Verluste bei kapitalistischen Mitunternehmern

Quelle ecolex 2015 – Steuerreform 2015/2016; Autor Daniel Varro
Verluste bei kapitalistischen Mitunternehmern
Im Rahmen des neuen Steuerreformgesetzes 2015/2016 soll die Verlustverwertungsmöglichkeit beikapitalistischenMitunternehmern eingeschränkt werden (§ 23a EStG idF
StRefG 2015/2016), um Verlustbeteiligungsmodelle hintanzuhalten. Der gegenständliche
Beitrag versucht einerseits einen Überblick über die Neuregelung zu geben und andererseits
zwei Themengebiete, nämlich die Definition des "kapitalistischen Mitunternehmers" sowie
die "Umgehungsmöglichkeit" der nachträglichen Einlagen näher zu beleuchten.
A. Einleitung
Im Rahmen des neuen Steuerreformgesetzes 2015/2016 soll in § 23a EStG idF StRefG
2015/2016 die Möglichkeit für Verlustbeteiligungsmodelle (für Wirtschaftsjahre, die nach
dem 31. 12. 2015 beginnen) eingeschränkt werden: Danach sollen Verluste von
kapitalistischenMitunternehmern (natürlichen Personen) nach dem Vorbild von § 23a EStG
1972 und § 15a dEStG nicht mehr ausgeglichen oder vorgetragen werden können, wenn das
Kapitalkonto dadurch negativ wird oder sich ein Negativstand erhöht. Die Verluste sollen auf
Wartetaste gelegt und erst mit künftigen Gewinnen aus der Beteiligung oder mit Einlagen
verrechnet werden.
B. Bisherige Regelung (§ 2 Abs 2a EStG)
Gem § 2 Abs 2a Teilstrich 1 EStG sind bereits heute Verluste im betrieblichen und
außerbetrieblichen Bereich weder ausgleichsfähig noch vortragsfähig, wenn diese aus einer
Beteiligung resultieren und das Erzielen steuerlicher Vorteile im Vordergrund steht
(Verlustzuweisungsmodelle). Seit dem BudBG 2001 gilt diese Regelung auch für
Körperschaften. Von einem solchen Verlustzuweisungsmodell ist dann auszugehen, wenn die
Beteiligung allgemein angeboten wird und die Nachsteuerrendite - ohne Anwendung des
Verlustausgleichs- und Verlustvortragsverbots - mehr als das Doppelte der Rendite vor
Steuern beträgt.
Daher wurde noch in den Erläuterungen zum ME festgehalten: "Die diesen Gestaltungen
bisher entgegenwirkende komplizierte und zu vielfachen Auslegungsproblemen Anlass
gebende Bestimmung des § 2 Abs 2a erster Teilstrich erscheint daher [wegen der Einführung
des § 23a EStG] entbehrlich und soll entfallen." In der RV ist die Aufhebung des § 2 Abs 2a
Teilstrich 1 EStG nicht mehr vorgesehen, sodass diese Bestimmung im Rechtsbestand bleiben
wird.
Daher ist die gleichzeitige Anwendung von § 2 Abs 2a Teilstrich 1 EStG, § 2 Abs 2a
Teilstrich 2 EStG und § 23a EStG grundsätzlich möglich. Da für einen Sachverhalt nicht
gleichzeitig mehrere unterschiedliche Wartetastenregelungen zur Anwendung kommen
können, muss eine Reihung vorgenommen werden. Aufgrund der Spezialität ergibt sich mE
folgende Reihenfolge: 1. § 2 Abs 2a Teilstrich 2 EStG aufgrund der Branchenbezogenheit
(engster Anwendungsbereich); 2. 23a EStG aufgrund der beschränkten Anwendbarkeit für
kapitalistische Mitunternehmer (betrieblicher Bereich); 3. § 2 Abs 2a Teilstrich 1 EStG, weil
diese Regelung sowohl im betrieblichen als auch im außerbetrieblichen Bereich anwendbar
ist. Die Subsidiarität hat nicht nur theoretische, sondern auch praktische Bedeutung, weil die
unterschiedlichen Wartetastenregelungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.
C. Neuregelung
Nach § 23a EStG sind Verluste einer natürlichen Person als kapitalistischer Mitunternehmer
insoweit nicht ausgleichs- oder vortragsfähig, sofern durch diese Verluste ein negatives
steuerliches Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. In diesem Fall werden die Verluste auf
"Wartetaste" gelegt, sodass diese erst mit laufenden Gewinnanteilen, Einlageüberhängen,
Übergangsgewinnen und Veräußerungsgewinnen (§ 24 EStG) verrechnet werden können.
