ERSTE ZERTIFIKATE Beitrag 16 ISO 9001:2015 – Erste Erfahrungen aus der Praxis DQS-Normpioniere: Umsetzung neuer Anforderungen kein Hexenwerk Nicht nur absoluten Insidern waren die Anforderungen der überarbeiteten Qualitätsnorm schon relativ früh bekannt: Auch viele DQS-Kunden nutzten die unterschiedlichsten Informationsangebote wie z. B. die Gemeinschaftsveranstaltungen von DGQ, DIN und DQS im Vorfeld der Veröffentlichung von ISO 9001:2015 am 15. September 2015. Sie wollten bereit sein und rechtzeitig wertvolles Wissen zur Umstellung ihrer Qualitätsmanagementsysteme auf die neuen Anforderungen sammeln. Denn noch nie in der 28-jährigen Geschichte von ISO 9001 hat es im Zug einer Revision so viele grundlegende Änderungen an Struktur und Managementorientierung gegeben wie diesmal. Ein kleiner Kreis von DQS-Kunden hat sich im Vorfeld der Veröffentlichung nicht nur mit dem nötigen Wissen versorgt, sondern direkt mit der Umstellung ihrer Qualitätsmanagementsysteme begonnen. Sie waren damit die ersten DQS-Kunden, die nach der Herausgabe der neuen Norm zunächst die Bereitschaftsbewertung und schließlich das Zertifizierungsaudit erfolgreich absolvierten. Die Ausstellung der Zertifikate erfolgte am 9. November 2015 – kurz nach der, bei Revisionen grundsätzlich fälligen, Neuakkreditierung der DQS für ISO 9001:2015 durch die DAkkS am 30. Oktober 2015. © DQS GmbH, Frankfurt am Main, Dezember 2015 Vorgehensweisen teils schon etabliert Die DQS-Normpioniere hatten sich zwar mit einer Reihe neuer Anforderungen auseinanderzusetzen, einiges davon war aber nicht gänzlich unbekannt. So sind manche Vorgehensweisen teils schon seit Jahren so oder in ähnlicher Form in den Unternehmen etabliert – auch weil sich ihre Umsetzung unmittelbar anbietet. Für alle neu ist auf jeden Fall der größere Freiraum, den ISO 9001:2015 den Unternehmen bei der Umsetzung der Anforderungen lässt. Das erleichtert einerseits die Anpassung an unterschiedliche Unternehmensbelange. Der größere Handlungsspielraum bedeutet aber auch eine größere Verantwortung für die oberste Leitung, im Weiteren auch für jeden einzelnen Mitarbeiter. Das setzt sehr gute Prozesskenntnisse und eine hohe Motivation voraus. Die POLAR-FORM Werkzeugbau GmbH aus Lahr, spezialisiert auf die Herstellung von Spritzgießwerkzeugen u. v. m., ist einer unserer Normpioniere. Das Unternehmen stellt hier mit Blick auf die Anforderungen aus Kapitel 4.1 (Verstehen der Organisation und ihres Kontextes) der neuen Norm einen direkten Zusammenhang mit Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit und der Zufriedenheit der Gesellschafter her: „Für unsere Kunden ist neben der als selbstverständlich vorausgesetzten Qualität unserer Produkte die Termintreue ein überragendes Kriterium. Deshalb unterliegen unsere Fertigungsprozesse einer ständigen, engmaschigen Terminverfolgung. Dabei sind unsere Mitarbeiter an vorderster Stelle verantwortlich in die Prozesse integriert, was maßgeblich zur Zufriedenheit beiträgt und zu einer extrem geringen Fluktuation führt.“ Interessierte Parteien: Erfordernisse und Erwartungen herausarbeiten Auch die Ermittlung der interessierten Parteien gehört zu den neuen Anforderungen von ISO 9001:2015 (Kapitel 4.2). Die SYSGO AG aus Mainz, einer der führenden europäischen Betriebssystem- www.dqs.de Beitrag 16 hersteller und ebenfalls Normpionier der DQS, sieht die Erfüllung dieser Anforderungen als lebendigen Prozess, der einer ständigen Aktualisierung unterliegt. Das Unternehmen setzt dabei auf Kontakt und Kommunikation: „Die Relevanz einer Partei ergibt sich für uns meist aus dem Kontext der jeweiligen interessierten Partei. In der Regel findet ein direkter Kontakt mit diesen Parteien statt. Über die Kontakte fertigen wir entsprechende Protokolle oder Berichte an, so dass Erfordernisse und Erwartungen klar herausgearbeitet werden können. Wir haben jeder der interessierten Parteien einen Ansprechpartner zugeordnet, der u. a. auch die Aktualität der Daten gewährleistet.“ SYSGO hat auch bei der Ermittlung der Leistungsindikatoren eines Prozesses, eine der zentralen Anforderungen zum „prozessorientierten Ansatz“ (Kapitel 4.4), eine klare Herangehensweise. „Wir haben im gesamten Unternehmen für alle Prozesse Key Performance Indicators (KPIs) bestimmt. Diese sollen in Summe ein klares Bild der Unternehmenssituation geben. Die Abfrage der KPIs erfolgt regelmäßig; dabei unterziehen wir die erhobenen Daten bzw. die eigentlichen KPIs einer kritischen Überprüfung. So stellen wir fest, ob der festgelegte KPI überhaupt dazu geeignet ist, die gewünschten Ergebnisse zu liefern und somit Aussagen zur aktuellen Unternehmenssituation beizutragen.