Aus der Forschung Published online: 19. Januar 2016 Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:9–13 DOI: 10.1159/000443545 Einleitung Ingwer ist weltweit eines der bekanntesten Gewürze und wird inzwischen auf allen Kontinenten angebaut und in zahlreichen Küchen als Gewürz verwendet. Man findet den Ingwer auch in Getränken. Im Markennamen Ginger Ale, einem alkoholfreien Süssgetränk mit Ingwergeschmack, ist der englische Name von Ingwer, d.h. Ginger, enthalten. Bekannt ist auch Ginger-Bier, ein alkoholfreies Bier mit scharfem Geschmack. Ingwer als getrocknetes Pulver oder geschnitten als frisches Rhizom ist Bestandteil von vielen Rezepten, die vor allem auch in asiatischen Ländern verbreitet sind. Unter Rhizom versteht man einen unterirdischen Teil des Stängels, der nicht zur Wurzel gehört, vom Aufbau her Stängel ist und die Aufgaben der Wurzeln nicht wahrnehmen kann. Wenn man vom Ingwer als Gewürz spricht, wird er oft auch als grüner Ingwer bezeichnet, der vom gelben Ingwer unterschieden werden muss. Der grüne Ingwer ist das jung geerntete Rhizom. Beim gelben Ingwer handelt es sich nicht um eine Ingwerart sondern um die Gelbwurz (Curcuma longa), deren stark gelb färbendes Pulver Bestandteil von Curry ist. C. longa gehört jedoch auch zu der Familie der Ingwergewächse und sieht ähnlich aus wie Ingwer. Ingwer gelangte aus Asien nach Europa, wo es im 9. Jahrhundert Einzug in die deutschsprachigen Gebiete hielt. Im Mittelalter war das Gewürz in jeder Küche vorhanden und galt als Pfeffer der armen Leute. Den richtigen Pfef- Ingwer: Gewürz und Arzneipflanze – wenig bekannte und unterschätzte therapeutische Eigenschaften Ingwer (Zingiber officinale ROSCOE) ist eine in den Tropen und Subtropen beheimatete Pflanze, die inzwischen fast weltweit angebaut und in erster Linie als Gewürz für die Küche und für Getränke verwendet wird. Weniger bekannt und oft unterschätzt sind die medizinischen Eigenschaften dieses höchst interessanten Vertreters der Familie der Ingwergewächse. Dazu gehört in erster Linie der Einsatz bei Übelkeit und Erbrechen, wenngleich es noch einige weitere therapeutische Möglichkeiten gibt. fer, der aus Indien stammte, konnte sich wegen des hohen Preises nur die Oberschicht leisten. Botanik Ingwer (Z. officinale Roscoe, Familie der Ingwergewäche (Zingiberaceae)) ist eine ausdauernde Pflanze, die ursprünglich eventuell aus dem pazifischen Raum stammt. Sie wird zwischen 50 und 150 cm hoch. Das als Gewürz und medizinisch verwendete Rhizom wächst unter der Erde horizontal und hat ein charakteristisches, verzweigtes Aussehen (Abb. 1). Es dient als Überdauerungsorgan. Abb. 1. Verzweigtes Rhizom von Ingwer (Zingiber officinale) (Copyright: Fotolia/Norman Chan/2011). © 2016 S. Karger GmbH, Freiburg Fax +49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Accessible online at: www.karger.com/szg Die Blätter sind verglichen mit der Höhe der Pflanze auffällig lang und können 15–30 cm lang werden. Botanisch sehr interessant ist die Tatsache, dass der Blütenstand direkt aus dem Rhizom gebildet wird. Der Name Ingwer stammt vom lateinischen Wort «gingiber» ab, was eine Übernahme des griechischen Wortes «zingiberis» ist. Dieses wiederum stammt aus Indien: In der mittelindischen Sprache Pali wird es als «singivera» bezeichnet. Gewisse Quellen leiten Ingwer auch vom SanskritWort «sringavera» ab. Inhaltsstoffe Phytochemische Untersuchungen konnten aus Ingwer