Das Verlustzuweisungspotenzial beikapitalistischen Mitunternehmerschaften soll sich nach
dem Stand des steuerlichen Kapitalkontos richten, das sich bei Mitunternehmerschaften des
Unternehmensrechts aus dem starren Einlagekonto und dem variablen Verrechnungskonto
zusammensetzt. Weiters zählen auch die Ergebnisse von Ergänzungsbilanzen bei
nachträglichem Gesellschafterbeitritt zum steuerlichen Kapitalkonto.
Für das steuerliche Kapitalkonto sind nicht zu berücksichtigen (§ 23a Abs 3 EStG):
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Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer oder mehreren Mitunternehmern anteilig
zuzurechnen sind und der Mitunternehmerschaft zur Einkünfteerzielung überlassen
werden (Sonderbetriebsvermögen, weil dieses die Haftung nicht erweitert) sowie
damit in Zusammenhang stehende Aufwendungen und Erträge, (einschließlich
Entnahme oder Einlage); und
sonstige Vergütungen iSd § 23 Z 2 (Sonderbetriebseinnahmen) und
Sonderbetriebsausgaben.
Da Verluste aus Sonderbetriebsausgaben jedenfalls ausgleichs- und vortragsfähig sein
sollen, wirken sich diese nicht auf das steuerliche Kapitalkonto aus.
D. Definition "kapitalistischer Mitunternehmer"
Obwohl bereits im Bericht der Steuerreformkommission 2014, in § 23a EStG 1972 und in
§ 15a dEStG ausdrücklich nur Kommanditisten und atypisch stille Gesellschafter angeführt
wurden, hat sich der Gesetzgeber beim persönlichen Geltungsbereich für die Einführung eines
neuen Begriffs entschieden. Erfasst werden nur Verluste eines "kapitalistischen
Mitunternehmers" (§ 23a Abs 1 EStG).
Ein Gesellschafter ist gem § 23a Abs 2 EStG dann als kapitalistischer Mitunternehmer
anzusehen, "wenn er Dritten gegenüber nicht oder eingeschränkt haftet und keine
ausgeprägte Mitunternehmerinitiative entfaltet". Diese zwei Voraussetzungen müssen somit
kumulativ erfüllt werden: 1. Keine oder nur eingeschränkte Haftung gegenüber Dritten sowie
2. keine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative.
Die Regelung gilt nur für Mitunternehmerschaften. Mitunternehmerschaft ist kein
unternehmensrechtlicher, sondern ein rein steuerlicher Begriff, der nach dem Gesamtbild der
Verhältnisse nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmen ist. Als
Mitunternehmerschaft führt das Gesetz zwar nur die offene Gesellschaft (OG) sowie die
Kommanditgesellschaft (KG) an, daneben werden aber insb die atypisch stille Gesellschaft,
die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie die Europäische wirtschaftliche
Interessenvereinigung (EWIV) erfasst.
1. Keine oder beschränkte Haftung
Bereits das Kriterium der beschränkten Haftung schließt allerdings die meisten Formen einer
Mitunternehmerschaft vom Anwendungsbereich des § 23a Abs 2 EStG aus:
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GesbR (und Erbengemeinschaft):Bei der GesbR haften sowohl das
Gesellschaftsvermögen als auch das Privatvermögen jedes einzelnen Gesellschafters,
wenn die Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht erfüllt werden; da die - im Namen des
Gesellschafters begründete - Verbindlichkeiten den Gesellschaftern zuzurechnen sind,
kann die Haftung gegenüber Dritten auch kaum eingeschränkt werden;
OG: Die OG-Gesellschafter haften in unbeschränkter Höhe; eine entgegenstehende
Vereinbarung ist Dritten gegenüber bereits von Gesetzes wegen unwirksam
(§ 128 UGB);
KG-Komplementär: Der Komplementär haftet wie der OG-Gesellschafter in
unbeschränkter Höhe;
EWIV: Die Mitglieder einer EWIV haften ebenfalls mit ihrem Privatvermögen
unbeschränkt und gesamtschuldnerisch, auch wenn sie nicht primär, sondern erst im
Zuge der Abwicklung herangezogen werden dürfen.
Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur Haftungsbeschränkungen gegenüber Dritten (und nicht
jene intern gegenüber anderen Gesellschaftern) maßgeblich. Praktisch bleiben daher von den
wesentlichen Formen einer Mitunternehmerschaft aufgrund der unbeschränkten bzw nicht
beschränkbaren Haftung bei Personengesellschaften nur der Kommanditist und der atypisch
stiller Gesellschafter über.
