ISO 9001:2015 – Erste Erfahrungen aus der Praxis

ERSTE ZERTIFIKATE
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ISO 9001:2015 – Erste
Erfahrungen aus der Praxis
DQS-Normpioniere: Umsetzung neuer
Anforderungen kein Hexenwerk
Nicht nur absoluten Insidern waren die Anforderungen der überarbeiteten Qualitätsnorm schon relativ früh bekannt: Auch viele DQS-Kunden nutzten die unterschiedlichsten Informationsangebote wie z. B.
die Gemeinschaftsveranstaltungen von DGQ, DIN und DQS im Vorfeld
der Veröffentlichung von ISO 9001:2015 am 15. September 2015.
Sie wollten bereit sein und rechtzeitig wertvolles Wissen zur Umstellung ihrer Qualitätsmanagementsysteme auf die neuen Anforderungen sammeln. Denn noch nie in der 28-jährigen Geschichte von ISO
9001 hat es im Zug einer Revision so viele grundlegende Änderungen
an Struktur und Managementorientierung gegeben wie diesmal.
Ein kleiner Kreis von DQS-Kunden hat sich im Vorfeld der Veröffentlichung nicht nur
mit dem nötigen Wissen versorgt, sondern direkt mit der Umstellung ihrer Qualitätsmanagementsysteme begonnen. Sie waren damit die ersten DQS-Kunden, die nach der
Herausgabe der neuen Norm zunächst die Bereitschaftsbewertung und schließlich das
Zertifizierungsaudit erfolgreich absolvierten. Die Ausstellung der Zertifikate erfolgte am
9. November 2015 – kurz nach der, bei Revisionen grundsätzlich fälligen, Neuakkreditierung der DQS für ISO 9001:2015 durch die DAkkS am 30. Oktober 2015.
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DQS GmbH, Frankfurt am Main, Dezember 2015
Vorgehensweisen teils schon etabliert
Die DQS-Normpioniere hatten sich zwar
mit einer Reihe neuer Anforderungen auseinanderzusetzen, einiges davon war aber
nicht gänzlich unbekannt. So sind manche
Vorgehensweisen teils schon seit Jahren
so oder in ähnlicher Form in den Unternehmen etabliert – auch weil sich ihre Umsetzung unmittelbar anbietet. Für alle neu ist
auf jeden Fall der größere Freiraum, den
ISO 9001:2015 den Unternehmen bei der
Umsetzung der Anforderungen lässt. Das
erleichtert einerseits die Anpassung an
unterschiedliche Unternehmensbelange.
Der größere Handlungsspielraum bedeutet aber auch eine größere Verantwortung
für die oberste Leitung, im Weiteren auch
für jeden einzelnen Mitarbeiter. Das setzt
sehr gute Prozesskenntnisse und eine
hohe Motivation voraus.
Die POLAR-FORM Werkzeugbau
GmbH aus Lahr, spezialisiert auf die
Herstellung von Spritzgießwerkzeugen
u. v. m., ist einer unserer Normpioniere.
Das Unternehmen stellt hier mit Blick auf
die Anforderungen aus Kapitel 4.1 (Verstehen der Organisation und ihres Kontextes)
der neuen Norm einen direkten Zusammenhang mit Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit und der Zufriedenheit
der Gesellschafter her: „Für unsere Kunden ist neben der als selbstverständlich
vorausgesetzten Qualität unserer Produkte die Termintreue ein überragendes
Kriterium. Deshalb unterliegen unsere
Fertigungsprozesse einer ständigen, engmaschigen Terminverfolgung. Dabei sind
unsere Mitarbeiter an vorderster Stelle
verantwortlich in die Prozesse integriert,
was maßgeblich zur Zufriedenheit beiträgt
und zu einer extrem geringen Fluktuation
führt.“
Interessierte Parteien: Erfordernisse und
Erwartungen herausarbeiten
Auch die Ermittlung der interessierten
Parteien gehört zu den neuen Anforderungen von ISO 9001:2015 (Kapitel 4.2).
Die SYSGO AG aus Mainz, einer der führenden europäischen Betriebssystem-
www.dqs.de
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hersteller und ebenfalls Normpionier der
DQS, sieht die Erfüllung dieser Anforderungen als lebendigen Prozess, der einer
ständigen Aktualisierung unterliegt. Das
Unternehmen setzt dabei auf Kontakt und
Kommunikation: „Die Relevanz einer Partei ergibt sich für uns meist aus dem Kontext der jeweiligen interessierten Partei. In
der Regel findet ein direkter Kontakt mit
diesen Parteien statt. Über die Kontakte
fertigen wir entsprechende Protokolle
oder Berichte an, so dass Erfordernisse
und Erwartungen klar herausgearbeitet
werden können. Wir haben jeder der interessierten Parteien einen Ansprechpartner
zugeordnet, der u. a. auch die Aktualität
der Daten gewährleistet.“
SYSGO hat auch bei der Ermittlung
der Leistungsindikatoren eines Prozesses,
eine der zentralen Anforderungen zum
„prozessorientierten Ansatz“ (Kapitel 4.4),
eine klare Herangehensweise. „Wir haben
im gesamten Unternehmen für alle Prozesse Key Performance Indicators (KPIs)
bestimmt. Diese sollen in Summe ein klares Bild der Unternehmenssituation geben.
