Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.07

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 05.07.2015, Nr. 27, S. 11
Neunzig Minuten sexuelle Vielfalt
Eine Gesamtschule, achte Klasse, Sexualkunde. Der Lehrer, selbst schwul, redet über
Homosexualität, Normalität und Identität.
Von Katrin Hummel
Und am Ende der vorigen Stunde hat der Lehrer dann gesagt, dass es ein drängendes
Problem gibt, aber das kann ich so nicht bestätigen", fasst Felix mit errötenden
Wangen die letzte Unterrichtsstunde zusammen. "Nämlich, wir haben darüber
nachgedacht, ob es sein kann, dass ein Penis zu klein ist." Seine Mitschüler lachen,
aber nicht spöttisch über Felix, sondern einfach, weil sie die Vorstellung lustig finden.
Auch Felix und sein Biolehrer Guido Mayus lachen. "Und wie ist die Antwort?", fragt
Mayus. Leander meldet sich: "Das kann nicht sein, weil, wozu dient der Sex? Um
Spaß zu haben, dazu muss man das sexuelle Erregungszentrum der Frau berühren,
und das ist nicht weit drin." "Ja, wo ist es denn?", fragt Mayus. "Über der Scheide",
sagt Benedikt.
Potsdam, Sexualkundeunterricht an der Voltaire-Gesamtschule, in einer sehr
leistungsstarken achten Klasse. Thema der Doppelstunde: "Männlich, weiblich und
was noch?" Mayus, 49, Bio- und Erdkundelehrer und schwul, möchte den Schülern
verschiedene Konstruktionen und Dimensionen von Geschlecht vermitteln. Ein
Ansinnen, das im Rahmen des Konzepts der "sexuellen Vielfalt" Einzug in die
Lehrpläne vieler Bundesländer gefunden hat oder demnächst finden soll, das von
Teilen der Union, der AfD und Initiativen wie dem "Familien-Schutz" indessen als
Frühsexualisierung der Kinder und Eingriff in die Erziehungshoheit der Eltern
geschmäht wird.
Nachdem Felix mit seiner Zusammenfassung der letzten Stunde fertig ist, wirft Guido
Mayus mit dem Laptop eine Zeichnung an die Wand. Darauf sieht man zwei junge
Menschen, von denen der linke aussieht wie ein Junge und der rechte androgyn
wirkt. Die Schüler sollen sagen, was sie denken. Sarah (deren Name wie die Namen
aller Schüler im Text verändert wurde) meldet sich: "Ich denke jetzt erst mal, dass es
Junge und Mädchen sind; die rechte sieht aber nicht normal aus." "Was ist denn
normal?", fragt Mayus. Konstantin sagt: "Man hat dann keine Tattoos auf dem Arm,
so wie die rechte." Kira meint: "Sie sieht weniger durchschnittlich aus, ich würde
sagen, sie könnte auch ein Junge sein."
Mayus bittet die Schüler, in Kleingruppen typische Merkmale von Mädchen und
Jungen zu erarbeiten. Es kommt heraus: Jungen haben kurze Haare, tragen flache
Schuhe, haben unrasierte Beine, kantige Gesichter, wollen cool sein und
Feuerwehrmann werden. Mädchen sind zickig, unsportlich, lieben Rosa, tragen enge
Klamotten und Röcke. Was in den Augen der 14 Jahre alten Schüler für beide
Geschlechter gilt: Sie benutzen Parfum, können sportlich sein und Hosen tragen. Die
Schüler stellen auch fest, dass man nicht pauschal sagen kann, dass Jungen "so" sind
und Mädchen "so".
Die Unterrichtsmaterialien, die Mayus einsetzt, stammen nicht aus dem Biologiebuch
der Schüler, sondern aus dem Internet oder vom Lesben- und Schwulenverband.
Auch die AG "Schwule Lehrer" bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in
Berlin hat einige Arbeitsblätter beigesteuert, "vor allem solche, die sich mit der
sexuellen Orientierung befassen", sagt Mayus. Wenn es nach der Gewerkschaft geht,
sollen die Schulbuchverlage künftig bei der Konzeption von Schulbüchern
berücksichtigen, "dass Zweigeschlechtlichkeit lediglich eine gesellschaftliche Norm,
nicht aber eine biologische Tatsache ist", und "viel mehr Menschen zeigen, die zum
Beispiel homo- oder bisexuell sind".
