TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C KTENÜBUN G IM STRAFR ECHT WINTERSEMESTER 2015/ 2016 DR. VICTORIA IBOLD Einheit 5: Betrug, Lösungsvorschlag Fall 1: Strafbarkeit des A TUTORIUM ZUR VOR GERÜ C K TENÜBUNG IM STRAFR ECHT Hinweis: Hier müssen Sie beim Aufbau der Lösung einerseits streng chronologisch, andererseits klausurtaktisch vorgehen: WINTERSEMESTER 2015/ 2016 Chronologisch, indem Sie zunächst eine Strafbarkeit hinsichtlich der zeitlich früheren TatSEBASTIAN WACHSMANN, DR. VICTORIA I BOLD handlung „Verstecken der Schokolade unter dem Prospekt“ prüfen und dann hinsichtlich der späteren Tathandlung „Passieren der Kasse“. Klausurtaktisch beginnen Sie hinsichtlich der zweiten Tathandlung mit der Prüfung des Betrugs, weil Sie – idealerweise vorher – bereits wissen, dass Sie eine Betrugsstrafbarkeit ablehnen und einen Diebstahl bejahen. Auf diese Weise erreichen Sie eine vollständige Prüfung hinsichtlich der jedenfalls zu bejahenden Tatbestandsmerkmale des Betrugs. A. § 242 I A könnte sich gem. § 242 I strafbar gemacht haben, indem er die Schokolade unter den Prospekt schob. Tatbestand Objektiver Tatbestand: 1. Tatobjekt fremde bewegliche Sache (+) 2. Wegnahme Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Unter Gewahrsam ist die vom natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft zu verstehen, deren Reichweite sich nach der Verkehrsanschauung richtet. Ursprünglich hatte der Ladeninhaber X Gewahrsam an der Schokolade, da sich diese in seinem Ladengeschäft und damit in seiner Gewahrsamssphäre befand. Fraglich ist, ob A neuen Gewahrsam begründet hat. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 18 Innerhalb einer fremden Gewahrsamssphäre wird neuer Gewahrsam allein durch Ergreifen nur bei kleinen, in der Hand zu verbergenden Gegenständen, z.B. Schmuckstücken, begründet, Apprehensionstheorie. Die Schokoladentafel ist hierfür zu groß. Das Ergreifen führt daher noch nicht zu einem Gewahrsamswechsel. Das Verstauen im Einkaufswagen könnte neuen Gewahrsam begründen, wenn der Einkaufswagen eine Gewahrsamsenklave darstellen würde. Das ist ein Bereich, der Kontrollen des Geschäftsinhabers entzogen ist, weil ein Zugriff sozial auffällig wäre, v.a. Jacken -Innentaschen, Handtasche. Ein Einkaufswagen gehört jedoch nicht zur Tabuzone des A, sodass es an dieser Stelle noch nicht zu einem Gewahrsamswechsel kam. 3. Zwischenergebnis: Eine Wegnahme liegt nicht vor. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. Ergebnis: § 242 I (-) B. § 263 I A könnte sich gegenüber der Kassiererin und zu Lasten des Geschäftsinhabers X gem. § 263 I strafbar gemacht haben, indem er einen Karton mit H -Milch auf das Band auflegte und mit dem Einkaufswagen an der Kassiererin vorbeifuhr. Anmerkung: Beim Dreiecksbetrug muss die Dreierkonstellation schon im Obersatz zum Ausdruck kommen. Aufbauschema § 263 I I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Täuschung über Tatsachen b) (dadurch) Irrtumserregung c) (dadurch) Vermögensverfügung d) (dadurch) Vermögensschaden 2. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven TB (oben 1.) b) Absicht, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen c) (Objektive) Stoffgleichheit zw. erstrebtem Vermögensvorteil und eingetretenem Schaden und entsprechender Vorsatz d) (Objektive) Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und entsprechender LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 3 VON 18 Vorsatz 3. Qualifikation § 263 V II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Strafzumessungsregeln, § 263 III V. Ggf. Strafverfolgungsvoraussetzung: Strafantrag, § 263 IV i.V.m. §§ 247, 248a I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Täuschung über Tatsachen Tatsachen sind konkrete Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Werturteile – äußere Tatsachen & innere Tatsachen Reine Werturteile sind keine Tatsachen, da diese nicht dem Beweis zugänglich sind; bei der Bewertung ist kein richtig oder falsch, sondern nur ein vertretbar oder nicht vertretbar möglich. Auch innere Tatsachen sind Tatsachen i.S.v. § 263 I. Dies sind Überzeugungen oder Absichten des Täters, z.B. die Zahlungswilligkeit beim Eingehungsbetrug. Die Zahlungsfähigkeit wäre dagegen eine sog. äußere Tatsache. Ein