MITTELBADISCHE PRESSE www.bo.de Donnerstag, 24. März 2016 HAUSACH Stadtschreibertagebuch (2) Arbeit, Konsum und Schneeglöckchen C onstantin Göttfert ist der neue GiselaScherer-Stipendiat. Er lebt bis Ende Mai als Stadtschreiber im Molerhiisle. Exklusiv für die Leser des Offenburger Tageblatts schreibt er jeden Donnerstag einen Tagebucheintrag für das »StadtschreiberTagebuch«. Gelegentlich erhält ja auch ein Stadtschreiber unerwarteten Besuch. »Und sind wir uns doch ehrlich«, sagte der Schweinehund, als er zu mir ins Molerhiisle eintrat, »wer will denn nicht lieber am Ufer der Kinzig sitzen und mit den Graureihern Rotwein trinken, als den müden Körper an Orte bewegen, an denen er doch gar nicht erst ankommen möchte? Die Reisen sind doch die beschwerlichsten, bei denen uns die Fahrt eine Qual, die Ankunft jedoch ein noch viel größeres Übel scheint.« Ich nahm meinem Freund das Halsband ab und füllte ihm seinen Trog, denn der Hunger sprach ihm aus den Äuglein. Wie immer hatte er Recht, denn was, so dachte ich, ist denn die tägliche Reise ins Büro anderes als eine solche Qual? Seine Worte brachten etwas in mir zum Klirren, eine Erinnerung klirrte in meinem Bauch. Vor ein paar Tagen erst hatte sich mein Finanzminister im Radio darüber erregt, es säßen nun mehr und mehr Menschen auch tagsüber in den Blumenwiesen. Der Wirtschaft aber bekäme ein solches Sitzen in den Blumenwiesen nicht, der in den Blumenwiesen Sitzende konsumiere nicht, und ein Mensch, der weder konsumiere noch arbeite, sei für die Wirtschaft ein nutzloser Mensch. Ich möchte betonen, dass sich das Possessivpronomen »mein« in Zusammenhang mit einem Finanzminister unangenehm anfühlt, sagt Contantin Göttfert aus Wien ist als Gisela-Scherer-Stipendiat bis Ende Mai Stadtschreiber in Hausach. man doch schließlich auch »mein Liebling«, »mein Kaschmirschal« oder »mein Buntstift«. Es klingt geradezu, als hätte ich ihn mir ausgesucht, und ich will doch entschieden bezweifeln, dass sich irgendjemand sozusagen »just for the hell of it« einen Finanzminister hielte. Dabei habe ich gar nichts dagegen, Steuern zu zahlen, solange sie nicht dazu dienen, 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhanges diesen rund um unser keulenförmiges Land wieder neu hoch zu ziehen. Ja, keulenförmig, Sie lesen richtig, stamme ich doch tatsächlich aus diesem keulenförmigen Österreich. Mein Freund und ich verbrachten wunderbare Stunden am Ufer der Kinzig, weit entfernt von diesen frivolen Reden. Und während uns die Sonne die Schnauzen wärmte, sahen wir den Graureihern zu, die mit ihren Schnäbeln Molche aus dem feuchten Gras zogen. Es war einer der ersten warmen Tage des Jahres. Die Arbeit des modernen Menschen besteht darin, in Bildschirme zu starren. Wie viel glücklicher aber sitzt es sich zwischen den ersten Schneeglöckchen und Krokussen! Und doch blickte ich immer wieder auf die Uhr, und als die Sonne hinter die Wolkendecke stieg, schnallte ich meinem Freund das Halsband wieder um und schickte ihn fort. Schließlich will ich doch, dass man auch im Ausland mit mir zufrieden ist. Constantin G öttfert Ines Benz jetzt frei für St. Barbara Kindergarten bekommt ab 1. April neue Leiterin Hausach (ra). Der katholische Kindergarten St. Barbara bekommt ab 1. April wieder eine Leitung. Nachdem Agnes Dirhold Ende Januar nach 32 Jahren als Leiterin in den Ruhestand verabschiedet worden war, musste sich der Kindergarten gut zwei Monate über die Runden helfen. Der Grund: Ines Benz leitete noch den Kindergarten »Pfiffikus« in Wolfach und hätte dort eigentlich noch eine Kündigungsfrist bis Juni dieses Jahres. Die Stadt Wolfach hatte