Sexueller Missbrauch –
Täterarbeit = Opferschutz
Maga.rer.nat. Elisabeth Quendler
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universitätsklinik Ulm
Sexuelle Selbstbestimmung
• Aufgrund ihres psychosozialen und psychosexuellen Entwicklungsstandes
sind Kinder bis zum Abschluss der Geschlechtsreife-Entwicklung prinzipiell
außer Stande, eine sexuelle Selbstbestimmung auszuüben und in sexuelle
Handlungen mit Erwachsenen einzuwilligen bzw. solchen mit eigener
Verantwortungsreife „einvernehmlich“ zu zustimmen oder gar zu dulden.
Sexuelle Traumatisierung
• Begeht ein Erwachsener sexuelle Übergriffe auf ein Kind, so kann das, durch
Überschreiten der Grenzen der körperlichen und seelischen Integrität und
Selbstbestimmung, zu physischen und psychischen Traumatisierungen
führen.
• Nicht
jeder sexuelle Übergriff eines Erwachsenen auf ein Kind führt
unweigerlich zu einer psychischen und/oder psychischen Traumatisierung,
aber dass es durch einen solchen Übergriff zu einer Traumatisierung kommt,
kann NIE ausgeschlossen werden.
Formen sexueller Übergriffe
• Die häufigste bzw. verbreitetste sexueller Übergriffigkeit auf Kinder stellt
die sexuell motivierte Ausbeutung durch den Konsum sexueller
Missbrauchsabbildungen im Internet („Kinderpornografie“) dar.
• Die
Dokumentation von sexuellen Übergriffen
Missbrauch; der Konsum davon mittelbarer.
ist
unmittelbarer
Achsen der sexuellen Präferenz
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1. Sexuelle Orientierung auf das männliche und/oder weibliche Geschlecht/
Präferiertes Geschlecht
2. Sexuelle Ausrichtung auf den kindlichen, jugendlichen oder erwachsenen
körperlichen Entwicklungsstatus/ Präferiertes Entwicklungsschema (TannerStadien)
3. Sexuelle Neigung zu (Geno- &) Phänotypen und sexuellen Praktiken/ präferierter
Typus und Modus sexueller Betätigung
Quelle: Ahlers et al. (2004) Erhebungsinstrumente in der klinischen Sexualforschung. Sexuologie, 11 (3/4) 75-97.
Quelle: Ahlers et al. 2004; Ahlers 2009.
Häufigkeiten ASP
Häufigkeiten ASP
Terminologie Sexualpräferenz
Spektrum der Sexualstörungen
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Störungen der sexuellen Funktionen
Störungen der sexuellen Entwicklung
Störungen der sexuellen Fortpflanzung
Störung der Geschlechtsidentität (Transsexualität)
Störungen der sexuellen Präferenz (Paraphilien)
Störungen des sexuellen Verhaltens (Dissexualität)
Quelle: Ahlers et al. (2005). Das Spektrum der Sexualstörungen. Sexuologie 12 (3/4) 120-152.
Störungen der Sexualpräferenz
ICD-10 F65 Störungen der Sexualpräferenz
• Diagnostische Kriterien:
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Wiederholt auftretende intensive sexuelle Impulse (dranghaftes Verhalten) und
Fantasien, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten beziehen.
Handelt entsprechend den Impulsen oder fühlt sich durch sie deutlich beeinträchtigt.
Diese Präferenz besteht seit mindestens sechs Monaten.
F65.4 Pädophilie
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Sexuelle Präferenz für Kinder, Jungen oder Mädchen oder Kinder beiderlei
Geschlechts, die sich meist in der Vorpubertät oder in einem frühen Stadium der
Pubertät befinden.
Diagnostische Kriterien:
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Die allgemeinen Kriterien für eine Störung der Sexualpräferenz (F65) müssen erfüllt sein.
Anhaltende oder dominierende Präferenz für sexuelle Handlungen mit einem oder
mehreren Kindern vor deren Pubertät.
Die Betroffenen sind mindestens 16Jahre alt und mindestens fünf Jahre älter als das Kind
oder die Kinder.
