An den „Nachwuchs“ denken

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Pflanze
BAUERNBLATT | 5. März 2016 ■
Maßnahmen zur Grünlandverbesserung
An den „Nachwuchs“ denken
In den verschiedenen Grünlandregionen Schleswig-Holsteins zeigen die Grünlandflächen sehr unterschiedliche Erträge und Futterqualitäten. Neben dem Einfluss
der jeweiligen Standortbedingungen beruhen die Unterschiede vor
allem auf der Art und Intensität
der Bewirtschaftung und der damit zusammenhängenden Narbenzusammensetzung. Die heterogenen Witterungsbedingungen lassen die Leistungen auch zwischen
den Jahren schwanken. Für die Sicherung der Leistungsfähigkeit der
Grünlandbestände kommt der Narbenpflege im Frühjahr eine besondere Bedeutung zu.
Der vergangene Herbst und der
Winter haben mit überwiegend
milden und nassen Bedingungen auf dem Grünland in Schleswig-Holstein zu wenigen Narbenschäden geführt. Probleme bereiteten mancherorts eher die vielen
Niederschläge und das lang anhaltende Wachstum bis weit in den
November hinein. Vielerorts wurde
das Grünland erfolgreich mit Schafen abgeweidet, aber noch viele
Bestände gingen überwachsen in
den Winter. Solche Flächen müssen
in diesem Frühjahr bei der Narbenpflege besonders beachtet werden. In jedem Jahr wird das Grünland durch eine angepasste Narbenpflege im Frühjahr wieder fit
für die neue Saison gemacht. Auch
die vor Winter „gut hingestellten“
Grasnarben, das heißt Narben, die
kurz in den Winter gegangen sind,
müssen eine angemessene Narbenpflege erfahren.
Bestandesführung
im Frühjahr
Die Narbenpflege kann beginnen, sobald keine starken Nachtfröste mehr auftreten, das Grünland frei von Reif ist und die Flächen befahrbar und ausreichend
Intensiv genutzte Grünlandnarben sollen überwiegend aus hochwertigen Gräsern zusammengesetzt sein.
Foto: Hans Christian Hinrichsen
abgetrocknet sind. Sie sollte bis
zum Schossen abgeschlossen sein,
später können die Pflegemaßnahmen die Grasnarbe bedeutend
schädigen. Von Anfang/Mitte März
bis Anfang April ist die beste Zeit,
um Verfilzungen und überständiges Material auszukämmen, Maulwurfshaufen einzuebnen und Auswinterungsschäden und Lücken
aus der vorjährigen Nutzung zu
beheben (siehe Übersicht). Zusätzlich zum Lüften der Narbe regt das
Striegeln oder Schleppen die Bestockung der Gräser an (Achtung: Gestriegelte Narben sind in den ersten Tagen frostempfindlich!). Bei
einer gleichzeitigen Übersaat mit
Qualitätssaatgut ist auf ein gleichmäßiges Ausbringen der Saat im
oder hinter dem Striegelbereich
zu achten, damit anschließend
Übersicht: Pflegemaßnahmen zu Vegetationsbeginn
Narbenpflege im Frühjahr
Striegeln/
Schleppen
Walzen
Übersaat/
Nachsaat
Neuansaat
Jan.
Febr.
März
April
Mai
auch auf den abgeschleppten Bodenerhebungen Saatgut liegt. Eine
Saatgutapplikation vor der Schleppe oder dem Striegel oder gar vor
dem Schlepper wirkt hier suboptimal.
Mit Walzen können der Bodenschluss einer aufgefrorenen Grünlandnarbe wiederhergestellt und
Tritt- und Fahrspuren eingeebnet
werden. Walzen wird nur dann
empfohlen, wenn der Standort
zum Hochfrieren neigt oder kleine Steine oder Bodenunebenheiten eingedrückt werden sollen, um
die Mahd und Ernte zu erleichtern.
Es besteht jedoch dabei die Gefahr
von Verdichtungsschäden, insbesondere beim Walzen zu feuchter
Böden und auf schweren Böden.
