Schwabenkinder im 1. Weltkrieg Über viele Generationen hinweg

Über viele Generationen hinweg waren alljährlich Kinder und Jugendliche aus Vorarlberg,
Tirol und Graubünden nach Oberschwaben und ins Allgäu gezogen, um dort als Hütebuben,
Mägde und Knechte auf Bauernhöfen zu arbeiten und um – wie man im Bregenzerwald sagte
– „aus der Schüssel“ zu sein.
Doch im Frühjahr des Kriegsjahres 1915 erfolgte die strikte Anweisung an die politische
Behörde , die Ausstellung von Reisepässen für Hütekinder und deren Begleitpersonen zu
verweigern, „da die Verdingung von schulpflichtigen Kindern in der Fremde sowohl in
erziehlicher als auch gesundheitlicher Beziehung sehr betraglich sei und nur eine
bedauerliche Ausbeutung der kindlichen Arbeitskraft durch die eigenen Eltern darstelle.“
(Quelle: K.k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg). In Wirklichkeit waren der Hintergrund
Interventionen des Landeskulturamtes (heute Landwirtschaftskammer), um den eigenen Bedarf
an Arbeitskräften in der heimischen Landwirtschaft zu decken.
Auch das Vorarlberger Volksblatt blies in dasselbe Horn und kritisierte am 23. März 1915:
„Trotz der strengen Verbote von Seite des Bezirkschulrates, trotzdem die politische Behörde
erklärt, daß heuer nur die entbehrlichsten Kinder Pässe in das Schwabenland erhalten, bitten
wie in früheren Jahren auch heuer eine Menge Kinder von Gemeinde zu Gemeinde um einen
„Zehrpfennig“ zur „kostspieligen“ Reise in das Schwabenland. Unsere Schulleitungen und
Ortschulräte sollten den Mut haben, die Bevölkerung von der Plage zu befreien ...“
Von den Ortsschulräten vieler Gemeinden wurde dagegen Sturm gelaufen, „da die meisten
Familien wenig Einkommen hätten und deshalb in Nahrungssorgen seien“. Tatsächlich
wurde das Verbot am 11. April 1915 wieder aufgehoben – „unter Berücksichtigung der
eigenartigen Vorarlberger Verhältnisse und unter der Voraussetzung einer Überwachung
der verdingten Kinder.“
So gab es nachfolgende Schwabenkinder-Schulbefreiungen für die Zeit vom 25. April
(Eorgotag) bis 15. Oktober 1915 (Gallotag): Insgesamt aus Bizau 6 Kinder (5 m + 1w), aus
Bezau 14 (11m + 1w), aus Reuthe 6 (5 m +1 w), aus Mellau 9 (7m + 1w), aus Au 20 Kinder
(13m + 1w) und aus Schoppernau 20 Kinder (14m + 6w). Unter ihnen war auch der elfjährige
Franz Xaver Feuerstein (* 8. Juli 1904) aus Bizau, der in der Zeit vom 2. Mai 1915 bis 16.
Oktober 1915 bei einem Bauern in Gebrazhofen verdingt war (Quelle: BWA,
Schwabenkinderdatei)
Pfarrer Georg Reichart aus Mäder wurde beauftragt, die Schwabenkinder im Allgäu zu
besuchen und eventuelle Mißstände aufzudecken: „Das traurige Vorkommnis in einer Alpe
im Bregenzerwald (im Sommer 1915), in der ein 10jähriger Pfister von Knechten totgeprügelt
wurde, habe gezeigt, wie unbedingt notwendig eine solche Aufsicht sei.“ Er berichtete, dass
„der Sommer 1915 für viele Hütekinder eine Zeit von sehr strenger Arbeit gewesen sei, da
im ganzen Schwabenlande, insoweit die Arbeit nicht mit Kriegsgefangenen verrichtet werden
konnte, ein außerordentlich großer Mangel an Arbeitskräften vorhanden war ...“.
Verfasser: Ortschronist Jürgen Metzler
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Schwabenkinder im 1. Weltkrieg
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Foto 1: Schwabenkind auf dem Weg.
Quelle: BWA, Schwabenkindersammlung.
Foto 2: Kinder der Volksschule Bizau im Jahr 1912. Quelle: Jürgen Metzler
Quellen: Otto Uhlig, Die Schwabenkinder von Tirol und Vorarlberg; BWA,
Schwabenkinderdatei.