eine Reihe von Inhaltsstoffen identifizieren [1, 2]. Mit Wasserdampfdestillation wird Ingweröl, ein ätherisches Öl (0,25 – 3,3%), gewonnen, in dem Mono- und Sesquiterpene die Hauptfraktion ausmachen. Sesquiterpene sind in der Natur ubiquitär verbreitet und stellen eine wichtige Untergruppe der Terpene, die aus drei Isopreneinheiten zusammengesetzt sind, dar. Von den etwa Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46, 6003 Luzern, Schweiz c.a.bachmann @ bluewin.ch Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 10:44:31 PM Christoph Bachmann Abb. 3. 6-Gingerol. 3000 bekannten Sesquiterpenen besitzen aber nur etwa 20 eine Bedeutung als Aromastoffe. Das wichtigste Sesquiterpen ist Zingiberen (Abb. 2). Die Inhaltsstoffe, die dem Ingwer den scharfen Geschmack geben, sind Gingerole, von denen 6-Gingerol der wichtigste ist und einen besonders scharfen Geschmack hat (Abb. 3). Weitere Inhaltsstoffe sind Zingerone und Shoagol, die in geringen Mengen isoliert werden konnten. Historische Verwendung In einer Übersichtsstudie gehen Ali et al. [3] auch auf die vielfältigen Anwendungen von Ingwer in der chinesischen, ayurvedischen und UnaniTibb-Medizin, der persisch-arabischen Medizin, die unter anderem von Ibn Sina (Avicenna) praktiziert und von griechischen Ärzten wie Hippokrates übernommen und verfeinert wurde, ein. Dort wurde und wird Ingwer unter anderem gegen Beschwerden des muskuloskelettalen Bereichs, Halsschmerzen, Krämpfe, Verstopfung, Verdauungsbeschwerden, Erbrechen, Blutdruckprobleme, Demenz, Fieber und Infektionen eingesetzt. Pharmakologie Pharmakologische Studien mit Mäusen und anderen Versuchstieren 10 Klinische Studien 2000–2009 Obwohl Ingwer, in der westlichen Medizin sicher zu Unrecht, nicht zu den sehr häufig verwendeten Arzneipflanzen gehört, sind bisher erstaunlich viele klinische Studien publiziert worden, die sich mit verschiedenen therapeutischen Möglichkeiten befassen. Diese betreffen a) Nausea und Erbrechen, b) Schmerzen und c) Menstruationsbeschwerden. Im Zentrum dieser vielen Studien stehen solche, die sich mit Nausea und Erbrechen beschäftigen. Von 2000 bis 2009 erschienen Studien mit zum Teil widersprüchlichen Resultaten. In letzter Zeit sind wieder vermehrt Studien mit positiven Resultaten publiziert worden. Wichtig sind auch die Indikationen! Ernst und Pittler, 2000 Ernst und Pittler publizierten 2000 eine Übersichtsstudie [5], in der sechs RCT-Studien miteinander verglichen wurden [6–13]. Bei diesen Studien ging es um die Wirksamkeit von Ingwer bei Seekrankheit, postoperativer Übelkeit und Schwangerschaftsübelkeit sowie um Chemotherapie-bedingte Übelkeit. Die auf hoher See durchgeführte Studie [6] zeigte eine signifikante Wirksamkeit von Ingwer gegen Seekrankheit. Eine ebenso sig- Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:9–13 nifikante Überlegenheit von Ingwer gegenüber Placebo zeigte die Studie, bei der Schwangerschaftsübelkeit untersucht wurde [7]. In einer 1987 publizierten Studie [8] erwies sich Ingwer gegenüber Placebo bei Tumorpatienten, die mit Compazin behandelt wurden und entsprechende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zeigten, als signifikant überlegen. Drei weitere Studien [9–11] untersuchten die Wirksamkeit von Ingwer bei postoperativer Nausea von Patientinnen nach einer gynäkologischen Operation. Zwei der drei Studien wurden dreiarmig angelegt; Ingwer wurde mit Placebo sowie mit