Immer mehr fürs Militär

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Schweigekartell
Am 24. März 1976 putschte in Argentinien das ultrarechte Militär. Zehntausende Oppositionelle wurden
während der Diktatur ermordet –
darunter auch Deutsche wie der
Student Klaus Zieschank.
Von Elvira Ochoa und Frieder Wagner
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EU und USA wollen Libyen mit
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Computerspiele, Comics, Filme: BunPrivatisierung: Im Landkreis Börde wird Prächtige Profite dank 2,3 Millionen
deswehr lässt sich ihre Rekrutenunprofitable medizinische GrundHäftlingen. US-Gefängnisbranwerbung etwas kosten
versorgung eingestampft
che macht dickes Plus
Abschiebung in den Krieg
Israel sperrt
Palästinenser aus
Jerusalem. Israel verwehrt über die
örtlichen Karnevalsfeiertage allen
Palästinensern aus dem besetzten
Westjordanland die Einreise. Die
Massenaussperrung trat in der
Nacht zum Mittwoch in Kraft und
soll bis mindestens Samstag abend
aufrecht erhalten werden, wie die
Armee am Mittwoch mitteilte. Sie
erfolge auf Anordnung der Regierung und stütze sich »auf eine
aktuelle Lagebeurteilung«. Betroffen sind insbesondere die fast
60.000 palästinensischen Pendler,
die eine Arbeitserlaubnis für Israel
haben. Ob die Palästinenser aus
den Besatzungsgebieten danach
wieder die Kontrollpunkte in Richtung Israel passieren dürfen, soll
erst am Samstag abend entschieden werden. Ausnahmen würden
nur in humanitären oder medizinischen Notfällen gemacht, gab eine
Armeesprecherin an. (AFP/jW)
Amnesty International: Türkei transportiert abgefangene Flüchtlinge nach Afghanistan.
Helfer verurteilen Pakt zwischen Brüssel und Ankara. Von André Scheer
D
Flüchtlinge warten am Dienstag im Hafen von Mytilene auf Lesbos auf ihre Weiterfahrt in das Aufnahmelager Moria
dokumentiert. So wurden Flüchtlinge
an der westlichen Grenze aufgegriffen
und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand nach Syrien oder in den Irak
abgeschoben. Die EU-Kommission
versprach damals, sich mit dieser »ernsten Angelegenheit weiter befassen« zu
wollen. Passiert ist nichts.
Scharfe Kritik am Verhalten der EU
äußerte auch das Flüchtlingshilfswerk
der Vereinten Nationen UNHCR. Man
habe bisher die »Hotspots« auf den
griechischen Inseln unterstützt, in denen Flüchtlinge empfangen und registriert wurden, teilte die Organisation
auf ihrer Homepage mit. Nach dem
Abkommen zwischen Brüssel und An-
kara seien diese »Hotspots« nun jedoch
zu »Hafteinrichtungen« geworden. Als
Reaktion darauf habe das U
­ NHCR
seine Arbeit teilweise ausgesetzt. Helfer auf der griechischen Insel Lesbos
berichteten, dass neu ankommende Flüchtlinge seit Inkrafttreten des
Flüchtlingspakts wie Kriminelle behandelt würden. Wenn sie im Auffanglager ankommen, werden ihnen demnach Schnürsenkel, Gürtel und Handys
abgenommen, meldete die Deutsche
Presseagentur. Anschließend würden
sie in einem ehemaligen Gefängnis in
Baracken untergebracht, die sie nicht
verlassen dürften. »UNHCR wird jedoch weiterhin vor Ort präsent sein, um
sicherzustellen, dass Schutzstandards
beachtet werden«, kündigte das Hilfswerk an. Die Organisation Ärzte ohne
Grenzen beendet ihre Arbeit auf Lesbos dagegen vollständig, »weil uns die
Fortführung der Arbeit zu Komplizen
eines Systems machen würde, das wir
als unfair und unmenschlich ansehen«,
erklärte Landeskoordinatorin Marie
Elisabeth Ingres. »Wir werden nicht
zulassen, dass unsere Hilfe für eine
Massenabschiebung instrumentalisiert
wird. Wir weigern uns, Teil eines Systems zu sein, das keine Rücksicht auf
die humanitären Bedürfnisse oder die
Schutzbedürfnisse von Asylsuchenden
und Migranten nimmt.«
Immer mehr fürs Militär
Im Haushalt für 2017 beschließt die Bundesregierung einen höheren Etat der Bundeswehr
D
ie Bundesregierung hat
Eckpunkte für den Haushalt 2017 beschlossen. Das
wurde am Mittwoch aus Regierungskreisen bekannt. Demnach will der
Bund im kommenden Jahr 325,5
Milliarden Euro ausgeben. Mehr als
in diesem Jahr, für das 316,9 Milliarden vorgesehen sind. Neue Schulden sollen im kommenden Jahr nicht
aufgenommen werden, Mehreinnahmen durch Steuern würden das
erlauben. Ebenfalls gebilligt wurde
eine mittelfristige Finanzplanung.
Ihr zufolge sollen die Ausgaben bis
2020 auf 347,8 Milliarden Euro steigen.