Die Abfrage der KPIs erfolgt regelmäßig;
dabei unterziehen wir die erhobenen Daten
bzw. die eigentlichen KPIs einer kritischen
Überprüfung. So stellen wir fest, ob der
festgelegte KPI überhaupt dazu geeignet
ist, die gewünschten Ergebnisse zu liefern
und somit Aussagen zur aktuellen Unternehmenssituation beizutragen.“
QMB als Experten beibehalten
Kapitel 5.1 enthält als zentrale Anforderung die Übernahme der Verantwortung
durch die oberste Leitung in Bezug auf
die Erfordernisse des Qualitätsmanagementsystems. In Abgrenzung zu einer Teilverantwortlichkeit für konkrete Aufgaben
wird diese „übergeordnete“ Verantwortung als eine Art „Rechenschaftspflicht“
verstanden. Gleichzeitig wird die Existenz
eines Qualitätsmanagementbeauftragten
von der Norm nicht mehr explizit gefordert. Wie gehen Unternehmen diese
Themen in der Praxis an? SCHMIDT
Technology, ein mittelständisches Familienunternehmen mit Spezialisierung auf
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Schreibgeräte, Sensoren und Maschinen
ist ein weiterer unserer Normpioniere. Die
Geschäftsführung des Unternehmens hat
sich seit jeher aktiv um die Belange des
Qualitätsmanagementsystems
gekümmert. Zur vollumfänglichen Erfüllung der
neuen Anforderungen hat SCHMIDT Technology das „Turtle-Modell“ (QM-Methode
zur
Prozessanalyse)
herangezogen:
„Durch die zusätzliche Beschreibung der
Führungsprozesse Unternehmensstrategie, Unternehmensführung und Unternehmenssicherung, jeweils durch das
Turtle-Modell, haben wir die Verpflichtung
der Geschäftsführung u. a. für die Wirksamkeit und Ergebnisverantwortung des
Qualitätsmanagementsystems herausgestellt. Die Rolle des QMB als Experte für
das Qualitätsmanagementsystem haben
wir beibehalten, generell haben wir auch
das Bewusstsein der Prozesseigner der
Geschäftsprozesse gestärkt.“
SWOT-Analyse zur Risikobewertung
Viel diskutiert wurde im Vorfeld der Veröffentlichung der überarbeiteten Qualitätsnorm, inwieweit und nach welchen Methoden die Anforderung nach einem risikobasierten Ansatz (Kapitel 6.1) erfüllt werden
muss und auf welche Weise „Chancen“
ermittelt werden sollten. SCHMIDT Technology hat sich bei der Ermittlung von
Risiken und Chancen der „SWOT-Analyse“
bedient, ein bekanntes Instrument der
strategischen Planung: „Die SWOT-Analysen haben wir gemeinsam mit den Prozesseignern und Prozessbeteiligten durchgeführt. Die Risiken wurden bewertet und
daraus entsprechend der vorgenommenen
Priorisierung Maßnahmenpläne abgeleitet. Durch die Prozesseigner und die Prozessbeteiligten erfolgt die Umsetzung von
Maßnahmen in die Prozesse der Organisation. Die Wirksamkeitsbewertung erstellen
wir anhand der Leistungsindikatoren.“
SYSGO nutzt einen risikobasierten
Ansatz, indem bereits bei der Planung und
der Kalkulation entsprechende Risikofaktoren in die jeweiligen Überlegungen einbezogen werden, z. B. durch Entwicklung
mehrerer Szenarien und entsprechender
DQS GmbH, Frankfurt am Main, Dezember 2015
Maßnahmen zur Risikovermeidung bzw.
Risikominderung: „Diese Betrachtungen
begleiten bei uns den gesamten Unternehmensprozess bis hin zur Auslieferung
an den Kunden. Eine enge Steuerung und
Kontrolle der einzelnen Schritte, insbesondere die transparente Erfassung von
Risiken und die marktspezifische Chancen-Ermittlung dient dabei zur wirksamen
Umsetzung.“
Wissen als Kreislauf
Auch das Thema „Wissen der Organisation“ (Kapitel 7.6.1) ist neu. Hier wird
gefordert, Erfahrungswissen von Mitarbeitern zu „entpersonalisieren“, damit es
dem Unternehmen erhalten bleibt. Zudem
muss die Lenkung des Wissens von und
über Kunden sichergestellt sein. Die Software AG mit Sitz in Darmstadt ist einer
der weltweit führenden Anbieter von Unternehmens-Software. Die fast 4.500 Mitarbeiter des Unternehmens bündeln ein
enormes Wissen, das hier auf intelligente
Weise genutzt wird. Der Wissenstransfer für neue Mitarbeiter oder bei einem
Wechsel der Aufgaben des Mitarbeiters ist
durch geregelte Prozesse sichergestellt:
„In unserem Unternehmen ist die sogenannte „Knowledge Base“ ein zentrales
Instrument, um Wissen über Produkte und
ihre Anwendung zur Verfügung zu stellen.
Sie wird vom Support durch standardisierte Prozesse ständig erweitert. Sowohl
im Support als auch in der Produktentwicklung gibt es wiederum umfangreiche
Wikis, in denen technisches Wissen, Wissen über Prozesse und Produktwissen für
alle Mitarbeiter bereitgestellt und ständig aktualisiert wird. Der Kunde ist über
Tools in den Supportprozess eingebunden.
Damit kann er zum einen die umfangreiche
Knowledge Base durchsuchen, zum anderen aber auch direkt mit den Supportmitarbeitern kommunizieren und individuelle
Anfragen stellen. Diese Anfragen mit den
entsprechenden Antworten werden dann
in anonymisierter und verallgemeinerter
Form wieder Teil der Knowledge Base.“
n
www.dqs.de