Metoclopramid verglichen. Diese beiden Studien zeigten eine signifikante Überlegenheit von Ingwer gegenüber Placebo. Die dritte Studie, bei der 1 g bzw. 0,5 g Ingwerpulver gegenüber Placebo verglichen wurde, zeigte keine Signifikanz. Ernst und Pittler [5] poolten die Daten der drei Studien und fanden wiederum keine Signifikanz für Ingwer. Betz et al., 2005 Eine weitere Übersichtsarbeit aus dem Jahre 2005 [12] berücksichtigte 16 Studien, davon 10 Studien, die nach Ernst und Pittler 2000 erschienen oder von diesen Autoren nicht berücksichtigt wurden [13–20]. Auch diese Studie betraf Kinetosen sowie Übelkeit in der Schwangerschaft und in der postoperativen Phase. Die sechs Studien, die sich mit der postoperativen Phase befassten, zeigten ein ebenso widersprüchliches Resultat wie die drei Studien von Ernst und Pittler. Drei Studien zeigten ein negatives Ergebnis [11, 13, 21], drei weitere ein positives [9, 10, 14]! Morin et al. [22] poolten die Daten dieser sechs Studien und kamen zu dem Ergebnis, dass für Ingwer zur Behandlung von postoperativer Nausea keine Signifikanz vorhanden ist. Vier Studien, von denen drei nach 2000 erschienen, befassten sich mit Aus der Forschung Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 10:44:31 PM Abb. 2. Zingiberen. zeigten antiemetische Eigenschaften [2]. Bei freiwilligen Probanden zeigte sich Ingwer gegenüber Diphenhydramin bei labormässig, mit einem rotierenden Stuhl induzierter Reisekrankheit als überlegen [4]. Dabei wurden die Probanden in drei Gruppen eingeteilt, von denen eine Gruppe Placebo erhielt, die zweite Gruppe 100 mg Diphenhydramin und die dritte Gruppe 940 mg Ingwer. Die von den Probanden selbst angegebene Zeit bis zum Erreichen heftiger Beschwerden von Reisekrankheit war folgende: i) Placebo: 90,0 s, ii) Diphenhydramin: 216,2 s, iii) Ingwer 335,8 s. Muskuloskelettale Beschwerden Einige Studien untersuchten auch die Wirksamkeit von Ingwer-Präparaten bei muskuloskelettalen Beschwerden [25–27]. Altmann et al. [25] sowie Biddal et al. [26] publizierten 2001 und 2000 Studien, die sich mit Osteoarthritis befassten. In der Studie von Altmann et al. [25] zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Beschwerden bei Osteoarthritis im Knie. Bei Biddal et al. [26] erwies sich Ingwer nur in der ersten Hälfte der Studie als wirksam. Die Studie von Srivastava und Mustafa [27] befasste sich mit rheumatoider Arthritis, Osteoarthritis und anderen muskuloskelettalen Erkrankungen. Insgesamt wurden 56 Patienten behandelt, hiervon 28 mit rheumatoider Arthritis, 18 mit Osteoarthritis und 10 mit anderen Beschwerden. Mehr als 75% der Arthritis-Patienten berichteten von einer mehr oder weniger starken Verbesserung der Symptome. Auch alle 10 Pa- Aus der Forschung tienten mit anderen Beschwerden erlebten eine Verbesserung. Keiner dieser 56 Patienten berichtete von UAW, obwohl die Einnahmezeit von Ingwer bis zu 2,5 Jahren dauerte. Schwangerschaft 2009 publizierten Ozgoli et al. [28] eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, in der 67 schwangere Frauen während 4 Tagen entweder Placebo oder täglich 250 mg Ingwer in Kapselform erhielten. Sowohl in Bezug auf Übelkeit als auch auf Erbrechen wurde in der VerumGruppe eine signifikante Verbesserung gegenüber der Placebo-Gruppe ermittelt (p < 0,01 bzw. < 0,05). blindung ungenau gemacht wird und auch die Probandenzahl manchmal gering ist. Giacosa et al., 2015 Ebenfalls 2015 ist