Tanner-Stadien
Störungen des Sexualverhaltens
F63.8 sonstige abnorme Gewohnheiten und
Störungen der Impulskotrolle
• In
diese Kategorie fallen andere Arten sich andauernd wiederholenden
unangepassten Verhaltens, die nicht Folge eines erkennbaren
psychiatrischen Syndroms sind und bei denen die betroffene Person den
Impulsen, das pathologische Verhalten auszuführen, nicht widerstehen
kann. Nach einer vorausgehenden Periode mit Anspannung folgt während
des Handlungsablaufs ein Gefühl der Erleichterung.
Wissensstand SKM
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Nur bei ca. 1/3 der wegen SKM inhaftierten Männern kann eine pädophile Sexualpräferenz
diagnostiziert werden („Präferenztäter“, F65.4)
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Ca. 25% Pädophilie, nicht ausschließlich (ca. 50% rückfällig)
Ca. 15% Pädophilie, ausschließlich (ca. 80% rückfällig)
Ca. 2/3 aller Taten (SKM) wird von Männern ohne pädophile Präferenz, als so genannte
„Ersatzhandlung“ begangen. („Nicht-Präferenztäter“, F63.8)
•
SKM als Ersatz für eigentlich gewünschte Sexualkontakte mit erwachsenen Partnern
 es gibt (nicht wenige) Männer, die trotz pädophiler Präferenz keine Taten begehen!
(„verhaltensabstinente Pädophile“)
Paraphilie ≠ Dissexualität
Fallvignette R.
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27 J., Mechatroniker, Single
Mit 15 J. erstmals wahrgenommen, dass präferierte Sexualpartner immer jünger
werden/bleiben, nur er älter wird.
Ausschließlich ♂
Tanner I + II
Blond, schlank, helle Augen
Manuell, oral aktiv wie passiv
Fallvignette W.
• 58J., Versicherungsvertreter, verheiratet in zweiter Ehe seit 9 J.,
• 2 eigene Töchter aus erster Ehe (14 J. und 16 J.), 2 Stieftöchter (12 J. und 15
J.), einen leiblichen Sohn aus aktueller Ehe (8 J.)
• Erstmals auffällig geworden mit 56 J. wegen Missbrauchs beider
Stieftöchter  Haftstrafe, > 2 Jahre Gruppentherapie
• Ausschließlich ♀, Tanner IV + V, Typus nicht festgelegt, vaginal
Präventionsambulanz „kein täter werden“
Standort Ulm
1. Schritt: Kontaktaufnahme
• Via e-mail
• Telefonische Sprechstunde
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Abklären der Voraussetzungen (Hellfeld, Dunkelfeld), Wünsche (Diagnostik und/oder
Therapie, Kontaktvermittlung)
Terminvereinbarung
2. Schritt: Exploration
• Dauer etwa 4 Stunden
• Erhebung von:
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Biografie (Familie, Ausbildung/Beruf,..)
Sexualanamnese (Achsen der Präferenz, Fantasien und Verhalten einschl.
Funktionsstörungen)
Psychiatrische -, Juristische - und Sucht-Anamnese
Sexualpräferenz-Männchen (Ahlers et al., 2008)
3. Schritt: Empfehlung
• Klärung der diagnostischen Einschätzung
• Je nachdem:
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Gruppentherapie
Einzeltherapie
Weitervermittlung an Niedergelassene
Angebot KTW
Therapieinhalte
• Akzeptanz der eigenen Sexualpräferenz
• Wahrnehmung der eigenen Gefühle, Risikofaktoren, Ressourcen,…
• Empathie
• Coping-Mechanismen
• Soziales Umfeld und Beziehungen
• Zukunftsplanung (Notfallkoffer,..)
Zusammensetzung der Gruppe
• 7 Teilnehmer (männlich), 4 weitere „in Warteschleife“
• 25 - 57 Jahre
• Ausschließliche (2) und nicht-ausschließliche (5) Pädophilie
• Räumlicher Umkreis von etwa 30 – 150 km
Praktisches aus der Gruppe
• Spannungstagebuch
• Neigung als Statue/Figur
• Abstinenzverträge
Bisherige Ergebnisse/Erfahrungen
• Soziale Isolation durch Gruppe deutlich verringert
• Training der sozialen Kompetenz schon durch Gruppenstruktur
• (Meist erste) Möglichkeit, sich ohne Vorbehalte über Fantasien/Wünsche zu
äußern
• Gefühl, etwas gegen seine Präferenz zu tun/tun zu können (nicht mehr
„ausgeliefert“ zu sein)
Maga.rer.nat. Elisabeth Quendler
[email protected]
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universitätsklinik Ulm