Mayus wirft jetzt die nächste Aufgabe in den Raum. Er fragt, welche Vorteile der
Junge durchs Junge-Sein hat und das Mädchen durchs Mädchen-Sein, und welche
Nachteile. "Jetzt bin ich mal gespannt", sagt er und guckt in die Runde. Die
Schülerinnen und Schüler melden sich sofort rege, und es entsteht eine interessante
Gedankensammlung: Die Nachteile der Mädchen seien, dass sie empfindliche Brüste
hätten, Kinder bekämen und ihre Regel bekämen. Die Vorteile: dass es
Frauenparkplätze gebe, dass Mädchen Jungen schlagen dürften und dass sie weinen
dürften, wann sie wollten. Ein weiterer Vorteil: Dass man als Mädchen keinen
Jungen ansprechen müsse - die Kontaktaufnahme übernähmen meist die Jungen.
"Will da jemand widersprechen?", fragt Mayus, der auf Rollenklischees aufmerksam
machen will. Aber niemand meldet sich.
Franziska sagt dann noch, die Menstruation sei eher ein Vorteil, denn man könne
dann deswegen sagen, dass man nicht in die Schule gehen könne. Mayus lacht.
Jeremias zeigt jetzt auf, er findet: "Das Kinderkriegen ist wirklich ein Nachteil, aber
als Mutter ist man, glaube ich, gar nicht so verärgert darüber, wenn das Kind dann
erst mal da ist." Mayus ergänzt: "Viele Männer sind dann auch neidisch auf die Frau,
weil die Bindung des Kinds zur Mutter anders ist, als ein Mann sie zum Kind haben
kann."
Jetzt sind die Jungen dran. Die Vorteile am Junge-Sein sind ihrer Meinung nach,
dass sie im Stehen pinkeln könnten, Glatzen haben dürften und dass das
Haarewaschen schnell gehe. Nachteile findet gerade keiner der Schüler, daher stellt
Mayus die Hausaufgabe: "Wie sähe dein Tag aus, wenn du einen Tag lang ein anderes
Geschlecht hättest?"
Mayus stellt diese Hausaufgabe, weil er findet, dass guter Sexualkundeunterricht "die
Vielfalt sexueller Identitäten berücksichtigen muss". Er als schwuler Lehrer sei zur
Vermittlung dieser Lerninhalte mindestens genauso gut in der Lage wie ein
heterosexueller Lehrer. Denn Voraussetzung dafür sei eine gewisse Reflexion über die
eigene Sexualität. "Die muss man kennen, um bestimmte Dinge zu vermeiden wie
eine Tradierung oder Stereotypisierung von Geschlechterrollen. Wenn ich als Hetero
immer Dinge wiederhole, die gang und gäbe sind, also zum Beispiel immer einen
Jungen den Overheadprojektor tragen lasse, weil der schwer ist, dann baue ich keine
Vorurteile ab. Und erst recht keine Vorbehalte gegen Homosexuelle und
Transsexuelle."
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht in dieser Hinsicht auch bei den
Schulbuchverlagen viel Nachholbedarf. Eine Analyse im Auftrag der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung ergab, dass in Baden-Württemberg noch im Jahr
2004 "homosexuelle Lebensgemeinschaften" nur im Lehrplan für katholische
Religion des Gymnasiums vorkamen, und zwar unter der Überschrift "Problemfeld
der Sexualität". Als weiteres Problemfeld wurde an gleicher Stelle Aids genannt. Und
daran hat sich bis heute nicht allzu viel geändert, wie eine Analyse von 19
Schulbüchern der Sekundarstufe 1 aus den Bereichen Englisch und Biologie durch die
Erziehungswissenschaftlerin Melanie Bittner gezeigt hat.