eine weitere Übersichtsarbeit erschienen [30], die sich auf schwangerschafts- und Chemotherapie-bedingte Nausea und Erbrechen konzentrierte und RCT-Studien auswertete. Die Autoren der Studie bezeichnen Ingwer wegen seiner geringen Nebenwirkungen als Alternative zu Prokinetika wie Domperidon oder Metoclopramid. Weiter liefern sie einen möglichen Wirkungsmechanismus, gemäss dem Ingwer eine Wirkung auf cholinerge sowie serotonerge 5-HA-Rezeptoren entfaltet. Klinische Studien 2013–2015: Nausea und Erbrechen Bei den bisher vorgestellten Studien zeigten, ausser in Bezug auf Schwangerschaft, etwa gleich viele Studien ein positives sowie ein negatives Resultat. Bei der Schwangerschaftsübelkeit sind die Studien überwiegend positiv. Interessanterweise sind 2013–2015 verschiedene Studien mit einem durchweg positiven Resultat publiziert worden. Marx et al., 2015 Marx et al. [29] publizierten 2015 eine Übersichtsstudie, bei der die Wirksamkeit von Ingwer bei Nausea und Erbrechen untersucht wurde. Die Autoren überprüften neun Studien und sieben Übersichtsarbeiten. Dabei gelangten sie zu einem positiven Resultat und schrieben in der Zusammenfassung, Ingwer sei eine hoffnungsvolle Behandlung für Nausea und Erbrechen verschiedener Genesen. Gleichzeitig relativieren sie diese Aussage, indem sie auf die unsichere klinische Relevanz gewisser Studien hinweisen und auch erwähnen, dass oft keine standardisierten Extrakte verwendet werden, die Ver- Saberi et al., 2014 Zu einem ebenso positiven Resultat bei der Behandlung von Schwangerschaftserbrechen kamen Saberi et al. [31] mit ihrer RCT-Studie aus dem Jahr 2014, die sie mit 120 Schwangeren in den ersten 16 Schwangerschaftswochen durchführten. Montazeri et al., 2013 Ausschliesslich mit postoperativer Nausea und postoperativem Erbrechen befasste sich die Studie von Montazeri et al. [32], die 2013 publiziert wurde. 160 randomisierte Patienten erhielten 1 h vor einem chirurgischen Eingriff 100 mg Ingwer oder Placebo. 2 h nach der Operation war in der Verum-Gruppe die mit visueller Analogskala (VAS) ermittelte Stärke signifikant geringer als in der Placebo-Gruppe. Nach 4 und nach 6 h war dies immer noch der Fall, jedoch ohne Signifikanz. In Bezug auf Erbrechen bestand zwischen den beiden Gruppen zu keinem Zeitpunkt ein messbarer Unterschied. Aus diesen Ergebnissen schlossen die Autoren, dass Ingwer zur Verminderung postoperativer Nausea eingesetzt werden kann. Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:9–13 11 Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 10:44:31 PM Schwangerschaftsübelkeit [7, 15–17]. Alle vier Studien waren zweiarmig angelegt – dreimal wurde Ingwer mit Placebo und einmal mit Vitamin B6 verglichen. In den drei Placebo-Studien erwies sich Ingwer gegenüber Placebo als überlegen. Bei der Vergleichsstudie nahmen in beiden Gruppen, ohne Gruppenunterschied, sowohl die Episoden des Erbrechens als auch die Intensität der Übelkeit ab. Sechs publizierte Studien befassten sich mit der Wirksamkeit von Ingwer bei Kinetosen. Neben drei positiven Resultaten [2, 6, 19] kamen die Autoren bei drei weiteren Studien zu einem negativen Resultat [20, 23, 24]. Zwei [2, 19] der drei Positivstudien wurden unter realistischen Bedingungen, d.h. auf einem Schiff mit Probanden durchgeführt, die keine Meereserfahrung hatten. Dabei wurde Ingwer mit etablierten Wirkstoffen gegen Reisekrankheiten verglichen. Es wurden dabei keine