Bei der stillen Gesellschaft haftet für die Verbindlichkeiten des Unternehmens nur der
Unternehmensinhaber (keine Haftung für den stillen Gesellschafter), außer bei Missbrauch
der
Gestaltungsform,
aus
Rechtsscheingründen
oder
aufgrund
besonderer
Haftungsvereinbarungen, wie etwa einer Bürgschaft, einer Garantie oder eines Schuldbeitritts.
Kommanditisten haften gem § 171 UGB nur beschränkt bis zur Höhe der im FB
eingetragenen Haftsumme unmittelbar. Der Kommanditist haftet nur dann (ausnahmsweise)
unbeschränkt, wenn der Gläubiger der Gesellschaft ihm gegenüber einen selbständigen
Schuldgrund, etwa Bürgschaft oder Schuldbeitritt geltend machen kann. Auch die ErläutRV
führen, abgesehen vom Kommanditisten und vom atypisch stillen Gesellschafter, keine
weiteren Personen an. Daneben ist es in Sonderfällen (zB mitunternehmerisch tätige
Genussrechtsinhaber) möglich, dass bestimmte Mitunternehmerschaftsformen zusätzlich
erfasst werden.
Da sowohl eine Haftungsbeschränkung (bei unbeschränkt Haftenden) als auch eine
unbeschränkte Haftung (bei beschränkt Haftenden) im Einzelfall vorstellbar ist, stellt sich die
Frage, ob bereits die Änderung der Haftung gegenüber einzelnen Dritten zur Neuqualifikation
iSd § 23a EStG führt.
2. Vertragliche Änderung der Haftung
Bei Kommanditisten wird die beschränkte Haftung bereits heute nicht durchgängig
verwirklicht: Kommanditisten haften bspw gem § 6 KommStG für die Kommunalsteuer
unbeschränkt. Teleologisch kann daher der Gesetzeszweck - unter Berücksichtigung der
bereits existierenden Durchbrechung - nur darauf gerichtet sein, die Voraussetzung der
unbeschränkten Haftung (bspw bei einem Kommanditisten) nur dann als erfüllt anzusehen,
wenn diese gegenüber allen Dritten gegeben ist (zB Patronatserklärung) und nicht nur
gegenüber bestimmten Dritten (zB Gemeinde bei der Kommunalsteuer). Der Gesetzgeber
scheint daher weder auf Einzelfälle noch auf ein Überwiegen, sondern auf archetypische Fälle
abzustellen.
Spiegelbildlich darf bei einem an sich unbeschränkt haftenden Mitunternehmer bei der
Beschränkung der Haftung gegenüber bestimmten Dritten nicht davon ausgegangen werden,
dass dadurch bereits die erste Voraussetzung des "kapitalistischen Mitunternehmers" erfüllt
ist. Vielmehr muss auch in diesem Fall die Unbeschränktheit der Haftung und somit die
Abweichung vom Regelfall gänzlich gegenüber allen Dritten erfüllt werden. Dies wird
allerdings praktisch kaum vorkommen.
3. Keine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative
Zweites Kriterium für den persönlichen Anwendungsbereich ist, dass der Mitunternehmer
"keine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative entfaltet" (§ 23a Abs 2 EStG). Dies muss
allerdings nur bei jenen Mitunternehmern untersucht werden, die keine oder nur eine
eingeschränkte Haftung gegenüber Dritten aufweisen.
Nach den ErläutRV kommt es dabei auf die Mitarbeit an: "Dies wird jedenfalls dann erfüllt
sein, wenn der nicht oder beschränkt haftende Mitunternehmer die laufende Geschäftsführung
der Mitunternehmerschaft besorgt (unabhängig von der sozialversicherungsrechtlichen oder
arbeitsrechtlichen Einstufung der Tätigkeit). Eine nur schwach in Erscheinung tretende
Mitunternehmerinitiative - zB eine bloße sporadische Teilnahme an strategischen
Besprechungen und unternehmensinternen Sitzungen oder eine Mitwirkung an der
Geschäftsführung in bloßen Ausnahmefällen oder bei außerordentlichen Geschäften - soll
hingegen noch nicht bewirken, dass der beschränkt haftende Mitunternehmer von der
Wartetastenregelung ausgenommen bleibt. Das Vorliegen einer Pflichtversicherung nach
ASVG oder GSVG aus dieser Beteiligung ist ein Indiz für das Vorliegen einer ausgeprägten
Mitunternehmerinitiative. Keine Mitunternehmerinitiative begründet eine Tätigkeit, die dem
eigenständigen Betrieb des Mitunternehmers zuzurechnen ist und daher nicht unter die
Zurechnungsregel des § 23 Z 2 fällt, zB - auch umfangreiche - Beratungstätigkeit eines
Kommanditisten aus seiner einzelunternehmerischen Tätigkeit als Unternehmensberater. Eine
ausgeprägte Mitunternehmerinitiative verlangt somit eine auf Dauer angelegte
kontinuierliche Partizipation in einer nicht bloß Kontrollbefugnisse wahrnehmenden
Funktion. Eine durchschnittliche Mitarbeit im Ausmaß von mindestens zehn Wochenstunden
wird in der Regel eine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative begründen".