"Bin ich schwul oder lesbisch, und wie finde ich es heraus" - das sei aber durchaus
eine Frage, die die Schüler im Vorfeld des Sexualkundeunterrichts an ihn
herangetragen hätten, erzählt Mayus. Er holt einen Schnellhefter heraus, in den er
verschiedene handgeschriebene Zettel geheftet hat, auf dem die Schüler ihre Fragen
notiert haben. Die Frage nach dem Schwul- oder Lesbisch-Sein taucht insgesamt
zweimal auf, außerdem haben die Schüler zum Beispiel noch gefragt: "Wie läuft
Geschlechtsverkehr ab?", "Warum kommen Jungs schneller als Mädchen?", "Wie viel
Kilo nimmt man beim Sex ab?", "Was ist Transsexualität?" oder "Was passiert beim
Sex mit mir?"
Die Frage nach der sexuellen Orientierung will Mayus jetzt beantworten - und noch
einige verwandte Fragen gleich mit. Er fragt: "Was ein Geschlecht ausmacht, ist das
eigentlich über die Biologie definiert oder über das, was ihr denkt?" Dazu wirft er ein
Arbeitsblatt an die Wand, auf dem die Unterschiede zwischen biologischem sowie
psychischem und sozialem Geschlecht - also "Gender" - erklärt werden, außerdem der
Begriff der sexuellen Orientierung und der Begriff "intersexuell" ("von beiden
biologischen Geschlechtern etwas"). Die Schüler lernen, dass es "verschiedene
Konstruktionen von Geschlecht" gebe, unter anderem die soziale, die etwas darüber
aussagt, wie man als geschlechtliches Wesen wahrgenommen werden will: als
männlich, als weiblich, oder als etwas dazwischen, was als transsexuell, als
"Übergangsform in der Mitte", bezeichnet wird.
Mayus erklärt den Schülern, dass es von der Gesellschaft abhänge, in der man lebt,
was als typisch männlich oder als typisch weiblich angesehen wird. Das variiere in
jedem Kulturkreis, es sei eine Konstruktion oder Absprache, die man nicht bewusst
treffe, "die aber in den Köpfen drin ist". Dann sagt er noch, dass sich Menschen, "die
sich im Kopf gar nicht festlegen wollen und die Vorteile beider Geschlechter nutzen
wollen", als "queer" bezeichnen.
Die Schüler reagieren sehr unaufgeregt und nicht anders, als habe er ihnen gerade
eine Einführung in den Dezimalbruch gegeben. Manche von den Jungs sind noch
nicht in der Pubertät und auch noch nicht im Stimmbruch; sie wirken wie Kinder,
und sie nähern sich der so umstrittenen Gender-Problematik mit wachem Geist, aber
auch mit großer Gleichgültigkeit. Man kann sich kaum vorstellen, dass diese
Unterrichtsinhalte ihre sexuelle Orientierung beeinflussen oder Probleme
verursachen könnten.
Dennoch hat beispielsweise in Baden-Württemberg die geplante Änderung des
Bildungsplans hin zur "Akzeptanz sexueller Vielfalt" im vergangenen Jahr dazu
geführt, dass von "Umerziehung" der Schülerinnen und Schüler geredet wurde. Mit
mehreren Demonstrationen meldeten sich die Gegner des Konzepts zu Wort, der
Realschullehrer Gabriel Stängle sammelte in einer Online-Petition 192 000
Gegenstimmen. "Weder Grundgesetz noch Schulgesetz stellen irgendwo ein
Vielfaltgebot auf", sagt Stängle. "Mit den Vielfalts- und Akzeptanzaufforderungen
wird ein Verfassungsgrundsatz ausgehebelt."
Über den Begriff der "Akzeptanz", so kritisiert er, sollten Dinge, die in der
Gesellschaft strittig sind, als "neue normative Instanz eingeführt werden". Damit
einher gehe eine "Dekonstruktion von Heterosexualität und eine Entnaturalisierung
der Kernfamilie, also eine völlige Negierung dessen, was bis jetzt gesellschaftlicher
Konsens ist". Das Argument, dass erst durch umfassende Akzeptanz ein gutes
Miteinander möglich sei, führe in die Irre, da so das Aufgeben der eigenen Position
gefordert werde.
