnen hoffentlich ganz
leicht gefallen ist. Und das beschenkt-werden!
Ein Journalist, der sich eine längere Zeit mit Weihnachtspredigten
beschäftigt hat, wollte seine eigene, nicht gehaltene Weihnachtspredigt
so beginnen: „Weihnachten ist auch eine Verpflichtung. Kein Abend
zeigt so sehr, wie gut es uns geht, als der, an dem die Müllcontainer
überquellen vor Geschenkverpackungsmaterial. Der Satz „Wir schaffen
das nicht“ klingt unglaubwürdig, wenn man ihn von einem Berg aus
Geschenken herunterruft.“ Er wollte „seine“ Predigt dann doch nicht so
beginnen lassen, da es ihm zu moralisch klang. Aber irgendwie hat
Weihnachten wohl auch etwas mit Moral zu tun. Oder wenigstens mit
dem Ansporn zu Respekt, Anerkennung und Moral. Nicht mit dem
erhobenen Zeigefinger, aber mit der Ansage von Gottes Liebe, die zum
Weitergeben derer förmlich anstachelt. Und wenn sich dann noch ein
ganzes Land von Gott geliebt weiß, wie das Wort „God`s own
Country“ ja enthält, dann muss dieses Land – und auch unser Land,
welches ja auch zur Zeit geliebt und beliebt ist, besonders liebesfähig
sein. Wahrhaftig! Und so schließt auch unser Text aus dem
Johannesevangelium: „Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem
Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.“
Wahrheit heißt im griechischen „A-leiteia“. „Nicht-Verbergen /
Aufdecken /Entbergen“. Einer, der die Wahrheit tut, der deckt auch
etwas auf, der handelt wahrhaftig. Der orientiert sich an Christus, als
dem wahrhaftigen Wort Gottes. Und lässt sich von seiner Liebe
5
anstecken.
Ich komme doch noch zu dem Symbol des Lichtes, welches auch
unseren Text bestimmt. Selbst eine kleine Kerze kann eine große
Dunkelheit besiegen. Und auch nur eine gute Tat kann ein Anfang sein,
der zu weiteren lichten Taten anspornt.
Schenken Sie sich nachher viele Geschenke – und lassen Sie sie sich
mit Freuden beschenken. Schenken Sie Liebe – und lassen Sie sich
lieben – auch, weil Gott uns doch so sehr liebt. Jeden Tag neu, wie vor
2016 Jahren. Und lieben Sie weiter die Menschen auf dieser Welt mit
ihren guten, lichten, auch mit ihren schlechten, ihren dunklen Seiten –
lieben Sie so viel Sie können. Weil Gott uns geliebt hat und auch heute
noch liebt.
Amen