Risikobasiertes Denken und Handeln

Beitrag 9
Risikobasiertes
Denken und Handeln
Normenrevision ISO 9001:2015
Zu den wesentlichen Veränderungen, die die Revision der ISO 9001
für uns bereithält, zählt zweifelsohne der Ansatz des risikobasierten
Denkens. Nun ist das Thema „Risiko“ nicht gänzlich neu in der ISO
9001, nur war es bislang eingebettet in den Forderungen zu Vorbeugungsmaßnahmen, die in der Revision entfallen sind und durch das
Betrachten von Risiken und Chancen ersetzt werden.
Ausgangspunkt für das Betrachten von oder durch unternehmenseigene FestRisiken und Chancen ist der geschärfte legungen erfüllt werden müssen. Es ist
Fokus der ISO 9001:2015 auf das Erzielen damit also nicht von einem umfassenden
„beabsichtigter Ergebnisse“ sowohl des Risikomanagementsystem z. B. auf Basis
Qualitätsmanagementsystems als auch von ISO 31000 die Rede und es wird auch
der hierfür benötigten
kein formeller RisikoISO 9001:2015 wird
Prozesse. Die „beabmanagementprozess
einen risikobasierten
sichtigten Ergebnisse“
gefordert. Auch werden
hingegen ergeben sich Ansatz bei der Festlegung keine Forderungen in
aus dem AnwendungsBezug auf konkrete
der organisatorischen
bereich des Systems
anzuwendende MethoProzesse fordern.
mit dem Ziel, Produkte
den zur Risikoermittund Dienstleistungen zur Verfügung zu lung oder -bewertung gestellt.
stellen, die durch Kundenerfordernisse, In diesem Zusammenhang sind zwei
durch gesetzliche / behördliche Vorgaben durch das zuständige ISO-Komitee ver-
Die innere Logik von ISO 9001:2015
Prozesse der Organisation und deren
erwartete Ergebnisse
Betrachten der Risiken und Chancen in Bezug
auf das Erreichen bzw. Nichterreichen der
erwarteten Ergebnisse
ISO 9001:2015 definiert Risiko als
die Auswirkung von Unsicherheit
auf ein erwartetes Ergebnis.
©
DQS GmbH, Frankfurt am Main, September 2015
Risiko
Umfang der benötigten
„dokumentierten Information“
www.dqs.de
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öffentlichte Dokumente wirklich empfehlenswert, die in kurzer
und prägnanter Form erläutern, worum es beim risikobasierten
Ansatz tatsächlich geht. Dies ist zum einen ein Foliensatz („Risk
Based Thinking“) und zum anderen ein weiteres, sehr plastisches Beispiel zum Überqueren einer stark befahrenen Straße
(Dokument N1222 „Risk in ISO 9001:2015“). Beide Dokumente
sind unter dem unten angegebenen Link kostenlos abrufbar.
Weitere gute und ergänzende Erläuterungen bietet auch das
Kapitel 0.3.2 der revidierten Fassung, in dem unter anderem
ausgeführt wird, dass risikobasiertes Denken für ein wirksames
Qualitätsmanagementsystem unerlässlich ist und zum Erreichen
verbesserter Ergebnisse und dem Vermeiden von negativen Auswirkungen eingesetzt werden soll.
Interessierte Parteien und deren relevanten Forderungen in
Bezug auf Risiken und Chancen
Konkrete Forderungen der ISO 9001:2015
Auch wenn die ISO 9001:2015 Risiken immer auch in Bezug zu
Chancen setzt, stehen viele vor der Frage, was konkret Chancen
sein können. Nicht gemeint ist damit die Erreichung beabsichtigter Ergebnisse, denn das ist eine grundlegende Forderung an das
Qualitätsmanagementsystem und seine Prozesse. Auch hier gibt
das Kapitel 0.3.2 der ISO 9001:2015 gute Hinweise. Dort sind
folgende Möglichkeiten für Chancen aufgeführt:
ƒƒKundengewinnung
ƒƒEntwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen
ƒƒVerringerung von Abfall / Ausschuss
ƒƒVerbesserung der Produktivität.