So hoch kochten die Emotionen in Baden-Württemberg, dass sich Kultusminister
Andreas Stoch (SPD) gezwungen fühlte zu verkünden, dass "Gender Mainstreaming
und die Dekonstruktion von Wertestrukturen" nicht "die Grundlage des
Bildungsplans" sein dürften.
Doch der Bildungsplan ist das eine, der Unterricht das andere. Guido Mayus in
Potsdam jedenfalls gibt ganz unumwunden zu, dass er den Schülern zumindest
punktuell beibringen kann, was er will: "Da guckt keiner drauf." Deswegen teilt er
jetzt Arbeitsblätter aus, die ihm ein befreundeter, ebenfalls schwuler Lehrer
überlassen hat. Darauf steht, dass die sexuelle Selbstbestimmung ein Menschenrecht
sei, das die Frage nach der Wählbarkeit der sexuellen Identität mit einschließe.
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Außerdem steht da, dass unser Verständnis von Geschlecht zweigeteilt sei, dass also
der Eindruck entstehe, als müsse sich jeder Mensch für ein Geschlecht entscheiden,
in welchem er zu leben habe. Und dass alle drei Formen der sexuellen Orientierung,
also heterosexuell, homosexuell und bisexuell, völlig normal seien. Sie kämen nur
unterschiedlich häufig vor. In Kleingruppen sollen sich die Schüler nun mit den
Arbeitsblättern beschäftigen.
Mit diesem Arbeitsauftrag geht Mayus konform mit den neuen Richtlinien für
Sexualerziehung, die zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, aber auch anderswo so
ähnlich gelten. Dort heißt es, dass Sexualerziehung ihren Beitrag leisten müsse "zum
Abbau der Homosexuellenfeindlichkeit und zur Beseitigung der Diskriminierung von
homo-, bi- und transsexuellen Menschen". Mayus bringt den Schülern aber auch bei,
was die Gesellschaft für Sexualpädagogik, in der etliche Sexualpädagogen organisiert
sind, fordert. Nämlich, dass die Schüler lernen sollen, dass es "keine ,richtige',
,natürliche' oder ,gelungene' Form von Liebe, Beziehung und Sexualität" gebe.
Der Pressesprecher des Lesben- und Schwulenverbandes, Markus Ulrich, nennt
Beispiele, wie man das machen könnte: "Im Englischunterricht könnte man beim
Thema Romeo und Julia fragen, welche Beziehungen die Schüler noch kennen, die
gegen den Willen der Eltern gelebt werden. In Mathe könnte man schreiben, dass
Melanie, Anna und ihre drei Kinder ein gemeinsames Haushaltsbudget haben. Und
in Musik könnte man darauf hinweisen, dass Tschaikowsky schwul war."
Den Kritikern der Reform des Sexualkundeunterrichts gehen solche Vorschläge
deutlich zu weit. "Im Matheunterricht in einer Textaufgabe ein schwules Paar mit
Kindern als genauso selbstverständlich darzustellen wie ein heterosexuelles Paar
entspricht nicht der Wahrheit", sagt zum Beispiel Hedwig Freifrau von Beverfoerde,
Sprecherin der privaten Initiative Familien-Schutz. Auch die Vorstellung, dass es
keine "richtige" Form von Sexualität gibt, ist in Beverfoerdes Augen falsch, denn "es
ist kein gesellschaftlicher Konsens, dass homosexuelle Praktiken als gleichwertig
anzusehen sind". Wenn ein Lehrer die Schüler nötige, jede sexuelle Betätigung
jenseits des "ehelichen Verkehrs" zu akzeptieren, dann sei das problematisch, weil
das eine Indoktrinierung sei. Beverfoerde ist der Meinung, Lehrer dürften das nicht
tun, wenn die Eltern nicht ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben haben. Sie
verweist auf eine sechs Jahre alte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, in
der es heißt: "Die Schule muss den Versuch einer Indoktrinierung der Schüler mit
dem Ziel unterlassen, ein bestimmtes Sexualverhalten zu befürworten oder
abzulehnen."