Voraussetzung für die Annahme einer Mitunternehmerschaft ist nach dem VwGH, dass für
die beteiligten Personen mit ihrer Position Unternehmerwagnis verbunden ist, was sich in der
Unternehmerinitiative und dem Unternehmerrisiko ausdrückt; Unternehmerinitiative entfaltet,
wer auf das betriebliche Geschehen Einfluss nehmen kann. Die Unternehmerinitiative wird
auch in Deutschland iZm Mitunternehmerqualifikation des stillen Gesellschafters diskutiert:
Diese setzt voraus, dass die "Initiativbefugnisse besonders ausgeprägt sind. Hierfür genügt es
allerdings nicht, dass die Kontrollbefugnisse des Stillen (§ 233 HGB) im Sinne der Rechte
nach § 716 BGB ausgedehnt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass, was im Streitfall zu
verneinen ist, dem stillen Gesellschafter - sei es als Geschäftsführer, sei es als Prokurist oder
leitender Angestellter - Aufgaben der Geschäftsführung, mit denen ein nicht unerheblicher
Entscheidungsspielraum und damit auch ein Einfluss auf grundsätzliche Fragen der
Geschäftsleitung verbunden ist, zur selbstständigen Ausübung übertragen werden
(Senatsurteil in BFH/NV 2003, 601, 604, m.w.N.)".
Auch wenn die Begriffe "ausgeprägte Mitunternehmerinitiative" und die Grundvoraussetzung
für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft "Unternehmerinitiative" (in Österreich) bzw
"Mitunternehmerinitiative" (in Deutschland) inhaltlich ähnlich erscheinen, sind sie nicht
deckungsgleich. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland wird bspw die
Mitunternehmerinitiative auch dann bejaht, wenn ein Mitunternehmer die Möglichkeit zur
Ausübung von Mitwirkungs- und Kontrollrechten hat. Dies wäre aber nach den ErläutRV
eindeutig zu wenig, weil der Mitunternehmer in diesem Fall nicht aktiv unternehmerisch tätig
wird.
Die "ausgeprägte Mitunternehmerinitiative" ist daher enger auszulegen als die
Mitunternehmerinitiative, die für die Begründung einer Mitunternehmerschaft erforderlich ist.
Da § 23a EStG grundsätzlich nur für Mitunternehmerschaften gilt und daher das Vorliegen
einer Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) bzw das Vorliegen einer
Mitunternehmerschaft bereits die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Regelung
darstellt, wäre die zusätzliche Anführung desselben Qualifikationsmerkmals für den
kapitalistischen Mitunternehmer nicht nachvollziehbar.
Zusammenfassend liegt daher eine Mitunternehmerinitiative in folgenden Fällen vor:

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Durchschnittliche Mitarbeit im Ausmaß von mindestens zehn Wochenstunden; oder
wenn dem Mitunternehmer Aufgaben der Geschäftsführung (auch als Prokurist oder
leitender Angestellter möglich) zur selbständigen Ausübung - über eine gewisse Dauer
- übertragen werden, mit denen ein nicht unerheblicher Einfluss auf grundsätzliche
Fragen der Geschäftsleitung verbunden ist.
4. Wechsel der Mitunternehmerstellung
Wird der kapitalistische Mitunternehmer zu einem unbeschränkt haftenden Mitunternehmer
(zB Kommanditist zum Komplementär), dann führt dies zur Verrechenbarkeit der
Wartetastenverluste. Nach den ErläutRV reicht hierfür jedoch die "bloße Übernahme einer
§ 128 UGB vergleichbaren Haftung" nicht aus. Das widerspricht dem Gesetzeswortlaut,
wonach ein kapitalistischer Mitunternehmer nur dann vorliegt, wenn dieser nicht oder
eingeschränkt haftet. Daher reicht die unbeschränkte Haftung gegenüber allen Dritten (siehe
dazu Pkt 2.) wohl aus, auch wenn diese Variante in der Praxis kaum vorkommen wird.
