Prof. Dr. Franz Mayer WS 2015/2016 Hausarbeit im Staatsorganisationsrecht Teil 1 Im afrikanischen Land Z kommt es im September 2015 zu plötzlichen Unruhen. Von diesen sind auch die 150 deutschen Mitarbeiter eines im Land Z tätigen Landwirtschaftsunternehmens bedroht. Diese Bedrohung ergibt sich insbesondere daraus, dass am Morgen des 20. September 2015 mehrere Staatsbürger eines anderen EU-Landes von Rebellen als Geiseln genommen wurden. Die Bundesregierung beschließt daher am Abend des 20. September 2015, eine sich zufällig vor der Küste des Landes Z in internationalen Gewässern befindende Fregatte der Bundesmarine in den Hafen der Hauptstadt des Landes Z zu entsenden, um die 150 deutschen Staatsbürger zu evakuieren. Am frühen Morgen des 21. September 2015 läuft die Fregatte der Bundesmarine in den Hafen der Hauptstadt des Landes Z ein. Zur Selbstverteidigung werden dabei sämtliche Bordkanonen aufmunitioniert und ein Team der Besatzung angesichts der unberechenbaren Lage mit Handfeuerwaffen ausgestattet. Dieses Team sichert nach Einlaufen in den Hafen die unmittelbare Umgebung. Nach etwa einer Stunde sind alle 150 deutschen Staatsbürger an Bord der Fregatte, die ohne Zwischenfälle den Hafen wieder verlässt und Kurs auf die Bundesrepublik nimmt. Am Nachmittag des 21. September 2015 informiert der Bundesverteidigungsminister den Bundestag über Verlauf, Ergebnis und Einzelheiten des abgeschlossenen Evakuierungseinsatzes. Die F-Fraktion im Bundestag hält den Einsatz der Bundesmarine für verfassungswidrig, weil der Deutsche Bundestag den Einsatz zuvor nicht genehmigt habe. Die Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland sei allein dem Parlament vorbehalten. Selbst wenn die Evakuierung der Zivilisten schnell und möglichst geheim hätte erfolgen müssen, hätte der Deutsche Bundestag jedenfalls nach Durchführung des Einsatzes diesen genehmigen müssen. Die Bundesregierung wendet ein, dass die Argumente der F-Fraktion auf den Evakuierungseinsatz schon von vornherein nicht zutreffen könnten, schließlich habe man die Operation allein mit humanitärer Zielrichtung und tatsächlich ohne jeden Einsatz von Waffengewalt durchgeführt. Insofern bestehe hier weder für eine Beteiligung des Bundestages vor noch nach dem Einsatz eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Hiervon nicht überzeugt sieht die F-Fraktion Rechte des Bundestages verletzt und wendet sich am 30. September 2015 an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit dem Antrag, diese Verletzung festzustellen. Teil 2 Das asiatische Land B wird seit Jahren von einem Bürgerkrieg erschüttert. Im Süden des Landes B herrscht dabei seit einem Jahr die Terrororganisation T, ohne dass die Regierung von B in diesen Teilen des Landes noch eine Kontrolle ausüben kann. Am 20. November 2015 verübt T im Staat E, der Mitglied der EU ist, einen Anschlag mit mehr als 200 Toten. Die Regierung von E beschließt daraufhin einen Militäreinsatz gegen T und bittet die anderen EU-Mitgliedstaaten auf Grundlage des Art. 42 Abs. 7 EUV um militärische Unterstützung. Die Regierung von B stimmt Militäraktionen gegen T auf dem Staatsgebiet von B zu. Die Bundesregierung beabsichtigt, E mit Kampfflugzeugen zu unterstützen. Neben Aufklärung sollen diese auch Bombardierungen von Stellungen der T vornehmen. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich um einen Einsatz, zu dem sie verpflichtet sei, schließlich habe sich die Bundesrepublik mit ihrer Mitgliedschaft in der EU zugleich in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit eingeordnet. Am 25. November 2015 beschließt der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den Einsatz der deutschen Flugzeuge. Nur die P-Fraktion, in der sich 200 Abgeordnete zusammengeschlossen haben, stimmt geschlossen gegen den Einsatz, da sie diesen für verfassungswidrig hält. Sie ist der Auffassung, die Bundeswehr dürfe ausschließlich zur Verteidigung des Bundesgebietes eingesetzt werden. Unabhängig davon stelle die Europäische Union aber auch überhaupt kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit wie die NATO oder die Vereinten Nationen dar. Das sei schließlich auch bei Auslegung des Art. 42 Abs. 7 EUV klar erkennbar, so dass dieser keine Grundlage für die militärische Unterstützung darstellen könne. Die P-Fraktion will deswegen auch vor dem BVerfG gegen den Einsatz vorgehen. Zuvor bittet sie jedoch ihren Justiziar um Erstattung eines Rechtsgutachtens zu der Frage, ob der Einsatz in materieller Hinsicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. 