Gruppenunterschiede festgestellt. Bei den anderen Studien wurde labormässig eine Kinetose erzeugt. Anzahl Studien Resultat positiv negativ 2 4 6 2 1 6 3 Postoperative Nausea und Erbrechen Chemotherapie-induzierte Nausea und Erbrechen 7 1 3 1 Beschwerden des Bewegungsapparats Dysmenorrhö 3 2 3a,b 2 Indikation Kinetosen Seekrankheit Labor-induziert Schwangerschaftsbedingte Nausea und Erbrechen 4 a Wirksamkeit in einer Crossover-Studie nur in der ersten Hälfte der Studie signifikant. bIn einer Studie berichteten die Probanden von einer subjektiv empfundenen Wirksamkeit. Tab. 2. Übersicht über die Studien: Übersichtsarbeiten (nur RCT-Studien) Jahr Erstautor Anzahl Studien Indikation Resultat 2015 2015 Marx Giacosa 16 ? Varia Schwangerschaft oder Chemotherapie positiva positiv 2015 Daily Dysmenorrhö positiv aAutoren wiesen auf die ungenügende Qualität einiger Studien hin. Klinische Studien 2013–2015: Menstruationsprobleme Daily et al., 2015 Vor Kurzem erschien eine Übersichtsstudie von Daily et al. [33], welche die Wirksamkeit von Ingwer gegen Beschwerden im Zusammenhang mit Dysmenorrhö untersuchte. Dabei wurden sieben RCT-Studien mit einer Schmerz-VAS (PVAS) ausgewertet. Die Resultate zeigten, dass 750– 2000 mg Ingwer die Beschwerden während der ersten 3–4 Tage der Menstruation signifikant vermindern können. Shiravani et al., 2015 Zu einem ähnlichen Resultat gelangten Shiravani et al. [34], die in einer RCT-Vergleichsstudie die Wirksamkeit von Ingwer (4 × 250 mg/Tag) mit Mefenaminsäure (3 × 250 mg/ Tag) verglichen. Ingwer erwies sich also ebenso wirksam zur Behandlung 12 7 von Dysmenorrhö wie das Standardpräparat Mefenaminsäure. Kashefi et al., 2015 Das iranische Forscherteam um Kashefi [35] untersuchte in einer weiteren Studie die Intensität der Monatsblutung. Dabei erhielten 92 Probandinnen mit einer starken Monatsblutung nach einer Initialphase von drei Zyklen während weiteren drei Zyklen entweder Placebo oder unterschiedliche Ingwer-Dosen. Während der drei Behandlungszyklen verminderte sich die Menstruationsblutung in der Verum-Gruppe signifikant gegenüber Placebo (p < 0,001). Diskussion In dieser Übersicht wurden klinische Studien vorgestellt, die einerseits zwischen 2000 und 2009 und andererseits zwischen 2013 und 2015 publi- Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:9–13 ziert wurden (Tab. 1, 2). Sie befassten sich mit den therapeutischen Möglichkeiten von Ingwer (Z. officinale). Einige dieser Studien vor 2009 sind kontrovers, z.B. diejenigen, welche die Wirksamkeit von Ingwer bei Kinetosen oder postoperativer Nausea und Erbrechen untersuchten. Bei diesen beiden Indikationen halten sich positive und negative Resultate die Waage. Interessanterweise erschien in den letzten 3 Jahren eine ganze Reihe von neuen Studien, von denen die Mehrheit nur RCT-Studien berücksichtigte und zu einem positiven Resultat kam. Dies betrifft Nausea und Erbrechen verschiedener Genese sowie Dysmenorrhö. Für die Wirksamkeit von Ingwer gegen schwangerschaftsbedingte Nausea und Erbrechen sprechen alle in dieser Übersicht berücksichtigten Studien. Leider ist das einzige in der Schweiz als Medikament registrierte Präparat auf Ingwer-Basis hierbei kontraindiziert! Fazit Wenn man die erwähnten Studien kritisch beurteilt, dann kann man sagen, dass Präparate auf Ingwer-Basis als Haupttherapeutikum oder als Ergänzung von Standardbehandlungen bei folgenden Indikationen Anwendung