“ QMB als Experten beibehalten Kapitel 5.1 enthält als zentrale Anforderung die Übernahme der Verantwortung durch die oberste Leitung in Bezug auf die Erfordernisse des Qualitätsmanagementsystems. In Abgrenzung zu einer Teilverantwortlichkeit für konkrete Aufgaben wird diese „übergeordnete“ Verantwortung als eine Art „Rechenschaftspflicht“ verstanden. Gleichzeitig wird die Existenz eines Qualitätsmanagementbeauftragten von der Norm nicht mehr explizit gefordert. Wie gehen Unternehmen diese Themen in der Praxis an? SCHMIDT Technology, ein mittelständisches Familienunternehmen mit Spezialisierung auf © Schreibgeräte, Sensoren und Maschinen ist ein weiterer unserer Normpioniere. Die Geschäftsführung des Unternehmens hat sich seit jeher aktiv um die Belange des Qualitätsmanagementsystems gekümmert. Zur vollumfänglichen Erfüllung der neuen Anforderungen hat SCHMIDT Technology das „Turtle-Modell“ (QM-Methode zur Prozessanalyse) herangezogen: „Durch die zusätzliche Beschreibung der Führungsprozesse Unternehmensstrategie, Unternehmensführung und Unternehmenssicherung, jeweils durch das Turtle-Modell, haben wir die Verpflichtung der Geschäftsführung u. a. für die Wirksamkeit und Ergebnisverantwortung des Qualitätsmanagementsystems herausgestellt. Die Rolle des QMB als Experte für das Qualitätsmanagementsystem haben wir beibehalten, generell haben wir auch das Bewusstsein der Prozesseigner der Geschäftsprozesse gestärkt.“ SWOT-Analyse zur Risikobewertung Viel diskutiert wurde im Vorfeld der Veröffentlichung der überarbeiteten Qualitätsnorm, inwieweit und nach welchen Methoden die Anforderung nach einem risikobasierten Ansatz (Kapitel 6.1) erfüllt werden muss und auf welche Weise „Chancen“ ermittelt werden sollten. SCHMIDT Technology hat sich bei der Ermittlung von Risiken und Chancen der „SWOT-Analyse“ bedient, ein bekanntes Instrument der strategischen Planung: „Die SWOT-Analysen haben wir gemeinsam mit den Prozesseignern und Prozessbeteiligten durchgeführt. Die Risiken wurden bewertet und daraus entsprechend der vorgenommenen Priorisierung Maßnahmenpläne abgeleitet. Durch die Prozesseigner und die Prozessbeteiligten erfolgt die Umsetzung von Maßnahmen in die Prozesse der Organisation. Die Wirksamkeitsbewertung erstellen wir anhand der Leistungsindikatoren.“ SYSGO nutzt einen risikobasierten Ansatz, indem bereits bei der Planung und der Kalkulation entsprechende Risikofaktoren in die jeweiligen Überlegungen einbezogen werden, z. B. durch Entwicklung mehrerer Szenarien und entsprechender DQS GmbH, Frankfurt am Main, Dezember 2015 Maßnahmen zur Risikovermeidung bzw. Risikominderung: „Diese Betrachtungen begleiten bei uns den gesamten Unternehmensprozess bis hin zur Auslieferung an den Kunden. Eine enge Steuerung und Kontrolle der einzelnen Schritte, insbesondere die transparente Erfassung von Risiken und die marktspezifische Chancen-Ermittlung dient dabei zur wirksamen Umsetzung.“ Wissen als Kreislauf Auch das Thema „Wissen der Organisation“ (Kapitel 7.6.1) ist neu. Hier wird gefordert, Erfahrungswissen von Mitarbeitern zu „entpersonalisieren“, damit es dem Unternehmen erhalten bleibt. Zudem muss die Lenkung des Wissens von und über Kunden sichergestellt sein. Die Software AG mit Sitz in Darmstadt ist einer der weltweit führenden Anbieter von Unternehmens-Software. Die fast 4.500 Mitarbeiter des Unternehmens bündeln ein enormes Wissen, das hier auf intelligente Weise genutzt wird. Der Wissenstransfer für neue Mitarbeiter oder bei einem Wechsel der Aufgaben des Mitarbeiters ist durch geregelte Prozesse sichergestellt: „In unserem Unternehmen ist die sogenannte „Knowledge Base“ ein zentrales Instrument, um Wissen über Produkte und ihre Anwendung zur Verfügung zu stellen. Sie wird vom Support durch standardisierte Prozesse ständig erweitert. Sowohl im Support als auch in der Produktentwicklung gibt es wiederum umfangreiche Wikis, in denen technisches Wissen, Wissen über Prozesse und Produktwissen für alle Mitarbeiter bereitgestellt und ständig aktualisiert wird. Der Kunde ist über Tools in den Supportprozess eingebunden. Damit kann er zum einen die umfangreiche Knowledge Base durchsuchen, zum anderen aber auch direkt mit den Supportmitarbeitern kommunizieren und individuelle Anfragen stellen. Diese Anfragen mit den entsprechenden Antworten werden dann in anonymisierter und verallgemeinerter Form wieder Teil der Knowledge Base.“ n www.dqs.de
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