allerdings signalisiert, dass Ines Benz für Hausach frei sei, sobald eine Nachfolge gesichert ist. Dies ist nun zum 1. April der Fall, wenn Andrea Kraus die Leitung der städtischen Kindertagesstätte übernehmen wird (wir berichteten gestern). Ines Benz kehrt in ihre Heimatstadt zurück. Und da der Kindergarten St. Barbara unter kirchlicher und nicht unter kommunaler Träger- Ines Benz tritt ihren Dienst als Leiterin des katholischen Kindergartens St. Barbara in Hausach am 1. April an. Archivfoto schaft steht, kollidiert dies auch nicht mit ihrem Amt als Gemeinderätin. Die 46-Jährige hatte das Rennen unter zehn Bewerberinnen gemacht. Redaktion Hausach/Hornberg Claudia Ramsteiner (ra) • Telefon 0 78 31 / 96 57 02 Petra Epting (ept) • Telefon 0 78 33 / 17 78 Fax 07 81 / 504 - 8 13 29 • E-Mail: [email protected] Kinzigtal Serie Ein Thema mit Folgen Musical »Rent« I 11. März: Interview Reinhardt Bäder 17. März: Rückblick und Inhalt von »Rent« Heute: Die Solisten 7. April: Die Rockband 14. April: Choreografie / Sabine Glöckler 21. April: Was 28. April: hinter der Büh- Ein Tag vor ne abgeht der Premiere 31. März: Der Chor m Jahr 1976 führte das Robert-GerwigGymnasium unter der Leitung des im vergangenen Jahr verstorbenen Musiklehrers Peter Lohmann mit Carl Orffs »Die Kluge« die erste Oper auf, der 1983 »Porgy & Bess« folgte. Damit steht das Gymnasium mit seinen großen musikalischen Aufführungen in einer 40-jährigen Tradition. Die erste große Musicalproduktion bleibt unvergessen: »Kätz« – das aus rechtlichen Gründen nicht wie das Original geschrieben werden durfte, löste damals erstmals das Hausacher »Musicalfieber« aus. Als 1999 auf Peter Lohmann Reinhardt Bäder folgte, baute dieser die Tradition noch weiter aus. Alle zwei Jahre darf sich das Kinzigtal auf eine große Musicalproduktion freuen. Am Freitag, 29. April, ist in der Hausacher Stadthalle Premiere für »Rent«. Die Hauptdarsteller (von links): Maik Schwendemann, Josephine Eisenmann, Philipp Rechenbach, Dominic Hesse, Niklas Schmider, Tabitha Eisenmann, Lea Hellmig und Maximilian Hesse. Auf dem Foto fehlt Thilo Mensak. Foto: Anna Teresa Agüera »Wir-Gefühl als Suchtfaktor« Serie zum Musical »Rent« (3): Solisten über Zeitmanagement, ihre Rollen und den ersehnten Anruf Das Robert-Gerwig-Gymnasium feiert in fünf Wochen in der Hausacher Stadthalle Premiere des Rockmusicals »Rent«. Knapp 200 Schüler, Lehrer, Ehemalige und Eltern sind beteiligt. Das Offenburger Tageblatt stellt jeden Donnerstag einen Teil des Teams vor. Heute: Vorstellung der Solisten und der Rollen. Von A n na T er esa A gü er a Hausach. »Das Wir-Gefühl hat einen gewissen Suchtfaktor«, beschreibt Maik Schwendemann (23) aus Haslach, den es immer wieder zurück auf die Musicalbühne seiner ehemaligen Schule zieht. Dabei ist er nicht der Einzige, der »alle zwei Jahre auf den Anruf oder die EMail von Reinhardt Bäder« hofft. Fünf der neun Hauptrollen übernehmen bei »Rent« ehemalige Schüler. Ehemalige stimmt jedoch nicht ganz – Thilo Mensak (40), der seit Jahrzehnten bei den Musicalproduktionen auf der Bühne steht, war gar nie auf dem Robert-Gerwig-Gymnasium in Hausach. »Erst bin ich so reingeschlittert, und dann hab ich den Absprung verpasst«, sagt der Freiburger. Er übernimmt bei »Rent« die Rolle des deprimierten Rockmusikers Roger Davis, der an Aids erkrankt ist. Gemeinsam mit dem Filmemacher Mark Cohan, gespielt von Maik Schwendemann, wohnt er in einem heruntergekommen Industrieloft in der Avenue A in New York. Ihr Haus soll abgerissen werden. Die Geschichte wird aus der Sicht von Mark Cohan erzählt. Seine Freundin Maureen Johnson (Lea Hellmig) hat ihn wegen der erfolgreichen Anwältin Joanne Jefferson (Tabitha Eisenmann) verlassen. Für die 17-jährige Lea Hellmig aus Hausach ist Maureen die erste große Hauptrolle. Die Elftklässlerin hatte 2014 bei »Evita« bereits eine Solopassage als zweite Evita gesungen. Nun, da »Rent« ihr letztes Musical als Schülerin sein wird, wollte sie eine Hauptrolle spielen. »Durch ›Evita‹ habe ich an Selbstbewusstsein gewonnen und gemerkt, dass ich auch Lust hätte, mich schauspielerisch einzubringen.