Ebenso schließen die ErläutRV eine Verrechenbarkeit dann aus, wenn sich die Stellung "bloß
aufgrund einer erhöhten Mitunternehmerinitiative" wandelt. Dies ist ebenfalls nicht
nachvollziehbar. Dadurch würden nämlich unbeschränkt haftende Mitunternehmer - ohne
sachliche Rechtfertigung - unterschiedlich behandelt werden: Mitunternehmer, die von
Anfang an mitarbeiten, können nicht besser behandelt werden als Mitunternehmer, die erst zu
einem späteren Zeitpunkt mitarbeiten.
Ab dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für einen kapitalistischen Mitunternehmer
nicht mehr vorliegen (zB Mitarbeit), muss daher eine Verrechnung möglich sein. Dies gilt
natürlich nur, wenn der Mitunternehmer nicht nur vorübergehend mitarbeitet (zB 20 Stunden
in einer einzigen Woche) um steuerliche Vorteile zu generieren, sondern über einen längeren
Zeitraum.
Wechselt umgekehrt der Komplementär während eines Wirtschaftsjahrs in die Rechtsstellung
eines Kommanditisten, so ist die Verlustverwertungsbeschränkung gem § 23a EStG für das
gesamte Wirtschaftsjahr zu beachten.
E. Nachträgliche Einlage: Umgehung oder Missbrauch?
In Deutschland führen gem § 15a Abs 1a dEStG nachträgliche Einlagen weder zu einer
nachträglichen Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit eines vorhandenen verrechenbaren Verlusts
noch zu einer Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit des dem Kommanditisten zuzurechnenden
Anteils am Verlust eines zukünftigen Wirtschaftsjahrs, soweit durch den Verlust ein negatives
Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Diese Einschränkung wurde jedoch bereits vor der
ausdrücklichen Einführung mit dem Willen des Gesetzgebers von der hM bejaht, um
Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern. Eine ähnliche Regelung enthielt auch § 23a EStG
1972 in der ursprünglichen Fassung, die allerdings vom VfGH für verfassungswidrig erklärt
wurde.
Nach der neuen österr Regelung (§ 23a Abs 4 EStG) können Wartetastenverluste nicht nur
mit späteren Gewinnen, sondern auch mit nachträglichen Einlagen verrechnet werden, soweit
sie die Entnahmen übersteigen. Nachträgliche vorübergehende Einlagen sind daher in der
Lage, die Verlustverrechnungsbeschränkung zu überwinden. Die dadurch zugestandene
"Umgehungsanfälligkeit" hat auch der Gesetzgeber erkannt und hält in den ErläutRV fest:
"Vorübergehende Einlagen (vor dem Schluss des Wirtschaftsjahres) sind, soweit sie in engem
zeitlichen Zusammenhang wieder entnommen werden, zwar kapitalkontoerhöhend, bewirken
allerdings keine Ausgleichsfähigkeit/Vortragsfähigkeit von Wartetastenverlusten (§ 22 BAO)"
(mit Verweis auf VwGH 24. 6. 2010, 2007/15/0261).
Somit könnte eine vorübergehende Einlage als missbräuchlich angesehen werden.
Problematisch erscheint jedoch, dass das angeführte VwGH-Erk, auf das sich der Gesetzgeber
stützt, die "Problematik der Umgehungshandlungen durch nur für wenige Tage getätigten
Einlagen" anspricht. Keine Rede ist im Erkenntnis von einem längeren Zeitraum (in
Deutschland zB: elf Jahre). Innerhalb von welchem Beobachtungszeitraum tatsächlich
Missbrauch vermutet werden kann, ist daher weiterhin fraglich.
Schlussstrich
Im
Rahmen
des
neuen
Steuerreformgesetzes
2015/2016
soll
die
Verlustverwertungsmöglichkeit bei kapitalistischen Mitunternehmern eingeschränkt werden
(§ 23a EStG). Verluste einer natürlichen Person als kapitalistischer Mitunternehmer sind
insoweit nicht ausgleichs- oder vortragsfähig, sofern durch diese Verluste ein negatives
steuerliches Kapitalkonto entsteht oder erhöht wird. In diesem Fall werden die Verluste auf
"Wartetaste" gelegt und sind erst mit laufenden Gewinnanteilen, Einlageüberhängen und
Übergangsgewinnen und Veräußerungsgewinnen (§ 24 EStG) verrechenbar. Kapitalistische
Mitunternehmer werden im Regelfall nur Kommanditisten und atypisch stille Gesellschafter
sein. Problematisch erscheinen vor allem: Die vertragliche Änderung der Haftung, der
Wechsel in der Mitunternehmerstellung sowie die Definition des engen zeitlichen
Zusammenhangs bei nachträglichen Einlagen.