Sachverständigengutachten kann man sowohl als äußere Tatsache (wegen Erwartung der Objektivität und Richtigkeit) als auch innere Tatsache (Überzeugung des Sachverständigen von Richtigkeit) wie auch als Werturteil (aber mit Tatsachenkern) ansehen. Der Übergang von der Überzeugung zum reinen Werturteil ist fließend. Die Einordnung hängt entscheidend davon ab, ob dem Werturteil ein Tatsa chenkern zu Grunde liegt. Der Umstand, dass A alle Waren aus dem Einkaufswagen aufgelegt hat bzw. sich keine Waren mehr im Wagen befanden, ist ein gegenwärtiger, beweisbarer Zustand und mithin eine äußere Tatsache. Eine Täuschungshandlung liegt vor, wenn der Täter mit dem Ziel der Irreführung auf das intellektuelle Vorstellungsbild des Opfers einwirkt. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 4 VON 18 Anmerkung: Nach h.M. enthält damit die Täuschung ein subjektives Element bereits im objektiven Tatbestand. Dies hat zur Folge, dass bei fehlendem Bewusstsein bzgl. der Täuschung schon der objektive Tatbestand entfällt und nicht wie sonst der subjektive Vorsatz. Wichtig: Es gibt folgende drei Täuschungsformen: 1. Ausdrücklich 2. Konkludent = wenn die Verkehrsauffassung einem Täterverhalten einen bestimmten Erklärungswert beimisst (häufiger Fall in der Klausur) 3. Durch Aufrechterhaltung eines bestehenden Irrtums durch Unterlassen bei entsprechender Pflicht zur Aufklärung, dann unechtes Unterlassungsdelikt, § 13. Beachte: Diese Formen stehen in einem Stufenverhältnis, d.h. insbesondere die Täuschung durch Unterlassen darf erst geprüft werden, wenn eine ausdrückliche oder konkludente Täuschung ausscheidet. Die Anforderungen an eine Täuschung durch Unterlassen sind sehr hoch, da eine Pflicht zur Aufklärung bestehen muss. Eine solche Aufklärungspflicht wird nur in sehr engen Ausnahmen angenommen. A täuschte K nicht ausdrücklich. Jedoch ist nach der Verkehrsauffassung dem Verhalten des A, Aufle gen der Ware, der Erklärungswert beizumessen, dass A damit zum Ausdruck brachte, nur den Karton H -Milch im Einkaufswagen gehabt und alle Waren aufgelegt zu haben. Es liegt also eine konkludente Täuschung durch Tun und kein Unterlassen vor. Hinweis zum Aufbau: Eine Vorprüfung mit der Abgrenzung von Tun und Unterlassen mit der Schwerpunkttheorie ist nur angezeigt, wenn man auch ein Unterlassen prüft. Hier wurde ein Tun untersucht, das gerade beim Betrug vorrangig zu prüfen ist. Es liegt letztlich kein Unterl assen im Rechtssinne vor, sondern konkludentes Handeln. Unterlassen, § 13 Eine Garantenstellung ist vor allem denkbar aus den üblichen, betrugsunspezifischen Gründen wie aus Gesetz (v.a. Aufklärungspflichten, § 666 BGB oder § 60 I 1 Nr. 2 SGB I für Sozialleistungen, Wahrheitspflicht der Parteien im Zivilprozess, § 138 ZPO) oder Ingerenz. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit einer Garantenpflicht aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) bzw. aus besonderen Vertrauensverhältnissen im Rahmen von Vertragsverhältnissen, letzteres aber nur ganz ausnahmsweise (Vorsicht!), nämlich dann, wenn eine besondere LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 5 VON 18 Einstandspflicht für das Vermögen des anderen existiert (insbesondere bei Verträgen mit Beratungscharakter (Anlageberatung, Steuerberatung) oder langjährigen Geschäftsbeziehungen und nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs die Verantwortung für das Unwissenheitsrisiko nicht allein bei einem Geschäftspartner liegen soll. b. Irrtum Durch die Täuschung muss ein Irrtum, also eine Fehlvorstellung über Tatsachen hervorgerufen worden sein. Fraglich ist, ob sich die Kassiererin überhaupt hinreichende Vorstellungen über die Vollständigkeit der aufgelegten Waren machte. Bloße Unkenntnis, sog. ignorantia facti, genügt nicht für den Irrtum. Dieser kann aber bejaht werden, wenn man hier sog. „sachgedankliches Mitbewusstsein“ oder Begleitwissen der Kassiererin annimmt. Immerhin ist es gerade ihre Aufgabe, alle Waren zu berechnen, die ihre Kasse passieren, sich also hierüber Gedanken zu machen. Folglich unterlag die Kassiererin einem Irrtum. c. Vermögensverfügung Eine Vermögensverfügung ist jedes tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten, das bei diesem oder einem Dritten unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt. K hat geduldet, dass A die Kasse passiert und es unterlassen, die Schokolade zu berechnen. Eine Vermögensminderung bei K ist nicht eingetreten, so dass nur ein Dreiecksbetrug zu Lasten des X in Frage kommt. K´s Verhalten müsste eine unmittelbare Vermögensminderung hervorgerufen haben, die dem Inhaber X zurechenbar sein müsste. Es könnte jedoch auch eine Wegnahme, Trickdiebstahl gem. § 242 I, an der Kasse gegeben sein. Die beiden Tatbestände stehen nach ganz h.M. in einem Exklusivitätsverhältnis. Der Sachbetrug ist ein Selbstschädigungsdelikt, der Diebstahl ein Fremdschädigungsdelikt. Anmerkung: Der Einstieg zur Abgrenzung läuft beim Merkmal „Verfügung“. Dort ist zur „Wegnahme“ abgrenzen. Die Kriterien „äußeres Erscheinungsbild“ und „innere Willensrichtung“ wie bei § 249 und §§ 253, 255 sind beim Sachbetrug noch nicht hinreichend. Für einen Sachbetrug muss eine bewusste, freiwillige Gewahrsamsübertragung vorliegen und damit ausnahmsweise ein Verfügungsbewusstsein, um sinnvoll gegen einen Trickdiebstahl abgrenzen zu können. Problem: Anforderungen an das Verfügungsbewusstsein beim Sachbetrug LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 6 VON 18 Wie konkret muss die Vorstellung der Kassiererin hinsichtlich des Verfügungsgegenstands sein und welche Konkretisierung ihrer Vorstellung kann naheliegenderweise angenommen werden? 1. E.A. Genereller Verfügungswille (OLG Düsseldorf NStZ 1993, 286): Ausreichend und bei Kassiererin vorhanden ist das Bewusstsein, über alles im Einkaufswagen zu verfügen, auch wenn sie einzelne Gegenstände gar nicht individualisiert hat. dagegen: Kassiererin wird nicht denken: „Ich verfüge über den Einkaufswagen, egal was drin ist.“ Vielmehr wird sie sich an den Gegenständen orientieren, die sie durch Eintippen individualisiert, wenn auch möglicherweise nicht zu treffend identifiziert hat. Ein Verfügungsbewusstsein bezüglich Gegenständen anzunehmen, die gar nicht in ihr Gesichtsfeld gelangen, ist eine reine Fiktion. Strafbarkeitslücke: Gewahrsamsbruch (§ 242) an der Kasse ermöglicht bei Gewaltanwendung danach die Anwendung von § 252 (Verbrechen); § 263 hingegen nur § 240, 223; 52. 2. H.M. Individualisierungstheorie Verfügender muss den Gegenstand individualisieren. Auf eine zutreffende Identifizierung kommt es aber nicht an, weil einerseits einer betrugsbedingt en Verfügung ein Irrtum stets immanent ist und andererseits auch für das tatbestandsauschließende Einverständnis beim Gewahrsamswechsel des § 242 I ein etwaiger Irrtum keine Rolle spielt. Umstritten sind besonders die Fälle, in denen das Diebesgut in der Verpackung einer anderen Ware versteckt wird, vgl. z.B. Rengier BT I § 2 Rn. 26 Bsp. 3 und § 13 Rn. 39. Die besseren Argumente sprechen gegen einen generellen Verfügungswillen, da dies letztlich eine Fiktion darstellt. Im Fall fehlt es an einer Konkretisi erung seitens der K. Nicht abgestellt werden kann auf Kenntnis des Ladendetektivs, weil diesem auf Grund seines Tätigkeitsbereichs schon die Verfügungsberechtigung fehlt. d. Zwischenergebnis: Mangels Verfügung Tatbestand ( -) Ergebnis: § 263 I (-) C. § 242 I A könnte sich dadurch gem. § 242 I strafbar gemacht haben, dass er mit dem Einkaufswagen samt Schokolade an der Kasse vorbeifuhr und die Schokolade in seinen Rucksack steckte. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 7 VON 18 I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Tatobjekt: fremde, bewegliche Sache (+): Schokolade war gerade nicht Gegenstand einer Übereignung, § 929 BGB. b. Wegnahme Zunächst bestand Gewahrsam des Supermarktinhabers (s.o.). A müsste neuen Gewahrsam begründet haben. Mit der Verkehrsanschauung findet der Gewahrsamswechsel bei Käufen im Selbstbedienungsladen mit dem Passieren der Kasse statt. Angesichts der Tatsache, dass A vom Ladendetektiv beobachtet wird, führt nach der Verkehrsanschauung erst das Verstauen der Schokolade im Rucksack hinter der Kasse zu einem Gewa hrsamswechsel, Gewahrsamsenklave. Im Tabubereich des Rucksacks ist der Gewahrsam auch dem Ladendetektiv entzogen. Dies geschah auch ohne Willen des Berechtigten Geschäftsinhabers X bzw. der Kassiererin K, also ohne tatbestandsausschließendes Einverständnis . Es ist dabei nicht auf den Ladendetektiv