B1618 47. Jahrgang Ausgabe 1/2016 „Die Banken müssen ihren Vertrauens-Vorsprung nutzen“ Digitalisierung und PSD2 fordern Antworten Jeanine Banks, Executive Vice President Global Products and Solutions bei Axway Schwerpunkt: Compliance Strategie: Fintechs – die Konkurrenz im Netz Raumideen: Service im Fokus 14 Titel „Die Banken müssen ihren Vertrauens-Vorsprung nutzen“ Mobile Kunden, Omni-Channel und die Digitalisierung der Geschäftswelt stellen Finanzinstitute schon jetzt vor große Herausforderungen. Darüber hinaus kommen mit den überarbeiteten Zahlungsdienstrichtlinien (PSD2) weitreichende Änderungen auf die Infrastrukturen der Banken zu. Jeanine Banks, Executive Vice President Global Products and Solutions bei Axway, erläutert im Interview, warum 2016 turbulent werden könnte. „Viele Banken und Sparkassen denken zu kurzfristig: Eine App beispielsweise mag es den Kunden ermöglichen, mobil auf ihr Konto zuzugreifen, sie ist aber noch längst keine digitale Strategie, mit der ein Dienstleister sich für die nächsten Jahre wappnen kann.“ Jeanine Banks, Executive Vice President Global Products and Solutions bei Axway gi Geldinstitute 1 | 2016 Bildquelle: Fotolia_Mathias Rosenthal Sie prognostizieren bewegte Zeiten für die Finanzbranche. Welches sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Herausforderungen für Finanzinstitute in den nächsten Monaten? Jeanine Banks: Die Finanzbranche steckt mitten in der Digitalisierung. Im Gegensatz zu anderen Branchen ist die Entwicklung hier schon relativ weit fortgeschritten, denn die Finanzinstitute sind in besonderem Maße betroffen. Zum einen geben die Kunden einen neuen Takt vor: Sie agieren zunehmend digital. Sie wollen ihre Bankgeschäfte mobil von überall erledigen k önnen, nutzen dabei ganz verschiedene Kanäle und verlassen sich ganz selbstverständlich auf die durchgängige Sicherheit der angebotenen Services. Zudem sind Finanz-Dienstleister schon längst nicht mehr der Berater, der alles aus einer Hand bietet: FinTech-Unternehmen jagen mit ihren digitalen Einzel-Lösungen den großen Dienstleistern Marktanteile ab und zunehmend branchenfremde Unternehmen mischen mit. Zum anderen werden sich die Finanzdienstleister mit den überarbeiteten Zahlungsdienstrichtlinien PSD2 beschäftigen müssen. Ich bin der Überzeugung, dass sich viele der weitreichenden Konsequenzen noch gar nicht bewusst sind. Omni-Channel und Digitalisierung beeinflussen das Geschäft ja schon seit einer ganzen Weile. Wie sind die Finanzinstitute hier Ihrer Meinung nach aufgestellt? Steht das Thema weit genug oben auf der Agenda oder besteht Nachholbedarf? Die Finanzinstitute sind sich meiner Ansicht nach der Brisanz dieser Themen sehr wohl bewusst. Sie haben in den letzten Jahren viel in den digitalen Kundenservice investiert. Doch oft wird das Bestehende nur um einen Service erweitert, um mit den Kundenbedürfnissen Schritt halten zu können. Das Problem dabei ist, dass viele Banken und Sparkassen hier zu kurzfristig denken: Eine App beispielsweise mag es den titel Kunden ermöglichen, mobil auf ihr Konto zuzugreifen, sie ist aber noch längst keine digitale Strategie, mit der ein Dienstleister sich für die nächsten Jahre wappnen kann. Die Banken benötigen vor allem ein Konzept und eine Infrastruktur, die flexible Schnittstellen (Application Programming Interfaces, APIs) zur Verfügung stellen, um sich dem stetig wandelnden Geschäft immer wieder anzupassen und eine größere Zahl von völlig unterschiedlichen Partnern einbinden zu können. Sie sprachen bereits die FinTech-Unternehmen und die branchenfremde Konkurrenz an. Welche Entwicklungen sehen Sie in diesem Umfeld und was empfehlen Sie den Finanzinstituten? In den USA haben sich die Geschäftsmodelle der sogenannten FinTech-Unternehmen schon deutlich mehr ausgebreitet als in Europa. Spezielle Angebote dieser ausschließlich digital agierenden FinanzDienstleister sind für digital-affine Kunden oft leichter zugänglich als über ihr Bankhaus. Unternehmen, die ursprünglich nicht aus der Finanzbranche kommen, nutzen ihr Potential und ihren Zugang zu den Kunden: So ist beispielsweise ApplePay dabei, sich zu etablieren. Oder denken Sie an PayPal – anfangs ein Nischenanbieter, aber inzwischen zumindest im Online-Bereich breit akzeptiert. Ein weiteres Beispiel ist Amazon. Das Online-Kaufhaus wird seiner breiten Kundenbasis eigene Finanzservices anbieten. Schon heute ist „Pay with Amazon“ in einigen Online-Shops möglich. Und wenn Google tatsächlich eine Bank gründen sollte, wäre der Markt endgültig ein anderer. Die Online-Unternehmen sind um einiges flexibler als gestandene Finanzinstitute. Die Banken werden sich mit ausgewählten Dienstleistern verbünden müssen, um hier das Potenzial effektiv heben zu können. Dennoch: Die klassischen Banken haben einen unschätzbaren Vorteil. Sie verfügen über einen riesigen