Streptokokken: Der Erreger breitet sich aus! Martin Schaerer, dipl. ing.agr.ETH, Leiter Vital-Beratungsdienst, Ostschweiz Einer der häufigsten Krankheitserreger im Schweinestall ist das Bakterium Streptokokkus suis (S. suis). Besonders im Saugferkel- und Aufzuchtbereich kann es zu wirtschaftlichen Schäden führen. Als Zoonoseerreger kann es auch beim Menschen Erkrankungen auslösen, die in seltenen Fällen schwerwiegende Probleme beim Betroffenen verursachen können. Diese Fakten sind ein Grund, ganz entschieden gegen diesen Erreger vorzugehen. Ganz ausrotten lassen sich diese Bakterien aber kaum. Streptokokken kommen als natürliche Bewohner auf der Haut, den Tonsillen (Mandeln), im Darm und im Vaginalausfluss der Sauen vor, meist ohne dort Schaden anzurichten. Aber auch in der Umgebung (Buchtenwände, Boden) kommen die Erreger vor. Fliegen, Mäuse, Ratten und auch Katzen können eine S. suis Infektion über mehrere Kilometer übertragen. Zur Infektion der Ferkel kann es schon während der Geburt kommen. Aber auch durch den Kontakt der Muttersau mit dem Ferkel, über die Aufnahme von infiziertem Kolostrum oder Milch, der Ferkel untereinander über die Rüsselscheibe, Körperflüssigkeiten und den Kontakt zur Umgebung werden die Erreger übertragen. S.suis Erreger dringen über die Schleimhäute, den Nabel und Verletzungen der Haut (aufgescheuerte Gelenke, Bisswunden, Zahnfleischwunden aufgrund von unvorsichtigem Zähneschleifen) in die Ferkel ein. Einmal im Körper eingedrungen, vermehren sie sich im Gewebe, in Organen oder im Blut. Bekannt sind weltweit ca. 35 Serotypen, wobei in Europa vor allem der Serotyp 2 und 9 zu Schäden führen können. Unterschiedliche Krankheitsbilder Tiere mit einer funktionierenden körpereigenen Abwehr können die eingedrungenen Bakterien meist gut bekämpfen und erkranken nicht. Bei geschwächten Tieren kann es jedoch zur Besiedelung von Gelenken, Gehirn, Lunge, Herzbeutel und Herzklappen kommen. Das erste Anzeichen einer Streptokokkeninfektion ist der Anstieg der Körpertemperatur auf bis zu 42.5 0 C. Das Tier zeigt ein gestörtes Allgemeinbefinden und oft auch ein raues, struppiges Haarkleid. In perakuten Fällen treten plötzliche Todesfälle ohne vorhergehende klinische Symptome auf. Die häufigste Erkrankungsform ist die Gelenksentzündung beim Saugferkel, die sehr oft schon in den ersten Lebenstagen auftritt. Weitere Erscheinungen sind Hirnhautentzündung, Mittelohrentzündung, Nabelentzündung und auch die akut tödlich verlaufende Blutvergiftung. Ort der Erkrankung Symptome Gelenksentzündung (vorwiegend Karpal- und Tarsalgelenke) Schmerzhafte, geschwollene und warme Gelenke, Lahmheiten Hirnhautentzündung Zittern, unkoordiniertes Laufen, Liegen in Seitenlage mit nach hinten gestrecktem Kopf und Rudern mit den Beinen, hohes Fieber Nabelentzündung Verdickter, geröteter, schmerzhafter Nabel Gebärmutterentzündungen bei Sauen Erhöhte Umrauschrate, Aborte, Vaginalausfluss Lungenentzündung (Vorschädigung meist durch andere Erreger) Heftige, pumpende Atmung, erhöhte Körpertemperatur -4- Vorgehen gegen Streptokokken Da S. suis praktisch überall vorkommen, ist die Hygiene im betroffenen Betrieb oberstes Gebot. Besonders gefährdet sind Jungsauenwürfe, Würfe von MMA-kranken Sauen und untergewichtige Ferkel, deren Immunsystem den Keim nicht eliminieren kann sowie Ferkel, die an Eisenmangel leiden - Keimdruck reduzieren Wenn irgend möglich sollte ein konsequentes Rein-Raus-Prinzip mit dazugehöriger Reinigung und Desinfektion mit einem DVGgeprüften Desinfektionsmittel (z.B. Venno-Vet 1 super) durchgeführt werden. Dies sollte alle Bereiche vom Abferkelstall bis zum Verkauf der Tiere betreffen. Die Sauen sollen vor dem Einstallen in den Abferkelstall gründlich gewaschen werden. Erfolgreiche Sauenhalter verwenden dazu unser bewährtes Produkt Venno-Oxygen, um die Keime und Wurmeier auf der Haut abzuwaschen. Eine gute Buchtenhygiene ist wichtig. Morgens und abends ist der Kot aus der Abferkelbucht zu entfernen. Saubere Arbeitsgeräte sind eine Grundvoraussetzung. Eine Zwischendesinfektion in belegten Ställen mit einem Trockendesinfektionsmittel kann den Keimdruck zusätzlich reduzieren. Zugekaufte Jungsauen, welche die bestandesspezifische Keimflora noch nicht kennen, geben mit ihrem Kolostrum (Biestmilch) auch keine bestandesspezifischen Antikörper an die Ferkel weiter. Empfohlen wird eine ausreichende Immunisierung der Jungsauen über 6 Wochen mit Kontakt zu einer Altsau (sollten sich durch ein Gitter mit der Rüsselscheibe berühren können). - Verletzungen auf ein Minimum reduzieren Die Geburtsüberwachung ist wichtig, damit die Ferkel rechtzeitig genügend Biestmilch aufnehmen können. Hat eine Sau zu wenig Milch (Gesäugeentzündung, MMA), finden