finden: – Nausea und Erbrechen (Schwangerschaft, Kinetosen (Seekrankheit), Chemotherapie-bedingt)), – Beschwerden des Bewegungsapparats, – Dysmenorrhö. Die Resultate bei postoperativer Nausea sind widersprüchlich; die Wirksamkeit muss individuell überprüft werden. Da in verschiedenen Studien die gute Verträglichkeit von Ingwer erwähnt wird, bietet sich diese Arzneipflanze als Alternative zur herkömmlichen Therapie bei den hier erwähnten Indikationen an. Aus der Forschung Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 10:44:31 PM Tab. 1. Übersicht über die Studien: Einzelstudien Literatur Aus der Forschung 14 Pongrojpaw D, Chiamchanya C: The efficacy of ginger in prevention of post-operative nausea and vomiting after outpatient gynecological laparoscopy. J Med Assoc Thai 2003; 86: 244–250. 15 Keating A, Chez RA: Ginger syrup as an antiemetic in early pregnancy. Altern Ther Health Med 2002;8:89–91. 16 Sripramote M, Lekhyananda N: A randomized comparison of ginger and vitamin B6 in the treatment of nausea and vomiting of pregnancy. J Med Assoc Thai 2003;86:846–853. 17 Vutyavanich T, Kraisarin T, Ruangsri R: Ginger for nausea and vomiting in pregnancy: randomized, double-masked, placebo-controlled trial. Obstet Gynecol 2001;97:577–582. 18 Mowrey DB, Clayson DE: Motion sickness, ginger, and psychophysics. Lancet 1982;1:655– 657. 19 Schmid R, et al: Comparison of seven commonly used agents for prophylaxis of seasickness. 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Eur Rev Med Pharmacolol Sci 2015;19:1291–1296. 31 Saberi F, et al: Effect of ginger on relieving nausea and vomiting in pregnancy: a randomized, placebo-controlled trial. Nurs Midwifery Stud 2014;3:e11841. 32 Montazeri AS, et al: Evaluation of oral ginger efficacy against postoperative nausea and vomiting: a randomized, double-blinded clinical trial. Iran Red Crescent Med J 2013; 15: e12268. 33 Daily JW, et al: Efficacy of ginger for allevating the symptoms of primary dysmenorrhea: a systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. Pain Med 2015;DOI: 10.1111/pme.12853. 34 Shiravani MA, et al: The effect of mefenamic acid and ginger on pain relief in primary dysmenorrhea: a randomized clinical trial. Arch Gynecol Obstet 2015;29:1277–1281. 35 Kashefi F, et al: Effect of ginger (Zingiber officinale) on heavy menstrual bleeding: a placebocontrolled, randomized clinical trial. Phytother Res 2015;29:114–119. Schweiz Z Ganzheitsmed 2016;28:9–13 13 Downloaded by: 78.47.19.138 - 4/22/2016 10:44:31 PM 1 Keine Autorenangaben: Zingiber officinale (ginger). Monograph. Altern Med Rev 2003; 8: 331–335. 2 ESCOP Monographs: The Scientific Foundation for Herbal Medicinal Products. Zingiberis Rhizoma, ed 2. Stuttgart, Thieme, 2003. 3 Ali BH, et al: Some phytochemical, pharmacological and toxocological properties of ginger (Zingiber officinale ROSCOE): a review of recent research, Food Chem Toxicol 2008; 46: 409–420. 4 Mowrey DB, Calyson DE: Motion sickness, ginger and psychophysics. Lancet 1982;1:655– 657. 5 Ernst E, Pittler MH: Efficacy of ginger for nausea and vomiting: a systematic review of randomized clinical trials. Br J Anaesth 2000; 80: 367–371. 6 Grøntved A, et al: Ginger root against seasickness. A controlled trial on the open sea. Acta Otolaryngol 1988;105:45–49. 7 Fischer-Rasmussen W, et al: Ginger treatment of hyperemesis gravidarum. 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