« Tabitha Eisenmann machte 2013 ihr Abitur am RGG. »Ich habe schon während meiner Schulzeit den Chor und vor allem die Musicals wahnsinnig geliebt. Die Arbeit an so einem großen Projekt, mit so vielen Menschen, macht unglaublich viel Spaß. Daher freue ich mich sehr, bei ›Rent‹ wieder dabei zu sein.« Sie spielt die Anwältin Joanne Jefferson, die Mark Cohan die Freundin ausspannt. Auch Dominic Hesse (20) ließ es sich ein Jahr nach seinem Abitur nicht nehmen, wieder mitzumachen. Bei »Evita« spielte er bereits ein paar Nebenrollen, bei »Rent« nun den Transvestiten Angel Schunard. Kirche. Das kollidiere schon mal mit den Proben. Er spielt das Landei Gordon White, der ebenfalls an Aids erkrankt ist. White lebt im selben Haus wie Roger und Mark. Er trifft sich mit Tom, Angel und Mark in einer Aids-Selbsthilfegruppe. »Reinhardt Bäder meinte, es gäbe eine Rolle, die ich gut verkörpern könnte. Damals wusste ich natürlich noch nicht, um was es ging. Ich war dann schon sehr überrascht. Mit einer Rolle als Drag Queen hatte ich überhaupt nicht gerechnet.« Angel ist das Herz und die Seele der Gruppe. Mit seinem Schicksal als HIV-Infizierter geht er humorvoll um. Angel stirbt im Laufe der Geschichte an Aids. Der Philosophie-Professor Tom Collins nimmt ihn nach einer Schläger bei sich auf. Daraus entwickelt sich eine sehr innige Beziehung. Der 18-jährige Philipp Rechenbach aus Steinach übernimmt die Rolle des Professors. »Seit der sechsten Klasse singe ich im Chor. Deshalb ist es für mich eine große Ehre, als Hauptdarsteller bei ›Rent‹ mitzuwirken.« Auch für ihn wird »Rent« das letzte Musical als Schüler sein. Noch vor der Premiere muss er das schriftliche Abitur hinter sich bringen. Auch für Niklas Schmider (18) und Josephine Eisenmann (17) heißt es, neben den Musicalproben den Kopf frei für die Abiturphase zu bekommen. Die größte Herausforderung sei das Zeitmanagement, verrät der Hausacher. Als Organist sei er oft am Wochenende in der Josephine Eisenmann (17) aus Schnellingen ist seit der fünften Klasse im Chor. Die Zwölftklässlerin sieht die Konstellation Abitur und Musical nicht als Belastung. »Das extreme Glück zu haben, im Abitur ein Musical spielen zu dürfen und somit meine Schullaufbahn auf eine noch viel schönere Art zu beenden, hat mich sehr gefreut.« Sie spielt die 19-jährige drogenabhängige Go-go-Tänzerin Mimi Marquez. Auch sie ist HIV positiv. Sie hatte eine kurze Affäre mit Benjamin Coffin dem Dritten (Benny). Benny wird von Maximilian Hesse gespielt, der somit die Liste der Ehemaligen in den Hauptrollen abschließt. Der 23-jährige Hausacher stand schon bei »Hair« und »Evita« als Solist auf der Bühne. »Was mich an den Musicals des Gymnasiums fasziniert, ist die Musicalfamilie hinter der Bühne. Man wächst zusammen, und es entwickeln sich unzählige Freundschaften. Ob mit anderen Darstellern, den Musikern, den Bühnenbildnern, den Technikern oder den Kleiderfrauen, jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass wir und die Zuschauer eine unglaubliche Zeit erleben. Deshalb bin ich Jahr für Jahr immer wieder dabei.« w ww.rgg-musicals.de
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