abzustellen, da dieser nicht verfügungsberechtigt ist. Diebstahl ist auch kein heimliches Delikt, das Beobachtetwerden schadet nicht. Es handelt sich auch nicht um eine sogenannte Diebesfalle, bei der ein Gewahrsamswechsel zum Zwecke der Überführung des Täters vom Verfügungsberechtigten gewollt ist und ein Bruch damit nicht gegeben wäre. Ein Wegnahme liegt damit vor. 2. Subjektiver Tatbestand a. Vorsatz (+) b. Zueignungsabsicht (+): Aneignungs- und Enteignungskomponente, objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung und entsprechender Vorsatz (+) LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN II. SEITE 8 VON 18 Rechtswidrigkeit (+) III. Schuld (+) IV. Strafantrag, § 248a, erforderlich, da Schokolade bei lebensnaher Auslegung geringwertige Sache. Ergebnis: A ist nach § 242 I strafbar. D. § 263 I A könnte sich eines Forderungsbetruges gem. § 263 I gegenüber K zu Lasten des X strafbar gemacht haben, indem er die Kasse mit den Einkaufswagen passierte. Dies kommt in Betracht, da die Kassieren auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche oder des X auf Herausgabe gem. §§ 985, 812 I 1 Alt. 2, 861 I, 823 I etc. BGB verzichtet hat. E.A. sieht in dieser Konstellation bereits den Tatbestand des Betrugs nicht erfüllt, da bei normativer Betrachtung der Rechtsgutsangriff einheitlich und zwar als Diebstahl zu werte n sei oder da keine relevante Schadensvertiefung gegeben sei. Nach a.A. ist tatbestandlich ein Betrug oder ein versuchter Betrug gegeben. Das Unrecht der Tat sei jedoch durch den schwerwiegenderen Diebstahl konsumiert. Nach allen Ansichten wurde kein zusätzliches strafbares Unrecht verwirklicht, sodass ein Streitentscheid offenbleiben kann. Anmerkung: Für den Forderungsbetrug wird es nicht viele Punkte geben, daher müssen diese Ausführungen genügen. Eine Prüfung wäre zu umfangreich. Man müsste darauf eingehen, dass beim Forderungsbetrug kein Verfügungsbewusstsein nötig ist, untersuchen, ob die Herausgabeansprüche wirtschaftlich betrachtet werthaltig sind (im Normalfall entkommt der Dieb unerkannt und die Forderung kann nicht realisiert werden) und ob ein Schaden bzw. eine Schadensvertiefung vorliegt. Verneint man den Erfolg müsste noch ein Versuch angeprüft werden. Oft lässt sich bei Diebstahl/Sachbetrug auch ein Forderungsbetrug bzgl. gesetzlicher Her ausgabeansprüche konstruieren. Das steht nicht in Widerspruch zum Exklusivitätsverhältnis zwischen Diebstahl und Betrug, denn beide Tatbestände schließen sich nur bzgl. desselben Tatobjekts und derselben Tathandlung aus. Hier geht es aber um verschiedene O bjekte (Sache vs. Herausgabeanspruch). Teils wird diese Divergenz durch eine normative Bewertung negiert und auf einen einheitlichen „Nehmeakt“ abgestellt, für den das übliche Exklusivitätsverhältnis gelte ( Rengier BT I § 13 Rn. 115 m.w.N.). LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 9 VON 18 Zumindest ist § 263 in solchen Konstellationen subsidiär. In der Klausur kann man bei Zeitnot mit einem Satz im Urteilsstil feststellen, dass auch ein Forderungsbetrug verwirklicht ist, dieser aber zurücktritt. E. Strafbarkeit gem. § 123 I Var. 1 (-), wegen tatbestandsausschließendem Einverständnis (generelle Zutrittserlaubnis) bei äußerlich unauffälligem Kunden. F. Gesamtergebnis: A hat sich gem. § 242 I strafbar gemacht. § 246 fällt auf Grund gesetzlich angeordneter Subsidiarität weg. Klausurtipp: Im Examen könnte der Sachverhalt noch weiter entwickelt werden. A würde sich gegen den Ladendetektiv in Beutesicherungsabsicht bzw. erneuter Zueignungsabsicht wehren. Es wäre dann Raub (erneuter Gewahrsamsbruch? Finalität?) und v.a. räuberischer Diebstahl § 252 zu prüfen. Zu § 252 käme man nicht, wenn man als Vortat einen Betrug statt eines Diebstahls annehmen würde. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 10 VON 18 Fall 2: Strafbarkeit der B A. § 263 I B könnte sich gem. § 263 I StGB gegenüber P und zu Lasten des A strafbar gemacht haben, in dem sie von P den Ersatzschlüssel mit der Behauptung heraus verlangte, A habe ihr dies gestattet. