ÖR SV 1663 - Juristisches Repetitorium Hemmer

Klausurenkurs/ Baden-Württemberg
Öffentliches Recht
Klausur 1663
Klausur
Nr. 1663
Öffentliches Recht
In den Stadtrat von Hausach ist bei der letzten Kommunalwahl auch die Freie Wählergemeinschaft „Bund
deutscher Bürger“ mit drei Vertretern gewählt worden. Sie besitzt dort Fraktionsstärke. Vor Monaten
wurden Pläne der baden-württembergischen Landesregierung bekannt, die Unterbringung sämtlicher ins
Kinzigtal zugewiesenen Asylsuchenden in Hausach zu konzentrieren. G – Fraktionsvorsitzender des
Bundes deutscher Bürger im Stadtrat – wandte sich deshalb am 13. Februar 2015 schriftlich an den
Bürgermeister P und beantragte in die Tagesordnung für eine der nächsten Stadtratssitzungen als
Verhandlungsgegenstand die „Erklärung der Stadt Hausach zur ausländerfreien Zone“ aufzunehmen. Die
Stadt sei von ihrer Größe und Infrastruktur her nicht geeignet, noch weitere Ausländer aufzunehmen. Mit
einem Schreiben vom 29. Februar 2015 wies der Bürgermeister den Antrag zurück.
In der darauf folgenden Stadtratssitzung am 1. März 2015 wollte G seiner Empörung über das skandalöse
Verhalten des Bürgermeisters Ausdruck geben. Er erschien deshalb mit einem an seiner Anzugjacke
befestigten Button mit der Aufschrift „Deutschland erwache – Neue Männer braucht das Land.“
Vom Bürgermeister P wurde er sogleich nach Eröffnung der Sitzung angesprochen und angewiesen,
diesen Button sofort abzunehmen. Als er sich weigerte dieser Aufforderung nachzukommen wies ihn P
darauf hin, dass er das Tragen des Button als erhebliche Störung der Sitzung ansehe und ließ im
Folgenden über einen Ausschluss des G von der laufenden Sitzung abstimmen. G ließ er – weil dieser
schließlich befangen sei – hieran nicht teilnehmen. Bis auf die zwei weiteren Fraktionsmitglieder des
„Bundes deutscher Bürger“ sprachen sich die vollständig erschienenen Mitglieder des Stadtrats sämtlich
für einen Ausschluss aus.
G verließ daraufhin mit den Worten „Sie werden noch von mir hören“ den Saal. Über die Sitzung wurde
in der Presse ausführlich unter Namensnennung berichtet. Bis heute ist G Anfeindungen jeglicher Art
ausgesetzt; er wird z.T. anonym schriftlich, telefonisch und per eMail als „Altnazi“ beschimpft. G zog
noch im März 2015 von Hausach nach Offenburg, wodurch er zum 31.März 2015 sein Amt als
Stadtratsmitglied von Hausach verlor.
Über seinen Rechtsanwalt H erhob G am 18. April 2015 Klage gegen die Stadt Hausach zum
Verwaltungsgericht Freiburg mit den Anträgen, die Beklagte zu verurteilen, in die Tagesordnung der
Sitzung des Stadtrates Hausach den Verhandlungsgegenstand „Erklärung der Stadt Hausach zur
ausländerfreien Zone“ aufzunehmen; zudem begehrte er festzustellen, dass sein Ausschluss von der
weiteren Teilnahme an der Sitzung des Stadtrates der Stadt Hausach am 1. März 2015 rechtswidrig
gewesen sei.
Klausurenkurs/ Baden-Württemberg
Öffentliches Recht
Klausur 1663
Die Stadt Hausach beantragte, die Klage abzuweisen. Das VG Freiburg fragte am 3. September 2015 an,
ob mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung Einverständnis bestehe. Nur die
beklagte Stadt stimmte dem zu.
Am 23. Dezember 2015 erging ohne mündliche Verhandlung ein klageabweisendes Urteil des VG
Freiburg. Die Klage auf Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Erklärung der Stadt Hausach zur
ausländerfreien Zone“ habe in der Sache keinen Erfolg. Soweit der Kläger die Feststellung begehre, sein
Ausschluss aus der Stadtratssitzung vom 1. März 2015 wäre rechtswidrig gewesen, sei die Klage sowohl
unzulässig als auch unbegründet. Es fehle schon an einem Feststellungsinteresse.
Rechtsanwalt H geht das Urteil am 30. Dezember 2015 zu.
______________________________________________________________________________
Bearbeitervermerk:
In einem Gutachten sind die Erfolgsaussichten einer etwaigen Berufung darzustellen. Bei der Bearbeitung
ist das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S.d. § 124 II VwGO zu unterstellen. Das VG hat die Berufung
im Urteil nicht zugelassen.