ƒƒIdentifikation (Bestimmung) von Risiken und Chancen,
um die Erzielung beabsichtigter Ergebnisse abzusichern,
erwünschte Auswirkungen zu verstärken (dies sind die
Chancen), unerwünschte Auswirkungen zu verhindern oder
zu verringern (dies sind die Risiken) und Verbesserungen zu
erreichen.
ƒƒBewertung der erkannten, bestimmten Risiken und Chancen.
Hier sind keine obligatorisch anzuwendenden Methoden
genannt. Gängige, etablierte Werkzeuge wie z. B. (Prozess-)
FMEA’s, SWOT-Analysen, ABC-Analysen oder Risikomatrix
sind aber durchaus empfehlenswert.
ƒƒMaßnahmen aus den identifizierten Risiken und Chancen
ableiten. Diese können sich auf die Eliminierung / Vermeidung des Risikos oder der Risikoquelle beziehen, auf die
Reduzierung des Risikos durch eine Veränderung der Eintrittswahrscheinlichkeit oder der Auswirkungen / Konsequenzen ausgerichtet sein oder eben auch eine Akzeptanz des
Risikos beinhalten, um z. B. eine Chance wahrzunehmen.
ƒƒBewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen, z. B. anhand
von Nichteintritt eines identifizierten Risikos oder der Absenkung einer Eintrittswahrscheinlichkeit oder der Verringerung
der Auswirkungen (z. B. durch Versicherungen, vertragliche
Absicherungen in Kundenverträgen etc.).
Soweit die Frage angesprochen ist, in welcher Form oder in welchem Umfang hierüber dokumentierte Nachweise („dokumentierte Information“ nach neuer Terminologie der ISO 9001:2015)
erforderlich sind, kann Folgendes festgehalten werden: Es gibt
hierzu keine konkrete, präzise Forderung in den relevanten Kapiteln der Norm. Stattdessen heißt es im (ebenfalls lesenswerten)
Anhang A4: „… ist die Organisation für die Anwendung des risikobasierten Denkens sowie für das Einleiten von Maßnahmen
zur Behandlung eines Risikos verantwortlich, einschließlich der
Beantwortung der Frage, ob dokumentierte Informationen als
Nachweis für die Bestimmung von Risiken von ihr aufzubewahren sind oder nicht.“ Einfacher ausgedrückt: Das legt eine Organisation individuell für sich fest – nicht die Norm und nicht die
Zertifizierungsgesellschaft und deren Auditoren!
©
DQS GmbH, Frankfurt am Main, September 2015
Ein Aspekt, der nicht übersehen werden sollte, ist die Betrachtung der relevanten Forderungen der für das Qualitätsmanagementsystem relevanten interessierten Parteien, wobei
„Relevanz“ folgendermaßen auszulegen ist: Auswirkung auf die
Fähigkeit der Organisation, fortlaufend konforme, also den Kundenerwartungen und gesetzlichen, behördlichen Forderungen
entsprechende Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung zu
stellen. Damit sind im Kontext der Betrachtung von Risiken und
Chancen auch diese zu berücksichtigen (Referenz: Kap 6.1.1
ISO 9001:2015).
Stiefkind: Chancen
Weitere Hinweise finden sich in den Anmerkungen zum Kapitel
6.1.2, z. B.
ƒƒÜbernahme neuer Praktiken und Einsatz neuer Techniken
ƒƒMarkteinführung neuer Produkte
ƒƒErschließung neuer Märkte
ƒƒAufbau von Partnerschaften
Alles in allem empfehlen wir, mit der gleichen Intensität, mit der
Risiken bestimmt, bewertet und daraus Maßnahmen abgeleitet
werden, mit den möglichen Chancen umzugehen und auch diese
zu bestimmen, zu bewerten und ebenfalls Maßnahmen zu deren
Ergreifung abzuleiten.
Frank Graichen
Geschäftsführer DQS Medizinprodukte GmbH
[email protected]
Empfehlenswerte Dokumente des ISO-Komitees
Foliensatz „Risk Based Thinking“
und Dokument N1222 „Risk in ISO 9001:2015“ kostenlos
abrufbar unter
http://isotc.iso.org/livelink/livelink/open/tc176SC2public
www.dqs.de