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Täuschung und Irrtum Eine Täuschungshandlung der B und ein darauf beruhender Irrtum des P liegen vor, indem B dem P erfolgreich glauben machte, sie sei zur Benutzung des Ferraris berechtigt, was sie in Wahrheit nicht war. b. Vermögensverfügung Fraglich ist, ob in der Herausgabe des Schlüssels durch P eine Vermögensverfügung zu sehen ist, also ein Tun, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Verm ögensminderung führt. Durch die Weitergabe des Schlüssels an B könnte P eigenen Besitz an dem Pkw übertragen haben. Jedoch ist P nicht selbst Besitzer des Pkw, sondern Besitzer ist A sowie auch der Betreiber der Sammelgarage, in der der Pkw des A untergestellt ist. P hingegen ist allenfalls Besitzdiener, daher gem. § 855 BGB nicht selbst Besitzer. Insoweit scheidet ein Betrug zu Lasten des P aus. Allerdings hat P durch die Weitergabe des Schlüssels einen Übergang des Besitzes an dem Pkw von A auf B bewirkt. Der Besitz ist ein von § 263 geschützter Vermögensbestandteil und auch der nur vorübergehende Besitzverlust führt zu einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Vermögens, wenn für die Besitzüberlassung üblicherweise ein Entgelt zu entrichten ist. Für die vorübergehende Nutzung eines Pkw ist tatsächlich üblicherweise ein (Miet-)Entgelt zu entrichten; zudem wird der Pkw durch die vorübergehende Nutzung abgenutzt und Benzin verbraucht, was wiederum einen wirtschaftlichen Nachteil bedeutet. Damit steht also das Vermögen eines Dritten in Rede, sogenannter Dreiecksbetrug, was grundsätzlich möglich ist, da bei einem Betrug nur Getäuschter und Verfügender identisch sein müssen. Verfügender und Geschädigter können hingegen divergieren. Dieser setzt voraus, dass die von P getroffene Vermögensverfügung dem A als eigene zurechenbar ist und sich die Weitergabe des Schlüssels durch P d eswegen als Selbstschädigung des A darstellt. Ist eine Zurechnung hingegen nicht möglich, so ist die Herausgabe des Schlüssels durch P als fremdschädigender Eingriff von außen anzusehen und der Gewahrsamsverlust an dem Auto LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 11 VON 18 ist als Gewahrsamsbruch und dami t als Trickdiebstahl in mittelbarer Täterschaft durch das Werkzeug P zu werten. Die Frage der Zurechenbarkeit der Vermögensverfügung bestimmt sich danach, ob zwischen dem Verfügenden P und dem Geschädigten A ein hinreichendes Näheverhältnis besteht. Die Anforderungen an dieses Näheverhältnis sind umstritten: Problem: Wie muss die Beziehung zwischen dem Dritten und dem Geschädigten sein, damit eine Vermögensverfügung vorliegt? 1. Ermächtigungs- bzw. Befugnistheorie (engste Ansicht) Vermögensverfügung nur dann, wenn der Dritte den Geschädigten „im Gewahrsam vertritt“ und ihm eine rechtliche Befugnis zur Übergabe zusteht. dagegen: - Zivilrechtliche Orientierung passt nicht zu eher wirtschaftlicher Betrachtung bei § 263 (Verfügung, Schaden). - Zu eng 2. Rein faktische Nähetheorie Vermögensverfügung, wenn der Dritten rein tatsächlich in der Lage ist, über das Vermögen des Geschädigten zu verfügen. dagegen: - Zu weit, da bloß tatsächliches Näheverhältnis keine Grundlage für Zurechnung des Verhaltens zu Geschädigten darstellen kann. - Abgrenzung zum Diebstahl in mittelbarer Täterschaft so nicht möglich, da auch dort faktische Zugriffsmöglichkeit des Dritten vorausgesetzt ist. 3. Lagertheorie (Lehre vom normativen Näheverhältnis – h. L.) Dritter muss (schon vor der Tat) im „Lager“ des Geschädigten stehen und faktisch als Repräsentant tätig werden, indem er eine Obhutsbeziehung zu der konkreten Sache hat. aa. Theorie der rechtlichen Befugnis, Ermächtigungstheorie Nach einer Ansicht wird darauf abgestellt, ob der Verfügende über eine rechtliche Befugnis zur Verfügung über die fremde Sache besitzt. Maßgeblich für das Vorliegen der Befugnis ist, dass sich der Getäuschte – nach seiner irrtumsbedingten Vorstellung – in dem Rahmen hält, der ihm auch objektiv ei ngeräumt worden ist. Hier ist LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 12 VON 18 P der Ansicht, die Herausgabe des Schlüssels erfolge innerhalb seiner objektiv vorhandenen Befugnisse, so dass eine Verfügung vorliegt. bb. Theorie von der normativen Nähe: “Lagertheorie” Nach dieser weitergehenden Theorie ist darauf abzustellen, ob der Verfügende im Lager des Geschädigten steht, d.h. ob er sich also innerhalb der Machtsphäre des Berechtigten befindet und diesen im Gewahrsam