Über ihren Beschluss zeigten sich
alle Koalitionsparteien erfreut. Bundesverteidigungsministerin Ursula
von der Leyen (CDU) lobte etwa die
weitere Militarisierung der Bundesrepublik. In den kommenden vier Jahren soll der Wehretat um 10,2 Milliarden Euro aufgestockt werden. Im Jahr
2020 würden den Militärs dann 39,2
Milliarden Euro statt bislang 34,2
Milliarden im Jahr zur Verfügung stehen. Von der Leyen sprach von einer
»Trendwende«.
Dennoch soll die Aufrüstung noch
darüber hinaus weitergehen. Von der
Leyen sprach in diesem Zusammenhang NATO-Vorgaben an: Das Militärbündnis legt seinen Mitgliedsstaaten nahe, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Armee zu investieren. Für die BRD wären das über
60 Milliarden Euro im Jahr.
Auch die SPD gab sich mit dem
Haushalt zufrieden. Es sei ein Paket »für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration« verankert
worden, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Fünf Milli-
arden Euro seien für den Zweck
vorgesehen.
Wie die sozialen Vorhaben der
Sozialdemokratie aussehen dürften,
wurde ebenfalls deutlich. Nahles
kündigte an, »Arbeitsgelegenheiten«
für Geflüchtete schaffen zu wollen.
Ab kommendem Jahr stünden dafür
300 Millionen Euro bereit. Eine Beschäftigung nach dem Mindestlohn
ist mit einer solchen Summe nicht zu
finanzieren. Das ist aber auch nicht
vorgesehen: Hinter dem Begriff »Arbeitsgelegenheiten« verstecken sich
Ein-Euro-Jobs. (dpa/jW)
KARL-JOSEF HILDENBRAND/DPA
Ver.di ruft zu neuen Streiks
bei Amazon auf
REUTERS/ALKIS KONSTANTINIDIS
ie Warnungen von Menschenrechtsorganisationen
und
Flüchtlingsinitiativen, dass der
Deal zwischen der EU und der Türkei
Menschenleben in Gefahr bringt, hat
sich bestätigt. Wie Amnesty International am Mittwoch berichtete, wurden
nur wenige Stunden nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen Brüssel und Ankara etwa 30 Flüchtlinge,
die an der Überfahrt nach Griechenland gehindert worden waren, von der
Türkei nach Afghanistan abgeschoben.
»Die Tinte der Unterschriften unter
dem EU-Türkei-Deal war noch nicht
ganz getrocknet, als mehrere Dutzend
afghanische Asylsuchende gezwungen
wurden, in ein Land zurückzukehren,
in dem sie sich in Lebensgefahr befinden könnten«, sagte Amnesty-Experte
John Dalhuisen.
Wie die Organisation informierte,
erreichte sie am vergangenen Freitag
um 23.40 Uhr ein Anruf. Der Gesprächspartner habe völlig verängstigt
erklärt, dass er sich in einem Flugzeug
nach Istanbul befinde. Etwa eine Stunde später, bei einem Zwischenstopp
in Ankara, rief er erneut an und sagte,
dass man ihn und etwa 30 weitere afghanische Männer, Frauen und Kinder
nach Kabul abschiebe. Ihre Anträge,
zum Asylverfahren in der Türkei zugelassen zu werden, seien abgelehnt
worden. Seinen Angaben zufolge hatte
er zu einer Gruppe gehört, die versucht
hatte, über den Seeweg Griechenland
zu erreichen. Sie wurde von der türkischen Küstenwache abgefangen und
anschließend in der Küstenstadt Izmir
inhaftiert. »Wenn wir zurückgehen,
werden uns die Taliban töten«, erklärte
er am Telefon. Schon im Dezember
2015 hatte Amnesty International Menschenrechtsverstöße durch die Türkei
Berlin. Vor Ostern hat die Gewerkschaft ver.di erneut zu Streiks beim
US-Onlinehändler Amazon aufgerufen. In dem Tarifstreit gehe es um
eine »grundsätzliche Auseinandersetzung«, erklärte ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger am
Mittwoch: Amazon wolle die Arbeitsbedingungen weiterhin »willkürlich und einseitig diktieren«. Seit
über zwei Jahren ringt ver.di mit
Amazon um die Einführung eines
Tarifvertrages auf dem Niveau des
Einzel- und Versandhandels. Am
Mittwoch streikten Beschäftigte in
den Versandzentren Bad Hersfeld
und Leipzig. Am Donnerstag sind
dann die Mitarbeiter in Rheinberg
und Werne in Nordrhein-Westfalen
dazu aufgerufen. Ihr Ausstand
soll bis Sonnabend dauern. Der
Flächentarifvertrag im Einzel- und
Versandhandel NRW sehe zum
1. Mai eine Erhöhung der Löhne um
zwei Prozent vor. »Wir erwarten,
dass Amazon diese Erhöhung an die
Beschäftigten weitergibt«, forderte
der ver.di-Landesbezirk. (AFP/jW)
wird herausgegeben von
1.817 Genossinnen und
Genossen (Stand 11.3.2016)
n www.jungewelt.de/lpg