Andernfalls, so Lehrer Stängle, der in Baden-Württemberg gegen den Bildungsplan
zur "sexuellen Vielfalt" streitet, eröffne man die Möglichkeit, dass die Schamgefühle
der Kinder verletzt werden. Diese Verletzungen seien "immer der erste Schritt zum
sexuellen Missbrauch". Die jüngst bekannt gewordenen Übergriffe in einer Mainzer
Kita, in der einige Kinder andere sexuell missbraucht haben sollen, spiegelten "exakt
die Handlungsanweisungen wider, die Sexualpädagogen heute vorgeben". Die rieten
nämlich in ihren Lehrbüchern dazu, "dass Kleinkinder, unbeaufsichtigt von
Erwachsenen, sexuelle Handlungen an sich vornehmen sollen". Dass es dann zu
solchen gewalttätigen Übergriffen komme, sei die logische Konsequenz.
In Potsdam neigt sich die Doppelstunde unterdessen allmählich ihrem Ende zu.
Nachdem sich die Schüler in Kleingruppen mit den Arbeitsblättern beschäftigt haben,
will Mayus sehen, ob sie verstanden haben, was er ihnen beigebracht hat. Dazu legt er
ihnen Aussagen vor, zu denen sie Stellung beziehen sollen. Die erste lautet: "Weil die
meisten Menschen heterosexuell leben, ist Heterosexualität normal." Mayus fragt:
"Was denkt ihr jetzt darüber, nachdem ihr in den Gruppen wart?" Maximilian zeigt
auf: "Das ist falsch. Die meisten Menschen denken nur nicht daran, dass nicht nur die
Mehrheit normal ist. Minderheiten können auch normal sein." "Genau", sagt Mayus
zufrieden. "Da die Mehrheit heterosexuell ist, betrachtet die Mehrheit das als normal,
obwohl das gar nicht so ist. Das nennt man Heteronormativität."
Die zweite Aussage lautet: "Lesben sind keine richtigen Frauen, weil sie keine Männer
begehren." Lisa meldet sich: "Falsch. Nur weil sie keine Männer begehren, sind sie
doch trotzdem richtige Frauen. Wissenschaftlich gesehen ist eine Frau nicht jemand,
der Männer attraktiv findet, sondern jemand mit bestimmten körperlichen
Merkmalen. Es klingt, als seien Lesben nicht normal, weil sie keine Männer
begehren." Mayus nickt.
Die dritte Aussage lautet: "Wenn eine Person eine Operation an den
Geschlechtsteilen vornehmen lässt, dann lässt sie eine Geschlechtsumwandlung
vornehmen." "Nein", sagt Luzie, "bloß, weil sich jemand operativ andere
Geschlechtsmerkmale geben lässt, reicht das ja nicht, man muss sich ja auch anders
fühlen." Mayus fragt: "Und wenn man auch anders fühlt, ist es dann eine
Umwandlung?" "Nein", sagt Luzie, "eine Anpassung." Mayus sagt: "Genau, weil
dieser Mensch ja das Gefühl hat, im falschen Körper zu stecken."
Die zweite Hausaufgabe in dieser Doppelstunde lautet: "Macht euch Gedanken über
folgende Aussagen: Das biologische Geschlecht ist das natürliche Geschlecht eines
Menschen. Und: Bei der Mehrzahl der Menschen stimmen biologisches, psychisches
und soziales Geschlecht miteinander überein."
Wenn es nach der Gesellschaft für Sexualpädagogik geht, sollten nicht nur die
Schüler diese Hausaufgabe lösen. In einem Statement zur sexuellen Vielfalt heißt es,
die "oft sehr unsachlich und hitzig geführte öffentliche Diskussion" um die Reform
des Sexualkundeunterrichts mache deutlich, dass nicht nur Kinder und Jugendliche
Sexualerziehung nötig hätten, sondern auch "Eltern und andere Erwachsene, die im
Erziehungs- und Bildungswesen tätig sind".
Bildunterschrift: "Da guckt keiner drauf": Biolehrer Guido Mayus vor seiner Klasse.
Foto Andreas Pein
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