1 Teil 3 Der Bundesverteidigungsministerin V sind die vielen Klagen gegen Bundeswehreinsätze vor dem BVerfG zuwider, da sie dem Ansehen der Bundeswehr schaden würden und den Bündnispartnern nicht zu vermitteln seien. Auch könne es nicht sein, dass ggf. Richter einen Beschluss der demokratisch legitimierten Bundesregierung bzw. sogar des Deutschen Bundestages aufheben könnten. Erst recht gehe nicht an, dass sogar nur 5 von 8 Richtern des BVerfG ein Vorgehen der Bundesregierung als verfassungswidrig beurteilen könnten. Sie überlegt deshalb, ob es nicht möglich wäre, das BVerfGG so zu ändern, dass das BVerfG in besagten Fällen praktisch handlungsunfähig wäre. So sollen für Urteile des BVerfG, mit denen ein Handeln der Bundesregierung oder Beschlüsse des Bundestages als verfassungswidrig beurteilt werden, beide Senate im Plenum zusammentreten und einstimmig entscheiden müssen. Ggf. müsse man dazu auch das Grundgesetz ändern, wenn eine solche Änderung des BVerfGG nicht möglich sei. V bittet Sie als Jurist/in des Bundesverteidigungsministeriums, dazu ein Rechtsgutachten zu erstellen. Aufgabe 1: Prüfen Sie in einem umfassenden, alle aufgeworfenen Rechtsfragen erörternden Rechtsgutachten – erforderlichenfalls hilfsgutachtlich – die Erfolgsaussichten des Antrags der F-Fraktion vor dem BVerfG. Die Verfassungsmäßigkeit sowie Völkerrechtskonformität des Einsatzes selbst sind nicht zu prüfen. Lassen Sie das Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBG) vom 18.03.2005 außer Betracht. Aufgabe 2: Erstellen Sie hinsichtlich des 2. Teils zu den von der P-Fraktion aufgeworfenen Rechtsfragen ein umfassendes Rechtsgutachten. Unterstellen Sie, dass der Staat E nicht Mitglied der NATO ist. Auf Fragen des Völkerrechts ist nicht einzugehen. Aufgabe 3: Erstellen Sie hinsichtlich des 3. Teils das Rechtsgutachten, welches die Bundesverteidigungsministerin in Auftrag gegeben hat. Es sind dabei nur verfassungsrechtliche Fragen zu prüfen; auf Aspekte des Europa- und Völkerrechts ist nicht einzugehen. Allgemeine Hinweise: Ø Der Arbeit ist das Grundgesetz in der im Januar 2016 geltenden Fassung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht bis zum 01.01.2016 zu Grunde zu legen. Ø Die Hausarbeit lehnt sich zum Teil an einen vom BVerfG bereits entschiedenen Fall an. Beachten Sie, dass Sie in einer Hausarbeit Ihre Prüfung anhand der Gesetzeslage vorzunehmen haben und daher Auslegungsfragen, deren Beantwortung sich nicht von selbst versteht, auch dort gründlich zu prüfen haben, wo das BVerfG sie – z.B. weil sie in ständiger Rechtsprechung geklärt sind – nicht (mehr) problematisiert. Die Bewertung wird sich nicht an der Konformität der Lösung mit den vom BVerfG gefundenen Ergebnissen, sondern an der Qualität des Aufbaus der gutachtlichen Prüfung und der argumentativen Erörterung orientieren. Das betrifft auch die Auseinandersetzung mit Einwänden, die in der Literatur gegen die Entscheidung erhoben worden sind oder die erhoben werden könnten. Achten Sie darauf, dass Ihre Lösung sich durchweg auf den Klausursachverhalt, nicht auf den partiell nicht identischen Sachverhalt der BVerfGEntscheidung, bezieht. Ø Das Gutachten darf 25 Seiten (1/3 Rand, 1,5-zeilig, Schriftart Times New Roman, Schriftgröße 12, normaler Schriftabstand) nicht überschreiten (ohne Deckblatt, Sachverhalt, Inhalts- und Literaturverzeichnis); überzählige Seiten werden nicht gewertet. Ø Auch wenn die Hausarbeit für einen längeren Zeitraum ausgegeben wird, ist der Bearbeitungszeitraum auf drei bis vier Wochen angelegt. Abgabe der Hausarbeit im Sekretariat von Herrn Prof. Dr. Mayer (H1 – 128) oder durch Einwurf in das Postfach (Nr. 1226) von Herrn Prof. Dr. Mayer auf T3 jeweils bis zum 31.03.2016, 14.00 Uhr oder per Post (Poststempel vom 31.03.2016) an folgende Anschrift: Universität Bielefeld Fakultät für Rechtswissenschaft Lehrstuhl Prof. Dr. Franz Mayer Postfach 100131 33501 Bielefeld 2
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