Die erste Stickstoffdüngung sollte
bereits vor beziehungsweise zum
Vegetationsbeginn durchgeführt
werden. Die Ausbringung von Gülle und Stallmist in zu hohen Gaben oder mit schlechter Verteilung
kann dazu führen, dass die Kulturgräser darunter ersticken und der
Pflanzenschutzmittel vorsichtig verwenden. Vor
Verwendung stets Etikett und Produktinformationen
lesen, Warnhinweise und -symbole beachten.
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Bestand verunkrautet. Eine ausge- rung der Jungpflanzen sind eine
wogene Stickstoffgabe fördert die ausreichende Bodenfeuchte und
Entwicklung der Bestände (recht- eine geringe Konkurrenz der Altzeitige N-Versorgung fördert die narbe wichtig. Alternativ bietet
Bestockung), die Ertragsleistung sich auch die zweite Augusthälfte
und die Qualität des ersten Auf- als Nachsaattermin an, wenn die
wuchses, beispielsweise den Pro- Konkurrenzkraft des Altbestandes
teingehalt (siehe Artikel Bedarfs- allmählich nachlässt. Anschließend
gerechte Düngung zu
Grünland, Seite 32).
Das Ziel der Frühjahrspflege sind gesunde, dichte und
stabile Grünlandbestände mit hohen Anteilen an leistungsfähigen Pflanzenarten.
Nach dem Winter
zeigt eine Narbenbonitur auf den Grünlandflächen, von denen energiereiches
Grundfutter gewonnen werden soll, welche Erträge und Qua- Maulwurfshaufen bieten Angriffsflächen für das
litäten erwartet wer- Einwandern unerwünschter Arten.
den können. Eine
nachhaltig hohe Ertragsfähigkeit soll die Fläche am besten durch Bedes Bestandes basiert auf einem weidung kurzgehalten werden.
hohen Anteil an Gräsern. Es wer- Die Vorteile der Nachsaat ergeben
den Narben mit mehr als 80 % sich aus dem Erhalt der Narbe und
wertvollen Gräsern angestrebt, die der Bodenstruktur:
restlichen 20 % können sich Fut- ●●wertvolle, standortangepasste
terleguminosen und schmackhafArten bleiben erhalten,
te Kräuter teilen. Weißklee im Be- ●●geringes Ansaatrisiko,
stand erhöht den Rohprotein- und ●●kaum Futterausfall,
Mineralstoffgehalt sowie die Nut- ●●rascher Narbenschluss und Trittzungselastizität. Ein gewisser Anfestigkeit,
teil an Kräutern wie Löwenzahn ●●Nährstofffreisetzung nicht erhöht,
und Spitzwegerich ist erwünscht
und wird von den Tieren gerne ge- ●●niedrigere Kosten für Saatgut
fressen. Gebietsweise sind wegen
und Aussaat als bei Neuansaat.
starker Wühlmaus- und Maulwurf­
Schwierigkeiten bereiten der
aktivitäten oder eines Tipula- oder Nachsaat höhere Anteile an sehr
Drahtwurmbefalls Lücken in der konkurrenzkräftigen Gräsern. BeiGrünlandnarbe entstanden. Solche spielsweise die Gemeine Rispe
geschädigten Flächen benötigen kann den Nachsaaterfolg erhebunbedingt eine Nach- oder Über- lich mindern. Und aufgrund starker
saat, um zu verhindern, dass sich in Verunkrautungen durchgeführte
den Lücken Ungräser und Unkräu- Pflanzenschutzmaßnahmen zieter ansiedeln. Unerwünschte Ar- hen Wartezeiten bis zur nächsten
ten in der Narbe sollten dazu an- Nutzung nach sich (mehr dazu im
regen, das Management zu hinter- folgenden Artikel). Von allen wertfragen, da die Bewirtschaftung die vollen Gräsern kann sich Deutsches
Zusammensetzung des Bewuchses Weidelgras mit seiner konkurrenzentscheidend beeinflusst. Und nur kräftigen Jugendentwicklung am
wer sein Grünland kennt, kann es besten in der Altnarbe etablieren.
effektiv bewirtschaften. Bei der Es erreicht hohe Energiekonzentsachgemäßen Pflege und Nutzung rationen und verbessert damit die
des Grünlandes ist das konsequen- Qualität des Aufwuchses. Bei niedte Dichthalten der Narbe generell riger Stickstoffdüngung kann die
der zentrale Aspekt.
