Kein Bock auf Klischees Jobst wird Bauer Videoprojekt im Seminar Jugendkulturen im Masterstudiengang Kultur – Sprache – Medien Universität Flensburg SoSe 2011 Kein Bock auf Klischees Jobst wird Bauer Hintergrund und Motivation Ich komme aus einer Familie mit fünf Kindern. Mein Vater ist Landwirt und meine Mutter gelernte landwirtschaftlich-technische Assistentin (LTA). Als Älteste steht mir nach niedersächsischem Höferecht der Betrieb meines Vaters zu, doch kurz nach dem Abitur habe ich mich allerdings dafür entschieden, einem meiner Geschwister den Vortritt zu überlassen. Mein Bruder Jobst hat sich nach seinem Zivildienst für ein Studium der Agrarwissenschaften entschieden und wird den Familienbetrieb nach seinem Studium übernehmen. Jobst ist 22 Jahre alt und im 4. Fachsemester seines Studiums. Trotz der immensen Bedeutung, welche die Landwirtschaft in unserem Leben spielt, scheint es für den Beruf des Landwirts wenig Anerkennung in der Gesellschaft zu geben. Besonders unter jungen Leuten gibt es wenige, die sich für diesen Beruf interessieren. Die Idee, dass es sich hierbei um einen wenig erstrebenswerten Beruf handelt, hält sich hartnäckig. Ob ein Beruf in der Landwirtschaft tatsächlich so unattraktiv ist oder ob es hauptsächlich die Klischees sind, die für das eher schlechte Image der Landwirtschaft zuständig sind, kann ich nicht beantworten. Fest steht aber, dass sich viele Klischees unerschütterlich in unserer Gesellschaft halten und die wenigsten (Stadt-‐) Menschen eine realistische Vorstellung davon haben was Landwirtschaft heute eigentlich bedeutet. Die Landwirtschaft ist der größte wirtschaftliche Sektor der Welt. Weltweit gesehen arbeiten in der Landwirtschaft mehr Menschen als in allen anderen Bereichen. In Deutschland und anderen hochmodernen Ländern ist die Beschäftigung in der Landwirtschaft über die Jahre natürlich stark gesunken, was zum großen Teil an der modernen Technik liegt mit der die Landwirtschaft heutzutage arbeitet. Der moderne Bauer ist sich zunehmend der Kosten und des Gewinns bewusst und widmet der Effizienz und dem Betriebsmanagement viel größere Aufmerksamkeit als früher. Nur säen, warten, ernten -‐ damit ist es nicht getan. Aus dieser Situation heraus ist letztlich die Idee entstanden mit einem Video dem verstaubten Image der Landwirtschaft entgegen zu wirken. In meinem Bruder, der selber Landwirtschaft studiert und trotzdem ein ganz netter und sympathischer junger Mann ist, habe ich hierfür den perfekten Darsteller für dieses Projekt gefunden. Einordnung in das Thema der Jugendkulturen Im Zusammenhang mit dem Kursthema Jugendkulturen lässt sich diese Arbeit wohl am ehesten bei den Jugendlichen einordnen die als STINOS gelten – die Stinknormalen. STINO bedeutet natürlich nicht, dass diese Jugendlichen alle ähnlich sind -‐ Sie gehören nur keiner gängigen und nach außen getragenen Jugendszene an. Das Thema der Berufswahl wird bei Jugendlichen mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Die Frage: „Was machst du so?