Kundenstamm – von technikaffinen Digital Natives bis hin zur älteren Generation, die das Gespräch am Schalter sucht. Der Vertrauens-Vorsprung ist enorm. Diesen sollten die B anken nutzen und digitale Konzepte entwickeln, die sicher sind und dabei den Bedürfnissen der Kunden Rechnung tragen. n Digitale Strategie sucht Infrastruktur Das Finanzinstitut von heute muss praktisch alles können. Persönlichen Service bieten, Lösungen für Online- und Mobile-Banking zur Verfügung stellen, Universal-Berater sein, Spezial-Finanz lösungen unterstützen und nun dank PSD2 auch noch zahllosen Webshops Services zur Verfügung stellen. Es soll also ganz traditionell und vertrauensvoll arbeiten, dabei aber digital auf dem neuesten Stand der Technik sein. Wie soll das gehen? Autor: Philipp Schöne, Senior Presales Consultant & Solu tion Lead API Server EMEA bei Axway Die Richtlinie über Zahlungsdienste (Payment Services Directive, PSD) und deren Überarbeitung (PSD2) wird in den nächsten Monaten symptomatisch für die digitale Transformation der Finanzdienstleister stehen. Noch sind zwar einige wichtige Details offen. Klar ist jedoch, dass Banken sich gegenüber anderen Zahlungsverkehrsdienstleistern öffnen müssen – im digitalen Sinne. Digitalisierung konsequent weiter denken Bisher hatten es die Banken im OnlineZahlungsbereich nur mit einer Handvoll Partner zu tun: Die Webshops übergaben die Abwicklung der Zahlungsvorgänge an einen Dienstleister. Um diese Aufgabe erledigen zu können, benötigen die 1 | 2016 gi Geldinstitute 15 16 Titel Die digitale Chance für Banken Die Herausforderungen für die Finanzinstitute sind groß – die Chancen sind es ebenfalls. Auf der Basis einer entsprechenden Infrastruktur kann die digitale Transformation in beinahe alle denkbaren Richtungen führen. Die Banken werden mit digitalen Funktionen und Services experimentieren können und ihren Kunden zeitgemäße Produkte anbieten, die heute noch vielfach von Start-ups aus dem Bereich Finanztechnologie, den sogenannten FinTech-Unternehmen, auf den Markt gebracht werden. Mit der PSD2-Richtlinie wird dieser überschaubare Rahmen nun gesprengt: PSD2 legt fest, welche Daten ausgetauscht werden sollen und dass dies von den Banken als kostenloser Service zu gestalten ist. Das öffnet Tür und Tor für alle möglichen Zahlungsservices. So ist es denkbar, dass viele OnlineShops ihr eigenes Payment-Modul entwickeln. Die Banken sollen nun gemäß PSD2 eine Möglichkeit schaffen, hier direkt zu interagieren. Diese Anforderung ist keineswegs trivial, verlangt sie doch ein hohes Maß an Standardisierung bei angemessenem technischen Aufwand für die anzubindenden Web shops. Für die Banken wird sich die Art und Weise, wie sie Daten verarbeiten, dadurch massiv verändern. Dies kann nur eine äußerst flexible und skalierbare Infrastruktur leisten. Derzeit sind viele Banken technisch dazu nicht in der Lage, da sich bisher zumeist die Dienstleistungspartner darum kümmerten und eigene digitale Lösungen an das vorhandene System lediglich angedockt wurden, ohne grundsätzlich das Konzept in Frage zu stellen. Hier setzt an, was man unter „Digitaler Strategie“ subsummieren könnte: eine Infrastruktur, die den unterschiedlichsten Auswirkungen der Digitalisierung Rechnung trägt. gi Geldinstitute 1 | 2016 Flexible Schnittstellen als Dreh- und Angelpunkt Eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung der IT-Infrastruktur nehmen Schnittstellen (Application Programming Interfaces, APIs) ein: Wie eine zwischengelagerte Ebene verknüpfen sie Prozesse und Daten und bleiben dabei jederzeit adaptierbar sowie erweiterbar. Zwangsläufig werden dabei Prozesse und Daten getrennt, was eine modulartige Flexibilität erst ermöglicht. Für viele Banken bedeutet dies, dass sie ihre komplette Infrastruktur auf den Prüfstand stellen müssen. Bestenfalls liefert die API-Lösung ein weiteres Schlüsselelement mit: ein leistungsfähiges API-Management. Es schafft die notwendige Transparenz durch Monitoring-Funktionen, welche die Datenflüsse visualisieren und damit steuerbar machen, sorgt für die unerlässlichen Sicherheitsmaßnahmen von Daten-Verschlüsselung bis hin zu Identity Management und löst Kompatibilitätsfragen zwischen verschiedenen Systemen und deren Daten. n Bildquelle: Fotolia_iconimage zwischengeschalteten Unternehmen einige Informationen von der Bank, die bei Bedarf ausgetauscht werden. Bildquelle: Fotolia Die Anbindung neuer Partner, ganz gleich ob im Sinne von PSD2 oder zur Ausweitung der eigenen Dienstleistungen, lässt sich mit einer API-basierten Strategie deutlich einfacher und zukunftssicherer umsetzen. Und die Zukunft heute schon mitzudenken, wird sich als entscheidender Businessfaktor erweisen: Denn die Kunden legen bereits jetzt ein rasantes digitales Tempo vor und werden auf zu klassisch agierende Dienstleister nicht warten.
© Copyright 2025 ExpyDoc