Mischung mit etwas Weißklee ergänzt werden, um die Futterqualität des Bestandes zu erhöhen.
Zügige Entwicklung
Die Standardmischungen GV, GVder Nachsaat
spät und GV-Klee haben sich für
Bei Nachsaaten bis Anfang April die Nachsaat bewährt. Sie enthalsorgt eine flache Aussaat für eine ten nur Deutsches Weidelgras mit
zügige Entwicklung. Für die Kei- von der Arbeitsgemeinschaft der
mung der Samen und die Etablie- norddeutschen Landwirtschafts-
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Pflanze
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kammern geprüften und empfohlenen Sorten. Hier kommen besonders die leistungsstarken, ausdauernden Sorten zum Einsatz.
Während in der GV alle drei Reifegruppen vertreten sind, umfasst
die GV-spät ausschließlich Sorten
aus der mittleren und späten Reifegruppe.
Neuansaaten besser
im Spätsommer
Hier ist eine Nachsaat erforderlich, um die Narbenlücken schnell zu beheben.
Fotos (2): Dr. Johannes Thaysen
Abtötung des Altbestandes angeraten. Eine Direktsaat kommt auf
nicht pflugfähigen oder umbruchempfindlichen Standorten infrage.
In Wasserschutzgebieten wird dieses Verfahren eingesetzt, um Nährstoffausträge gering zu halten. Spezialmaschinen wie Scheiben-, Fräsoder Schlitzdrillmaschinen bringen
das Saatgut in den zuvor abgetöteten Altbestand (Totalherbizid).
Auch hier wird auf eine geringe
Saattiefe und anschließendes Walzen geachtet. Denn Grassamen sind
Feinsämereien mit Tausendkorngewichten, je nach Gräserart und Ploi-
die, von 0,2 bis 4,5 g. Die optimale
Saatstärke für die empfohlenen Mischungen beträgt 30 (bis 35) kg/ha.
Mischungen für
Neuan- und Nachsaaten
Die
Standortgegebenheiten
und die geplante Nutzungsintensität auf der Grünlandfläche sind
die wichtigsten Aspekte bei der
Mischungswahl. Es stehen unterschiedliche Qualitätsstandardmischungen aus verschiedenen Grasarten und Sorten zur Verfügung
(siehe Tabelle). Mit steigender In-
Qualitätsstandard­
mischungen
GII
sehr trockene Standorte
Mähweide/mittelintensiv
GI
bessere Lagen,
nutzungsintensiv
Standorteignung/
­Nutzungsintensität
bessere Lagen,
nutzungsintensiv
Tabelle: Zusammensetzung und Einsatzempfehlung der
­Qualitätsstandardmischungen für Grünland
alle Standorte, Mähweide/
mittelintensiv
Nachsaaten und Narbenpflege können jedoch nicht alles richten. Haben die Narben einen hohen Queckenanteil und sind stark
verunkrautet, wird eine Neuansaat empfohlen (bei hohem
Queckenanteil ist unbedingt der
Einsatz eines Totalherbizides erforderlich). Der optimale Termin
liegt im Spätsommer oder Herbst,
ist aber bei den einzelnen Mischungen recht unterschiedlich. Grünlandmischungen wie die GII sollten wegen der enthaltenen Arten
Wiesenrispe und Wiesenschwingel
bis Anfang September in der Erde
sein. Mischungen mit einem hohen
Deutsch-Weidelgras-Anteil wie die
GIII können bis Mitte September
und Deutsch-Weidelgras-betonte Mischungen wie die GIII-S, GV
oder A5 sogar noch später ausgedrillt werden. Sollte eine Frühjahrsansaat unbedingt erforderlich
sein, bietet eine Untersaat zu Getreide-GPS eine Möglichkeit zu ihrer Etablierung. Eine Alternative ist
die Frühjahrsansaat der nicht winterharten A2 mit oder ohne Klee
zur schnellen Futtergewinnung.