“ ist oftmals eine der ersten in unserem Kulturkreis und zeigt, wie ausschlaggebend die Berufswahl für die eigene Identitätsbildung und das nach außen getragene Image ist. Dementsprechend spielt natürlich auch das Image des Traumberufs eine entscheidende Rolle bei der Auswahl. Als Jobst und Ich uns das erste Mal über die Idee unterhalten haben, ein Video zum Thema „moderne Landwirtschaft“ und „Bauer als Traumberuf“ zu machen um ein paar Klischees aus dem Weg zu räumen, war er vor allem deshalb von der Idee angetan, weil es ihm die Möglichkeit gibt andere junge Menschen davon zu überzeugen, dass der Beruf des Landwirts ein vielseitiges und attraktives Betätigungsfeld eröffnet. Landwirtschaft heute - Modern, anspruchsvoll und attraktiv. Nachdem also das Thema fest stand, überlegten wir uns wie wir unsere Idee am besten umsetzen könnten. Kritisch erschien uns sowohl die urbane Traumvorstellung vom Landleben als auch die Klischees mit denen Landwirte behaftet sind. Beides wird in den Medien wie beispielsweise in dem Magazin Landleben oder in der TV Show Bauer sucht Frau vielfältig bedient. Das Video sollte ein positives aber realistisches Bild der Landwirtschaft zeichnen. Es sollte deutlich machen, dass Landwirtschaft heute nicht mehr unbedingt harte Handarbeit und stumpfes Ausmisten von Ställen bedeutet, sondern ein komplexes Zusammenspiel von Wetter, Technik und Biologie ist. Darüber hinaus sollte man beim Ansehen des Videos auch noch etwas über die moderne Landwirtschaft lernen und gleichzeitig die Leidenschaft und Freude an der Landwirtschaft vermitteln. Die Vorbereitung In der ersten Phase haben mein Bruder Jobst und ich uns zusammengesetzt und gemeinsam überlegt welche Hauptvorurteile gegenüber der Landwirtschaft bestehen. Dabei sind folgende Punkte herausgekommen: -‐ Bauern sind dumm -‐ Bauern stinken -‐ Bauern denken nur an ihren Hof (leben in ihrem eigenen Kosmos) -‐ Bauern zerstören die Umwelt -‐ Bauern will niemand heiraten (z.B. Bauer sucht Frau) -‐ Bauer sein bedeutet harte Knochenarbeit und hat wenig mit anspruchsvollen intellektuellen Leistungen zu tun Anhand dieser Liste haben wir zunächst Überlegungen angestellt, wie wir diese Klischees am besten widerlegen könnten. Es war mir dabei aber wichtig, nicht als Moralapostel aufzutreten, sondern durch ein frisches sympathisches Auftreten einfach ein anderes Gesicht der Landwirtschaft zu zeigen. Natürlich war es auch wichtig, dass wir die Aspekte welche die Klischees widerlegen sollten auch professionell und realistisch bildlich darstellen konnten. Wir haben uns deshalb auf folgende Hauptpunkte geeinigt: -‐ Hightech statt Museumsidyll (Landwirte müssen sich mit modernster Technik auskennen, von Softwareprogrammen, die bei Einkaufstrategien helfen bis hin zu teuren modernen Anlagen wie z.B. dem Melkroboter) -‐ Naturverbundenheit und Umweltbewusstsein -‐ Ohne Landwirtschaft gäbe es keine Lebensmittel -‐ eine einfache Wahrheit, die in Zeiten des Überflusses leicht in Vergessenheit gerät -‐ Der Landwirt als smarter Unternehmer (Heute wird die moderne Landwirtschaft von Menschen gestaltet, die sich mit Vermarktungs-‐ und Einkaufsstrategien, ökologischen Belastungen, Umweltschutz, steigenden Energiepreisen, Wassermangel und Welternährungskrisen beschäftigen.) Gemeinsam haben wir dann einen Text geschrieben, der diese Themen aufgreift und möglichst sympathisch und auch mal lustig vermittelt. Wir haben auch gleich zu Beginn beschlossen, mit den Klischees zu spielen. Das ist auch der Grund warum Jobst z.B. von sich selbst als „Bauer“ und nicht als „Landwirt“ redet. Die Produktion Durch die direkte Ansprache in die Kamera und die weitgehend inszenierten Szenen wollten wir dem Video möglichst viel Dynamik geben und eine persönliche Ansprache beim Zuschauer erreichen. Die Drehorte haben sich größtenteils aus dem Text ergeben. Der Dreh fand an