Rangkämpfe einhergehend mit Verletzungen schon am Gesäuge statt. In Problemfällen müssen die Zähne der Ferkel abgeschliffen werden. Eine Nabeldesinfektion ist nur sinnvoll, wenn sie unmittelbar nach der Geburt erfolgt. Die eingetrocknete Nabelschnur ist aber so einzukürzen, dass sie nicht über den Boden schleift. Blutende Massnahmen wie Eiseninjektionen, Einziehen der Ohrmarke und Kastrieren soll-5- ten unter besonders hygienischen Bedingungen erfolgen. Niemals stumpfe Nadeln verwenden; nur 10 bis 12 Tiere (Wurf) mit einer Kanüle behandeln. Bei der Kastration sollte abwechselnd mit zwei Skalpellen gearbeitet werden, wobei eines immer in eine Desinfektionslösung getaucht wird. Raue Buchtenböden sind zu sanieren, um aufgeschürfte Gelenke zu vermeiden. - Stress vermeiden Das ist in der Praxis in manchen Fällen nicht immer möglich, wie zum Beispiel der Stress beim Absetzen oder beim Umstallen. Die Bedingungen sind jedoch immer so zu gestalten, dass der Stress minimiert wird. Das Futter erst einige Zeit nach dem Umstallen wechseln, Stalltemperaturen an die Tierentwicklung anpassen. Überbelegung in den Buchten spielt bei Stress eine grosse Rolle, darum vorgeschriebene Belegungsdichte nicht überschreiten. Auch die Fütterung sollte so optimiert werden, dass die Tiere nicht nur mit allem Nötigen versorgt werden, sondern sich auch wohl fühlen. Dazu gehören ein genügender Rohfasergehalt (Sättigungsgefühl), gleichbleibende Fütterungszeiten, keine abrupt ändernden Futterkomponenten und auch keine Belastung mit Schadstoffen (Mykotoxine, Hefen, Bakterien und Pilze). Die Kontrolle des Wassers spielt hier ebenso eine Rolle. Zu kaltes Wasser, ein zu niedriger Wasserdurchlauf am Tränkenippel, Belastungen durch Schadstoffe und Keime beeinflussen das Unwohlsein der Tiere stärker als oft vermutet. Eine unzureichende Versorgung der Ferkel mit Eisen schwächt die Immunabwehr sehr stark. Uebertragung von S. suis von Tier zu Tier über die Rüsselscheibe! S. suis Infektionen behandeln Bei den ersten klinischen Anzeichen einer Streptokokkeninfektion sind die betroffenen Tiere in Absprache mit dem Bestandestierarzt antibiotisch zu behandeln. Streptokokken sind generell empfindlich gegenüber Penicillin und Amoxicillin. Dennoch kann es ratsam sein, bei einem Bestandesproblem eine Resistenzprüfung durchzuführen. Kümmerer und kranke Tiere sind unbedingt abzusondern; diese scheiden den Erreger über Wochen aus, da sie ihn im NasenRachen-Raum tragen. Ist es nicht möglich, die Streptokokkenprobleme in einem Betrieb durch die erwähnten Massnahmen in den Griff zu bekommen, ist in Zusammenarbeit mit dem Bestandestierarzt der Einsatz eines stallspezifischen Impfstoffes in Betracht zu ziehen. Auch Tierhalter müssen sich vor Streptokokken schützen S.suis stellt nicht nur für das Schwein, sondern auch für den Menschen eine gewisse Gefahr dar. Besonders Menschen, die beruflich mit Schweinen zu tun haben (Schweinehalter, Tierärzte, Metzger), können sich infizieren. Eintrittspforten sind auch hier Hautabschürfungen. S. suis ruft beim Menschen Kopfweh, Schwindelgefühl und Übelkeit hervor und kann Hirnhaut-, Herzklappen-, Gelenks- und Lungenentzündung verursachen. Schon alleine durch das Waschen der Hände mit Seife und Wasser kann die Hautkontamination mit Streptokokken deutlich reduziert werden. Fazit: Der kluge Praktiker kann die Umwelt so gestalten, dass S. suis Infektionen reduziert werden oder wenigstens in abgeschwächter Form verlaufen. Ein konsequentes Hygienemanagement, optimale Umweltbedingungen und vor allem keine Überbelegungen in den Buchten und ein durch den Tierarzt ausgearbeitetes Impfprogramm helfen, die Tiere gesund zu halten, die Leistung zu steigern und damit auch den Verdienst für den Schweinehalter zu erhöhen. -6- Checkliste zur StreptokokkenBekämpfung Reinigung und Desinfektion • Sauen waschen vor Einstallung in den Abferkelstall • Reinigung und Desinfektion der Stallungen • Schädlingsbekämpfung Management • Rein-Raus-Verfahren • Milchleistung der Sau optimieren • Kolostrumversorgung der Ferkel sicherstellen • Zähne schleifen, falls erforderlich • Injektionsnadeln / Skalpell: Einwegnadeln wurfweise bzw. Desinfektion • Saubere Perforation von Haut und Knorpel beim Einziehen der Ohrmarke • Eisenversorgung • Bodenbeschaffenheit in der Abferkelbucht prüfen Fütterung und Haltung • Vorheizen des Aufzuchtstalles vor Neueinstallung • Besatzdichte im Jagerstall überprüfen • Verletzungen durch Rangkämpfe vermeiden • Fressplatz- / Tierplatzverhältnis einhalten • Fütterungshäufigkeit und Fütterungszeiten einhalten • Anzahl und Funktion der Tränkenippel prüfen • Lüftung kontrollieren
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