Die höheren Kosten der Neuansaat rechnen sich schnell, denn:
●●die gewünschte Pflanzenzusammensetzung ist schnell erreicht,
●●die Ertrags- und Qualitätsleistung ist höher,
●●Bodenunebenheiten
werden
ausgeglichen und die Befahrbarkeit damit verbessert.
Die Neuansaat ist nach einem
Umbruch oder im umbruchlosen
Verfahren als Direktsaat möglich.
Nach einer wendenden Bodenbearbeitung mit Pflug oder Fräse wird
ein feinkrümeliges Saatbett hergerichtet für eine flache Drillsaat von
etwa 1 cm Tiefe. Anschließendes
Anwalzen für guten Bodenschluss
fördert einen gleichmäßigen Aufgang und die Anfangsentwicklung,
birgt allerdings die Gefahr von Erosion in sich. Wenn der Altbestand
sehr verfilzt ist, leistet die Fräse vor
dem Pflügen wertvolle Dienste.
Bei einem zu hohen Anteil an hartnäckigen Wurzelunkräutern und/
oder Ungräsern ist die komplette
frisch-feucht/
extensive Nutzung
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GIII GIII-S G IV
Nachsaaten und
­Wechselgrünland
GV
GV- GVKlee spät
Gewichtsanteile der Pflanzenarten in %
Deutsches Weidelgras
früh
mittel
spät
Wiesenlieschgras
Wiesenrispe
Wiesenschwingel
Rotschwingel
Knaulgras
Weißklee*
Aussaatmenge in kg/ha
3
3
4
17
10
47
10
6
13
17
17
17
10
20
6
20
20
27
17
10
6
30 kg
20
20
37
17
6
27
17
10
40
6
25
25
50
-
20
20
50
10
10-30 kg
50
50
-
* Die Mischungen Standard GI und Standard GII sind auch ohne Weißklee erhältlich. Bei reduzierter
Stickstoffdüngung und häufiger Nutzung wird die Verwendung von Weißklee in den Mischungen empfohlen.
tensität der geplanten Nutzung
erhöht sich in den Mischungen GI
(extensive Nutzung) bis GIII-S (intensive Schnittnutzung) der Anteil
des Deutschen Weidelgrases, während die Anzahl der beteiligten Arten Rotschwingel, Wiesenschwingel, Wiesenrispe sinkt. Nur Wiesenlieschgras bleibt stets bei 17 %. Die
GIV eignet sich mit dem Knaulgras
für sehr trockene Standorte und
mittelintensive Nutzung. Die GV
enthält nur Deutsches Weidelgras
für Nachsaaten und Wechselgrünland. Die Mischungs- und Sortenempfehlung basiert auf den Sortenprüfungen der nordwestdeutschen Landwirtschaftskammern.
Sie wird als „Grünes Faltblatt“
(Standardmischungen für Grünland) herausgegeben und ist auch
im Internet unter http://www.lksh.
de unter Pflanze -> Gruenlandund Ackerfutterbau->Downloads
Aussaatenmischungen Grünland
abrufbar. Die nächste Auflage erscheint im Sommer 2016.
FAZIT
Leistungsfähige Grünlandbestände benötigen eine intensive Pflege im Frühjahr. Die
Narbe muss jetzt von Verfilzungen, überständigem Material und Maulwurfshaufen befreit und Lücken durch
eine Nachsaat mit Qualitätssaatgut geschlossen werden.
In stark geschädigten Beständen oder bei hohem Queckenund Unkrautbesatz wird eine
Neusaat empfohlen, die jedoch erst ab dem Spätsommer
durchgeführt werden sollte. Für Nach- und Neuansaat
gibt es die Qualitätsstandardmischungen, die sich aus verschiedenen Grasarten und
-sorten zusammensetzen und
für unterschiedliche Standorte und Nutzungsintensitäten
konzipiert sind. Das Ziel sind
hohe Anteile an leistungsfähigen und hochwertigen
Pflanzenarten. Es lohnt sich,
das Grünland genauer anzuschauen und zu wissen, was
dort wächst.
Liesel Schnibbe
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 31-94 53-316
[email protected]
Hans Christian Hinrichsen
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 46 21-30 60 93-11
[email protected]