einem Tag statt, zuvor hatte ich einen Drehplan erstellt um möglichst unnötige Wege zwischen den Feldern und Kuhställen befreundeter Landwirte zu vermeiden. Beim Dreh selbst habe ich die Regieanweisungen gegeben und die Bildauswahl getroffen. Den Text haben wir teilweise noch geändert damit Jobst diese in seiner eigenen Sprache wiedergeben konnte. Die Dreharbeiten waren durch eine lockere und angenehme Atmosphäre geprägt. Spannend und lehrreich waren auch die Begegnungen mit anderen Landwirten aus der Region, bei denen wir die Szenen im Kuhstall drehen durften. Natürlich haben wir sie darüber informiert, wofür die Aufnahmen gebraucht werden und die Reaktion auf unser Vorhaben war immer sehr positiv und mit viel Interesse verbunden. Die Postproduktion Als ungefähr die Hälfte des Materials zusammengetragen war, habe ich eine Drehpause eingelegt und mit einem Grobschnitt angefangen. Das Sichten des Materials zur Halbzeit war sehr hilfreich da ich so sehen konnte wo vielleicht noch Zwischenbilder fehlten und welche Szenen gut oder weniger gut funktionierten. Bei der Auswahl der Szenen habe ich Jobst mitentscheiden lassen. Es war ihm wichtig, dass er auf seine mediale Darstellung selbst Einfluss nehmen konnte. Ich war wiederum auch auf sein landwirtschaftliches Know-‐How angewiesen, was z.B. die Kombination von bestimmten Bildern und Off Text angeht. Im weiteren Vorgehen habe ich das Video geschnitten und ihn immer wieder einen Zwischenstand gezeigt wobei er die Möglichkeit hatte mir Feedback zu geben. Schon während des Schneidens habe ich mich auf die Suche nach einer passenden Musik gemacht und habe diese mit Jobst abgestimmt. Schnitt, Titelanimation, Ton-‐ und Musikanpassung wurde komplett in dem Programm IMovie vorgenommen. Das Rohmaterial beläuft sich auf ca. 2 Stunden wobei ich so vorgegangen bin, dass ich zuerst eine Sichtung des gesamten Materials einer Einstellung gemacht habe und dann nur 2-‐3 Takes einer Einstellung in das Schnittprogramm eingeladen habe. Fazit Die Arbeit mit meinem Bruder hat mir bewusst gemacht, wie wichtig es für junge Menschen ist, dass ihr Berufswunsch auch von der Gesellschaft in der sie leben anerkannt wird und sie als wertvolle Mitglieder erkennt. Besonders in den Vorgesprächen und früheren Auseinandersetzungen mit meinem Bruder wurde mir bewusst wie schwierig es sein kann, sich für einen Beruf zu entscheiden und eine eigene Identität in einer Gesellschaft aufzubauen, die für Landwirte eine vorgefertigte Meinung bereithält. Die Tatsache, dass mein Bruder sich dafür bereit erklärt hat bei diesem Videoprojekt mitzumachen zeigt aber auch, dass ihm wirklich etwas daran liegt, das Bild der Landwirtschaft in der Gesellschaft zu gestalten und die Motivation und Initiative die er beim Dreh mitgebracht hat, lässt sich meiner Meinung nach auch in dem Video wiederfinden. Darüber hinaus halte ich es für erwähnenswert, dass dies auch ein Beispiel dafür ist wie junge Menschen aktiv gegen Zustände in der Gesellschaft vorgehen, die ihnen missfallen. Da unser Essen heute sauber verpackt zu sehr günstigen Preisen und im Überfluss vom Supermarkt kommt, haben viele Menschen keine Beziehung mehr zur landwirtschaftlichen Produktion. Ich denke, das Video gibt einen guten Einblick in die moderne Landwirtschaft und vermittelt einen frischen und dynamischen Eindruck von der zukünftigen Generation von Landwirten.
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