vertritt oder ob er von außen eigenmächtig in die fremde Gewahrsamssphäre eindringt. Erforderlich ist jedenfalls, dass das Näheverhältnis schon vor der Tatbestand. Das Auto wurde der Obhut des P vor der Tat anvertraut: Es ist ein besonderes Näheverhältnis zwischen P und A anzunehmen, so dass P im Lager des A stand cc. Faktische Nähetheorie Eine Vermögensverfügung liegt bereits dann vor, wenn der Dritten rein tatsächlich in der Lage ist, über das Vermögen des Geschädigten zu verfügen. Diese Möglichkeit hatte P. Alle Ansichten kommen zum selben Ergebnis, daher ist ein Streitentscheid entbehrlic h. Im Aushändigen des Ersatzschlüssels und dem Herausfahren lassen aus der Garage ist folglich eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung des P für A zu sehen. c. Vermögensschaden Bei A müsste ein Vermögensschaden eingetreten sein, der dann vorliegt, wenn auf Grundlage einer Gesamtsaldierung ein Vergleich des Vermögens des A vor und nach der Vermögensverfügung ein negatives Saldo ergibt. Eine Vermögensminderung in Form eines vorübergehenden Besitzerverlustes bei A ist eingetreten (s.o.). Eine Kompensation dieser Vermögensminderung zu Gunsten des Vermögens des A ist nicht erkennbar. 2. Subjektiver Tatbestand a. Vorsatz (+) b. Bereicherungsabsicht Der erstrebte Gebrauchsvorteil des Fahrzeugs stellt eine Vermögensposition dar, sodass B in der Absicht handelte, sich selbst einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Rückführungswille ist beim Betrug unbeachtlich. Der Schaden des A, Besitzverlust und Werteinbuße, und erstrebter Vorteil für B, Besitz und Gebrauch, sind auch stoffgleich. Die erstrebte Bereicherung war rechtswidrig, da B keinen Anspruch auf Besitz und Gebrauch des Pkw hatte . Dies nahm B auch in ihren Vorsatz auf. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN II. SEITE 13 VON 18 Rechtswidrigkeit (+) III. Schuld (+) IV. Strafantrag Angesichts des tatsächlich entstandenen geringen Schadens könnte ein Strafantrag gem . §§ 263 IV i.V.m. 248a erforderlich sein. Jedoch muss in Rechnung gestellt werden, dass sich B´s Tatentschluss darauf richtete, einen Schaden über der Geringwertigkeitsgrenze von 50 EUR zu herbeizuführen, indem sie den wertvollen Ferrari über viele Kilometer viele Tage lang ins Ausland bringen wollte. Der Nutzungsausfall und die Abnutzung wären erheblich gewesen. Nach überzeugender Ansicht muss sowohl der Schaden objektiv geringwertig sein als auch der Vorsatz des Täters auf Geringwertigkeit gerichtet sein. Das ist bei B nicht der Fall. Es ist daher kein Strafantrag erforderlich. Anmerkung: Eine ausführliche Lösung des Antragsproblems macht natürlich nur Sinn, wenn der Bearbeitervermerk „erforderliche Strafanträge sind gestellt“ fehlt. Ergebnis: B hat sich gem. § 263 I gegenüber P und zu Lasten des A strafbar gemacht. B. §§ 242, 25 I Alt. 2 B hat sich durch dieselbe Handlung nicht gem. §§ 242, 25 I Alt. 2 strafbar gemacht, da kein Gewahrsamsbruch gegeben ist. Es lag ein zwar täuschungsbedingtes, aber wirksames, dem A zurechenbares, tatbestandsausschließendes Einverständnis des P hinsichtlich des Gewahrsamswechsels vor. A hatte P sogar eine Befugnis erteilt, über seine Gewahrsamsposition zu disponieren. Eine Strafbarkeit aus § 248b scheitert daran, dass P der B eine dem Berechtigten A zurechenbare tatbestandsausschließende Gestattung der Benutzung erteilt hat. Anmerkung: In der Klausur ist es eine Frage des Zeitmanagements und der Schwerpunktbildung, inwieweit man bei alternativen Tatbeständen wie § 242 und § 263 auch auf das nicht einschlägige Delikt eingeht. Eine kurze Prüfung im Urteilsstil des nicht gegebenen Delikts (hier § 242) nach Prüfung des einschlägigen (hier § 263) stellt oft einen guten Mittelweg zwisc hen ganz Weglassen und ausführlich prüfen dar. Wenn Sie bereits bei § 263 das Exklusivitätsverhältnis deutlich gemacht haben, können Sie §§ 242, 25 I Alt. 2 auch weglassen. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 14 VON 18 Anmerkung: Die Prüfung des Regelbeispiels § 263 III 2 Nr. 2 und Untreue in mittelb arer Täterschaft bot sich nicht in einer Weise an, dass man die Prüfung in die Klausur mit aufnehmen sollte. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 15 VON 18 Fall 3: Strafbarkeit des C A. §§ 263 I i.V.m. III 2 Nr. 1 Var. 1 C könnte sich gem. § 263 I i.V.m. III 2 Nr. 1 Var. 1 gegen und zu Lasten des D st rafbar gemacht haben, indem er Plagiatsfelgen als Original Porschefelgen zum Verk auf anbot und an D lieferte. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Täuschung über Tatsache (+), Originalware ist Tatsache. Einwirkung auf Vorstellungsbild des D (+) b. Irrtum (+) Der Käufer durfte auch davon ausgehen, Originalfelgen zu erwerben. c. Vermögensverfügung Jedes Tun, Dulden, Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt. aa. Abschluss des Kaufvertrags, Eingehungsbetrug D schließt mit C einen Kaufvertrag über die Felgen ab und verpflichtet sich darin zur Kaufpreiszahlung i.H.v. 1.000 EUR. Die Zahlungsverpflichtung aus dem Kaufvertrag mindert damit das Vermögen des D i.H.v. 1.000 EUR. Eine Vermögensverfügung im Rahmen eines Eingehungsbetruges liegt vor. bb. Kaufpreiszahlung Auch die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises führt zu einem Vermögensabfluss bei D i.H.v. 1.000 EUR und stellt damit eine Vermögensverfügung dar (Erfüllungsbetrug). Die Verfügungen erfolgten auch irrtumsbedingt. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 16 VON 18 d. Schaden D hat einen Vermögenschaden erlitten, wenn auf Grundlage einer Gesamtsaldierung ein Vergleich des Vermögens des D vor und nach der Vermögensverfügung einen negativen Saldo ergibt. Aufbauhinweis: D hat täuschungsbedingt erst den Kaufvertrag abgeschlossen (Eingehungsphase) und dann infolge des fortwirkenden Irrtums in der Erfüllungsphase den Kaufpreis bezahlt. Die Kaufpreiszahlung beruht also auf derselben Täuschung, die schon den Vertragsabschluss h erbeiführte. Insoweit handelt es sich um den Fall eines abgewickelten Eingehungsbetruges. Diese Betrugsform ist insoweit unproblematisch, als sich bei ihr nicht die mit dem Stichwort „Eingehungsbetrug” typischerweise verbundene Frage stellt, ob schon mit d em Vertragsabschluss als solchem der Tatbestand vollendet sein kann. Deshalb darf und sollte man hier bei der Bestimmung des Vermögenschadens gleich den Zeitpunkt der Erfüllung ( Kaufpreiszahlung) ins Visier nehmen, ohne sich lange bei der subsidiären Eingehungsphase (Vertragsabschluss) aufzuhalten, vgl. hierzu Rengier BT I, § 13 Rn. 171; Rengier JuS 2000, 644, 645. aa. Saldierung von Leistung und Gegenleistung Eine Vermögensminderung i.H.v. 1.000 EUR ist hier im Eingehen des Kaufvertrages bzw. der Kaufpreiszahlung durch D zu sehen (s.o.). Möglicherweise könnte diese Vermögensminderung jedoch kompensiert sein, indem C die Felgen im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrages an D übereignet und den Besitz daran übertra gen hat. Die Felgen, die C an D übereignet hat, hatten einen Marktwert von 1.000 EUR, saldiert man also hier Leistung – die Kaufpreisverpflichtung bzw. die Kaufpreiszahlung – und Gegenleistung – (Anspruch auf ) Übereignung und Übergabe der Felgen – ergibt sich ein Saldo von 0 und damit kein negatives Saldo zu Lasten des D. Umstritten ist jedoch, ob in einer solchen Konstellation – nämlich der Vorspiegelung werterhöhender Eigenschaften – bei der Saldierung nicht der Anspruch auf die geschuldete Leistung – hier nämlich Anspruch auf Übergabe und Übereignung von Felgen der Marke Porsche im Wert von 3.000 EUR – zu Grunde zu legen ist. Dies wird von einer Mindermeinung so vertreten, mit der Konseque nz, dass sich hier ein negativer Saldo zu Lasten des D i.H.v. 2.000 EUR ergeben würde. Von der Mindermeinung wird angeführt, dass die vorliegende Konstellation eines „unechten“ Erfüllungsbetruges vergleichbar sei mit der eines „echten Erfüllungsbetruges. Bei einem „echten“ Erfüllungsbetrug täuscht der Täter i n der Eingehungsphase zunächst nicht; erst in der Erfüllungsphase des Vertrages täuscht der Täter bspw. über den Wert der übereigneten Sache. Dies hat zur Folge, dass bei der Saldierung der erworbene idR höherwertige Erfüllungsanspruch mit der erhaltenen G egenleistung zu saldieren ist und sich so regelmäßig ein Vermögenschaden ergibt. Nach der h.M. und Rspr. ist dies abzulehnen; vielmehr kommt es auf einen Wertvergleich von Leistung und Gegenleistung nach wirtschaftlichen Kriterien an. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 17 VON 18 Für die h.M. und Rspr. spricht, dass der Anspruch auf die geschuldete Leistung (Felgen im Wert von 3.000 EUR) erst durch den Vertragsabschluss selbst entsteht und damit für den maßgeblichen Saldierungszeitpunkt noch nicht als Vermögensbestandteil herangezogen werden kann. Die vorliegende Konstellation des unechten Erfüllungsbetrugs unterscheidet sich insofern deutlich vom echten Erfüllungsbetrug, als dass der Täter bereits bei Vertragsschluss nur die minderwertige Ware liefern wollte und deswegen der Anspruch auf diese Leist ung bereits von Anfang an bei rein wirtschaftlicher Betrachtung nicht über den Wert der minderwertigen Ware hinausgeht. Beim echten Erfüllungsbetrug erwirbt der Geschädigte hingegen einen Anspruch auf die höherwertige Leistung, der auch tatsächlich erfüllt werden soll, sodass bei wirtschaftlicher Betrachtung das Vermögen bei Vertragsabschluss höher ist und erst bei Erfüllung eine Einbuße erleidet, wenn die schlussendlich geleistete Ware qualitativ hinter dem ursprünglich zu Leistendem zurückbleibt. Wirtschaftlich gesehen bleibt bei D letztlich lediglich eine angestrebte Vermögensmehrung aus, indem er hoffte Felgen, die eigentlich 3.000 EUR kosten zu eine „Schnäppchenpreis“ von 1.000 EUR zu erlangen. § 263 StGB schützt aber nur das Vermögen und nicht auch die Dispositionsfreiheit, entsprechend fällt eine erhoffte Vermögensmehrung nicht in den Schutzbereich des § 263 StGB. Im Ergebnis kompensiert damit der Anspruch auf Übereignung und Übergabe der Felgen bzw. die vorgenommene Übereignung und Übergabe der Felgen die eingetretene Vermögensminderung. Ein Vermögensschaden bei Saldierung von Leistung und Gegenleistung ist nicht gegeben. Ein Forderungsbetrug hinsichtlich des Verzichts auf Gewährleist ungsrechte muss nicht eigens geprüft werden, dieser geht im unechten Erfüllungsbetrug auf. bb. Individueller Schadenseinschlag Ein Vermögensschaden liegt in Ausnahmefällen dann vor, wenn der Empfänger die Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zwecke oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann. Ausnahmsweise wird also doch die Dispositionsfreiheit geschützt und nicht das Vermögen im Bestand. Eine anerkannte Fallgruppe des individuellen Schadenseinschlags ist gege ben, wenn die Leistung für den Empfänger nicht voll verwertbar ist bzw. sonst unzumutbar ist. Das könnte hier gegeben sein, da D den Porsche mit Plagiatsfelgen nicht wie einen komplett originalen Porsche weiterverkaufen kann. Für eine Verkaufsabsicht ist a ber zum Einen nichts ersichtlich. Der erkennbare Vertragszweck war zum Anderen nur auf die Nutzung der Felgen im Straßenverkehr ausgerichtet. Die Plagiatsfelgen sind voll nutzbar. Auch die Einbuße an Fahrvergnügen, wenn nicht alle Teile original sind, kann keine Ausnahme vom Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtung rechtfertigen. Hinzu kommt, dass D nicht in individueller Weise betroffen ist sondern wie jeder geprellte Käufer. LUDWIG-MAXIMILIANS-UNI VERSITÄT MÜNCHEN SEITE 18 VON 18 In der Gesamtschau liegt daher kein individueller Schadenseinschlag und damit kein Schaden vor. Die Frage, ob darüber hinaus eine Kompensation durch gesetzliche Gewährleistungsrechte bzw. sonstige Schadensersatzansprüche möglich ist, kann dahinstehen, da jedenfalls ein Vermögenschaden nicht gegeben ist. Anmerkung: Der Originalfall war komplizierter: Den Felgen fehlten im Gegensatz zum Original die Prüfnummern des Kraftfahrbundesamtes, der Käufer musste die Felgen noch einem kostspieliges, zeitraubenden Prüfverfahren unterziehen. Diese Zusatzkosten und der Zeitverlust konnten als wei tere individuelle Schadenspositionen geprüft werden, vergleichbar dem Gebrauchtwagenkauf mit versteckten Mängeln. Der BGH verneinte jedoch einen Schaden, da zu unbestimmt und der Käufer nicht in individueller Weise betroffen. Es wäre noch auf die Kompensation des Schadens durch gesetzliche Ansprüche und Rechte wie § 312b oder § 312d oder 123 BGB oder § 823 BGB einzugehen. Auch die Anforderungen an den Vorsatz des Täters bzgl. des individuellen Schadenseinschlages sind umstritten. Das Prozessrisiko wegen Verfolgung markenrechtlicher Ansprüche durch Porsche war nicht in die Lösung einzustellen. . Anmerkungen an:. [email protected]
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